>>Und? Hast du dich entschieden?<<, fragte eine erschreckend ruhige Stimme. Der Junge blinzelte geblendet in das grelle Licht und versuchte die zwei schwarzen Silhouetten genauer zu erkennen. Hinter sich hörte er das erstickte wimmern seiner kleinen Schwester. Sein Magen zog sich zusammen und ihm wurde schlecht. Er biss die Zähne zusammen und versuchte einen tapferen Eindruck zu gewinnen. >>Was habe ich denn für eine Wahl?<<, fragte er trotzig. mit einem Satz sprang eine der beiden Gestallten auf ihn zu und packte ihn im Nacken. >>Junge, spiel keine Spielchen mit uns!<< , zischte eine aggressivere Stimme als die Erste. >>Zum spielen habe ich keine Lust.<< >>Und was wenn ich sie nicht in den Hinterhalt locke?<< Es sollte so aussehen, als ob er mutig die Zeit hinauszuzögern versuchte, doch tief in ihm brodelte alles vor Angst. Mit schnellen Schritten ging die Person vor ihm auf seine geliebte Schwester zu. Kalter Angstschweiß stand in seinem Gesicht. Plötzlich hörte er das erstickte Schreien seiner Schwester. >>Okay, okay! Ich tue es!<<, schrie der Junge. >>Gute Entscheidung<< Das Licht wurde ausgeknipst und die Tür mit einem lauten Knall zugeschlagen.
Heißes Wasser prasselte mir auf meine bleiche Haut. Meine Kopfhaut juckte und meine sonst so welligen, schwarzen Haare, klebten mir in einzelnen Strähnen an meinem Kopf. Das Wasser weckte meinen Geist auf und begrüßte mich an einem neuen Tag auf diesem Kreuzfahrtschiff. Es war dreihundertfünfundachtzig Tage her, seitdem meine Eltern sich entschlossen hatten hier zu arbeiten. Das Wasser umspielte meinen Körper und küsste meine Zehen. Eine Melodie kam mir in den Sinn, an die ich mich immer erinnerte, wenn ich das leise Plätschern des Wassers oder das stürmische Brausen des Meeres hörte. Ich fing sie leise an zu summen. Für mich erzählte die Melodie eine Geschichte über Heimweh und Sehnsüchte. Sie erzählte meine Geschichte. Meine Schwester hatte mir das Lied vor fünf Jahren beigebracht, kurz bevor sie starb. Ich fühle einen stumpfen Schmerz in meiner Brust. Die Melodie wurde nun etwas schneller und mitreißender. Sie erinnerte mich an einem Bachlauf. Der Text dazu musste umwerfend gewesen sein, doch an den konnte ich mich nur noch wage erinnern.
Das Pochen an der Badezimmertür beendete mein Lied abrupt. „Sabia! Du solltest vor Zehn Minuten im Laden gewesen sein!“, hörte ich die zornentflammte Stimme meines Vaters vor der Tür. Ich schwieg. Vielleicht verschwand er wieder und ließ mich alleine, wie die letzten fünf Jahre. Doch das Klopfen wurde nur noch lauter und mit einem entnervten Stöhnen schaltete ich die Dusche aus, trocknete mich ab, streifte mir über meine Unterwäsche mein grünes Sommerkleid über und fuhr mir mit meinen Finger ein paar Mal durch mein verknotetes, nasses Haar. Als ich einen flüchtigen Blick in den Spiegel warf, stellte ich erfreut fest, dass meine grünen Augen um die Wette mit meinen Kleid strahlten. „Wenn du jetzt nicht sofort diese Tür öffnest...“, fing mein Vater wieder an zu brüllen. Schnell drückte ich die Türklinke herunter und flötete unschuldig: „Dir auch einen wunderschönen Morgen, Dad. Ich bin dann mal weg.“ Er versuchte mich anzulächeln, doch es sah gequält und unecht aus. Mein Vater war alles andere als perfekt, genau wie alle anderen die übrig geblieben waren, von meiner Familie.
Als ich klein war, hatte ich vielleicht an perfekte Familien geglaubt, mich sogar zu einer gezählt. Solche, wo der Großvater in seinem großen, weichen, mit einem leicht altmodischen Muster bestickten Sessel saß und sich seine Lesebrille aufsetzte, damit er den Enkelkindern Geschichten aus seinem dicken, verstaubtem Märchenbuch vorlesen konnte. In derselben Zeit bürstete die Großmutter den goldhübschen Kindern ihr seidiges Haar mit einem zierlichen Silberkämmchen. Ausgemalt hatte ich mir auch die Stunden, in denen die Mutter nicht arbeiten würde, was früher bei meiner Mutter selten, heute ein Wunder war. Ich überlegte mir, dass Ramona wahrscheinlich die meiste Zeit in der Küche stände und die köstlichen Speisen vorbereiten würde. Dabei würde sie lächelnd auf ihre beiden Töchter herabblicken und zusehen, wie wir den Tee für die Puppen mit feinem Porzellangeschirr vorbereiteten. Bei einer vollkommenden Familie wäre der Vater gegen Nachmittag dann nach Hause gekommen, hätte die Töchter auf den Arm genommen und einmal lachend im Kreis herum gewirbelt und hätte nichts anderes mehr vor, als sich mit ihnen zu beschäftigen.
Doch diese Traumvorstellung vom Familienleben war geplatzt, wie eine Seifenblase, worin sich alle Träume aufhielten. Ich war auch keine leichtgläubige sechsjährige die sich ein schimmerndes Einhorn und vieles mehr her wünschte. Ich wuchs an die siebzehn Jahre heran, und war klug genug um eine Linie zwischen Traum und Realität zu ziehen- außerdem konnte ich auch sehen, das meine Familie alles andere als glücklich oder vollkommen war.
Für meine Eltern war ich doch nur eine schmerzliche Erinnerung an die Vergangenheit, an den Verlust den sie ertragen mussten. Meine elf Jahre ältere Schwester Posy, die in ein paar Tagen neunundzwanzig geworden wäre, würde es nie werden. Genauso wenig wie sie vierundzwanzig, geschweige den fünfundzwanzig geworden ist. Sie war vor zwei Jahren mit meinen Großeltern umgekommen. Sie wollten früh morgens raus auf das stürmische Meer, denn es hieß, ein riesiger Schwarm von besonderen Fischen sollte durch das spanische Meer, direkt an der Küste vor unserem zuhause vorbeiziehen. Diese Sensation wollten meine Großeltern um keinen Preis verpassen- nicht um zu fischen, das hatten sie gar nicht nötig. Sie wollten schlicht und einfach den Anblick auf tausenden von bunten Fischen genießen. Dass war es was sie lockte, keine bösen Absichten. Es war ein Picknick geplant, mit meiner Schwester- und mir. Doch ich bekam die Masern. Im Nachhinein dachte ich, es war ein Geschenk der Götter, auch wenn ich nicht an so etwas Unbeständiges glaubte. Jedenfalls, und darin war ich mir sicher, war es kein Zufall, dass ihr Boot unterging und sie ertranken.
