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Ken Norton – Band 9
Lothar Gräner/Erik Schreiber – Nandash´s Zorn
1. eBook-Auflage – Juni 2011
© vss-verlag Hermann Schladt
Titelbild: Allan Bruder
Lektorat: Werner Schubert
www.vss-verlag.de


Ken Norton
Das große Fantasy-Abenteuer Nr. 9
Nandash´s Zorn
von
Lothar Gräner
und Erik Schreiber


Sie fuhren den ganzen Tag auf dem Fluss. Ein gnädiger Wind blähte das Segel, so dass es den Zwillingen erspart blieb, gegen die Strömung anrudern zu müssen. Yllgor saß derweil im Bug des Bootes und überlegte, an welcher Stelle er sich von Hern und Fir trennen sollte. Das Land ringsum wurde rauer. Nichts war mehr von dem saftigen Grün der Savanne und der Bäume zu sehen, dafür machte sich ein stumpfes Grau breit; die karge Steinlandschaft kündigte an, dass sie sich den Dasachsannbergen näherten.
Als sie am Morgen aufgebrochen waren, schien der Mythenberg schon zum Greifen nah. Doch der Zauberer wusste, dass der Weg viel weiter war, als es den Anschein hatte. Und war er erst einmal dort angelangt, so war er noch lange nicht am Ziel. Das Schwert, dessentwegen er die beschwerliche Reise auf sich genommen hatte, lag tief in einer Höhle verborgen. Die galt es zu finden und das Runenschwert zu bergen. Indes hoffte Yllgor, dass seine Zauberkräfte ihm behilflich sein würden, dieses Problem zu lösen.
Als die Dämmerung hereinbrach, hielt er den Zeitpunkt für gekommen, sich von seinen Begleitern zu trennen. Der Alte deutete auf einen Punkt am Ufer.
»Lasst uns dort anlegen, meine Freunde«, sagte er, »und eine letzte Rast einlegen, ehe es morgen zu Fuß weitergeht.«
Die Zwillinge sahen sich an und nickten. Die ihnen innewohnenden Dämonen, die Nergal geschaffen hatte, damit sie Yllgor vernichteten, unterhielten sich wortlos, lediglich durch die Kraft ihrer Gedanken.
»Tun wir ihm den Gefallen«, sagte Hern lautlos. »In der Nacht wird sich eine Gelegenheit ergeben, ihn zu töten.«
»Das wäre dumm«, widersprach Firn. »Denk dran, was unser Herr und Meister befohlen hat: Wir sollen den Zauberer töten und Nergal das Schwert bringen.«
»Aber Yllgor wird allein weitergehen wollen...«
»Soll er. Wir finden eine Möglichkeit, ihm zu folgen.«
Die beiden Dämonen steuerten das Flussufer an und befestigten das Boot an einem Ast, der von einem Baum bis ins Wasser ragte.
Yllgor kletterte an Land und reckte die von der langen Fahrt steifen Glieder. Während Hern das Boot entlud, machte sich Firn auf die Suche nach Brennholz. Viel war es nicht, was er in dieser unwirtlichen Gegend fand, aber es reichte immerhin, um ein kleines Feuer zu entfachen, an dem sie sich wärmen konnten. Sie aßen von den Vorräten und legten sich bald schlafen. Es war ein langer Tag, und niemand wusste, was der kommende bringen würde.
Yllgor erwachte in der Nacht. Das Feuer war längst heruntergebrannt und wärmte nicht mehr. Vorsichtig hob der Zauberer den Kopf und spähte zur anderen Seite hinüber, wo die Zwillinge lagen und offenbar schliefen. Nachdem er eine sie Weile beobachtet und festgestellt hatte, dass die beiden sich nicht regten, richtete sich der Alte auf und rollte die Decke zusammen, die Sidha, der fahrende Händler, ihm geschenkt hatte, nahm sie und seinen Wanderstab und kroch auf allen vieren ein Stück über den harten Boden und richtete sich erst auf, als er hinter einem dichten Busch angekommen war. Dann schritt er, weit ausholend, über den Pfad, der an der »Straße der Legenden« entlangführte. Als der Morgen graute, hatte Yllgor bereits ein beträchtliches Stück zwischen sich und die Zwillinge gebracht. Er war ohne anzuhalten marschiert, die Augen nach vorne gerichtet, wo in der Ferne der Mythenberg aufragte.
Während der Zauberer sich seinem Ziel näherte, waren Hern und Firn schon längst dort. Sie hatten keineswegs geschlafen, als der Alte sich fortgeschlichen hatte – zumindest was ihre dämonischen Seelen anbelangte. Mochten die sterblichen Hüllen der Brüder auch müde gewesen sein, die dunkle Kraft, die in ihnen steckte, war es nicht.
»Er glaubt tatsächlich, uns entkommen zu können«, kicherte Firn, als der Zauberer außer Sichtweite war.
»Ein Narr eben. Los, komm, wir werden vor ihm dort sein.«
Aus den immer noch am Boden liegenden Körpern erhoben sich zwei kugelförmige Gebilde, die nach oben schwebten und sich mit rasender Geschwindigkeit vorwärts bewegten. Schemenhafte Wesen, die an einem Betrachter vorbeigerauscht wären, wenn es denn einen gegeben hätte. Doch niemand war Zeuge dieser Verwandlung, und so lauerten die beiden Dämonen am Mythenberg auf ihr Opfer. Yllgor würde sie nicht als das erkennen, was sie waren. Aber er würde erstaunt sein, denn sie hatten Gestalten angenommen, die ihm nur zu vertraut waren.

