Cover

1.

Frustriert pfeffere ich meine Tasche in ihre Ecke neben dem Schuhschrank und lasse die Tür ins Schloss fallen. Schon wieder ein Mathe-Überraschungstest in der Schule, und natürlich schon wieder verhauen. Großartig, wirklich großartig.Das wird Tante Sammy wieder total aufregen. Aber vorerst muss sie ja nichts davon wissen. Ich betrete unsere kleine Küche und sehe mein Mittagessen auf dem Tisch stehen, daneben einen Zettel.


 Hallo Schatz.

Tut mir leid, ich habe es heute wieder nicht geschafft, aber ich hab dir was zum Essen gebracht. Wenn es nicht mehr warm ist, kannst du es ja in die Mikrowelle stellen. Bis heute Abend.

 
Und ein weiterer Beweis, dass dieser Tag eindeutig nicht mein bester ist.
Ja, Tanta Sammy kommt nicht oft zum Essen, aber wenn sie dann mal da ist, dann kocht sie richtig viel, sodass wir fast die ganze restliche Woche davon essen können.

Ich pikse mit einer Gabel in die schwammigen Nudeln und ordne sie in die Kategorie essbar ein. Auch das Schnitzel ist zwar von der Soße aufgeweicht, aber genau so mag ich es. Ich stelle den Teller in die Mikrowelle, drücke auf den kleinen Knopf und schalte das Radio ein. Mein Lieblingslied.
Ich klopfe im Takt auf die Küchentheke, was wenig später ein leichtes Hüftwackeln übergeht.
Da gibt mir ein hoher Ton das Zeichen, dass mein Essen warm ist und ich schlinge es kurzerhand im Stehen in mich hinein.

Oh, wie ich diesen Sender liebe. Nur die aktuellsten und besten Songs, gefolgt von super Moderatoren und zum wegschmeißen komische Kommentare. Einfach perfekt für mich.

Ich stelle den Teller in die Spüle und öffne das Küchenfenster.

Der Hosenscheißer von Nachbarshund tut wieder auf supercool und kläfft einem armen Mann hinterher der sich schnell in die nächste Straße verkrümelt.

Tzz, als wenn der irgendjemandem etwas tun könnte - nie im Leben.

Ich lasse das Fenster einfach offen und schnappe mir meine Tasche, um sie polternd hinter mir her in den ersten Stock zu ziehen.

Oben gibt es nur drei Türen: eine für das Schlafzimmer von Sammy, eine fürs Bad und eine, die in mein Zimmer führt, in dem ich seit genau zehn Jahren lebe.

Manchmal kann ich es selbst gar nicht glauben dass ich schon so lange hier bin.

Ich öffne die Tür und lasse die Tasche einfach achtlos neben mein Bett plumpsen.

Eigentlich könnte man mein Zimmer aufgeräumt nennen, doch

nicht wenn man Tante Sammy heißt. Auch nur der kleinste Staubbrocken macht sie wahnsinnig. Sie würde mir den Kopf abreißen wenn ich ihr Schlafzimmer aufräumen würde, denn sie würde hinterher überhaupt nichts mehr finden. Wenn es nach ihr geht, zumindest.

Aber mein Zimmer ist eigentlich immer ziemlich aufgeräumt.

Naja, meistens.

Oh, Fränky hat sein Markenzeichen auf meinem Kopfkissen hinterlassen: seine Haare.

Fränky ist ein stinkender Kater den Tante Sammy schon seit über fünfzehn Jahren hat.

Sie meint, dass sie ihn genau einen Tag vor meinem ersten Geburtstag gekauft hat.

Damals, als Mum und Dad noch da waren. Wo es noch keine Villa gab, in der ich jetzt Lebe. Wo es noch kein Grab in einem der Friedhöfe hier gab.

Doch das gibt es jetzt, und das verdanke ich einem gewissen Peter Klark, der damals betrunken am Steuer saß und Dave und Mary Horices am 31. 12. im Dunklen von der Brücke schupste.

Silvester, und ein Tag vor meinem Geburtstag.

Danach kam ich erst mal in ein Waisenhaus, doch Tante Sammy hat mich da ziemlich schnell wieder raus geholt.

Aber ich habe eine gute Freundschaft geschlossen mit einem Jungen namens Jacob. Er war damals schon acht, ich noch sechs.

Er wurde von den anderen kleinen Mädchen regelrecht angehimmelt, doch ich war noch so traurig, dass er mich gar nicht interessiert hat.

Ich habe nur noch ein Foto, das mich an die Zeiten mit ihm

erinnert.

Das Foto habe ich jetzt in der Hand, aber ich lege es wieder in die obere Schublade meines Nachtischchens, da, wo alle meine wichtigsten Eigentümer liegen.

Tja, ich bin zwar sechszehn Jahre alt, aber für sowas bin ich trotzdem immer zu haben. 

 

…and, the world around us, won´t stop turns tonight, I-…

 Ich würge mein Telefon mit einem Tipp auf den roten Knopf ab und schaue auf das Display.

„Sie haben eine neue SMS“, murmle ich vor mich hin und drücke die richtige Taste um meine Nachricht anzuzeigen.

Oh von Ina. War klar.

Sie will dass ich heute Abend mit ihr zu diesem neuen Club gehe.

Ich werfe einen Blick in meinen Kleiderschrank.

Ich habe erst letztens neue Sachen bekommen und werde mit Sicherheit etwas Geeignetes finden.

Ich schreibe zurück und schalte dann meine Stereoanlage ein.

Ich beginne wie immer erst mit den Füßen und den Händen, dann bewege ich meinen ganzen Körper im Takt der Musik. Ich wirble herum, und gebe meinem Körper ganz der Musik hin. Doch dann ist das Lied zu Ende, und ich sitze im Schneidersitz vor meinem Kleiderschrank und sehe, dass ich wohl noch einige Stunden damit zubringen werde etwas Passendes zu finden.

Am Ende entscheide ich mich doch für eine Schlabberhose

und ein enges Top über das ich eine lange Kette und eine Jake mit Kapuze ziehe.

Perfekt zum Tanzen.

Mein Wecker zeigt sieben Uhr an, das heißt noch eine halbe Stunde bis Sammy kommt und eine Stunde bis Ina mich abholt.

Sie kommt mit dem Roller zu mir und ich nehme sie dann bei mir hintendrauf. So sparen wir ein wenig Sprit und es geht schneller, da man so zum Beispiel nur einen Parkplatz suchen muss.

Ich tanze noch ein bisschen, dann höre ich wie Tante Sammy den Schlüssel ins Schloss steckt und ich trample die Treppe hinunter, um ihr die schweren Einkaufstüten abzunehmen.

„Gehst du noch irgendwo hin?“, fragt sie mich, als wir gemeinsam den Kühlschrank einräumen.

„Ja. Ina kommt nachher, und dann gehen wir zusammen in den neuen Club, ist nicht weit von hier, und ich bin bestimmt auch um zwölf wieder hier. Versprochen.“

„Mmh, na gut, aber seid vorsichtig. Ich hab gehört was Leuten auf dem Weg durch dunkle Gassen alles passieren kann.“

„Okay, wir sind vorsichtig.“

Ich räume das Eis in die Gefriertruhe unter der Treppe und sehe auch schon Ina, die in der Einfahrt von ihrem Roller herunter steigt.

„Ich bin dann weg!“, rufe ich und schnappe mir meine Schlüssel.

Draußen umarme ich meine beste Freundin und besteige meinen roten Roller.

Nach nur zehn Minuten Fahrt sind wir da.

Das Gebäude ist wirklich riesig, viel größer als ich gedacht habe.

Ganz versteckt und außerhalb der großen Straßen. Es öffnet

heute zum ersten Mal seine Türen und Ina und ich können da nur rein, weil Ina jemanden kennt, der jemanden kennt, dessen

Schwester einen Freund hat und der ist der Bruder vom DJ.