Posy war immer wie Mutter und Vater gleichzeitig für mich. Meine Eltern lebten auch schon früher für ihren Job. Doch nach dem Tod ihrer Tochter, hatten sie sich vollends ihrer Hingabe des Berufes zugewandt. Ich verzieh es ihnen bis heute nicht, dass sie mir nicht in den schwierigen Zeiten geholfen , oder mir einfach nur das Gefühl von Geborgenheit gegeben hatten. In den Zeiten, wo ich Nachts schreiend aufwachte, weil ich den Tod meiner Schwester immer und immer wieder erlebte, ich ihren Namen verzweifelt rief und sie anflehte zu bleiben, obwohl sie schon längst gegangen war und nur noch die Erinnerung von ihr bei mir im Herzen lebte. In diesen Zeiten hätte mich nicht mehr viel am Leben gehalten. Doch meine Schwester hätte nicht gewollt, dass ich mein Leben aufgab, weil sie unfreiwillig von der Welt gegangen war. Sie hätte nicht gewollt, dass ich Angst vor dem Leben hätte, sondern dass ich kämpfen und mit beiden Beinen im Leben stehen würde. Als Posy noch am Leben war, hatte ich ihr schon keinen Wunsch abschlagen können, also warum sollte es anders sein, nur weil ihr Herz stillstand und meines noch schlug? Ich befolgte bis jetzt ihren stummen Wunsch glücklich zu sein oder wenigstens so zu tun, als ob ich mit allem was passiert war leben konnte. Ich hatte meine Trauer tief in meinem Herzen eingeschlossen, sie verdammt auf ewig dort zu ruhen. Doch mit der Trauer schloss ich auch das fröhliche lebhafte Wesen ein, das ich einst war. Meine Züge veränderten sich, sie wurden härter und verschlossener. Ich wurde erwachsener und vertraute keinem mehr. Nicht einmal mir selbst. Früher, bevor sich das Schicksal gegen mich gewandt hatte, lebte ich in einem kleinen Fischerort in Spanien, dort hatte ich mich wenigstens wohl gefühlt, doch hier? Meine Eltern hatten sich als Ärzte auf einem riesigen Kreuzfahrtschiff eintragen lassen. Nun verdienten Sie doppelt soviel wie früher, doch heiler machte es unsere Familie auch nicht. Im Gegenteil, ich sah meine Eltern, wenn ich Glück hatte, einmal in der Woche. Nun lebte ich auf diesem Monstrum, das aus Stahl und Eisen bestand, und die frische Seeluft mit schwarzen Abgasen verpestete. Es war doch reine Ironie des Lebens! Meine Eltern hatten ihre älteste Tochter auf einem Boot verloren und meldeten sich nur zwei Monate später auf einem Kreuzfahrtschiff zum arbeiten an. Über all das dachte ich oft nach - viel zu oft. Auf mich stürmten tausende von Bilder ein, sie zogen an meinem inneren Auge vorbei und ich konnte sie nicht aussperren. Selbst wenn ich fest die Augen zusammen kniff. Sie zeigten ein zerschelltes Schiff, dass geborgen wurde, eine Beerdigung, meine Eltern wie sie sich in den Armen lagen, meinen Vater, wie er meine Mutter zärtlich über ihr schwarzes lockiges Haar strich und sie tröstete. Weil auf einen Schlag die Familie zerrissen war, die eh nur an einem seidenen Faden gehangen hatte. Und dann war da ja immer noch dieses unwohle Gefühl, wenn ich dem Meer zu nahe war. Es war, als würde der Ozean selbst mich beobachten, als würde er nicht mehr abwarten können mir noch mehr Leid zuzufügen, als ich schon ertragen musste.
Ohne es zu merken, zog der ganze Vormittag an mir vorbei. In den Ferien half ich in der Schiffsapotheke aus, im Bereich Naturheilkunde um mein Taschengeld aufzubessern. Als ich gerade in die Mittagspause gehen wollte, betrat eine fettleibige alte Dame den Laden und rannte zielstrebig auf mich zu. ,,Entschuldigen sie, aber diese Kasse ist jetzt geschloss...“, Die Frau ließ mich noch nicht einmal aussprechen und brüllte in einem schlechten Englisch durch den ganzen Laden: „Haben sie etwas gegen Halsschmerzen? Bei diesen Wetter kann man ja nur krank werden.“ Erstaunt
blickte ich durch die große Schaufensterscheibe und stellte fest, dass der ganze Himmel eine einzige graue Suppe geworden war und es in strömen goss. Ich war mir sicher, dass vor einer halben das Deck proppe voll, der Himmel blau war und die Sonne schien. "Was ist jetzt? Hast du was für mich, kleine?", fragte die Frau entnervt. Röte schoß mir ins Gesicht, vor Zorn und vor Scham. Wenn sie glaubte, mit mir wie mit einem Kleinkind zu reden, hatte sie sich aber getäuscht. inzwischen war ich mir völlig sicher, dass sie aus Deutschland kam. Die liefen ja wegen jedem kleinen Schnupfen zum Arzt. Ich wollte ihr gerade erwidern, dass sie sich einen Schal um ihren schildkrötenähnlichen Hals legen sollte, als mich ein urplötzlicher Schwindel erfasste. Mein Magen schlug einen Salto. Von jetzt auf gleich wurde mir schwindelig und unendlich müde. Meine Augenlieder wurden immer schwerer und schwerer... Mein ganzer Körper verlangte nach schlaf. ,,Ich muss... brauche... frische Seeluft...",nuschelte ich der Frau noch zu und stolperte aus dem Laden. Eiskalter Regen peitschte mir ins Gesicht, meine Haare wurden von dem Wind gepackt und in alle Richtungen zerzaust. Meine Kleider wurden vom Wasser durchnässt. Das Deck war menschenleer. Ich rannte mit meiner letzten Kraft bis zum Deckende, wo ich vor neugierigen Blicken geschützt war. Hier lehnte ich mich an das Geländer. Müde rutschte ich daran herunter und kauerte mich auf dem Boden zusammen. Der Sturm, der um mir tobte war nebensächlich, ich wollte nur noch schlafen.
Als ich noch klein war, hatte mein Vater mir immer von Klabautermännern erzählt. Aber jeder, der in einer seiner tausend Erzählungen vorkam, war ein guter Klabautermann. Gute Klabautermänner sorgten dafür, dass das Boot dicht bliebt und machten sich an Bord hilfreich, indem sie die Arbeit eines Heinzelmännchens an Deck machten. Man munkelte, dass Klabautermänner dem Kapitän am nächsten standen und mit ihm des Nachts Heidenspäße anrichteten.Ich weiß noch ganz genau, wie mein Vater und ich bis spät abends auf dem Bug saßen und in die Sterne schauten. Wie ich angestrengt lauschte um einen von Vaters Klabautermännern zu hören. Wenn man es klopfen hörte, wusste man, dass die kleinen Wichte irgendwo in der Nähe standen. Hörte man es aber schaben, ging einer gerade fort. Genau wie damals saß ich jetzt auf dem Bug der Cécilia, dem Segelboot meines Vaters, welches er nach meiner Mutter benannt hatte, und lauschte. Doch meine Ohren vernahmen nur das Klatschen der Wellen an die Bordwände. Mit jeder Erinnerung an meinen Vater schienen auch die Klabautermänner von der Cécilia zu verschwinden.Ich hatte meinen Vater nicht mehr gesehen seit ich siebeneinhalb Jahre alt war. Damals waren er und meine Mutter zu einem Abendessen eingeladen worden.Mich ließen sie alleine zu Hause, denn sie meinten, ich wäre alt genug um alleine auszukommen.Ein letztes Mal fuhr mir Vater durch meine wuscheligen blonden Haare und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Die letzten Worte, die ich von Mama hörte, waren: Pass gut auf dich auf, meine kleine Rose. Rose, so nannte sie mich immer, oder Rosa. Dann umarmte sie mich so fest, als ob sie mich nie mehr sehen würde. Und sie sah mich auch nie wieder.