*

Auf einem Felsvorsprung saßen Hurt und Gran, die beiden Vögel, die dem Zauberer in seiner Hütte berichtet hatten, was bei den Menschen vorging.
Yllgor ahnte nichts davon, als er den Berg erreichte. Wie ein Insekt kam er sich angesichts dessen gewaltiger Größe vor. Die schneebedeckten Gipfel ragten in den Himmel hinein; dort, wo die »Straße der Legenden« floss, rauschte und gurgelte es, ein rauer Wind strich um die Felsen.
Der Zauberer suchte den Weg, der zur Höhle führte. Er folgte ihm bis zu der Felsspalte, die so eng war, dass kaum eine Hand hindurchpasste, geschweige denn ein ganzer Mensch. Yllgor breitete die Arme aus; seine rechte Hand hielt den Wanderstab gepackt, dessen Spitze auf den Spalt im Felsen deutete. Unhörbare Laute kamen aus Yllgors Mund. Er hatte die Augen geschlossen und murmelte uralte Zaubersprüche, die noch keines Menschen Ohr gehört hatte. Dann schlug er mit dem Stab gegen den Stein. Yllgor riss die Augen auf, als der Felsen sich mit einem ächzenden Geräusch bewegte. Der Spalt wurde größer; schon konnte der Alte ins Innere schauen, wo sich ein breiter Gang auftat. Mit einem Dankesgruß, gerichtet an die Lichtgöttin, trat Yllgor in den Gang. Er war erst ein paar Schritte gegangen, als sich der Spalt wieder schloss.
Doch dieser Augenblick hatte gereicht, um »Hurt« und »Gran« Gelegenheit zu geben, dem Zauberer zu folgen.
Der Gang war schmal und zog sich dahin. Yllgor ging mit festen Schritten; es hallte jedes Mal, wenn er auftrat, von den Wänden wider. Es war dunkel gewesen und der Alte hatte eine magische Flamme entfacht, die auf dem Knauf seines Wanderstabes brannte und ihm ein wenig Licht spendete.
Nach einigen hundert Metern versperrte ihm ein Gittertor den Weg. Das Eisen war uralt und verrostet. Mochten die Götter wissen, wann dieses Tor das letzte Mal geöffnet worden war. Yllgor rüttelte daran, doch es bewegte sich keinen Millimeter. Der Zauberer versuchte zu erspähen, was dahinter lag, aber sein Blick vermochte die Dunkelheit auf der anderen Seite nicht zu durchdringen; auch das Licht auf seinem Wanderstab half ihm nicht dabei. Er schloss die Augen und konzentrierte sich. Im Geist wanderte Yllgor in die Zeit zurück, in der dieses Versteck für das Runenschwert gebaut worden war. Jahrtausende waren seitdem vergangen, doch mit seinen Fähigkeiten nahm der Zauberer das wahr, was die Erbauer seinerzeit hiergelassen hatten: Ihre Gedanken, die immer noch in dieser Höhle schwebten und ein Teil von ihr geworden waren. Yllgor sah im Geist Männer, die arbeiteten, und andere, die die Arbeiter überwachten. Er erblickte einen großen, in eine Rüstung gekleideten Herrscher, der in seinen Händen das sagenumwobene Schwert hielt, dessen Klinge über und über mit Runen versehen war. Der Herrscher hielt das Schwert mit beiden Händen und stieß es kraftvoll, fast bis ans Heft, in den Boden der Höhle. Ein helles Strahlen ging von der Waffe aus, das immer spärlicher wurde und schließlich beinahe erlosch, bis es nur noch leise weiterglomm.
Yllgor atmete während dieser geistigen Zeitreise schwer. Er suchte nach dem Mechanismus, der das Gittertor öffnete, und fand den Hebel schließlich, der geschickt verborgen worden war.
Der Körper des Alten zitterte, als er die Augen wieder öffnete. Was er gerade getan hatte, hatte viel Kraft erfordert. Yllgor war einer der wenigen, wenn nicht überhaupt der einzige Zauberer, der die Kunst der Zeitreise beherrschte. Aber es war Jahrzehnte her, dass er eine solche unternommen hatte, denn sie verlangte dem Reisenden die letzten Reserven ab.
Erschöpft lehnte er sich an die Felswand und atmete tief durch. Er wusste, dass er sich keine Schwäche leisten konnte. Zu viel stand auf dem Spiel, hing davon ab, dass er, der Hüter des Runenschwerts, nicht versagte.
Das Schicksal einer ganzen Welt ruhte auf seinen Schultern!

