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Artefakte – Band 7
Hermann Schladt (Hrsg.) – Menschen im Strom der Zeit
Anthologie zum Storywettbewerb „Paläofiction“ – Teil 2
1. eBook-Auflage – Juni 2011
© vss-verlag Hermann Schladt
Titelbild: Mark Heywinkel und Andrä Martyna
Lektorat: Werner Schubert
www.vss-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Axel Kruse Time and Again
Timothy McNeal Zeit-Paare
Andrä Martyna Gorn
Elisabeth Seiberl Seltsamer Fund
Dennis Langlüddecke Die Vergangenheit in meiner Hand
Thomas Backus Fleischfresser (Dino-Fleisch AG)

Axel Kruse

Time and Again

I
„Tut mir leid, wenn ich dich enttäusche, Esther, aber ich kann dabei nicht mitmachen.“ Jorge Diaz seufzte laut auf und betrachtete noch einmal eingehend die ihm gegenübersitzende Frau. Ihre tiefschwarzen Haare waren im Stil der Neunzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts geschnitten, kurz und asymmetrisch. Sie trug die im Freizeitcamp übliche bequeme Kleidung bestehend aus einer weiten Hose, einem sweatshirtähnlichen Oberteil und Mokassins. „Ich werde dir deine Jugend zugutehalten und keine Meldung machen, aber du musst einsehen, dass so ein Vorhaben ein Irrwitz ist!“
Die ungefähr 25-jährige Frau rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoss. Sie hatte nicht erwartet, eine Standpauke von ihm zu erhalten. Sie hatte in ihm eigentlich sogar einen Verbündeten gesehen. – Sicherlich, er hatte in seinem bisherigen Leben eine Menge mehr erlebt als sie, trotzdem gab ihm das nicht das Recht, so zu reagieren. Sie hatte schließlich nichts Ungesetzliches oder moralisch Verwerfliches vor.
Sie wollte ihn lediglich für die LIGA zur VERBESSERUNG, kurz LIVE genannt, gewinnen. Die Vereinigung unter den Zeitreisenden, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, die Geschichte der Menschheit dahingehend zu ändern, dass möglichst alle Gewalt und Kriege vergangener Jahrhunderte vom Antlitz der Erde verschwinden sollten. Der Vereinigung, die – wie sie sich eingestehen musste – zurzeit lediglich aus ihrer Person bestand.
„Du weißt doch, dass jede Veränderung in der Vergangenheit zu einer unüberschaubaren Kette weiterer Veränderungen in der Zukunft führt. Dein Projekt ist zum Scheitern verurteilt! Du hast zum einen nicht genug persönliche Lebensspanne, und selbst wenn du die ganze Organisation überzeugen könntest, würde die addierte Lebensspanne nicht reichen! Zum anderen – und das ist der wichtigere Grund – weißt du doch gar nicht, was passiert, wenn du zum Beispiel Hitlers Geburt verhinderst. Ist das wirklich der Schlüsselpunkt zu Nazideutschland? Finden dann die Judenvernichtung und der zweite Weltkrieg nicht statt? Tritt nicht vielleicht an die Stelle etwas sehr viel Schlimmeres?
Ich weiß nicht was passieren könnte, ich weiß lediglich, was passiert ist: Die Menschheit hat sich von ihrer blutigen und zerstörerischen Vergangenheit losgesagt. Gut, es hat lange gedauert, aber es hat funktioniert. Der Planet wurde gerettet! Jetzt die Vergangenheit ändern zu wollen, um, zugegebenermaßen mit altruistischen Motiven, vielen Menschen unsagbares Leid zu ersparen, ist ein Irrsinn. Damit würde alles aufs Spiel gesetzt, was die Menschheit erreicht hat beziehungsweise noch erreichen wird.“
Jorge Diaz lehnte sich in seinem Stuhl zurück und winkte dem Kellner zu. Er ließ seine Worte erst einmal auf die ihm gegenübersitzende Frau wirken.
Seltsam, dachte er, fast alle jungen Rekruten der Zeitagenten kamen auf dieselbe Idee. Manche waren radikaler, wie Esther Goldschmidt, andere wollten lediglich bestimmte Schlüsselpunkte verändern, wie zum Beispiel die Entdeckung der Atomenergie, die nur Leid über die Erde gebracht hatte. Nur wurde von diesen jungen Leuten einfach übersehen, dass viele (oder alle, oder nur fast alle? Die Wissenschaftler waren sich nicht einig!) Entwicklungen einfach zwangsläufig waren.