Als ich am nächsten Morgen meinen Tost anbrennen ließ, waren meine Eltern noch immer nicht zurück. Auch am Nachmittag kamen sie nicht. Sorgen habe ich mir merkwürdiger Weise nie gemacht. Denn meine Eltern waren immer überall und nirgendwo, nie an einem Ort zu finden und immer unterwegs.In unserem Hafenstättchen beschwerten sich so manche Eltern darüber, wie verantwortungslos Mama und Papa anscheinend mit mir umgingen. Aber sie hatten ihr Ziel erreicht und mich zu einem selbstständigen Mädchen gemacht. Als es an jenem Abend an der Tür klingelte, war ich sehr erschrocken, als ich eine Frau mit streng zurückgekämmten Haar mit 'Da seid ihr ja!' begrüßte. Natürlich hatte ich meine Eltern erwartet, doch die feine Dame schaute mich von oben herab durch ihre Brillengläser an und rümpfte die Nase. Valerosa Kingkapi nehme ich an?, fragte sie spitz. Brr, wie es mich aufregte meinen Namen aus dem Mund derer zu hören, die mich auf den Augapfel hassten. Wie sich herausstellte war die Frau vom Kinderheim und schleppte mich mit sich dorthin. Meine Eltern würden mich dort abholen, wenn sie wiederkämen, beruhigte man mich. Doch sie kamen nicht.
Seit her wohnte ich dort. Man hatte auch überlegt, mich in eine Pflegefamilie zu stecken. Doch anscheinend war ich wie eine Wildkatze, die nur darauf wartete, jemandem die Augen auszukratzen. Kurz, ich war den meisten Familien zu wild oder zu stressig. Meine Eltern hatte ich bisher nicht wieder gesehen, dabei war ich jetzt schon zwölfeindreiviertel Jahre alt. So sollte wohl das Heim mein neues Zuhause werden, bis ich alt genug war alleine durch die Welt zu spazieren. Doch meiner Meinung nach ist man dort zu Hause, wo man geliebt wird, dort wo man
sich geborgen fühlt und wo es einem gut geht. Deshalb ist mein Zuhause hier wo ich jetzt saß. Mitten auf dem Meer, umgeben von nichts als Wasser und geborgen von dem geliebten Segelboot meines Vaters, das einzige was mir von ihm übrig war. Hier war mein Zuhause.Hier wurde ich geliebt von der Gischt, die sich nachts an die Cecilia schmiegt, von den Wassertropfen, die in meinem Gesicht ein prickelndes Gefühl hinterließen, und auch von den Tieren die hier ab und zu mal vorbeikamen, wie zum Beispiel Delfine. Ich fühlte mich hier wohl, weil mein Vater früher oft mit mir draußen auf dem Meer war.
Die Taue knarzten, Gischt spritzte mir ins Gesicht, als ich mich hinunter lehnte um mit meiner Hand das seichte Wasser zu berühren. Tief atmete ich den Geruch von Meereswasser ein und wische mir die salzigen Tropfen von der Wange, die wie tränen meine Haut benetzten. Ich wagte einen Blick nach hinten. Am Horizont war nur das Meer zu sehen.Geplättet von der ganzen Aufregung ließ ich mich nieder und baumelte mit meinen Beinen über dem Bug. Wind wuschelte durch meine eh schon zerzausten Haare. Dann auf einmal wurde ich schrecklich müde. Ich versuchte krampfhaft meine Augen offen zu halten, doch die Müdigkeit schien mich zu übermannen.
Im Unterbewusstsein erklärte ich mir, das man eben müde von der vielen frischen Seeluft wird, doch tief in meinem Gewissen wusste ich, dass dies nicht der Wahrheit entsprach und dass das alles andere als normal war. Meine eigenen Gedanken wurden von einer Stimme unterbrochen, die nur in meinem Kopf existierte. Es war die Stimme eines kleinen Mädchens und doch klang sie sehr erwachsen und wunderschön sanft. Man hätte meinen können, sie sang, denn ihre Worte waren aufeinander abgestimmt, wie in einem Lied. Ich sah nun noch zu der Stimme ein Augenpaar. Es war genauso ungewöhnlich wie der Klag der Stimme, denn die Farbe der Augen, war bunt wie ein riesiges perlmuttfarbenes Schneckenhaus, das in der Sonne in allen erdenklichen Farben schimmerte.
Schwingt euch auf und geleitet wie Seevögel über die sachte See hinweg …
Hinter meinen geschlossenen Augenliedern konnte ich einen wolkenlosen Himmel mit zahlreichen Seevögeln sehen. Sie wirkten sehr majestätisch und am liebsten hätte ich meine menschlichen Fesseln abgelegt und wäre selber empor zum Himmel geflogen. Jetzt schwankte das Bild zum Meer. Darin tummelten sich abertausende von Fischen, die ähnlich mit den Farben des Auge um die Wette leuchteten. Die Stimme hobt wieder an und fuhr mit ihrem Singsang fort.
...die Papageienfische werden euch geleiten, zum Mittelpunkt des Ozeans. Denn in unserer Not, ist Klugheit ein wertvolles Geschenk...
Bei dem Wort "Klugheit" wechselte das Bild und ein Mädchen stand vor mir, den Blick auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Ich brauchte einen Moment, bis ich bemerkte, dass es mein Ebenbild war. Ich erkannte meine kugelrunden, froschgrünen Augen, die von irgendeinem Licht gespiegelt wurden. Mein wirres, pechschwarzes Haar umspielte mein zartes Gesicht, und war ein starker Kontrast zu meiner bleichen Hautfarbe und meinen vollen, roten Lippen, die ein Lächeln umspielte. Mein Körper hatte schon frauliche Kurven und man konnte erkennen, das ich zwar schlank, aber nicht unterernährt war. Doch mich zog etwas anderes in seinen Bann. Es waren die Anziehsachen, die das Mädchen, also ich, trug. Es waren die Anziehsachen einer echten Kriegerin. Der Stoff war aus schwarzem Leder und passte sich perfekt meinem Körper an. Sowohl die Hose als auch die Jacke waren aus diesem Stoff, doch über der Jacke trug ich eine Art Kettenhemd, das über dem Herzen einen goldenen Dukaten eingewebt hatte. Die Schuhe schienen ebenfalls aus Leder zu sein, sie sahen sehr geschmeidig und bequem aus. Allein die Anziehsachen ließen mich älter und stärker aussehen, doch das Wort "Klugheit" würde ich nicht direkt mit diesem Bild in Verbindung bringen.
...und man muss tapfer sein um ihnen die Stirn zu bieten.
Jetzt sah ich nicht mehr mich, sondern ein jüngeres Mädchen, doch ich konnte sie nur verschwommen sehen. Als ob ich durch eine milchige Glasscheibe schauen würde... Sie war nicht sehr groß und hatte blonde Haare. Doch bis ich genauere Einzelheiten erkennen konnte, wechselte das Bild.
Sobald ihr den Sonnenuntergang am westlichen Horizont erblickt, folget den rotglühenden Sonnenstrahlen. Wenn der letzte Strahl erlischt, werden euch die funkelnden Fische finden.
