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Missouri – Band 3
Bret Harte – Der Sheriff von Siskyou
1. eBook-Auflage – Juli 2012
© vss-verlag Hermann Schladt
Aus dem Amerikanischen von Chris Schilling
Titelbild: Allan Bruder unter Verwendung eines Fotos von pixabay.com
Lektorat: Armin Bappert


Bret Harte

Der Sheriff von Siskyou


Am 15. August 1854 war anscheinend die gesamte Bevölkerung von Wynyards Bar an einem kleinen steilen Hang versammelt, von dem aus man den holprigen Fahrweg, die einzige Zufahrt zur Siedlung, überblicken konnte. In ihrer äußeren Erscheinung unterschieden sich die Männer nur wenig von gewöhnlichen Goldgräbern, obwohl das ausländische Element vorherrschte, das sich in gewissen spanischen Eigentümlichkeiten in Anzug und Farbe äußerte. Einige der Männer fielen darüber hinaus noch durch die Vornehmheit guter Erziehung und Sesshaftigkeit auf. Doch Wynyards Bar war eine Stätte der Zuflucht; unter ihren Einwohnern befanden sich etliche, die von staatlichen Behörden »gesucht« wurden, und ihr Verhalten zu dieser Zeit war offene Rebellion gegen die Macht des Gesetzes und insbesondere Widerstand gegen die Verhaftung eines ihrer bedeutendsten Mitglieder.
Dieser Gentleman, Major Overstone, der, auf einem grauen Mustang reitend, die Bewegung der Menge lenkte, hatte wenige Tage zuvor den Sheriff von Siskyou getötet, als dieser versuchte, ihn für ein zweifaches Vergehen zu verhaften -für die widerrechtliche Aneignung gewisser Staatsgelder und dafür, dass er den Redakteur, der ihn schonungslos entlarvt hatte, erschoss. Das geringere Verbrechen des Totschlags hätte von den Behörden noch übersehen werden können, aber seine Wiederholung an einem ihrer eigenen, übereifrigen und fehlgeleiteten Beamten konnte nicht unbeachtet bleiben, wenn sie Overstone für das schwerer wiegende Vergehen gegen das Eigentum verhaften wollten. So war bekannt, dass ein neuer Sheriff berufen und mit einem bewaffneten »Aufgebot« nach Wynyards Bar unterwegs war. Aber es stand ebenso fest, dass Wynyards Bar diesen Eindringlingen bis auf den letzten Mann Widerstand leisten würde.
Alle Augen waren auf einen Streifen von Lorbeer- und Walnussbäumen gerichtet, der in der Entfernung von einer Meile die Straße säumte, wo sich offenbar die Einwohner, die am Hang fehlten, versteckt hatten, um ein Warnzeichen zu geben oder den Trupp aufzuhalten. Ein grauer Nebel, der langsam zwischen diesem Streifen und den fernen Hügeln aufstieg, wurde als der Staub einer Kavalkade erkannt, die sich auf der unsichtbaren Landstraße bewegte. In der erwartungsvollen Stille, die darauf folgte, waren nur das unregelmäßige Hufgeklapper, der scharfe Knall eines Gewehres und ein plötzliches Haltmachen zu vernehmen. Die Männer auf dem Hang, in einzelne Gruppen aufgeteilt, tauschten ein Lächeln grimmiger Befriedigung.
Nicht so ihr Anführer. Ein jähes Auffahren und ein Fluch lenkten die Aufmerksamkeit auf ihn. Zu ihrer Überraschung schaute er in die entgegengesetzte Richtung, aber als sie auch dorthin blickten, sahen und begriffen sie die Ursache. Eine Reihe von Reitern, bisher unbemerkt, bewegte sich langsam an der kleinen Hügelkette zu ihrer Rechten. Ihre gute Ausrüstung und die gelben Tressen auf den blauen Röcken, deutlich auf diese Entfernung hin sichtbar, ließen sie als eine Kavallerieeinheit der Vereinigten Staaten erkennen.
Bevor noch den Versammelten dieser neue Angriff bewusst wurde, war ganz in der Nähe Hufgeklapper auf der Landstraße zu hören, und aus dem Waldstreifen stürmte ein Mann von der im Hinterhalt liegenden Gruppe herauf. Sein Gesicht war gerötet, aber triumphierend.
»Richtige Stinktiere - zum Teufel noch mal!« stieß er keuchend hervor und wies auf den schwachen Dunst, der sich wieder langsam über der unsichtbaren Straße erhob. »Sie haben sich verzogen, sobald sie uns sahen, aber sie haben ein Loch im Hut von ihrem neuen Sheriff davongetragen. Aber wo guckt ihr denn hin? Was ist los?« Der Anführer zeigte mit finsterer Miene auf die fernen Reiter.
»Reguläre, verdammt!« stieß der andere hervor. »Aber Onkel Sam ist doch gar nicht im Spiel. Mit welchem Recht. -«
»Halt's Maul!« sagte der Anführer.
Die Kavallerie bewegte sich im rechten Winkel auf das Lager zu, hielt aber plötzlich an, in offensichtlicher Verwirrung fast aufeinander reitend. Einen Augenblick lang sah man eine Gestalt ohne Pferd den Hügel hinunterstürzen, von Busch zu Busch springen, bis sie sich im Unterholz verlor. Ein Dutzend Schüsse wurde über ihren Kopf gefeuert, dann wendete die ganze Abteilung und kam mit lautem Hufgetrappel den Pfad zum Lager herab. Ein einzelnes, reiterloses Pferd, anscheinend das des Flüchtlings, folgte.
»Ausschwärmen über die Hügelkette, alle, und nehmt sie aufs Korn, wenn sie in die Schlucht kommen!« rief der Anführer. »Aber keinen Schuss, bis ich's sage! Verteilt euch!«
Die Männer zerstreuten sich wie ein aufgescheuchtes Rudel Präriehunde, kauerten sich hinter jeden erreichbaren Busch und Felsen am Hang. Nur der Anführer trabte ruhig zum Rand der Schlucht.
Die neun Kavalleristen kamen schneidig zu zweit heran, ein junger Offizier führte sie. Die einzelne Gestalt Major Overstones

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: vss-verlag Hermann Schladt
Lektorat: Armin Bappert
Übersetzung: Chris Schilling
Tag der Veröffentlichung: 05.02.2013
ISBN: 978-3-7309-1017-7

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