Die Entdeckung des Rades, zum Beispiel, war von diesem Knaben vor einigen tausend Jahren gemacht worden. Hätte er sie nicht gemacht, es wäre jemand anderes seiner Epoche gewesen. – In vielen Punkten würde die Zeit sich selbst heilen.
Doch was war mit den Schlüsselpunkten? Falls Hitler nicht existent gewesen wäre – was wäre passiert? Jorge Diaz hatte schon viele Bücher zu diesem Thema gelesen. Die meisten Autoren waren einer Meinung: In Deutschland war eine Entwicklung wie im dritten Reich einfach überfällig und zwangsläufig gewesen. Es hätte einen anderen Hitler oder Müller oder wen auch immer gegeben.
Die Auswirkungen für die ferne Zukunft wären, wahrscheinlich, äußerst gering. Eventuell sogar nicht einmal spürbar.
Andererseits, wer wollte das so genau wissen? Ausprobiert worden war es nicht. Und um zu verhindern, dass dies geschieht, war die Zeitpatrouille gegründet worden. – Ihm fiel sein ganzes Schulwissen wieder ein: Während eines Krieges im dritten Jahrtausend nach Christi Geburt war die Möglichkeit zur Zeitreise entdeckt worden. Beide Seiten schickten ihre Agenten in die Vergangenheit, um dem Land des Gegners Schaden beliebiger Art zuzufügen. Keiner der Agenten erreichte jedoch eine Änderung der Vergangenheit, weil jeder von der etwa ein Jahrhundert später gegründeten Zeitpatrouille daran gehindert worden war. (Werden würde? Die Tempi waren verwirrend, wenn es um die Kausalzusammenhänge während einer Zeitreise ging.)
Wirklich jeder? Warum war es denn überhaupt nötig gewesen, die Patrouille zu gründen, wenn keiner der Agenten es geschafft hatte? Jorge Diaz wusste, dass man lieber kein Risiko eingehen wollte. Es stand ja noch nicht einmal die Anzahl der aufzuhaltenden Agenten fest. – Ja, es war schon fast eine unüberschaubare Aufgabe für die Patrouille, die Veränderung der Vergangenheit zu verhindern.
„Sie wünschen ...“ Der Kellner war an den Tisch getreten. Hier, im Ausbildungslager der Patrouille waren Menschen aus allen Erdzeitaltern zu finden. Der Kellner selbst schien aus dem Frankreich zur Zeit Ludwigs XVI. zu stammen, zumindest wies seine üppige Haartracht darauf hin.
„Noch einmal das Gleiche, bitte“, antwortete Jorge Diaz und wandte sich dann wieder seiner Gesprächspartnerin zu. „Verstehst du, was ich meine? Es ist einfach zu riskant, ein Faktum der Vergangenheit zu verändern, und sei es noch so vernachlässigbar gering. Stell dir vor, ein Zeitreisender tötet eine Biene – ein zu vernachlässigendes Faktum, nicht wahr? Nun, leider sticht aber just diese Biene kurze Zeit später ein wildes Tier, sagen wir einen Wolf, dieser stirbt daran. Nun, jetzt ist die Biene tot und der Wolf lebt. – Spinnen wir den Faden weiter: Der Wolf reißt bei seinen nächtlichen Raubzügen viele Nutztiere der Bauern, so dass der herrschende Fürst der Gegend sich persönlich auf die Jagd nach ihm begibt. Auf dieser Jagd kommt er durch einen unglücklichen Zufall ums Leben – leider bevor er seinen Eroberungsfeldzug beginnt und somit keinen Einfluss auf die Geschichte der von ihm eroberten Völker nehmen kann. – Ich könnte die Kausalkette endlos weiterspinnen. Verstehst du, was ich meine?“ Jorge Diaz holte tief Atem.