Eine glühende Sonne versank im Meer und tauchte es in warme Töne. Nachdem die Sonne erlosch und die Nacht sich über das Meer legte, sah man im Meer es nur so wimmeln und zappeln. Silberne Fischleiber zuckten durch das Meer, wie helle Blitze.
Nun hört auf meine Worte, wir können den Ozean nach unserem Willen spielen lassen...
Nun klang die Stimme härter und mir wurde bewusst, dass das Mädchen, das hinter der Stimme steckt, vielleicht auch eine Bedrohung für mich sein konnte.
...und scheuen uns nicht davor euer Hab und Gut...
Das Bild wechselte und ich stand an der Spanischen Küste. Ich war wieder zuhause. Ich sah auf das türkisblaue Meer und meine Zehen waren in dem goldgelben Sand vergraben.Viele Boote schippern auf der Hohen See, doch ein Schiffchen fällt mir sofort ins Auge. Es kam mir bekannt vor und segelt zielstrebig Richtung Horizont. Und dann viel mir eine Person auf, die an der Reling stand und mir zuwinkte. Es war meine Schwester und ich musste wieder einmal miterleben, wie sie mein Leben verließ. Doch diesmal wollte ich nicht nur zusehen und nichts tun. Ich wollte loslaufen, ins Meer springen und ihr mit ein paar flinken Schwimmzügen folgen. Doch ich blieb, wo ich war. Ich konnte ihr nicht folgen. Meine Füße waren am Boden gefesselt. Dieses harmlose Bilder des Meeres wurde zu meinem Albtraum. Mir stiegen tränen in die Augen, vor Wut und Trauer. Ich musste sie doch noch soviel fragen, soviel mit ihr besprechen. Etwas in mir zerbrach und ich kauerte mich am Strand zusammen. Ich hatte es wieder nicht geschafft, ich hatte versagt und sie gehen gelassen. Durch meinen Tränenschleier sah ich das Boot als Punkt am Horizont verschwinden. einfach so. Lautlos. Ohne dem Sturm und Lärm, der in meinem Inneren herrschte.
...euch wegzunehmen.
Endlich verschwand das Bild, doch meine Augen ließen sich immer noch nicht öffnen. Der Albtraum war immer noch nicht fort. Ich hörte wie die Stimme, den letzten Satz raunte.
Verlasst euch auf eure Sinne, denn es könnte eine lange Reise werden.
Plötzlich wurde das Rauschen um mich leiser und ich blickte direkt in die großen Augen eines Kindes. Das wundersamste an diesen Augen war die Farbe. Es schillerte in allen nur erdenklichen Farben. Wie die Farben eines Regenbogens. Sofort fiel mir ein wunderschöner Sonnenuntergang auf hoher See ein. Genau so schien das Auge zu leuchten. Dann nahm ich eine Stimme wahr. Eine sanfte kleine Kinderstimme, so rein wie Wasser, dort wo es aus dem Berg entspringt, an einer Quelle. Sobald die ersten Worte erklangen, wechselte das Bild und ich sah die tiefen Farben eines ruhigen Meeres. Eine Schar von Vögeln, wie Pelikane, Möwen und Papageientaucher, schwebte, wie von einer Brise getragen, darüber weg.
Schwingt euch auf und geleitet wie Seevögel über die sachte See hinweg . Die Papageienfische...
Zwischen den sanften Wellen entdeckte ich eine Vielfalt von besonders bunten Fischen.
...werden euch geleiten, zum Mittelpunkt des Ozeans.
Jetzt hörte sich die Stimme an, als ob sie ein großes Geheimnis enthüllen wollte, flüsternd.
Denn in unserer Not ist Klugheit ein wertvolles Geschenk und man muss tapfer sein um ihnen die Stirn zu bieten.
Die Fische und Vögel verschwanden aus meinem Sichtfeld und ich sah einen eben genauso bunten Sonnenuntergang wie ich ihn mir vorhin vorgestellt hatte.
Sobald ihr den Sonnenuntergang am westlichen Horizont erblickt, folget den rotglühenden Sonnenstrahlen. Wenn der letzte Strahl erlischt, werden euch die funkelnden Fische finden.
Das Bild hinter meinen geschlossenen Augenliedern wurde zur einzigen Harmonie. Doch dann schwammen die Fische davon und nahmen die ganze Idylle und Magie mit sich fort. Sofort verdunkelte sich der Himmel und Wolken zogen auf.
Nun hört auf meine Worte, wir können den Ozean nach unserem Willen spielen lassen...
Die Wolken am Himmel bauschten sich zu dunklen Skulpturen und die Wellen wurden immer höher.
...und scheuen uns nicht davor euer Hab und Gut...
Plötzlich sah ich ein kleines Boot, das wie eine Nussschale hilflos auf dem Wasser trieb. Dann zog noch etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich. Etwas, was mich schon in so manchen Albträumen heimgesucht hatte. Ein riesenhafter Felsen. Mitten auf dem Meer. Panik stieg in mir auf. Jeder normale Mensch würde sich jetzt wundern, warum ich vor Felsen Angst hatte und sogar schlecht von ihnen träumte. Ausgerechnet ich, die kleine wilde Chaotin, vor der alle jüngeren Kinder von ihren Eltern abgeschreckt werden und die als Beispiel eines schlecht erzogenen Kindes herhalten muss. Das Mädchen, das schon mit zehn Jahren furchtlos auf einer Klippe stand und waghalsig in den Abgrund schaute, das es nicht für nötig hielt, sich Freunde zu suchen, damit sie eines Tages genauso verschwanden wie ihre Eltern damals, und das oft still vor sich hin schweigen konnte, aber jeden verprügelte, wenn er oder sie sich gegen sie erhob. Eigentlich war ich mir immer vorgekommen wie Robin Hood, denn ich hatte nur einmal jemanden verprügelt. Aber auch nur weil er mich und ein paar andere immer damit aufzog, dass wir Waisenkinder waren. aber ich hatte jemanden besiegt und dabei nicht nur zu meinem eigenen nutzen gehandelt. Von da an hatte jeder einen Heidenrespekt vor mir. Vielleicht hatte ich keine Angst vor Fröschen, Spinnen oder sonstigem Gewürm, vor dem ein normales Mädchen in meinem Alter Angst hatte, aber dafür hatte ich Angst vor Felsen! Manche konnten das nicht verstehen, aber jeder der schon sein halbes Leben auf einem Schiff verbracht hat, so wie ich, weiß , welchen Gefahren das bedeutete. Das Boot trieb immer weiter auf den Felsen und das Steinriff davor zu. Mein Herz hämmerte mir gegen meine Brust und ich biss mir auf die Lippen um irgendwie die Fassung zu bewahren, denn am liebsten hätte ich jetzt geschrien. Erbarmungslos zog die Strömung das Boot mit sich. Ich versuchte meine Augen zuzukneifen und einfach den Blick abzuwenden, doch meine Augen waren bereits zu. Dann sah ich, wie das Boot am Felsen zerschellte.
...zu zerstören!
Schnell riss ich die Augen auf. Schwer atmend wachte ich auf. Ich war wohl tatsächlich eingeschlafen. Obwohl der letzte Satz nur noch ein Hauch gewesen war, hörte ich ihn in meinem Kopf noch deutlich nachhallen. Was sollte das? Eine Drohung? Eine Warnung? Oder war es doch einfach nur ein Tagtraum? Ich beschloss, dass es letzteres war und wischte jegliche Gedanken an eine Drohung weg. Doch plötzlich vernahm ich die zarte Stimme wieder.