*

Wie durch einen dichten Nebel war die Barke durch die Zeit gefahren. Schweigend stand Hora am Ruder und steuerte das Schiff durch das schwarze Meer. Für Ken Norton und Vangar gab es den Begriff Zeit indes nicht mehr. Alles, was in ihrer Welt real war, war hier außer Kraft gesetzt. Sie wussten nicht, ob sie wachten oder träumten, ob sie sich in der Vergangenheit befanden oder in der Gegenwart, vielleicht auch in der Zukunft. Den beiden Gefährten blieb nichts anderes übrig, als darauf zu warten, dass die Barke anlegte.
»Was wird uns erwarten, wenn wir an Land gegangen sind?«, fragte der Engländer.
Vangar, der Herrscher der Nebelinsel, zuckte mit den Schultern.
»Das kann niemand sagen«, erwiderte er, »weil noch niemand aus der Welt Nandashs zurückgekehrt ist. Vielleicht gibt es diese Welt aber auch gar nicht, und alles ist nur ein großer Mythos.«
Sie schwiegen, bis Hora sich umdrehte und sie ansah. Die Hüterin der Zeit hob die rechte Hand und deutete zum Ufer, das sich in einiger Entfernung vor ihnen abzeichnete.
»Das Ziel ist nah«, sagte sie. »Hier werden sich unsere Wege trennen. Während ich weiter auf dem Meer der Zeit fahre, bis in alle Ewigkeit, werdet Ihr Euren Weg gehen müssen. Hütet Euch, Mann aus einer anderen Welt, und auch Ihr, Herrscher über die Insel im Nebel, hütet Euch vor Nandashs Zorn.«
Ken Norton hatte eher beiläufig registriert, wie Hora ihn genannt hatte. Dass er aus einer anderen Welt als jener an der »Straße der Legenden« kam, hatte die Hüterin der Zeit schon gewusst, als er und Vangar dieses Schiff das erste Mal betreten hatte, und er ahnte, dass die Lenkerin dieser Barke, die Schicksale aller Menschen, auf jedweder Welt, zu wissen schien. Gerade so, als seien alle Welten auf geheimnisvolle Art miteinander verbunden.
Wenig später legte die Zeitbarke an. Vangar und Ken sprangen an Land. Hora stand an der Reling und hob die Hand zum Gruß. Dann setzte sich das Schiff wieder in Bewegung und war schon bald darauf ihren Blicken entschwunden.
Der Anthropologe sah sich um. Die Dunkelheit, die auf der Barke geherrscht hatte, war hier einem diffusen Grau gewichen. Vor ihnen ragte ein steiler Kalksteinfelsen auf, der sich die Küste entlangzog und ein Kliff bildete. Die beiden Männern kletterten den Felsen hinauf, was durch zahlreiche Sprünge und Risse im Stein erleichtert wurde.
»Was, wenn uns dieser Nandash seine Schergen auf den Hals hetzt?«, wollte Ken Norton wissen, als sie sich, oben angekommen, von dem Aufstieg ausruhten. »Wir sind nicht bewaffnet.«
Ihre Schwerter und Dolche waren in der Schwarzen Festung zurückgeblieben, als sie aus Nergals Verlies geflohen waren.
»Es wird sich zeigen, was wir dann tun«, antwortete Vangar. Er stand auf und schaute sich um. Es schien, als suche er etwas. Dann nickte er zufrieden und streckte die Hand aus. »Wir müssen in diese Richtung«, erklärte er.
Der Engländer runzelte die Stirn. »Woher wisst Ihr den richtigen Weg?«
»Ich weiß ihn eben«, lautete die Antwort. »Kommt einfach!«
Unter ihren Füßen war rauer Stein. Rechts und links befanden sich Felder, auf denen eine Art Hafer wuchs, wie Ken Norton erstaunt feststellte, als er einen Halm pflückte und genauer betrachtete. Allerdings sah es nicht so aus, als seien die Felder bestellt worden; eher schien es sich um wild wachsendes Getreide zu handeln.