Ich weiß, kompliziert, aber solange wir reinkommen ist es mir  egal, über wie viele Ecken die Karten gewandert sind, bis sie bei uns waren.

Ich stelle meine Roller zwischen viele andere und laufe mit Ina der lauten Musik entgegen.

 

„Dance and Fun“ heißt der Laden, passt ja genau zu meinem Geschmack.

Wir kommen ohne Probleme rein. Innen ist ziemlich was los.

Fünftausend geladene Gäste tummeln sich hier in den verschiedenen Tanzsälen.

Und dann gibt es nochmal zwanzigtausend Leute die alleine hier im Eingangsbereich und draußen stehen.

Ina erklärt mir, dass der Club drei Tanzräume hat.

Den einen, in dem nur Hip-Hop und so getanzt wird. Da will ich hin. Die anderen interessieren mich gar nicht so.

Hier soll es die legendärsten Dance-Battles gegeben haben, aber das war, bevor die Besitzer gewechselt haben.

Mir ist das nicht so wichtig, wem der Laden  jetzt genau gehört, solange ich hier tanzen kann.

Ich ziehe Ina in den ersten Raum und ich fange bei dem Bass und so einem Beat sofort an zu tanzen.

Wir drängeln uns zwischen schwitzenden und tanzenden

Menschen hindurch und erreichen den DJ.

Ina flirtet sogleich los, doch ich habe nur einen besonderen Musikwunsch.

„Kannst du das hier spielen?“, schreie ich und zeige auf eine

CD.

Der DJ nickt und macht eine Ansage.

In der Mitte der Halle gibt es eine riesige Bühne auf der man zeigen kann was man kann. Dort sind auch gerade zwei damit beschäftigt, sich auf die übelste Weise fertig zu machen, als sie von der Durchsage unterbrochen werden.

Ich ziehe Ina von dem hübschen Jungen weg und erreiche die Tanzfläche.

Jeder weiß, wer da zu nah hinkommt, der muss nach oben. Nur dass ich hier freiwillig stehe, um nach oben gerufen zu werden.

Und genau jetzt gibt es ein Tanz-Battle. Da sind auch schon ein paar Arme, die mich auf die Bühne schieben. 

Ich wehre mich nicht, denn ich will ja schließlich tanzen.

Es fällt die Wahl auf drei aufgemotzten Mädchen und einem großen muskulösen Kerl.

Ich entscheide mich für das Mädchen, das  am besten aussieht, und warte auf den Beat aber sie legt gleich los.

Sie macht mich blöd an.  Ich verstehe nicht was sie sagt, aber ich kann mir denken, dass sie mich provozieren will.

Sie hampelt für meinen Geschmack zu viel rum und will gerade eine meiner leichtesten Drehungen machen als ich zurückschlage.

Ich drehe mich vertikal in der Luft und lande auf einem Arm. Eine schnelle Drehung sowie eine kurze Choreographie als kleinen Vorgeschmack, und ich lasse meine Bewegungen mit der Musik verschwimmen.

Das Mädchen schaut ziemlich doof, und da sie zu lange mit ihrer Präsentation wartet, hat sie verloren.

So sind die Regeln: wer aufgibt, nicht mehr kann, zu lange braucht oder vom Publikum ausgebuht wird, muss raus.

Sie beschwert sich unten lautstark bei ihren Kolleginnen und da bekomme ich auch schon meine nächste Gegnerin.

Bei ihr und bei der Nächsten ist es fast dasselbe, nur dass ich

bei jeder etwas anderes ausprobiere, um sie aus dem Konzept zu bringen.

Auch andere wagen sich an mich heran, doch das sind alles Leute aus dem Publikum die ich gleich k.o. mache.

Am Ende feuern sie mich alle an und nur noch der Mann ist übrig.

Er ist leider nicht so einfach wie seine Vorgängerinnen.

Er ist leider sogar wesentlich besser.

Ich mache gerade eine sehr gewagte Drehung in der Luft, lande in einem Spagat und richte mich auf, als ich ihn sehe: Da steht ein Junge um die siebzehn am Rand der Bühne und filmt mich. Ich will ja nicht eingebildet sein, aber irgendwie gefällt mir das so, dass ich etwas versuche, was ich erst vor kurzen ausprobiert habe: Ich mache einen Flickflack, drehe mich dabei auf einer Hand und mache dann gleich mit einer doppelten Drehung auf einem Bein und einem Seitwertskick in Richtung Gegner weiter.

Ich schaffe es, und als ich den Fuß-Kick mache, ist mein

Gegner gezwungen aufzugeben. Der Junge am Rand klatscht mit der Menge Beifall, ohne Kamera.

Nach dem Tanzen ist mir total heiß und ich lasse mir von Ina etwas zu trinken geben, die so aus dem Häuschen ist, dass sie sich erst mal mit einem Glas Cola beruhigen muss.

Denn die wirkt dank des Coffeins und dem Zucker wahre Wunder, wenn man aufgeregt ist und ich spreche da ganz aus Erfahrung.

Da sehe ich auf meine Uhr.

01:39

„Mist!“, rufe ich und ziehe Ina hinter mir her aus dem Club.

Ich habe die kleine Trophäe, die ich bekommen habe, in meine

Tasche gesteckt und dränge mich jetzt durch die hereinströmenden Massen.

Draußen sind nur wenige Menschen, da alle drinnen beim Feiern sind.

Da knalle ich total hart gegen eine Person. Ich erkenne den Jungen, der mich gefilmt hat. Für einen kurzen Augenblick schau ich in seine schönen grünen Augen, doch dann ist der Augenblick vorbei und er packt mich am Arm um mir aufzuhelfen.

„Sorry!“, schreie ich und nehme ein lautes Klappern war, doch ich ziehe Ina mit zum Roller und schwinge mich drauf.

Schon habe ich ihn gestartet und fahre mit Ina im Schlepptau die Einfahrt entlang. Da rennt uns eine Gestalt in den Weg, und ich erkenne den Jungen wieder.

Und meine Trophäe in seiner Hand.

Aber wenn ich jetzt nicht fahre dann bringt Tante Sammy mich um.

Ich gebe ihm ein Handzeichen dass ich ihn gesehen habe und rattere an ihm vorbei.

Ich fahre nicht ganz bis vor unser Haus, denn dann würde ich mich bei Tante Sammy bemerkbar machen und das würde dann wider in einem riesigen Theater enden. Dann darf ich garantiert nie wider so lange raus. Das letzte Stück schiebe ich und lasse den Roller dann einfach in der Einfahrt stehen.

„Tschüss, bis morgen!“, flüstere ich Ina zu und schließe die Haustür auf.

Noch fünf Minuten bis Tante Sammy den Fernseher ausmacht und zu mir ins Zimmer schauen wird. Das macht sie jeden Abend vor dem Schlafengehen.

So leise und schnell ich kann husche ich nach oben und ziehe mir meinen Pyjama an.

Kaum liege ich im Bett und habe das Licht ausgemacht, öffnet

sich die Tür und Tante Sammy streckt den Kopf herein. Ich tue so als würde ich schlafen, und sie zieht zufrieden wieder ab.

Mit einem lauten Seufztest kuschle ich mich tiefer unter die

Decke und schließe die Augen.

Woher kenne ich nur die Augen von diesem Jungen?

Ich habe keine Ahnung.

Aber im Moment interessiert mich das auch nicht und so drehe ich mich auf die Seite und schlafe ein.

 

2.

Mit weit offenen Augen sitze ich in meinem Bett. Ich habe von Jacob geträumt und das gleich zwei Mal. Mein Kopf schwirrt noch vor lauter Gedanken und ich  schwinge die Beine aus dem Bett.

Ich ziehe die Vorhänge zurück und öffne das Fenster um die frische Morgenluft einzuatmen. Nachdem ich mir was über gezogen habe laufe ich nach unten und treffe Tante Sammy in der Küche, wo sie gerade Spiegeleier für uns zwei, zubereitet.