Verlasst euch auf eure Sinne, denn es könnte eine lange Reise werden!
Langsam verblasste das Bild vor meine Augen und ich konnte meine Augen flatternd öffnen. Ich befand mich wieder in meinem eigenem Körper und meinen eigenen Gedanken. Es regnete immer noch, doch viel aggressiver als vorher. Ich fror. Ich lag nur mit meinem Sommerkleidchen auf dem kaltem Metallboden. Meine Finger brannten. ,,Scheiße", murmelte ich, als ich den Grund sah. Ich hatte während des Traums meine Finger vor Verzweiflung an dem Metallboden gekratzt. Alle Fingerkuppen waren blutig und meine Nägel abgebrochen. Doch das gehörte jetzt zu meinen kleinsten Problemen. Ich musste zuerst meine Gedanken sortieren. Den dieser Traum- oder diese Vision, hatte mir befohlen zu einer Insel in den Westen zu reisen. Sonst würde mir wieder jemand weggenommen, ohne den ich nicht weiter leben wollte. Und alle die mir etwas bedeuteten, waren hier auf diesem Schiff. Ich zweifelte keinen Moment an der Wahrheit des Traumes. Dies war kein Zufall. Und mir wurde auch langsam bewusst, was das hieß: Das Kreuzfahrtschiff musste sofort wenden.
,,Hey Jim." Diese zwei lächerlichen Worte brachten den Wachmann schon zum strahlen. Jim hatte vor ein paar Monaten die Schule abgeschlossen und arbeitete seitdem in verschiedenen Bereichen im Schiff. Auf diesem Schiff gab es nicht sehr viel Mädchen unter zwanzig und daher hatte ich mehrere Verehrer. Jim zählte zu ihnen. Jim sah nicht schlecht aus, hatte ein hervorragendes Abitur und hatte einen nett klingenden Akzent. Trotzdem war er ein Idiot, wie alle anderen hier auf diesem Schiff. Jetzt musste ich aber meinen Charme spielen lassen und nicht wie sonst den Jungs die kalte Schulter zeigen. Ich wollte mit dem Kapitän sprechen, was während seiner Arbeitszeiten strengstens untersagt war. Ich setzte ein verzücktes lächeln auf und fuhr mir scheinbar verlegen durch mein Haar. ,, Na Bia. Wolltest du mich mal besuchen kommen? Wenn du willst zeige ich dir die verschiedenen Räume!" ,, Lieber würde ich mit einem Haifisch schwimmen gehen", dachte ich mir prompt auf Jims Frage, doch ich konnte mich noch gerade zurückhalten es laut auszusprechen. ,, Nein, ich habe gerade viel zu tun, aber habe trotzdem eine Bitte an dich Jim." Sein lächeln verblasste, doch er nahm einen weiteren Anlauf, sich an mich heranzumachen. ,, Einer Schönheit wie dir kann man doch keinen Wunsch abschlagen! Was liegt dir auf dem Herzen!" ,,Na also!", dachte ich mir. Ein lächeln huschte mir über die Lippen, was eher gehässig als hübsch war. ,, Ich muss sofort den Kapitän sprechen..... wegen den fehlenden Medikamenten. Wir müssen irgendwo anhalten und neue besorgen!" Jetzt war Jim alles andere als begeistert. Er wusste genauso gut wie ich, welchen Ärger er bekommen könnte. Doch ich hatte diesem Jungen einfach den Kopf verdreht. Er zögerte kurz, doch trat dann einen Schritt nach rechts, damit ich durch die Tür zum Kapitän kam. ,,Beeil dich! Und Bia? Wenn das jemand von der Security herausfindet..." ,, Das wird nicht passieren!", unterbrach ich ihm munter. Ich hopste zuversichtlich an ihm vorbei und gab Jim vor Dankbarkeit und Übermut einen Kuss auf die Wange. Sein Grinsen reichte von einem Ohr bis zum anderen und er lief rosarot an.
Natürlich hatte der Kapitän abgelent. Wieso sollte er auch wenden, wenn ihm ein kleines, dummes Mädchen eine Katastrophe voraussagt? Jetzt ging die Panik mit mir durch. Ich musste sofort dieses verdammte Schiff verlassen! Aber wie? Ich rannte durch die weißen Flure und stürmte in meine Kajüte. Sie war notdürftig eingerichtet, denn eigentlich wollte ich nicht so lange hier bleiben, wie ich es jetzt war. An den kahlen Wänden hangen die letzten Fetzen von meinen Postern. Es gab eine Zeit, da habe ich Heavy Metal vergöttert, da man bei so einer lauten Musik nicht mehr nachdenken konnte. Ich kramte meinen alten, pinken Rucksack unter meinem Bett hervor und stopfte alles hinein, was auf einer Insel nützlich sein könnte. Am Ende befand sich eine Flasche Apfelschorle, meine Zahnspange, ein Butterbrot, ein Taschenmesser und verschiedene Fläschchen mit Medikamenten in dem Rucksack. Ich war eigentlich ganz zufrieden mit meiner Zusammenstellung. Doch jetzt musste ich los. Die Sonne würde bald untergehen und ich saß immer noch auf diesem Schiff gefangen und hatte keinen guten Plan es zu verlassen. Ich konnte ja schlecht die ganze Strecke schwimmen. Verächtlich verwarf ich auch diesen Plan. Ich sandte ein kurzes Stoßgebet in den Himmel, denn wenn dort doch jemand war, meinte er es vielleicht gut mit mir. ,, Los Bia! Du kannst alles schaffen!" ,trieb ich mich selber an. Barfuß rannte ich auf das offene Deck, dass immer noch verwaist war. Meine Füße platschten in kalte Fützen. Eine Welle Adrenalin schoss durch meinen Körper und hinterließ ein nervenaufreibendes Kribbeln unter meiner Haut. Und plötzlich wusste ich, was ich zu tun hatte. ,,Danke", flüsterte ich den grauen Wolken zu.
