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D’r Schreiberling

Wiæ die moischte Augschburger von seiner Generation isch’ d’r Mair Guschdl im ehemaligæ’ Wöchnerinnæ’heim an d’r Gögging’r Schtroß’ auf d’Welt kommæ’.
In allerloi’ Schuælæ’ isch’r æ’ gangæ’ – mit gemäßigt’r Begeischderung. Sei er doch scho’ als Buæ’ ausg’schbrochæ’ wissbegierig g’wesæ’.
Von Berufswegæ’ isch’r ziemlich rumkommæ’ in d’r Welt und es hæt’m æ’ an so manche’ Plätzlæ’ guæt g’fallæ’. Doch sei’ schwäbisch’s Hoimætle’ hæt scho’ b’sondere Qualitädæ’. Weil schonsch’ wär’ d’r Guschdl ja am Pazifik oder auf’ræ’ Ins’l im Indischæ’ Ozean bliebæ’. Od’r hammæn am End’ doch Bau’zæ’ und Käs’schpätzlæ’ hoimzogæ’ ….. ?


Aus æm Besæ’schdiel kæ'sch net guæt
æ’ Flöt’ schnitzæ’.


Über den Autor

Wie die meisten Augsburger seiner Generation ist auch Gustl Mair im ehemaligen Wöchnerinnenheim an der Gögginger Straße geboren. In allerlei Schulen ist er auch gegangen – mit mäßiger Begeisterung. War er doch schon als kleiner Junge ausgesprochen wissbegierig.
Beruflich kam er weit herum in der Welt und an so manchen Plätzchen gefiel es ihm auch gut. Doch seine schwäbische Heimat scheint schon besondere Qualitäten zu haben. Weil sonst wäre der Gustl ja am Pazifik oder auf einer Insel im Indischen Ozean geblieben. Vielleicht haben ihn am Ende doch „Baunzen“ (Nudelart aus Kartoffelteig) und „Käsespätzle“ (schwäb. Nudel-Käse-gericht) nach Hause gezogen …..?


© 2010


s’ Inhaltsverzeichnis

Vorwort 5
D’r Schobæ’-Nasal 7
D’r Gottesdienscht im Bierzelt 9
Babyspræch’ 16
D’r Pele vom Schmuttertal 22
D’r Hausg’ruch 30
Wahlsonndag - Qual der Wahl 45
Mustafa, Evangelos und die Auskunft 53
Green Card 59
Red’s ruhig Boirisch, ohne mi’ 68
Boris und d’r Herr Kaplan 76
Reif für d’Insel 82
s’Paradies am Feierwehrhaus 89
Von Sonn’ und Mond 99


„Schwäbische G’schichtlæ“ verzähl’n vom Alltag, also eigentlich von nix B’sonderæ’.
Wenn mæ’ dann amæl næchrechnet, was in oim Joæhr net Alltag isch’, also Weihnachtæ’, Oschteræ’, Pfingschdæ’, Geburts-, Namens- und Hochzeitstag – dann bleiben æn Haufæ’ von Tag’ in æm Joæhr, diæ vermeintlich „bloß Alltag“ sin’.
Und beim genaueræ’ Hi’schauæ’ isch’ des Alltägliche net bloß in der Mehrzahl, sondern isch’ alles in allem gar net so z’wider.


Schwäbische G’schichtlæ
Von Gustl Mair

„Schwäbische G’schichtlæ“ erzählen vom Alltag, also eigentlich von nichts Besonderem.
Doch rechnen wir mal nach, was in einem Jahr nicht Alltag ist, also Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Geburts-, Namens- und Hochzeitstag – dann bleiben jede Menge von Tagen
in einem Jahr, die vermeintlich „nur Alltag“ sind.
Und beim genaueren Hinschauen ist das Alltägliche nicht nur in der Mehrzahl, sondern ist alles in allem gar nicht so übel..

Vorwort

Was isch’n eigentlich d’r richtige schwäbische Dialekt ?
Des woiß koi’ Mensch so richtig. Schliæßlich hammer s’ Rieserisch, d’s Iller-Schwäbisch, s’Lechroanisch und d’s Allgaierisch’. Und dazuæ diæ ganze’ Württæ’berger Dialekt.
I’ red’ halt d’s Augschburger Fabrik-Schwäbisch. Frellig !


Vorwort
Was ist eigentlich der richtige schwäbische Dialekt ?
Das weiß kein Mensch so richtig. Schließlich gibt es das Rieserische, das Iller-Schwäbisch, das Lechrainische und das Allgäuerische.
Und dazu die ganzen Württemberger Dialekte.
Ich rede eben das Augsburger Fabrik-Schwäbisch.