„Morgen“, murmle ich und reibe mir den Kopf.

„Gute Morgen, Schatz!“

Samstag und Sonntag sind einer der Wenigen Tage an denen wir gemeinsam Frühstücken.

„Hast du heute schon was vor?“, fragt sie als wir unser Frühstück verputzen,

„Ne, aber ich denke ich geh nochmal zum Club zurück, ich hab da was vergessen.“

„Okay. Ich denke ich mach mal wieder was mit Clara. Aber zum Mittagessen bin ich da. Irgendwelche Wünsche?“

„Mmh, nein, aber kannst mich ja überraschen.“

„Ja, das mache ich.“

Ich stehe auf und nehme erst mal eine heiße Dusche. Danach tu ich das was ich eigentlich schon immer gemacht habe, ich mache die Musik an und tanze.

Ich muss immer und immer wieder an den Jungen von gestern denken.

Da fällt mir plötzlich etwas ein, was ich total vergessen hatte.

„Sammy?“, rufe ich, weil ich zu faul bin nach unten zu laufen.

„Ja?“

„Warst du mich eigentlich inzwischen anmelden?“

„Ja, die Sachen müssen hier irgendwo liegen.“

Es rumpelt kurz.

„Ja hier sind sie.“

„Okay!“

Meine Tante hatte nämlich von mir den Auftrag bekommen mich an der High School in der Nähe anzumelden.

Da werde ich dann am Montag hingehen.

Ina geht auf eine andere Schule, weil sie weitaus bessere Noten hat.

Aber jetzt schnappe ich mir erst mal mein Skateboard und brettere die Straße hinunter.

Ich komme am Skatepark vorbei  und sehe, dass mal wider die halbe Stadt da ist.

„Hey!“, ruft da plötzlich jemand und kurz darauf stehen drei Mädchen vor mir, ungefähr um die vierzehn.

„Ja?“, frage ich verwirrt.

„Du bist doch die die gestern Abend im Club getanzt hat oder? Ich habe dein Video gesehen, hat auf YouTube schon über zweihunderttausend Klicks. Echt der Wahnsinn!“

„Zwei… zweihunderttausend? Kann ich das Videos mal sehen?“

Ja, das ist das Video das der Junge gestern gemacht hat.

„Woher hast du das?“, frage ich das Mädchen.

„Das haben hier alle, da kann’s jeder von jedem haben.“

„Weißt du wer das gefilmt hat?“

„Nein sorry. Aber wir müssen jetzt weiter. Tschüss!“

„Tschüss“, murmle ich und starre den dreien hinterher.

Ich kann es gar nicht fassen.

Bin ich wirklich so gut?

Ich zucke nur mit den Schultern und begebe mich zu meinem Stammplatz, oben auf einer Kaputten Bahn.

Dort angekommen strecke ich mein Gesicht in Richtung Sonne und greife hinter mich um einen kleinen Stein anzuheben, unter dem sich ein Foto befindet.

Es zeigt meine Eltern, mit mir, als ich gerade fünf Jahre alt war.

Unten sammeln sich jetzt ein paar Jungs um einen gutaussehenden älteren Mann, doch ich interessiere mich nicht sonderlich für den neuen und ziehe die Beine an den Körper.

Ich sehe aus den Augenwinkeln wie ein paar Jungs auf mir zeigen, und kurz darauf kommt er doch tatsächlich zu mir nach oben geklettert.

„Darf ich mich setzen?“, fragt da jemand plötzlich.

Ich sehe auf und nicke überrascht.

„ Du Bist Amy Horices, richtig? Ich habe dich gestern Abend tanzen gesehen, du warst fantastisch. Wo hast du das gelernt?“

„Nirgendwo. Habs mir selber beigebracht“, erwidere ich knapp, denn ich habe keine Lust mit dem Mann zu reden.

„So was. Das ist ja fantastisch! Darf ich Fragen, wie alt du bist?“

„16. Warum?“, frage ich misstrauisch.

„Ich bin der Direktor der Valley Mountain High School. Dort

sind lauter von uns entdeckte Talente, alle mindestens so begabt wie du. Na, was ist? Hättest du Lust sie dir mal anzusehen?“

„Oh!“, überrascht sehe ich ihn an.

Nun ist mein Interesse doch etwas geweckt und ich mache große Augen.

„Ja, das würde genau passen. Wenn du willst kannst du auch gleich zu uns wechseln.“

Träume ich, oder Wach ich? Haha, nein, also so arg bin ich jetzt auch nicht vom Kurs abgekommen, das ich so ne alte Redewendung benutzen muss. Aber eigentlich würde sie ja auch total passen.

Das wäre die Möglichkeit meines Lebens! Diese Schule hat die größten und erfolgreichsten Talente in der Geschichte Chicagos hervorgebracht.

„Ich habe mich gestern schon auf eine andere High School angemeldet, weil meine alte Schule zu weit weg ist. Aber ich denke meine Tante kann mich wieder ummelden.“

„Fantasttisch! Hier“, er reicht mir seine Visitenkarte, „ ruf mich einfach heute  Abend an, und ich bring dich morgen dann zur Schule. Alles Weitere sag ich dir dann am Telefon.“

Er steht auf und verabschiedet sich von mir.

Ich schaue dem Mann hinterher und sehe wie er in einen schwarzen BMW einsteigt.

„Wer war das denn?“, fragt plötzlich jemand und ich bemerke Marc, der über mir in einer der großen Kastanien sitzt und mich angrinst.

„Das war der Direktor dieser Valley Mountain High School. Er hat mir einen Platz an seiner Schule angeboten weil er meint dass ich Talent habe“, und auf seinen fragenden Blick hin füge ich hinzu: „Er hat mich tanzen gesehen.“

„Aaaah!“, er nickt wissend.

Ich nicke ebenfalls und stehe auf.

„Ich muss dann wieder los.“

„Warte, ich wollte dich noch etwas fragen!“

„Und was?“, frage ich mäßig interessiert.

„Hast du Samstag schon was vor?“

Mein Bauch fängt an zu kribbeln. Mist, warum muss ausgerechnet ER das JETZT fragen? Ich hab doch ganz andere Gedanken im Kopf, und keine Zeit für irgendwelche Dates.

„Nein. Ich ruf dich an.“

Ich springe von meinem Stück der Bahn und lande leichtfüßig auf dem geteerten Platz.

„Bis dann!“, ruft Marc von oben und ich laufe so schnell ich kann mit dem Skateboard unterm Arm in Richtung Stadtmitte. Ich fahre eine Weile und bin dann plötzlich nichtmehr umringt von Häusern und Läden, sondern von Bäumen und Parkbänken.

Ich bin im Stadtpark angekommen.

Hier, abseits vom Mief und Lärm der Stadt, habe ich das erste Mal Zeit Ina zurufen. Die sitzt daheim und muss auf ihre kleine Schwester aufpassen.

Also muss ich alleine den Tag verbringen und mir fällt auch schon ein was ich machen könnte.

Ich fahre wieder zurück durch das Industriegebiet, vorbei am „Hopper Viertel“, wie wir es nennen, bis ich vor einem verlassenen Kino stehe. Die Hälfte steht nichtmehr, denn die ist vor ein paar Jahren abgebrannt.

Ich betrete es ganz normal durch die Tür und gehe schnurstracks in den größten Kinosaal.

Das ist der einzige der noch steht.

Ich bin meines Wissens auch die Einzige die weiß, dass das Kino eigentlich noch benutzbar ist, denn der Besitzer wollte es eigentlich abreißen lasse, doch die Kosten dafür waren ihm zu groß und so steht es nun besitzerlos da und keiner Interessiert sich dafür.

Wenn ich mal Geld verdiene kaufe ich es und richte es so

wieder her dass man es wieder als Kino nutzen kann.

Hier habe ich meinen ersten Kinofilm gesehen, genau in diesem Saal.