Wie mit dem Wind getragen waren die Worte auch schon verschwunden. Als ob mir jemand eine Botschaft mit dem Wind geschickt hätte. Ich runzelte die Stirn. "Das gibt es doch gar nicht!", tadelte ich mich. Nur um die Einsamkeit ein bisschen zu übertönen. Eigentlich war ich gerne alleine, aber Gesellschaft konnte ab und zu auch mal ganz gut tun. Ich schüttelte den Kopf um diesen merkwürdigen Gedanken zu entrinnen und fing an leise ein Lied vor mich hin zu summen. Das kannte ich schon so lange, dass ich mir gar nicht mehr sicher war, von wem ich es gelernt hatte. Ich schien es schon mein Leben lang zu kennen. Wahrscheinlich war es mir damals in die Wiege gelegt worden. Ich sang das Lied vor mich hin. Erst leise, dann immer lauter und lauter. Mit jedem Ton bezwang ich meine Angst. Das Lied war mir dabei ein große Hilfe. Denn es war ein richtiges Mutmachlied. So einfach, das es selbst ein kleines Kind singen konnte, und zugleich so perfekt. Als ob es über Jahre hinweg geschrieben wurde. Jeder Ton wurde genau durchdacht, jede Pause. Es war ein einzigartiges Meiserstück. Es war so sanft, so berauschend, voll von Sehnsucht und Vertrauen. Nachdem ich mich wieder beruhigt und den Kopf unter Wasser gehalten hatte, machte ich mir endlich Pläne, wohin ich überhaupt segeln wollte und wie ich mir meine Vorräte, die aus einem Kanister Wasser, zwei Äpfeln und einem Butterbrot bestanden, einteilen sollte. Bei allem was ich heute tat sah ich den fürchterlichen Felsen vor mir auftauchen.Als ich die Route berechnete und entschied, fuhr ich mit meinem Finger an dem eingezeichneten Felsen und Klippen entlang. Während ich das Deck aufräumte und die Seile einrollte, sah ich sie und sobald sich meine Augen schlossen, sah ich graues Gestein aus dem Meer aufragen. Es verfolgte mich! Ich wurde mit meinen Gedanken zurück durch die Zeit geschleudert und erlebe jenen Augenblick des nahenden Todes wieder. Damals war ich auf offener See. Es war eines der ersten Male, dass mir die Leute aus dem Heim erlaubt hatten, das alte Segelboot meines Vaters zu benutzen. Doch es war so lange nicht mehr benutzt worden, dass einige Bretter morsch waren und ausgebessert werden mussten. Aber ich wollte unbedingt auf das Meer hinaus. So fragte ich im Hafen nach einem Boot für mich. Niemand traute mir zu, mit einem Boot umgehen zu können. Deshalb gab mir auch
niemand eines. Aber ich war fest entschlossen. Und so gelangte ich zu einem alten Mann, der zwar ein bisschen finster dreinblickte, mir aber ein Boot ausmachte. Ein sehr kleines, nicht mal halb so groß wie die Cécilia. Damals achtete ich aber nicht weiter darauf und fand mich schon umgeben von der Weite des Meeres wieder. Ich paddelte munter mit dem kleinen Kahn umher und entdeckte unter einer Bank eine Schwimmweste, die ich mir schnell anzog. Das hatte mein Vater mir immer eingetrichtert. Ich ließ es nur bleiben, wenn ich absolut keine Gefahr sah. Es war nicht so, dass ich irgendeine Gefahr bemerkte, aber man weiß ja nie was einem auf einem so kleinen Boot alles passieren konnte. Es war gut, dass ich sie angezogen hatte, wie sich bald herausstellte, denn schon bald brach ein Unwetter los.Erst regnete es nur, deshalb machte ich mich auf den Heimweg. Doch schon als man die Küste sah, heulte der Wind um meine Ohren und die Strömungen zogen mich auf ein Felsenriff zu. Durch den dichten Regen versuchte ich zu erkennen, was mich dort erwarten würde. Mit zusammengekniffenen Augen erkannte ich die riesenhaften Felsen, die eine große Gefahr darstellten. Panisch ruderte ich in die entgegen gesetzte Richtung. Doch den starken Wellen gab es kein Entkommen. Hektisch schaute ich mich nach einem Ausweg um. Ich fühlte mich wie eine Maus in der Falle. Hinter mir brachen sich die wütend schäumenden Wellen an den Felsen und in schon eine paar Sekunden würde ich auch gegen sie klatschen und nie wieder auftauchen. Ich sah meinen einzigen Ausweg darin, aus dem Boot zu springen und zu schwimmen. Noch einmal blickte ich um mich, holte tief Luft und sprang. Das Wasser war eiskalt und ich konnte mich zuerst vor Schock nicht bewegen. Doch dann schwamm ich aus Leibeskräften. Ich wollte nicht aufgeben. Doch irgendwie hatte ich den Eindruck, als ob ich mich nicht von der Stelle bewegen würde. Da erst bemerkte ich, dass sich mein linker Fuß in einer Steinspalte verklemmt hatte. Langsam ging mir die Luft aus und ich zerrte an meinem Bein, so dass es höllisch weh tat. Adrenalin schoss durch meinen Körper und irgendwie schaffte ich es, mich zu befreien. Ich schoss japsend und nach Luft schnappend an die Oberfläche. Doch schon ergoss sich eine Welle über mich und ich schluckte Wasser. Immer wieder versuchte ich nach oben zu gelangen, doch es zog mich hinunter. Verzweifelt klemmte ich mir die Notpfeife zwischen die Zähne und pfiff mit jedem Atemzug. Wasser drang in meine Ohren, Augen und Nase. Wasser war in meiner Luftröhre. Ich hustete und würgte. Dann verlor ich die Orientierung und schien in ein unendlich nasses Grab zu sinken.
Als ich wieder zu Bewusstsein kam, lag ich an Deck des Schiffes der Küstenwache. Ich erinnere mich noch genau, wie ich mich vor Schmerz auf dem Boden krümmte. Ich spuckte Wasser und Rotz. Man erzählte mir, dass man meine Pfiffe gehört und mich dann halb tot gefunden hatte. Verschwommen nahm ich die Gestalten wahr, die sich um mich kümmerten, meinen Puls fühlten und mir zu essen gaben. Ständig spürte ich den pochenden Schmerz in meinem linken Fuß und mein Kopf dröhnte. Doch ich hatte Glück gehabt. Ich hatte nur eine Gehirnerschütterung und eine Sehne gerissen.
Schnell schüttelte ich jede Erinnerung an jenen Tag von mir fort und widmete mich wieder dem Aufräumen zu. Was der Traum mit dem Felsen wohl bedeuten mochte? Es war schon spät am Abend. Das Boot sah ordentlich aus. Die Bohlen waren geschrubbt, die Koje aufgeräumt, Kleidung ordentlich gefaltet, Erinnerungen und Gefühle geordnet, die Segel gerefft und der geölte Motor tuckert friedlich wie eine schnurrende Katze vor sich hin. Ich ließ meinen aufgeheizten Körper ins Wasser gleiten und schwamm neben dem Boot her. Salzwasser berührte meine geplatzten Lippen und brannte auf der geschundenen Haut meiner Hände. "So fühlt es sich sicher an, wenn man Salz in eine Wunde streut.", dachte ich. Meine Haut beruhigte sich allmählich und ich glitt wie ein Fisch durch das seichte Meer. Ich war ganz in meinem Element. Immer wieder tauchte ich unter und betrachtete die bunten Fische um mich herum. Zum ersten Mal seit meiner Abfahrt fühlte ich mich richtig frei. Die Sonne wanderte inzwischen unaufhaltsam auf den Horizont zu. Als ich aus dem Wasser stieg und mich abtrocknete, sah ich einen Sonnenuntergang, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Um den gelben Feuerball glühte ein leuchtendes Orange auf. Rote Strahlen spiegelten sich in meinem Gesicht wider und färbten die kleinen Schäfchenwolken am Himmel rosa. In der Koje kuschelte ich mich zwischen zwei alte Decken ein und war im nu eingeschlafen.