D’r Schwobæ’-Nasal = æ

Vielleicht isch’ Ihne’ æ’ scho’ aufg’fallæ’, dass es im schwäbischæ’ Dialekt æn Haufæ’ Nasal-Laute gibt, also durch Næs’ g’schbrochæne’ Selbstlaut’. So wiæ bei de’ Franzosæ’.
Diæ Nasale sin’ quasi æ’ Zwischæ’ding aus’m „a“ und „o“ bzw. aus’m „a“ und „e“.
In dem Büæchle’ hab’ i’ den Schwobæ’-Nasal mit dem Zoichæ’ “æ“ darg’schdellt, der æ’ bissle wiæ æ’ schwanger’s „x“ ausschaut.).
A’ scheæn’s Beischspiel für Schwobæ’-Nasale liefert æ’ Bibelschpruch:
„Geben ist seliger denn Nehmen“
Oder wiæ mæ’ im Schwäbischæ’ sagæ’ dät: „Gebæ’ isch’ selig’r wiæ Nemmæ“.


Der Schwaben-Nasal = æ
Vielleicht haben Sie auch schon bemerkt, dass es im schwäbischen Dialekt viele Nasal-Laute gibt, also durch die Nase gesprochene Selbstlaute. So wie im Französischen.
Die Nasale sind quasi ein klangliches Zwischending aus „a“ und „o“ bzw. aus „a“ und „e“
In diesem Büchlein habe ich den Schwaben-Nasal mit dem Zeichen “æ“ dargestellt, der ein bißchen wie ein schwangeres „x“ aussieht.
Ein schönes Beispiel für Schwaben-Nasale liefert der Bibelspruch „Geben ist seliger denn Nehmen“.
Natürlich nur Schwäbisch gesprochen..


D’r Gottesdienscht im Bierzelt

Hürrlingæ’ schteht Kopf! D’r Schportverein SV Eintracht Hürrlingæ’ wird fuchz’g Joæhr. Klar, dass mæ’ so was feieræ’ muæß: mit Feschtumzug, Fuæßballturnier und nadierlich mit’ræm Bierzelt. Und d’r SV Eintracht beweist mit’ræ Messfeier im Feschtzelt æ’ sei’ Gottesfürchtigkeit.

Dæ’ wo’s no’ am Voræb’nd næch Fassbier und Erbrochænæ’ g’rochæ’ hæt, scheht heit’ d’r Dorfpfarrer und waltet vor de’ demutsvoll g’neigte Köpf’ von de’ Zeltb’suæcher seines Amtes.
S’Zelt isch’ g’ramm’lt voll. D’Schbortler vom SV Eintracht Hürrlingæ’ und von de’ and’re Turnierverein sin’ aber net dæ’. Aber halt – mittæ’ im Gottesdienscht geht’s Flieg’lfenschd’r vom danebæ’liegendæ’ Schbortheim auf. Zwoi krankhaft bloiche G’sicht’r mit verquollene’ Augæ’ tauch’n dort wiæ Schreckg’schbenscht’r auf, als ob’s gegæ’ diæ weihevolle’ Kirchæ’-Liæd’r wiæ gegæ’ æ’ u’g’setzlichæ’ Lärmbeläschdigung broteschdieræ’ wollt’n.
Es isch d’r Hürrlinger Libero und sei’ Midd’lschdürmer, diæ geschtern Nacht in d’r Zeltbar die gegnerische’ Schbortler mit ganze Lachæ’ von Whisky-Cola und Wodka-Orange in’ræ lebervernichtendæ’ Verlängerung bis zum Morgæ’grauæ’ niederg’schluckt ham.

Kaum isch’ s’letzschte Halleluha vom Zeltgottesdienscht verhallt, übernimmt wieder s’Weltliche mit Weißwürscht’ und Mæsskrüæg’ des Kommando.
D’r Herr Pfarrer Beckmann, wirklich koi’ Frömmler net, sondern æ’ durchaus wohltuænd’r barocker Kirchæ’ma’, hockt am Biertisch mit’m SV Eintracht-Präsident, dem Kuttelmann Schorsch, seines Zoichens Groæß-Schweinemäschd’r am Ort. Jeder mit’ræ frischschäu-migæ’ Mæss Gerschtæ’kaltschale aus de’ Kupferkessel von d’r Schwanæ’brauerei aus’m Næchb’rort Söfflingæ’. D’r Herr Pfarrer zweif’lt, ob sei’ „allerhöchschd’r Scheef“ und er bei solche Bierzelt-Gottesdienscht’ net von de’ Veranschdald’r missbraucht wer’n, nur um dæ’ anschließendæ’ Bierumsatz zum schdeigeræ’.
"Ich meine natürlich nicht den SV Eintracht..“, moint d’r Herr Hochwürden zu seiner Ehræ’rettung schnell dæzuæ. "Aber seien Sie ehrlich, Herr Kuttelmann!“, fangt’r no’ amæl æ’ und wischt si’ dæbei dæ’ Bierschaum mit sei’m manipellosæ’ Handg’lenk von der Oberlipp’: „Die Gefahr der Vereinnahmung des Sakralen besteht doch.“