Im Moment ist es noch Dunkel, doch ich klopfe einmal fest gegen einen Kasten der über der letzten Sitzreihe an der Decke hängt und schon öffnet sich der Vorhang und der Film beginnt.

Der Film handelt von einer Frau, die in jungen Jahren einen Mann heiratet, und von ihm Schwanger wird. Doch dann verlässt er sie wegen einer dahergelaufenen Frau und sie begeht Selbstmord.

Doch warum mich der Film eigentlich interessiert: Die Frau ist eine leidenschaftliche Tänzerin.

Sie ist wirklich gut.

Ich kann jede Textpassage auswendig aufsagen, da ich seit über zehn Jahren jede Woche mindestens zwei Mal in diese Kino gehe um mir diesen Film anzusehen.

Ich weiß, klingt verrückt, aber ich finde es jedes Mal aufs Neue traurig und zugleich faszinierend wie ein Mensch, also dieser Mann, so abstürzen kann, und wie eine Frau, in dem Fall die Tänzerin, in dennoch so lieben kann.

Das heißt im Klartext: Dass sich zwei lieben können, obwohl sie total unterschiedlich sind.

Das finde ich total schön.

Doch der Film dauert nur zwei Stunden und nach der Vorstellung geht der Vorhang wieder zu und ich sitze im Dunkeln.

Auch die Toiletten sind gut erhalten und daher begebe ich mich dorthin.

Sogar die Wasserspülung geht noch, weil wahrscheinlich jemand vergessen hatte die Pumpen, nach der Schließung des Kinos, abzuschalten.

Ich verlasse das Kino wieder und brettere die Straßen entlang zurück zu unserem Haus.|

Sammy hat nicht mit dem Essen auf mich gewartet. Sie ist auch nicht da, denn sie gibt keine Antwort als ich nach ihr rufe.

Die Uhr zeigt inzwischen schon halb fünf an und so rufe ich kurzerhand den Direktor der High School an.

„Hallo?“

„Hey. Sie sagten dass ich mich bei ihnen heute Abend melden soll.“

„Ach, ja. Genau. Also, ich werde dich morgen abholen, und zur Schule bringen damit du dich mit dem Weg vertraut machen kannst und so weiter. Danach solltest du das Sekretariat aufsuchen, dafür gebe ich dir eine Karte von unserer Schule. Ach ja, dein Klasse hat ihr Klassenzimmer im Obergeschoss, aber das siehst du ja dann auf der Karte. Ich werde mit meinem Auto kommen, und nehme an das du mit deinem Roller fährst?“

„Ja.“

„Na gut. Dann bis morgen. Tschüss.“

„Bay.“

Ich lege auf und beschließe Marc erst mal nicht anzurufen, dann denkt er vielleicht, dass ich unbedingt mit ihm ausgehen will, was ich auch will, aber das macht einen komischen ersten Eindruck. Na gut, ich kenne ihn schon über sechs Jahre, aber mit ihm getroffen habe ich mich noch nie.

Ich verputze mein Mittagessen und gehe dann unter die

Dusche.

Meine langen braunen Haare brauchen sehr lange um zu trocknen, also setze ich mich an meinem Laptop und checke meine E-Mails.

Über fünfzig Nachrichten?

Die spinnen ja.

Gut vierzig davon sind Leute die mich total klasse finden und mich unbedingt mal live sehen wollen.

Die restlichen sieben sind Kettenbriefe.

Eine ist von Ina.

Sie entschuldigt sich dass sie heute keine Zeit hatte.

Ich schreibe zurück und scrolle nach unten.

Die letzte ist von Marc, aber die viel interessantere ist die darüber.

 

Hay du.

Ich hab dich gestern Abend in dem Club gefilmt, weil ich deine Bewegungen  Hammer fand, genauso wie dein Stiel. Ich habe das Video auf YouTube gestellt. Bei mir haben sich ein paar Choreographen gemeldet, die dich kennenlernen wollen. Ich kenne dich, und deiner Art, wie du dich bewegst, woher, weiß ich nicht.

Auf ein baldiges Wiedersehen. J.

 

J.?

Jacob?

Nein, das kann gar nicht sein.

Bestimmt… Jake, oder doch Jacob.

Ich lese die Nachricht von Marc noch durch, er schreibt dass

ich ihn unbedingt anrufen muss, und schalte dann meinen Computer aus.

Ich ziehe mich um und lege mich ins Bett.

Morgen muss ich mich erst mal in die neue Schule integrieren, sonst hab ich ein ganzschönes Problem.

3.

Kaum habe ich zu Ende gefrühstückt als ich auch schon das Hupen eines Autos höre und aus dem Haus renne.

„Hallo“, sagt der Direktor und lässt die Scheibe wieder hoch.

Ich steige auf meinen Roller und fahre ihm hinterher.

Wir fahren durch die Innenstadt bis zu einem etwas außerhalb gelegenen Teil der Stadt.

Der Mann fährt auf einen Parkplatz und ich halte neben ihm an.

„Hier kannst du deinen Roller hinstellen. Keine Sorge, der Bereich hier wird rund um die Uhr bewacht“, erklärt er und deutet auf einige Videokameras.

Ich steige ab und sehe ihn fragend an. Wie zum Teufel soll ich mich hier zurechtfinden?

Er gibt mir eine Karte, deutet auf das große Gebäude und verschwindet durch eine kleine Tür ins Innere der Schule.

Da steh ich nun, mit meiner Tasche und Schulkarte in der Hand und weiß nicht wohin.

Da strömen auch schon die ersten Schüler auf den geteerten Hof.

Ich laufe einen unterdachten Weg entlang und gelange ins Innere der Schule.

Hier sitzen einige Gruppen an Tischen verteilt. Die einen

Singen sich ein, die anderen schlagen mit Stöcken, wie bei

einem Schlagzeug, auf die Tische und Stühle ein, und wieder

andere tanzen.

Doch ich sehe hier nirgends meinen Tanzstiel und wende mich an einen normal aussehenden Jungen, den ich jedoch nur von hinten sehen kann.

„Hey. Ähm, ich suche das Sekretariat. Weißt du wo das ist?“

Er dreht sich um und hebt eine Augenbraue.

Wow ist der hübsch.

„Wohl neu hier süße?“

Ich nicke nur. Wie kommt`s dass ich immer grade die erwische, die die größten Machos zu sein scheinen?

„Einfach da die Treppe hoch und dann das erste Zimmer rechts. Man sieht sich“, sagt er und zwinkert mir zu.

Ich laufe die große Treppe nach oben und stehe vor der gesuchten Tür.

Ich klopfe an und betrete auf ein „Herein“ den Raum.

Hinter einem großen Schreibtisch sitzt eine gutgelaunte Frau mit rotem Krausehaar und lächelt mich an.

„Was kann ich für dich tun?“

„Mein Name ist Amy Horices, eigentlich Amy Sarah, aber egal. Ich soll mich hier melden.“

„Ach ja, der Direktor hat mir heute Morgen bescheid gegeben. Hier ist dein Stundenplan. Und-“, sie wird du das Klingeln zu ersten Stunde unterbrochen,  „ich bringe dich in deine Klasse. Kommst du?“

Ich folge ihr die Treppe hinunter und einen Gang entlang, in welchem man durch die Türen die Klassen schreien hört.

Vor der zweit letzten hält sie an und öffnet nach einem kurzen

Klopfen die Tür.

„Mr. Charis, hier ist ihre neue Schülerin“, sagt die Frau und schon stehe ich vor der Klasse und werde von allen angegafft.

„Hay“, sage ich und sehe fragend den Lehrer an.

„Tja, Leute. Das hier ist Amy Horices. Sie hat die Schule

gewechselt und kommt nun in unsere Klasse. Da hinten ist

noch ein Platz frei.“

Ich gehe durch die Reihen und stehe vor meinem Einzeltisch der von allen Seiten mit anderen Tischen umringt ist.