„Natürlich verstehe ich, was du meinst“, entgegnete Esther schnell, um die gute Gelegenheit, ihn in seinem Redefluss zu unterbrechen, zu nutzen. „Aber mein Ansatz ist doch ein anderer! Ich will im Voraus genau kalkulierte Entwicklungen einleiten, um der Menschheit Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende von Leid zu ersparen ...“
„Esther, jeder Eingriff ist potentiell gefährlich. Kleine Dinge können sich im Laufe der Zeit wieder kompensieren – aber trotzdem bin ich der Meinung, dass keinerlei Manipulation vorgenommen werden darf. In keiner Richtung!“ Seine Stimme klang bestimmt, fast schon wie ein Postulat. „Die Geschichte darf nicht verändert werden!“
„Ich hätte gedacht, bei dir auf mehr Verständnis zu stoßen, Jorge.“ Sie hielt kurz inne und überlegte, ob sie wirklich ihre Argumentation weiterführen sollte. Schließlich war er ihr Vorgesetzter in der Hierarchie der Patrouille. „Ich war damals auch in Island, als du dort eingegriffen hast. Ich habe mich bis heute gefragt, was du damals bezweckt hast. Warum hast du den Mann überfallen und ausgeraubt? Er war kein Agent, der auf der Fahndungsliste stand!“ Sie beobachtete ihn scharf, doch ihre Worte zeigten eine andere als die von ihr erwartete Wirkung.
„Island“, sagte er. „Ich war noch nie in Island! Ich verstehe nicht, was du meinst. Was ist da passiert?“
„Jorge, ich habe dich erkannt! Anhand der Beschreibung, die der Mann von dem Straßenräuber gab. Du musst es gewesen sein! Er schilderte genau die über der Stirn verlaufende Narbe und das Amulett!“ Mit diesen Worten deutete sie auf die als Amulett getarnte Zeitmaschine, die um Jorges Hals hing.
Seine Gesichtsfarbe, eigentlich ein helles Braun, wechselte zu einem fahlen Weiß. „Was sagst du da? Ein Zeitreisender hat ohne ersichtlichen Grund einen Menschen überfallen – und die Beschreibung passt auf mich? – Wann ist das passiert?“
„Vor ungefähr einem Jahr ...“
„Ich meine nicht deine Lebenslinie, sondern die genauen Zeitdaten!“, unterbrach er sie barsch.
„Entschuldige.“ Sie wirkte verstört. „Es war im Mittelalter, die Zeit der Wikinger, 973 nach Christus, weißt du? Ich arbeitete an meiner Doktorarbeit – die Entdeckung Amerikas durch die Wikinger ... Was hast du?“
Jorge Diaz' Gesichtsfarbe hatte ein hektisches Rot angenommen. „Esther, ich war noch nie in Island. Zumindest bis jetzt noch nicht. Entweder war es also jemand anders – oder ich werde es noch tun, auf meiner persönlichen Zeitlinie, in meiner persönlichen Zukunft.“ Er hielt kurz inne, um nachzudenken. „Auf jeden Fall muss dieser Eingriff verhindert werden. Wir müssen eine Meldung machen!“
„Aber es ist doch nichts passiert, der Mann lebte weiter, er ist sogar noch alt geworden – ich habe das überprüft“, sagte sie mit niedergeschlagenen Augen. „Bevor ich mich entschied, den Vorfall nicht zu melden.“
„Das tut nichts zur Sache, Esther. Woher willst du wissen, ob sein Leben in den gleichen Bahnen verlaufen ist wie ursprünglich vorgesehen? Vielleicht habe ich ihm ja indirekt das Leben gerettet, weil ihn an der nächsten Wegkreuzung Wegelagerer überfallen und getötet hätten. Wer weiß, wie ich die Zukunft verändert habe? Wenn ich es denn gewesen bin oder vielmehr sein werde. Wir müssen es melden und verhindern!“

II
973 nach Christus
Der Wind war kalt und pfiff unangenehm durch die grob gewebte Kleidung. Hier und da lagen noch kleine Schneereste, die der Frühling noch nicht vertrieben hatte. Man hatte einen kleinen Hügel ausfindig gemacht, von dem aus der Weg gut einzusehen war. Hier musste der Mann entlangkommen.
Leif Hrolfsson hatte sich vor ein paar Stunden in der „Gaststätte“ des kleinen Dorfes, ein paar Wegstunden entfernt, auf den Weg gemacht. Er musste bald hier vorbeikommen.