Meine Muskeln brannten wie Feuer, als ich mich mit meinem ganzen Körpergewicht auf die Kurbel lehnte, die die Rettungsboote zu Wasser lassen sollte. Doch bei mir bewegte sich die Kurbel, geschweige denn die Boote, keinen Millimeter. Meine geringe Körpergröße und die aufgeschürften und klammen Hände waren auch keine große Hilfe dabei und das ich am ganzen Körper zitterte, behinderte mich umso mehr. Ich zitterte nicht nur aus kälte, sondern auch aus Angst. Angst vor meiner unklare Zukunft und vor der Frage, was mich erwarten würde. Ich konnte mich immer als stark und taff ausgeben und trotzdem gab es Momente wie diesen, wo meine Maske zerbröckelte. Als ich jetzt mein Messer zückte und einen kleinen triumphierenden Schrei ausstieß, fühlte ich mich wie eine starke Heldin in meinem eigenen Film, für die es das Wort "unmöglich" nicht gab. Mein neuer Plan bestand daraus, die Seile der Rettungsboote, die das Boot mit dem Schiff verbanden zu kappen. Jedoch besaß dieser Plan, genau wie alle anderen Pläne von mir, einen Haken. Die Seile waren aus Stahl. "Die Hoffnung stirbt zuletzt", murmelte ich grimmig und lehnte mich todesmutig über die Reling, da die Rettungsboote an der Außenwand des stählernem Monsters befestigt waren. Ich hatte mir vorgenommen, nicht nach unten zu sehen, doch als ich nun mit dem Oberkörper im Freiem schwebte, linste ich vorsichtig in die Tiefe. Unter mir lag das Meer ausgebreitet wie ein triefend blauer Teppich. Der Anblick raubte mir den Atem. Das Meer war aufgewühlt, ungebändigt und ständig in Bewegung, wie ein lauerndes Tier kurz bevor der Jagd. Ruckartig wandte ich meinen Blick von der fließenden See ab und befahl mir, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren, die alles andere als leicht war.
"Ich habe mich überschätzt", gestand ich mir selbst in meinen Gedanken ein, während ich verzweifelt an den Seilen herumschnitt. Mich verließen alle meine Kräfte, doch der Sturm wurde immer stärker. Solch einen starken Sturm hatte ich noch nie erlebt, ich kannte ihn nur aus Geschichten von Matrosen. Die Wellen waren wirklich haushoch, der Himmel pechschwarz und der Wind so stark, das ich fürchtete, meine Haare würden mir von meinem Kopf gerissen. Ich musste endlich von diesem Schiff verschwinden bevor es zu spät war. Denn mein Gefühl sagte mir, dass der Sturm gekommen war, um mich zu holen. Die Wellen schienen meinen Namen zu flüstern und der Wind schien mich zum weggehen zu zwingen.
Plötzlich legten sich zwei kühle Hände über meine panisch aufgerissenen Augen. Einen Moment lang fürchtete ich, das Gleichgewicht zu verlieren und in ein nasses Grab zu fallen, doch mein Oberkörper wurde gepackt und zurück gezogen. Meine Füße standen wieder auf festen Grund, doch sehen konnte ich immer noch nicht. "Was zum Teufel...", fing ich an meiner Empörung platz zu schaffen, doch ich wurde von einer tiefen Stimme direkt neben meinem Ohr unterbrochen, die mir zuflüsterte :"Bia, meine Schöne. Willst du uns verlassen?", Die Frage war natürlich nur rhetorisch, doch jetzt kochte ich vor Wut, denn die Stimme gehörte Jim. Dieser Idiot hatte mir einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Ich war von dem Kapitän, der Security bis zu einem Kidnapper alle Möglichkeiten durchgegangen und mich gefragt, wen ich am liebsten hier draußen begegnen würde. Ich war so empört und zugleich verwundert, dass es mir die Sprache verschlug. Das gab es so gut wie nie, denn ich war eigentlich schlagfertig und hatte immer einen frechen Spruch auf den Lippen. "Also Sabia, was soll das?", fragte Jim nun etwas gereizter. Dann deutete er mit seiner Hand, die vor einigen Sekunden noch auf meinen Augen ruhten, zuerst auf meinen gepackten Rucksack. Dann wanderte sie weiter, zeigte auf die Stahlseile, die jedoch nur leichte Kratzer von meinem Messer trugen und dann auf mich und meine Hände, die bluteten und ein großes Küchenmesser hielten. Dieser Anblick war wahrscheinlich schon an sich surreal genug, wenn dieses Messer nicht von einem 1,60 Meter kleinem Mädchen gehalten würde, dass nur bekleidet mit einem leichten grünem Sommerkleid im Auge eines gewaltigen Sturms stehen würde. Dieser Anblick übertraf alles.
Kurzer Hand entschied ich mich für die verkürzte Wahrheit, denn eine Ausrede würde Jim sofort durchschauen, man konnte vieles über ihn sagen, aber dumm war er nicht. "Du fragst dich sicher was das mit dem Messer soll", fing ich ihm an alles zu erklären," tja, ich versuche die Seile der Rettungsboote zu kappen, weil ich Kurbel zu leicht bin, sie bewegt sich keinen Millimeter. So, das war's und jetzt kannst du jemanden anderen nerven!" Jetzt traten Jim fast die Augen aus dem Kopf. Wäre Dampf aus seinen Ohren geschossen, wäre ich keineswegs verwundert gewesen. Er schien mit meinem "Masterplan" nicht einverstanden zu sein. "Und jetzt erklär mir bitte noch, Bia, wozu ein Mädchen wie du, ein Rettungsboot braucht! Du willst dir bestimmt keinen Kleiderschrank daraus zimmern. Erklär es mir!", forderte er mich auf, mit einem lauerndem Unterton. So, jetzt waren wir am schwierigeren Teil der Wahrheit gelandet. Von meiner Vision konnte ich ihm einfach nicht erzählen, außer ich hätte Lust auf einen Abstecher in die Psychiatrie, weil Jim mich für verrückt erklärte. "Ich habe schlichtweg keine Lust mehr auf dieses Kreuzfahrtschiff, ich will weg!", antwortete ich stattdessen. Jetzt war Jim merklich sauer und wollte gerade damit loslegen, mir zu erklären, wie hirnverbrannt meine Idee war, als ich ihm zuvor kam und ihm mit bitterer Stimme erzählte:" Jim, ich halte es einfach nicht mehr mit meinen Eltern aus. Du weißt doch, dass meine große Schwester gestorben ist, oder?" Jim nickte zur Antwort stumm und gab mir ein Zeichen, weiter zu sprechen, was meine Chance war. "Seid sie fort ist, muss ich die vorzeige Tochter spielen und Posy ersetzen. Alle erwarten von mir, genauso gut oder besser zu sein, als sie es war, doch das bin ich nicht! Das halte ich nicht aus, verstehst du?", fragte ich mit verzweifelter Stimme, denn dies lag mir wirklich auf dem Herzen und hätte ebenso der Grund sein können, wieso ich verschwinden wollte.