Ich lasse mich darauf sinken und sehe, dass der Typ, der mir vorhin den Weg gesagt hat, direkt vor mir sitzt.

„Hay Süße. Ich sagte doch: man sieht sich“, flüstert er und

zwinkert mir zu.

Ich finde mein Mäppchen plötzlich überraschenderweis ziemlich interessant und so dreht er sich wieder nach vorne und widmet seine Aufmerksamkeit einer hübschen Blondine neben mir, und zwinkert ihr zu.

Typisches Macho-Gehabe, wie ich ja schon vermutet habe.

Die Schüler tuscheln immer noch, doch ich hole unbeeindruckt meinen Block heraus und versuche ein bisschen mitzubekommen was der Lehrer uns erzählen will.

„Hey, Jake, ist sie das nicht?“

Jake?

Jacob?

Nee, ich bilde mir doch nur was ein, dass KANN er doch gar nicht sein. Es müsste schon an ein wahres Wunder grenzen, wenn hier tatsächlich Jacob sitzen würde.

Die Stunde vergeht wie im Flug und als es endlich klingelt habe ich Gelegenheit mir die Klasse unbemerkt anzusehen.

Hier sind ungefähr fünfundzwanzig Schüler, mich eingenommen.

„Du heißt Amy?“, fragt mich ein Mädchen und ein paar weitere Mädchen scharen sich um mich.

„Ja, warum?“

„Ich habe dein Video gesehen, dass kennt hier jeder, weil Jake es ja gefilmt hat.“

Schonwieder dieser Jake, wer ist das denn nun?

Ich schaue zur Tür und da steht er und wird von der Blondine an geflirtet. Er schaut mich nicht an, aber, tatsächlich das ist der Typ der mich gefilmt hast.

„Ja, Amy, du warst echt klasse!“, stimmt ein anderes Mädchen zu und bei meinem Namen schaut der Junge auf.

Er schaut mir direkt in die Augen und auch wenn es nur

Sekunden sind, weiß ich, dass ich diese Augen kenne.

Doch ich schaue wieder weg.

„Ich glaube Michael mag dich“; fährt das Mädchen fort und deutet auf den Macho-Kerl, der während des Unterrichts vor mir sitzt.

„Ja“, stimmt das andere Mädchen zu, „er schaut die die ganze Zeit an. Aber dabei ist er ja mit Schantall zusammen“, sie und macht eine abfällige Handbewegung in Richtung der Blondine.

„Oh“, sage ich, aber das hätte mir ja auch klar sein können. Es liegt einfach in der Natur eines Machos, dass er sich das nächstbeste hübsche Mädchen sucht, das ihn beliebt und angesehen macht, zumindest bei seinem Geschlecht. Doch meistens krallen sie sich eine Blondine und jeder kennt ja das Sprichwort: Blond, Blau, Blöd. Also ist es nicht verwunderlich, dass die anderen Mädchen nicht so wirklich etwas mit ihm anfangen können, zumal er auch auf Brünetten steht, wie sich grade herausgestellt hat. Denn die einen beiden haben schwarze Haare und außer zwei weiteren Blondinen, die beide vergeben sind, und einer etwas pummeligeren Rothaarigen mit Nickelbrille, gibt es keine weitern Mädchen in der Klasse. Was natürlich nicht heißen muss, dass es in unserer Stufen keine weiteren „Ich-bin-hier-die-ober hübscheste-und-klügste-und-kann-mir-jeden-heißen-Typen schnappen“-Zicken, wie Schantall, die sich viel zu wichtig nehmen, und darum auf solche Kerle wie Michael hereinfallen. Ich will damit ja nicht sagen, das Michela ein schlechter Kerl ist, aber ja. Ich denke jetzt weiß was ich meine. „Förmliche und unaufhaltsame Ausnutzung des eigenen Rufes“, würde Tante Sammy das wohl nennen. Ich reiße meinen Blick von Schantall los und wende mich wider den beiden schwarzhaarigen zu.

Da fällt mir erst auf dass die beiden genau gleich aussehen.

„Seid ihr Zwillinge?“, frage ich überflüssigerweise.

„Ja, sie hat´s bemerkt, Zwilling.“

„Oh, tatsächlich“, sagt die andere sarkastisch, lächelt aber dabei.

„Nun das ist meine Schwester Nadine, und mein Name ist-“

„Clara“, beendet die andere den Satz.

„Danke Schwesterchen, aber das kann ich auch selber sagen.“

„Gern geschehen“, erwidert Nadine den Satz und knufft ihre Schwester in die Seite.

Ich beschließe jetzt schon, dass ich die beiden mag.

„Aber Jake schaut auch die ganze Zeit hier her, aber der

interessiert sich nicht für Mädchen, denke ich mal.“

„Du meinst er ist Schwul?“, frage ich unüberlegt.

„Nein! Nie im Leben! Aber er hatte noch nie ´ne Freundin, und dabei könnte er jede haben. Guckt doch nur mal wie er

aussieht!“, schwärmt Clara und auch die anderen Mädchen werfen dem Jungen sehnsüchtige Blicke zu.|

Die Schwestern seufzen in seine Richtung und er wendet sich seiner abgegriffenen Tasche zu, ohne die Blicke zu bemerken.

 Ich muss plötzlich grinsen.

„Was haben wir jetzt für ein Fach?“, frage ich und muss ein Lachen unterdrücken, weil ich meine Klassenkameradinnen beim schwärmen unterbrocken habe, und die jetzt etwas böse aussehen.

 „TSA“, beantwortet Clara die Frage, bevor ich einen Blick auf meinen Stundenplan werfen kann.

„Was ist das?“, frage ich erneut.

„Tanzen-Singen-Anderes.“

„Das ist klasse. Hier kann jeder zeigen was er kann, und man wird auch total gut, denn die Lehrer sind alle ausgebildete Tanz- oder Singprofies“, sagt das Mädchen mit der Nickelbrille.

Die wird wohl eher zum Singen gehören, denke ich gemeinerweise.

„Ja, vor allem der Direktor kann klasse tanzen“, bekräftigt Clara und grinst.

„Wie war, Schwesterchen.“

„Na, dann. Lasst uns gehen!“

Clara und Nadine packen mich bei den Armen und ziehen mich und meine Tasche aus dem Raum.

Auch die anderen machen sich auf den Weg, und schon bald

stehen wir vor einer großen Halle.

„Hier musst du rein. Wir sind im Singunterricht, aber wir kommen Nachher zuschauen. Bis dann.“

Ich öffne die Tür und laufe der einen Blondine aus meiner Klasse einfach nach. Die betritt eine Umziehkabine und ich tue es ihr gleich.

Sie geht in eine Ecke in der schon ein paar andere Stehen, doch ich geh ans andere Ende und ziehe mich da für mich alleine um.

„Was ist das denn?“

Schantall steht vor mir und hält mit spitzen Fingern mein Haarband und meine Hose hoch.

„Meine Sachen“, erwidere ich knapp und nehme sie ihr weg-

„Nein ich meine, was das ist. So was kann man doch nicht anziehen!“, erwidert sie mit gespieltem Entsetzen.

Nur weil du, in deinen pinken kurzen Höschen und Hautengem Top, das alleinige Ziel im Kopf hast, den Jungs den Kopf zu verdrehen, muss ich nicht auch noch so rumlaufen.

Ich ignoriere sie einfach und mache mir mit meinem Haarband die Haare aus dem Gesicht.

Schantall dreht sich schnaubend zu ihrer Gang um und ich kann noch ein paar Schlucke aus meiner Flasche nehmen bevor wir die Halle durch eine andere Tür betreten.

Hier gibt es alles was ein Profitänzer braucht.

Riesige Stereoanlagen stehen in einem Raum bereit um den perfekten Beat von sich zu geben.

Die Trainingsgeräte sind dazu entwickelt worden, um genau

die Muskeln zu trainieren, die man beim Tanzen besonders

beansprucht.