Die kleine Gruppe Zeitreisender um Jorge und Esther wartete geduldig ab. Sie wussten aus der Schilderung Esthers, dass der Wegelagerer sich aus einem Gebüsch ganz in der Nähe auf den Weg gestürzt und dort den einsamen Wanderer mit einem Hieb niedergestreckt hatte. Lediglich der Zeitpunkt des Auftauchens des „Wegelagerers“ war unbekannt. Man hoffte jedoch, genug Zeit zu haben, um ihn, ohne dass der Wanderer dies mitbekam, aus dem Verkehr zu ziehen.
Sie brauchten nicht lange zu warten. Ein Flimmern (der ganz „normale“ Nebeneffekt einer Zeitreise) entstand auf dem Weg und ein Mann von stattlicher Statur erschien. Er wandte den anderen Zeitreisenden den Rücken zu.
Jorge merkte, wie er den Atem anhielt. Die Statur glich der seinen stark.
Der Mann auf dem Weg drehte sich langsam um und beäugte misstrauisch den Wald auf beiden Seiten des Weges. Spätestens jetzt war Jorge klar, um wen es sich dort unten handelte – eine Verwechslung war ausgeschlossen! Seine Kameraden sahen ihn mit seltsam mitleidsvollen Blicken an.
Auf dem Weg stand Jorge Diaz, in Landestracht gekleidet und bereit dazu die Grundsätze der Patrouille mit den Füßen zu treten!
Die Gefangennahme war schnell durchgeführt, die Raum-Zeit-Koordinaten wurden so in die „Amulette“ eingegeben, dass fünf Zeitreisende gleichzeitig in einem engen Ring um den auf dem Weg stehenden Jorge auftauchten und ihn überwältigten. Nachdem dies geschehen war, wurde der niedergeschlagen wirkende Mann in die Zukunft zum Verhör abgeführt. Zurück auf der Lichtung blieben Jorge, Esther und Brian Wilde, ein Abteilungsleiter der Patrouille.
Kurze Zeit, nachdem die Gruppe mit dem Gefangenen in die Zukunft gereist war, tauchte Leif Hrolfsson auf und passierte unbehelligt die Stelle des Überfalls.
„So, das wäre erledigt, Jorge“, meinte Brian Wilde ein wenig verlegen. „Bleibt nur noch das Warum zu klären.“
„Vor allem wird das Paradoxon zu klären sein. Ich würde nie so handeln! Das weißt du!“ Jorges Stimme war fest und gleichzeitig ein wenig anklagend.
„Das warst aber ganz eindeutig du“, warf Esther ein, während sie an ihrem „Amulett“ nestelte. „Du musst einen Grund gehabt haben!“
„Und den wollen wir erfahren. Habt ihr die Raum-Zeit-Koordinaten eingestellt? – Gut, gehen wir also dorthin, wohin er auch geht.“ Brian Wilde nahm eine letzte Einstellung vor und löste den Raum-Zeit-Sprung aus.

III
Der Wind war inzwischen abgeflaut, als Leif Hrolfsson drei Stunden später in einem Gasthaus am Wegrand einkehrte. Am nächsten Morgen brach er, wie die anderen Gäste auch, wieder auf und begab sich auf den Weg zu seinem Gehöft.
Die drei Zeitreisenden überwachten seinen Weg ständig. Sie sprangen immer wieder eine Weg- und Zeitstrecke voraus, konnten aber nichts Außergewöhnliches feststellen.
Das weitere Leben des Mannes verlief ebenso ereignislos wie vorher, es unterschied sich in keinem Punkt von dem, welches Esther früher überprüft hatte.
„Das wär's dann, ich kann meine Zeit nicht mit so etwas verschwenden. Vielleicht kriegen wir es ja aus deinem zukünftigen Ich heraus. Für mich sieht das wie eine Bierlaune aus. Eventuell hast du ja unter Drogen gestanden, wer weiß? Also los, lasst uns zurückgehen.“ Brian stellte die Raum-Zeit-Koordinaten des Patrouillenhauptquartiers ein.