D’r wiefe Schorsch, der æn höheræ’ Intelligenzquotient wiæ seine Säu’ hæt, wiegelt ab:
„Wo æ’ Wallfahrtskirch’ schdeht, isch’ s’Wirtshaus niæ weit. Oder warum geht s’Kloscht’r Andechs so guæt? Bier und Kirch’ - des g’heært seit jeher z’samm’ wiæ d’Kirch und d’r Friedhof. An Hochfescht’ æ’ Hell’s und zur Faschdæ’zeit æ’ Dunkles!
Beim SV Eintracht Hürrlingæ’ jedenfalls schdeht bei æm Feschdzelt-Gottesdienscht die geischtlich’ Botschaft an allererschter Schtell’ – und nix anderes, Herr Pfarrer! Proscht!“


In den schtillæ’, weihevollæ’ Augæ’blick platzt d’r Breitmaul Sepp, Vizepräsident vom SV Eintracht Hürrlingæ’.
"Schorsch, Schorsch", schtrahlt’r, wegæ’ seim Bierbauch’ æ’ bissle kurzatmig. "S’Zelt isch’ knallvoll! Mir hätt’n am Samstagæbend æ’ Maiandacht machæ’ sollæ’. Dann hätt’ m’r dreimæl so viel Bier verkæfft .“

Amen !
Der Gottesdienst im Bierzelt

Hürrlingen steht Kopf! Der Sportverein SV Eintracht Hürrlingen wird 50 Jahre.
Klar, dass so etwas gefeiert werden muss: mit Festumzug, Fußballturnier und natürlich mit einem Bierzelt. Und der SV Eintracht beweist mit einer Messfeier im Festzelt auch seine Gottesfürchtigkeit.
Dort wo es am Vorabend noch nach Fassbier und Erbrochenem roch, steht der Herr Dorfpfarrer und waltet vor den demutsvoll geneigten Köpfen der Zeltbesucher seines Amtes.
Das Zelt ist knackevoll. Die Sportler des SV Eintracht Hürrlingen oder eines anderen Turniervereines jedoch sind abwesend.
Doch halt – mitten während des Gottesdienstes öffnet sich ein Flügelfenster des nebengelegenen Sportheimes. Zwei krankhaft bleiche Gesichter mit verquollenen Augen tauchen dort wie Schreckgespenster auf, als wollten sie gegen die weihevollen Kirchenlieder wie gegen eine ungesetzliche Lärmbelästigung protestieren. Es ist der Hürrlingener Libero und sein Mittelstürmer, die gestern Nacht in der Zeltbar die gegnerischen Sportler mit einer Unmenge von Whisky-Cola und Wodka-Orange in einer lebervernichtenden Verlängerung bis zum Morgengrauen niedergeschluckt haben.

Kaum ist das letzte Halleluja des Zeltgottesdienstes verhallt, übernimmt wieder das Weltliche in Form von Weißwürsten und Maßkrügen das Kommando.
Der Herr Pfarrer Beckmann, wahrlich kein Frömmler, sondern ein durchaus wohltuend barocker Kirchenmann, sitzt am Biertisch mit dem SV Eintracht-Präsidenten, dem Kuttelmann Schorsch (Georg), Groß-Schweinemäster daselbst. Jeder mit einem Liter frischschäumender Gerstenkaltschale aus den Kupferkesseln der Schwanen-Brauerei des Nachbardorfes Söfflingen. Der Herr Pfarrer zweifelt, ob sein „allerhöchster Chef“ und er bei derartigen Bierzelt-Gottesdiensten nicht von den Veranstaltern missbraucht werden, nur um den anschließenden Bier-Umsatz zu steigern ?
"Ich meine natürlich nicht den SV Eintracht...“, fügt Hochwürden zu seiner Ehrenrettung schnell hinzu. "Aber seien Sie ehrlich, Herr Kuttemann!“ betont er, sich dabei den Bierschaum mit dem manipellosen Handgelenk von der Oberlippe wischend: „Die Gefahr der Vereinnahmung des Sakralen besteht doch.“

Der clevere Schorsch, dessen Intelligenzquotient sogar den seiner Schweine übertrifft, wiegelt ab: „Wo eine Wallfahrtskirche steht, ist das Wirtshaus nie weit. Oder warum ist denn das Kloster Andechs so erfolgreich? Bier und Kirche - das gehört seit jeher zusammen wie Kirche und Friedhof. An Hochfesten Helles und zur Fastenzeit Dunkles!
Beim SV Eintracht Hürrlingen jedenfalls steht bei einem Festzelt-Gottesdienst die geistliche Botschaft an allererster Stelle – und nix anderes, Herr Pfarrer! Prost!“
In diesen weihevollen Augenblick der Stille platzt der Breitmaul Sepp (Josef), Vizepräsident des SV Eintracht Hürrlingen. "Schorsch, Schorsch", strahlt er, aufgrund seines Bierbauches ein bisschen kurzatmig. "Das Zelt ist rappelvoll! Wir hätten am Samstagabend eine Maiandacht machen sollen. Dann hätten wir dreimal so viel Bier verkauft .“

Amen


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.10.2010

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