Ein Paradies für mich und jeden leidenschaftlichen Tänzer hier.

Da kommt auch noch der Direktor rein, nur diesmal in super Tanzhose und engem Shirt.

„Hallo Klasse“, sagt er und lässt seine Sporttasche auf den Boden fallen.

Ein murmeln geht durch die Gruppe.

Neben mir stößt ein Mädchen ihre Freundin an und flüstert ihr gerade so laut etwas ins Ohr, dass ich es auch verstehen kann: „In dieser Hose sieht sein Hintern noch besser aus!“

Ich verdrehe die Augen und wende mich auf ein Pfeifen hin wider unserem Lehrer zu.

„Ab heute werden wir mit dem Hip-Hop anfangen, und da das Thema so beliebt ist werden wir die Jungs auch noch dazu

holen.“

Das ist echt cool. Warte mal was sagte er grade? Wer ist dann hier alles?

Unsere Klasse und die Parallelklasse.

Oh, Großartig! Ich HASSE es Abgrundtief von allen immer so angegafft zu werden, nur weil ich ein bisschen besser tanzen kann wie manche hier. Okay, besser wie viele hier, aber das ist  doch noch LANGE kein Grund dazu, oder?

Die Jungs sind genau gleich viel wie wir, und so bekommt jeder einen andersgeschlechtigen Partner zugewiesen.

Michael stellt sich auffällig unauffällig direkt neben mich, doch er wird seiner Freundin zugewiesen, und so bleiben am Ende nur vier Leute übrig.

Ein Junge und ein Mädchen, sowie Jake und ich.

Mr. Laurent teilt das Mädchen, Emma heißt sie, mit dem  Jungen Phil ein, und mich mit Jake.

Ich stelle mich neben ihn und sehe wir mir einige Mädchen neidische Blicke zuwerfen, doch dann gibt uns Mr. Laurent Anweisungen, uns in einer Reihe aufzustellen.

„Ich dachte mir, ich lasse heute mal zwei gute Tänzer etwas vortanzen. Wie wäre es, ja mit euch zwei?“

Oh nein.

Warum muss er jetzt ausgerechnet Jake und mich aufrufen? Hat er das Video etwa auch gesehen. Falls er das getan haben sollte, und mich darauf ansprechen sollte, kann ich mir gleich einen Stempel als „Schleimer“ aufdrücken.

Zögernd trete ich nach vorne, doch Jake läuft Selbstbewusst neben mir und die anderen machen einen großen Kreis um uns herum.|

Mir pocht das Blut in den Ohren und der Schweiß klebt mein Top an meinem Rücken fest.

„Keine Sorge. Du kennst das doch“, flüstert Jake und ich stelle mich ihm gegenüber.

„Ihr improvisiert einfach. Nachher Wechsel ich euch aus. Also dann los.“

Die Musik beginnt und sie hat einen fantastischen Bass.

Unsicher stehe ich da und sehe Jake in die Augen.

Erst bewegt er sich nicht, doch dann fängt er mit einer kurzen Abfolge von Schritten und Bewegungen an, in die ich bald einfalle.

Ich beginne kleine Variationen hinein zubringen, die er ebenso schnell übernimmt.

Sein Körper scheint mit meinem zu reden, wir tanzen wie in einem Gespräch, ich Frage etwas, er gibt die Antwort.

Er erzählt mir etwas über seine Techniken, und ohne dass er es weiß vermittelt er mir einen ganz anderen ersten Eindruck.

Er wollte cool rüber kommen, doch ich sehe, anders als bei

mir, hartes Training hinter den so einfach wirkenden

Bewegungen.

Da bemerke ich plötzlich das Déjà-vu.

Ich sehe vor mir wie ich mit sechs Jahren gegen den siebenjährigen Jacob tanze.

Draußen auf dem Hof, umringt von anderen Kindern, die uns eifrig anfeuern.

Die Schritte sind exakt dieselben.

Dann ist das Lied aus und wir stehen unter Applaus Brust an Brust aneinander, die Hände verschränkt.

„Jacob“, flüstere ich und er nickt kurz, also wollte er sagen, „Nicht jetzt“.

Mr. Laurent total begeistert und schickt gleich die nächsten ins Rennen.

Doch bei keinem sind die anderen so begeistert wie bei uns.

Unschlüssig stehe ich neben Jacob.

Jacob.

Mein Jacob.

Damals waren wir die besten Freunde, hielten noch Monate nach dem ich das Weißenheim verlassen hatte, Kontakt.

Doch dann kam der Umzug, und ich verlor das Notizbuch indem seine Nummer stand.

Er hat mich beschützt, wenn mich die älteren Kinder geärgert haben, oder mit mir gespielt, wenn ich alleine in der Ecke saß.

Die Musik fängt wieder an und reißt mich in die Wirklichkeit

zurück.

Jetzt sind Michael und Schantall dran.

Er stellt sich gar nicht so schlecht an, doch Schantall scheint nichts anders zu beherrschen als schön mit dem Arsch zu wackeln.

Die zweite Stunde nutzen wir dazu mit unserem Partner ein paar Vertrauensübungen zu machen.

Wir müssen uns gegenseitig die Augen verbinden und uns dann Rückwerts vom anderen aufgefangen werden.

Das erste Mal habe ich ein bisschen Bange, doch dann lasse ich mich einfach nach hinten fallen.

Jacob fängt mich mit seinen starken Armen auf und setzt mich vorsichtig auf dem Boden ab.

Meine Augenbinde rutscht runter und ich grinse ihn an.

Da hören wir einen lauten und durchdringenden Schrei.

Schantall liegt auf dem Boden und hält sich den verdrehten Kopf.

Wir erfahren dass Michael abgelenkt war, wahrscheinlich wieder dabei mich anzustarren, aber auf jeden Fall hat Schantall jetzt eine Genickstarre und muss in das Krankenzimmer gebracht werden.

Die Stunde wird vorzeitig beendet, da Mr. Laurent die Eltern informieren muss.

Ich ziehe mich schnell um und laufe dann nach draußen.

„Hey.“ Jacob tritt hinter der Tür hervor in grinst mich lässig an.

Er umarmt mich bis auch der Rest die Halle verlässt und zieht

mich dann ein bisschen zur Seite um besser mit mir reden zu

können.

„Ich wusste gleich, als du angefangen hast zu tanzen, dass ich dich kenne, und als du dann deine Trophäe verloren hast, auf

der dein Name steht“, er reicht mir ein Päckchen, „wusste ich, dass du es bist.“

Ich öffne das Päckchen mit ein paar schnellen Handgriffen und ein Lächeln huscht über mein Gesicht.

Meine Trophäe!

„Da wusste ich dass du es bist. Tja und als Nadine oder Clara dann deinen Namen gesagt hat, wusste ich dass du es sein musst.“

Er umarmt mich nochmal sehr lange.

„Wie lange ist es her seit wir uns das letzte Mal gesehen haben? Zehn Jahre?“

„So in etwa“, murmle ich und stecke das Päckchen weg.

Wir gehen wieder den Weg zurück zum Schulgebäude und er bleibt vor der Cafeteria stehen.

„Setzt du dich zu mir?“, fragt er und deutet auf einen Tisch, an dem schon ein paare gutaussehende Sänger und Schlagzeuger sitzen.

„Klar. Können Clara und Nadine auch da sitzen?“

„Ähm“, er sieht zu einem Tisch an dem noch genau vier Plätze frei sind, „Ich denke die Jungs haben kein Problem damit.“

Ich gable die beiden Schwestern an der Essensausgabe auf und wir setzen uns an den „Angesagten Tisch“, wie man ihn hier nennt.

Doch nicht der Tisch ist es, der angesagt ist, so Clara, sondern die Typen die dort immer sitzen.

„Was hast du denn da für Süße mitgebracht?“, begrüße ein

Kumpel von Jacob die beiden, die sofort ein verlegenes Kichern hervorbringen.