„Brian, ich möchte Urlaub nehmen.“ Jorges Stimme war belegt. „Wir haben bestimmt etwas übersehen. Ich muss einfach wissen, warum ich so gehandelt habe. Bitte!“
Brian Wilde sah ihn lange an, bevor er antwortete „In Ordnung, aber nur eine Woche Lebenslinienzeit, verstanden? Und ich hoffe, dass du dich dann bei mir zurückmeldest und nicht etwa der bist, den wir vorhin festgenommen haben. Auf Leute wie dich können wir bei unserer Personalknappheit nicht verzichten! Ich glaube, Esther bleibt besser bei dir. Sie kennt sich in diesem Milieu besser aus als du. Wir sehen uns also in einer Woche, ja?“
Brian löste den Sprung aus und verschwand in einem Flimmern. Esther und Jorge blieben allein zurück.

IV
Eine Woche Lebenslinienzeit war schon bei „normalem“ Dienst recht kurz bemessen; um das Leben eines Menschen über vierzig Jahre hin zu überprüfen, reichte die Zeit bei Weitem nicht aus. Jorge und Esther hatten Mühe, auch nur die relevanten Schlüsselpunkte des Lebens von Leif Hrolfsson zu überwachen. Es stellte sich jedoch heraus, dass er in keinster Weise auf irgendwelche relevanten geschichtlichen Ereignisse Einfluss genommen hatte oder auch nur hätte nehmen können.
Den beiden Zeitreisenden war es noch immer unverständlich, aus welchen Beweggründen heraus der andere Jorge den einsamen Wanderer überfallen hatte beziehungsweise wollte – der Überfall war ja verhindert worden.
Jorge und Esther befanden sich wieder in der Nähe des „Tatortes“, als sie sich dazu entschieden, in die Zukunft zurückzukehren, um ihrem Abteilungsleiter Bericht zu erstatten.
Die Raum-Zeit-Koordinaten wurden an den „Amuletten“ eingestellt, Sekundenbruchteile später verriet nur ein leichtes Flimmern der Luft, dass hier ein Raum-Zeit-Sprung stattgefunden hatte.
Das Hauptquartier der Patrouille lag noch in der relativen, trügerischen Ruhe eines Frühlingsmorgens, als die beiden Zeitreisenden in der „Ankunftshalle“ materialisierten.
„Was wirst du jetzt tun?“, fragte Esther den niedergeschlagen wirkenden Mann neben ihr.
„Ich weiß es noch nicht“, antwortete dieser mit leiser Stimme. „Ich werde wohl zuerst mal Brian aufsuchen. Eventuell hat sich ja hier etwas Neues ergeben. Schließlich hatten die ja eine Woche Zeit, ‚mich‘ zu verhören.“ Jorge liefen bei seinen eigenen Worten Schauer über den Rücken. „Was hältst du davon, wenn wir uns nachher im Casino sehen? Ich glaube, es ist nicht notwendig, dass wir zusammen zu Brian gehen.“ Seine Stimme klang wieder bestimmt und befehlsgewohnt. Esther hatte fast so etwas erwartet. Sie wäre zwar gerne dabei gewesen, um die Ergebnisse des Verhörs zu erfahren, sah jedoch ein, dass es klüger war nachzugeben. Jorge musste erst einmal allein damit fertig werden, dass er die Grundsätze der Patrouille verraten hatte.
„In Ordnung, wir sehen uns später im Casino.“ Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging mit langen Schritten den endlos wirkenden Gang hinunter. Jorge blickte ihr nach, bis sie hinter einer Biegung, rund hundert Meter von seinem Standpunkt entfernt, verschwand. Dann setzte er sich in Richtung der vertikalen Aufzugsanlage in Bewegung. Seit seinem letzten Besuch in diesem Zeitabschnitt schienen die Wände neu gestrichen worden zu sein. Der Ockerton war um einiges kräftiger, als er ihn in Erinnerung hatte.
Auch vor der Aufzugsanlage war niemand zu sehen. Jorge blickte erstaunt auf die Anzeigetafel, auf der neben der Ankündigung des nächsten Liftes auch die Uhrzeit nebst Datum angezeigt wurde.
7.00 Uhr durch, und noch kein Mensch weit und breit, dachte er. Normalerweise müssten hier bereits einige Dutzend Leute warten, oder ist mir ein Fehler bezüglich der Ankunftszeit unterlaufen?
Jorge blickte nochmals zur Anzeigetafel, um sich davon zu überzeugen, dass er nicht an einem

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: vss-verlag Hermann Schladt
Lektorat: Werner Schubert
Tag der Veröffentlichung: 04.11.2012
ISBN: 978-3-95500-646-4

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