Vor ihnen zeichnete sich in der Ferne ein Wald ab, dahinter ragten Berge in die Höhe. Doch bevor sie den Waldrand erreichten, mussten sie eine sandige Ebene überqueren. Inzwischen war es sehr viel heller geworden. Am Himmel stand eine gleißende Sonne, und ihre Strahlen heizten den Boden unter ihnen auf. Schweiß stand den Männern auf den Stirnen und lief ihnen über die Gesichter und Körper. Bald waren ihre Zungen dicke Klumpen und der Durst unerträglich.
»Was, zur Hölle, ist das für eine Gegend?«, stöhnte Ken Norton.
»Vielleicht ist es die Hölle«, antwortete Vangar und wischte sich den Schweiß aus den Augen.
Doch es sollte noch schlimmer kommen. Die Sandebene schien überhaupt kein Ende zu nehmen, dafür rückte der Waldrand in immer weitere Ferne. Ken spürte einen heißen Windhauch, der ihn streifte. Sie hatten die Oberteile ihrer Gewänder abgelegt und um die Hüften gebunden. Jetzt verbrannte der Wind ihre Haut.
»Schnell, zieht Euch wieder an!«, rief Vangar. »Und dann macht, was ich mache!«
Der Prinz hatte den heißen Wind ebenfalls gespürt; jetzt schlüpfte er in das Kleidungsstück, nahm seinen Umhang und drehte sich wie in eine Decke hinein.
»Schützt Mund, Nase und Augen!«, rief er durch den herannahenden Sturm und warf sich auf den Boden, wobei er den Kopf unter dem Umhang verbarg und sich mit dem Gesicht nach unten legte.
Ken Norton hatte sofort verstanden. Es war nicht das erste Mal, dass er in einen Sandsturm geriet. Mehrmals war das schon auf seinen zahlreichen Reisen geschehen. Immer noch trug er die Dschellaba, den schwarzen Beduinenmantel, den Khalid ihm vor einer Ewigkeit gegeben hatte. Ken hüllte sich darin ein und legte sich neben Vangar.
Was dann kam, war die Hölle. Ein tiefes Brausen ertönte, erst leise, dann immer stärker werdend. Wie Millionen kleiner Nadelstiche drangen die Sandkörner durch den Stoff und trafen auf die Haut. Im Nu waren ihre Münder voll, und sie husteten und spukten, weil der Sand sie zu ersticken drohte. Der Lärm war unbeschreiblich; es tobte und heulte in ihren Ohren, dass man glauben konnte, die Welt gehe unter. Mit aller Macht rüttelte der Sturm an ihren Körpern, schien sie davonwehen zu wollen.
Längst hatten die Gefährten es aufgegeben, sich schützen zu wollen. Sie klammerten sich aneinander und versuchten, dem Sturm zu trotzen. Doch noch machte der keinerlei Anstalten abzuebben.
Ken Norton wusste später nicht mehr zu sagen, wie lange der Sandsturm über sie hinweggefegt war. Die Zeit schien stehengeblieben zu sein, und alles Denken war ausgeschaltet. Dann war es mit einem Mal vorbei. So schnell, wie es begonnen hatte, hörte es wieder auf. Der Engländer schälte sich aus seiner Dschellaba, spukte Sand aus, der ihm zwischen die Zähne geraten war, und schüttelte ihn aus seinen Kleidern.
Prinz Vangar fuhr sich über das Gesicht. Der feine Sand war durch Umhang und Kleidung gedrungen, steckte in den Nasenlöchern und Ohren.
»Bei Chrios, habe ich einen Durst!«, rief er aus.
Der Engländer nickte. »Geht mir nicht anders.« Er blickte sich um. »Allerdings sieht es nicht danach aus, als würde sich an der nächsten Ecke eine Schänke befinden«, setzte er hinzu.