„Erzähl mal“, fange ich an als die anderen am Tisch mit

Flirten beschäftigt sind, „wie geht’s dir?“

„Also, jetzt geht’s mir super“, er grinst mich an.

So ein hinterhältiger Kerl, der einen einfach um den kleinen Finger wickeln kann.

Aber er hat so schöne Augen…

„Und dir?“

Er reißt mich abrupt aus meiner Trance und ich grinse ihn an.

„Auch super.“

Da fällt mir was ein, was ich mich schon seit zehn Jahren Frage.

„Du sag mal, wo bist du eigentlich hin, nachdem ich zu meiner Tante gekommen bin?“

„Ich bin weggelaufen, hab mein Geld als Bedienung in ‘nem schicken Restaurant verdient. Der Bruder eines Kumpels ist der Chef dort, und der hat meiner Familie noch einen Gefallen geschuldet. An manchen Tagen bin ich auch als Tänzer aufgetreten, dass gab dann immer noch extra Bonus.“

„Oh, wie lange hast du das gemacht?“

„Ich glaube vier Jahre, wenn’s hinkommt. Aber das habe ich auch erst angefangen als ich zehn war, davor habe ich bei einem Freund gewohnt.“

„Oh, mein Gott!“

„Wieso? Ist es dir besser ergangen?“

„Ich wohne seit damals bei meiner Tante in der Villa.“

„Oh“, das überrascht jetzt auch ihn.

„Ja“, gebe ich kleinlaut zurück.

Jetzt schäme ich mich, aber so richtig.

Er hat die ganzen Jahre gekämpft, damit er überhaupt was zu essen bekommt, und ich beklage mich darüber wen meine

Tante mal nicht zum Essen da ist.

Manchmal sollte man zweimal überlegen, bevor man etwas sagt. Oder wenigstens einmal.

„Ist ja nicht schlimm. Du kannst ja nichts dafür.“

Ich kaufe es ihm nicht ab dass es ihm egal ist, und höre lieber zu was Nadine und Clara so erzählen.

Die Mittagspause hätte eigentlich viel länger sein müssen, doch sie klingelt erbarmungslos und so trotten wir alle wieder zurück in unsere Klasse.

Da ich jetzt Klarheit habe, fällt es mich nichtmehr so schwer

mich in der Klasse umzusehen, da ich vorher annahm dass mich keiner mag.

Ich erkenne viele aus der Cafeteria wieder, und auch die fünf Jungs die mit an dem Tisch gesessen hatten, sind in meiner Klasse.

Jacob sitzt so dass er nur zur Seite gucken muss um mich zu sehen.

Und genau das tut er grade jetzt.

Ich schau zurück und nicht bald darauf müssen wir beide grinsen.

Doch Michael, der mich SCHONWIDER anschaut, scheint das gar nicht zu gefallen.

Er steht auf und setzt sich einfach neben mich sodass ich Jacob nichtmehr sehen kann.

„Kennt ihr euch?“, fragt er interessiert und schaut mir ins Gesicht.

„Ja, schon ziemlich lange.“

„Oh“, erwidert er, sichtlich verwundert.

Hat der Jacob etwa gerade einen eifersüchtigen Blick zugeworfen?

„Hast du Samstag schon was vor?“, fragt er einfach gerade heraus, ohne lange um den heißen Brei zu reden.

Wie viele fragen mich das eigentlich noch? Erst Marc, dann Michel. Vielleicht will Jacob da auch noch was mit mir machen.

„Ähm, ja. Tut mir leid.“

„Freitag?“, fragt er weiter.

Meine Güte, ist der hartnäckig.

„Nein, bis jetzt noch nicht.“

„Super, ich hol dich um sieben ab.“

Gespräch kommentarlos und unfallfrei beendet.

Klassische Methode, um den Anderen gar nicht erst zum ausreden, also zum Absagen zu bringen.

Michael setzt sich wieder auf seinen Platz und macht eine

Geste in Richtung Jacob.

Doch der reagiert nicht darauf sondern reicht mir einen Zettel.

Darauf steht seine Handnummer.

Ich tippe sie schnell in mein Handy ein, und habe es gerade bei ihm anklingeln lassen, damit er auch meine Nummer hat, als eine sehr streng wirkende Dame das Klassenzimmer betritt.

Schnell lässt Jacob sein Handy verschwinden, und bedeutet mir dasselbe zu tun.

Die Dame stellt sich mir als Ms. Davids vor. Und da der erste Eindruck bekanntlich normalerweise stimmt, hatte ich recht mit der Vermutung dass sie eventuell sehr streng sein könnte.

Gleich als erstes gibt uns die Bio-Lehrerin die Aufgabe, zuhause im Internet zu recherchieren wie ein Baby entsteht.

Die ersten fangen bei diesem Thema an zu Kichern und auch Michael wirft mir einen Blick zu, dessen Bedeutung ich gar nicht wissen will.

„Amy?“

„Ja?“, erwidere ich und schaue auf.

„Was wissen sie den zum Thema Baby?“, fragt mich die Lehrerin.

„Das sind kleine süße-“, beginne ich, werde jedoch barsch unterbrochen.

„Nein ich meine die Entstehung.“

Ich werde rot und fummle am Reisverschluss meines Mäppchens herum.

„Ähm“, hilfesuchend schau ich zu Jacob, doch der nickt nur ermutigend, „Da sind halt eben Männlein und Weiblein, die haben sich normalerweise dann ganz arg lieb, und dann liegen sie zusammen ins Bett und machen ein Baby.“

Die Klasse fängt an zu lachen, doch Ms. Davids scheint das

gar nicht gefallen zu haben.

„Ich spreche Sie Nachher, Amy.“

Dann spreche mich halt Nachher, ist mir doch egal.

Etwas säuerlich führt sie den Unterricht fort und ich werde die restliche Stunde nichtmehr aufgerufen.

Als es endlich klingelt vergesse ich fast, dass mich die liebe Ms. Davids ja sprechen will.

Ich gehe nach vorne, und als alle nach draußen verschwunden sind setzt sie ihre schreckliche Brille ab, und reibt sich die

Nasenwurzel.

„Ich weiß nicht was Sie für einen Umgang in ihrer alten Schule hatten, aber hier wird so etwas nicht geduldet, vor allem nicht in meinem Unterricht.“

„Was hätte ich den sagen sollen? Frau und Man haben Sex miteinander, und dann kommt nach neun Monaten das Baby?“

Jetzt rechts mir aber endgültig1

Diese Frau geht mir tierisch auf die Nerven, und auch wenn ich mir am ersten Tag nicht gleich Feinde machen wollte, lässt sich diese Auseinandersetzungen mit Ms. Davids anscheinend nicht vermeiden.

„Um Gottes willen, mäßigen Sie ihren Ton. Da wäre einige Möglichkeit gewesen, aber Sie mussten die Sache ja gleich ins lächerliche ziehen. Ich werde Sie im Auge behalten, darauf können sie Gift nehmen.“

Und ich werde Ihnen die Hölle heiß machen, da können SIE Gift drauf nehmen.

„Sie können gehen.“

Ich stürme aus dem Klassenzimmer und knalle fast mit Jacob zusammen, der draußen vor der Tür steht.

„Was wollte sie?“

Er hat doch tatsächlich auf mich gewartet.

„Ach, sie meinte nur ich hätte statt meiner kleinen coolen

Geschichte, Frau und Man haben Sex, sagen sollen.“

Jacob sieht mich na und muss lachen.

„Oh man, du hast dich gar nicht verändert. Darf ich dich nach Hause bringen?“

„Ich bin mit dem Roller da, aber du kannst ja mitfahren wenn du willst.“

„Ich bin mit dem Auto da“, und auf meinen Blick hin, „Ja, ich

hab auch ziemlich lange drauf gespart.“

Wir gehen hinüber zum Parkplatzt wo sich nur noch die Nachzügler tummeln, und er lädt kurzerhand meinen Roller in sein Auto.