"Nun gut", sagte Jim und wackelte mit dem Kopf. "Nun gut, was?", hätte ich ihm am liebsten angebrüllt, doch ich traute mich nicht, mich mit ihm in dieser Situation anzulegen. Nach einigen Minuten in der Jim angestrengt nachgedacht hatte, die mir aber wie Stunden vergeudete Zeit vorkamen, antwortete er :"Ich werde dir helfen, obwohl dein Vorhaben wahnsinnig ist und es wahrscheinlich Selbstmord ist, ganz alleine mit einem Rettungsboot in diesem Sturm fort zu wollen. Doch ich konnte dir noch nie einen Wunsch abschlagen. Ich werde dir also helfen, die Kurbel in Gang zu setzten, denn Stahlseile zu durchtrennen war wirklich eine naive Idee. Die Kurbel wird elektronisch gesteuert, du kannst sie nicht bewegen, auch wenn du so schwer wie ein Elefant wärst. Ich muss die Kurbel über einen Zentralen Schalter im Steuerhaus von dem Kapitän betätigen, wovon ich als Wächter die Schlüssel besitze." Ich hörte staunend weiter zu, was Jim sagte und dabei merkte ich, dass ich ihn falsch eingeschätzt hatte und er in Wahrheit gar kein so großer Idiot war. "Ich werde jedoch meine Karriere als Türsteher des Kapitäns auf das Spiel setzen müssen, aber darin habe ich noch nie meine Zukunft gesehen.", schloss Jim seine Ankündigung. Ich fiel Jim prompt um den Hals und flüsterte:" Wenn ich bleiben würde, wären wir sicher gute Freunde geworden". "Pass auf dich auf, Bia", antwortete er nur, zog mich noch ein letztes mal an fest an sich und schob mich dann beiseite. Er begab sich auf den Weg zum Steuerhaus und ließ mich zurück. Um mich herum tobte der Sturm unerbittlich weiter, doch ich hätte mir keinen schöneren Moment ausmalen können. Bald war ich fort.
Ich kämpfte mich samt meines Gepäckes über die Reling und ließ mich in das strak schwankende Rettungsboot plumpsen. Meine Wangen waren glühend rot vor Kälte und vor Aufregung wegen meiner neu gewonnenen Freiheit. Durch das Rettungsboot ging ein Ruck und es setzte sich langsam in Bewegung. Ich warf einen letzten Blick auf meine alte Heimat und konnte Jimmys Silhouette erahnen, die mir zuwinkte. Ich warf ihm lachend eine Kusshand zurück, was ich jedoch im nächsten Moment bereute, weil ich das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf hart gegen die Stahl Reling des Rettungsbootes rumste. Mit dumpfen Kopfschmerzen richtete ich mich wieder auf und versuchte das Gleichgewicht wieder zu finden. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Sie purzelten hin und her, ich zerbrach mir den Kopf über die Frage, wie ich fortfahren sollte, wenn das Boot das Meer erreicht hatte. Eine Windböe brachte das Rettungsboot wieder zum schwanken und unterbrach unsanft meine Gedankengänge. Ich musste mich von nun an konzentrieren und meine Sinne schärfen, wenn ich dieses Abenteuer überleben wollte. Vorsichtig lugte ich über die Reling. Die ersten Wellen leckten am Bootrumpf und in wenigen Sekunden würde ich dem Meer wieder so nah sein, wie schon lange nicht mehr. Und das Meer empfang mich wütend. Es brodelte unter mir, als ob der Teufel selbst im Meer Polka tanzte. Mit einem leisen schmatzen setzte das Boot auf dem Wasser auf. Ein weiteres klicken, war die Bestätigung, dass die Stahlseile abgelöst waren und mich nichts mehr an die Kreuzfahrt band.
Ein kleiner ruhiger Moment war mir gegönnt, in dem ich Abschied nehmen konnte und dann brach das Chaos aus. Das Boot unter mir bäumte sich wie ein wildes Tier und warf mich um. Salzwasser peitschte mir ins Gesicht, meine Augen brannten und das kleine Boot wurden von den Wellen umher geworfen. Als ich mich wieder auf gekämpft und hingesetzt hatte, sah ich die aufgetürmte Wasserwand auf mich zu rasen, bevor sie mein Bötchen erreichte. Die haushohen Welle schlug über mir zusammen und verschlang mich und mit mir, meine angsterfüllten Schreie. Ich klammerte mich Unterwasser krampfhaft an die Sitzbank des Bootes, sie war mein letzter Orientierungspunkt. Salzwasser drang in meinen Mund, in meine Nase und in meine Ohren ein. Die Dunkelheit und die Kälte ließen nicht zu, dass ich zurück an die Oberfläche fand. Ich wurde von den Wassermassen wie eine Stoffpuppe umher geschleudert. Meine Lunge schrie nach Luft. Verzweifelt atmete ich einen schwall Salzwasser ein. Weiße Sterne tanzten vor meinen Augen. Meine Gedanken schwirrten auseinander, wie ein Schwarm Tiefseefische. Ich verlor das Bewusstsein, obwohl dies tödliche Konsequenzen haben könnte. Einen letzten kraftlosen Krampfschrei stieß ich aus. Danach:
endlich Stille.
Schwarz.
Nichts.
Ich wachte davon auf, dass sich ein Schwall Wasser über mich ergoss. Schlaftrunken dachte ich an meine Mitbewohnerinnen aus dem Heim, die mal wieder mit härteren Methoden handeln mussten um mich wach zu kriegen. Mit geschlossenen Augen wischte ich mir über das Gesicht und lies mich wieder zurück in die Wärme meines Bettes sinken. Doch bevor ich im Land der Träume ankam, wurde mein Kopf heftig gegen die Wand gedonnert. Ich jaulte auf und zuckte mit meinem Oberkörper nach oben. Dabei stieß ich gegen die Decke. "So ein Mist!", stöhnte ich laut und rieb mir die schmerzenden Stellen. Dann blinzelte ich um mich her. Ich lag immer noch in der Koje der Cécilia. Doch was war das? Überall lagen Sachen herum. Das totale Chaos! Und jetzt bemerkte ich es auch. Das Boot schwankte ungewöhnlich. Ein Stuhl schleifte umgekippt über den rauen Holzboden. Mit ihm der gesamte Inhalt der schweren Holzkiste. Dort waren meine wenigen Habseligkeiten untergebracht gewesen, die jetzt schweinbar selbstständig durch den Raum wanderten. Panik überkam mich. Wahrscheinlich wütete draußen ein schlimmer Sturm. Ich musste das Boot retten! Es gehörte meinem Vater! Ich sprang auf meine Beine und los ging es. Schnell warf ich meine Sachen zurück in die Kiste, zog mir eine viel zu große Öljacke über und wischte barfuß an die frische Luft. Der Sturm war weit nicht so heftig wie ich angenommen hatte. das Wasser, das meine Zehen umspülte schien sogar warm zu sein. Trotzdem wollte ich kein Risiko eingehen und band mich mit einem Tau am Masten fest. Die nächsten Stunden bestanden aus Wasserschippen und warten. Warten bis die hohen Wellen sich gelegt hatten, bis der Wind aufhörte zu peitschen. Warten bis die klamme Nässe ihre gierigen Finger von mir lies und die Welt wieder in Farben aufleuchtete. Noch sah alles aus, als wäre ein dreckiger Wasserfarbkasten umgefallen, der alles in grau getaucht hätte. Doch endlich, es wurde schon Morgen, als der Sturm nachließ und die Wolken sich etwas lichteten. Das sah ich sie! Eine Insel! Ich rieb mir die Augen und stieß glücklich einen Jauchzer aus. Meine Rettung! Das Fernglas in der Rechten, das Steuer in der Linken und mit klopfendem Herzen hielt ich auf sie zu. Der Wind wehte den Duft von taufrischen Blumen und Harz zu mir herüber. Von diesem Moment an glaubte ich an Abenteuer. Und dieses hier würde mir ganz alleine gehören.
Tag der Veröffentlichung: 14.05.2013
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Freundschaften sind wie Perlen.
Es gibt unzählige Muscheln im Meer.
Die zu finden, die den Schatz beinhalten,
das ist ein wahres Geschenk!
(Peter Sereinigg)
An die zwei besten Freundinnen der Welt!!!
Danke dass es euch gibt!