Die Ebene zog sich dahin. Sie hatten kaum mehr als die Hälfte durchquert, als der Sandsturm sie überraschte. Im Grunde war es egal, welche Richtung sie einschlugen, sie würden nichts zu trinken finden. Es sei denn, sie erreichten die andere Seite, wo sich in der Ferne Wälder und Berge abzeichneten. Immer weiter schleppten sie sich dahin. Die Sonne brannte unvermindert auf sie herunter, und kein Lufthauch sorgte für etwas Abkühlung.
»Irgendwann muss es doch ein Ende haben!«, stöhnte Ken und blieb stehen.
Er rang nach Luft. Der Herrscher der Nebelinsel packte ihn am Arm und zog ihn mit sich.
»Nicht stehen bleiben!«, mahnte Vangar. »Wir dürfen nicht anhalten, sonst ist die Versuchung zu groß, uns einfach hinzuwerfen und zu schlafen. Das wäre unser Tod!«
Mit schleppenden Schritten ging es weiter. Allmählich ließ der brennende Sonnenschein nach und es wurde dunkler. Der Sand unter ihren Füßen knirschte und ihre Zungen fühlten sich an wie dicke, pelzige Raupen.
»Bald haben wir es geschafft«, sagte Vangar zuversichtlich und deutete auf seine Füße.
Ken sah hinunter. Wenige, kaum wahrnehmbare Spuren von Vegetation waren zu sehen. Nicht mehr als ein paar dürre Halme vertrockneten Grases, und doch war es ein Zeichen, das ihnen die Zuversicht zurückbrachte, diese Wüste bald hinter sich lassen zu können.
Als dann die Nacht hereinbrach, wurde es merklich kalt. Sie hüllten sich in ihre Umhänge und liefen stetig weiter. Besonders jetzt war die Versuchung, sich schlafen zu legen, groß, doch sie wussten beide, dass sie aus diesem Schlaf nicht wieder erwachen würden. Als dann endlich der Morgen graute, waren die Berge und Wälder ein beträchtliches Stück näher gerückt. Die beiden Gefährten machten sich gegenseitig Mut, nicht aufzugeben. Immer wieder wandten sie den Blick zurück, um zu sehen, was sie hinter sich gebracht hatten.
Langsam veränderte sich ihre Umgebung. Felsen wuchsen vor ihnen auf und spendeten Schatten. Ein kühler Wind streifte ihre schwitzenden Körper und verlockte sie dazu, sich ihrer Kleidung zu entledigen. Trotzdem behielten sie die Gewänder an, um nicht Gefahr zu laufen, nach dem Hitzeschock eine Erkältung zu bekommen. Am Abend erreichten sie den Waldrand, den sie schon die ganze Zeit vor sich gesehen hatten. Er war ihr Ziel gewesen, das zu erreichen sie nicht mehr geglaubt hatten.
Vangar suchte den Boden ab. Ken beobachtete das Tun des Gefährten mit interessiertem Blick. Unter den Füßen des Prinzen gab das feuchte Moos nach. Endlich entdeckte der Herrscher der Nebelinsel, wonach er gesucht hatte: Wenige Meter vor ihnen gurgelte und sprudelte eine Quelle aus dem Boden. Sie warfen sich davor und tranken gierig. Es war wie eine Neugeburt, als sie das köstliche Nass die Kehlen hinabrinnen spürten. Eiskalt und kristallklar war das Wasser und es schmeckte herrlicher als jeder Wein, den sie jemals getrunken hatten.
Dann lagen sie auf dem Waldboden und schliefen ein.

*

Ein großes Heer, mit Jurak U’Shaine und Aylisha an der Spitze, war von Banjahag aufgebrochen, um die Aufständischen im Kampf gegen Nergal zu unterstützen. Die Tochter König Urdaks und rechtmäßige Nachfolgerin auf dem argoonischen Thron ritt neben ihrem Waffenmeister. Jurak U’Shaine war von seinem Vater mit den besten Wünschen verabschiedet worden, doch sein

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: vss-verlag Hermann Schladt
Lektorat: Werner Schubert
Tag der Veröffentlichung: 02.11.2012
ISBN: 978-3-95500-609-9

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