„Das wär´s“, sagt er und hält mir die Tür auf.

Ich zeige ihm den Weg und kurz darauf stehen wir vor meiner Tür.

„Schon dich wieder zu haben“, sagt er und umarmt mich jetzt schon zum vierten Mal, lang und fest.

Dann steigt er in sein Auto und braust davon.

„Wer war das denn?“

Tante Sammy steht in der Tür .und schaut mich schräg durch ihre Lesebrille hindurch an.

„Jacob, kenn ich aus dem Kinderheim.“

„Nein! Jacob? Ihr wart doch die besten Freunde, und seid es immer noch wenn ich das so sehe.“

„Ach was“, murmle ich und schlüpfe an ihr vorbei ins Haus.

 

Nach dem Mittagessen muss ich erst mal die ganzen Informationen verdauen, und fahre mit meinem Roller in den Park.

Da kommt wie durch Zufall Ina angelaufen, die hatte ich ganz

vergessen.

Nachdem ich ihr alles erzählt habe ist sie beeindruckt und tierisch neidisch.

„Ich hätte auch gerne mit ihm getanzt“, schwärmt sie und lässt fast ihren Milchshake los, den wir uns besorgt haben.

„Und das Beste war auch das Tanzen, ich hatte das Gefühl dass wir gesprochen haben. Also nicht mit unseren Stimmen,

sondern über die Bewegungen und Schritte. Ich hatte eine Art

Déjà-vu. Denn  wir haben scheinmal so getanzt, nur war ich da

erst sechs Jahre alt.“

„Krass!“,  ist alles was Ina einfällt.

„Und jetzt habe ich auch schon zwei Dates fürs Wochenende. Ich würde gerne morgen was mit Jacob unternehmen, soll ich ihn anrufen?“

„Ja, Mach schon!“

Ich krame mein Handy aus meiner Hosentasche und wähle die Nummer.

Tut. Tut.

„Hallo?“, fragt Jacob ziemlich außer Atem.

„Hey, Jacob!“, erwidere ich lächelnd.

„Amy?“

„Ja, ich wollte dich fragen ob wir vielleicht Morgen etwas unternehmen sollen.“

„Ich wollte dich gerade dasselbe fragen. Aber da warst du wohl schneller.“

„Ja, ähm“, hilfesuchend schau ich zu Ina.

Sie formt mit dem Mund das Wort: Skatepark.

„Wenn wir uns im Skatepark treffen?“

„Ja, das hört sich gut an. Wann?“

„Gleich nach der Schule?“

„Ja, das ist okay.“

„Okay, dann bis morgen. Tschüss.“

„Tschüss Amy.“

Ich stecke mein Handy wieder in meine Hosentasche und grinse vor mich hin.

„Ay, Amy, bist du etwa verliebt?“

„Ich? Nein. Ich Freu mich einfach dass ich Jacob wiederhabe.

Als Freund!“, füge ich schnell hinzu als ich Inas Skeptischen Blick sehe.

„Soso, Freund“, sagt sie mit wissendem Unterton.

„Du weißt genau was ich meine, also Kumpel, nicht mehr. Und außerdem habe ich wie du weißt am Wochenende zwei Dates, und das würde ich ja wohl kaum machen wenn ich in Jacob verliebt wäre.“

Ina, belässt es bei einem vielsagenden Blick und wir machen uns auf den Weg in Richtung Skateplatz auf dem wir uns eigentlich immer aufhalten.

„Da ist Marc. Ich gehe am Samstag mit ihm aus“, sage ich und winke ihm zu.

Er kommt auf uns zu und umarmt mich, einfach so.

Ich werfe Ina hinter seinem Rücken einen heimlichen Blick zu, doch die zuckt nur mit den Schultern und lässt uns alleine.

„Wie geht’s dir?“, fragt er mich und schaut mir in die Augen.

„Ähm, gut. Und dir?“

„Super.“

„Schön. Ähm, ich geh dann mal zu Ina rüber.“

„Warte, ich wollt dir noch was sagen.“

Oh, mein Gott. Was kommt jetzt? Ne´ Liebeserklärung?

„Was denn?“

„Also, das ist so. Ich-“

„Amy komm´ schnell, es ist wichtig. Schnell!“, schreit Ina.

„Oje, tut mir echt leid. Ein andermal. Tschüss!“, rufe ich und umarme ihn kurz und entschuldigend.

Ich weiß dass es was Wichtiges war, aber Ina hat mich gerade davor bewahrt im möglicherweise einen Korb zu geben, oder

auch nicht, je nachdem was er wollte.

„Danke!“, flüstere ich als wir zu meinem Roller rennen.

„Keine Ursache. Ich habe gehört dass er dir seine Liebe gestehen und dich dann küssen will, und ich dachte mir, dass ich dir da mal aus der Patsche helfe.“

„Bist die beste!“, sage ich und umarme meine beste Freundin.

„Ich weiß doch“, sagt sie gespielt selbstgefällig.

So schnell mein Roller kann fahre ich Ina nach Hause und rufe dann Marc an.

Doch erst nach dem zweiten Versuche meldet er sich.

„Ja?“ „Hay, Marc. Tut mir leid dass ich weg musste, aber wir sehen uns ja dann spätestens Samstag. War´s was Wichtiges?“

Ich halte den Atem an.

„Ähm, ja schon. Es ist nämlich so, ähm, kann ich kurz vorbeikommen?“

Nein, nein, nein, bloß das nicht!

„Ja, klar“, sage ich aber stattdessen und schlage fast gleichzeitig mit meiner Hand gegen meine viel zu warme Birne. Okay, irgendwie haben mein Kopf und mein Mund geteilte Meinungen.

„Okay, bis gleich.“

Er legt auf und ich lasse mich auf mein Bett sinken.

Was hab ich da nur wider angestellt?

 

Es dauert keine fünf Minuten da steht er schon vor mir und

kratzt sich verlegen am Kopf.

„Ähm, also was ich dir sagen wollte…“

Ich sehe ihn erwartungsvoll an.

Er ist ein bisschen größer als ich, also beugt er kurzerhand den Kopf nach unten und küsst mich.

Ich war ja auf etwas in der Art eingestellt, aber gleich ohne romantische Liebeserklärung hatte ich nicht erwartet.

„Ich liebe dich“, sagt er und legt eine Hand um meinen Nacken und zeiht mein Kopf wieder zu seinem.

Da piepst sein Handy und ich sehe, wie er es gerade in seinem Kopf tausend Tode sterben lässt.

Er drückt auf den grünen Hörer, schaut mir aber die ganze Zeit in die Augen.

„Ja?“, fragt er in das schwarze mir unbekannte Handymodell.

Ich höre wie jemand eine Weile mit Marc redet.

„Alles klar. Ich bin fast da.“

Er legt auf und tritt nochmal ganz nah zu mir.

„Ich muss los, tut mir leid. Ich ruf dich an“, sagt er und küsst mich nochmal ziemlich leidenschaftlich dann dreht er sich um und fährt mit seinem Roller davon.

Ich laufe wie ein Betrunkener orientierungslos in unserem Haus umher bis ich mein Zimmer gefunden habe und Ina eine SMS schreibe.

 

Hey Ina,

er hat´s getan, und mich geküsst.

Mein Kopf schwirrt extrem.

Bin total verwirrt.

Bis morgen.

Liebe dich.

 

Ich schalte mein Handy aus und falle erschöpft ins Bett.

Doch ich stehe noch einmal auf und mache mich im Bad

fertig, ziehe meinen Schlafanzug an und schreibe noch schnell

einen Brief für Tante Sammy damit sie mich nicht vermisst wenn ich morgen nicht nach der Schule nach Hause komm. Danach falle ich endgültig für heute ins Bett und bin wenig Später eingeschlafen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 31.03.2013

Alle Rechte vorbehalten

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