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Hoffnung

Es war ein kälterer Herbstmorgen und der Nebel lag noch dicht über der Stadt, so dass die Straßenlichter wie hinter Milchglas eingemauert schienen. Ich liebte solche Morgende, dies bedeutete meistens, dass sich die Sonne, Stück für Stück, durch den Nebel kämpfte, um uns einen warmen Sonnenstrahl schenken zu können.

Ich machte meine Balkontür auf und trat hinaus. Ein Windhauch streifte meine Haut und meine Nase vernahm einen leicht salzigen Geruch. Es war der Geruch, des Meeres, den der Wind in die Stadt trug. Manchmal wünschte ich mir, das ich mit dem Wind fliegen könnte. Einfach davon schweben und die Welt von oben sehen.

Heute ist ein guter Tag um einfach mal durch die Stadt zu laufen, hinunter zum Meer. Ich ging wieder in meine Wohnung und schloss die Balkontür. Es war an der Zeit, mich ordentlich zu kleiden und mein Vorhaben in die Tat umzusetzen.

Ich zog mich an, schnappte mir meine Tasche, mit meinem Handy und trat hinaus aus meiner Wohnung in das triste vorstadtsgrau Treppenhaus. Schlagartig fühlte ich mich genauso trist. Das Treppenhaus, müsste unbedingt freundlicher gestaltet werden, damit man sich nicht vor den nächsten Bus wirft, weil man depressiv geworden ist. Ich lief die vier Treppen hinunter und trat hinaus auf die Straße, die mich meinen Weg führen sollte. Erst jetzt viel mir auf, das es in der Nacht geregnet haben musste, denn die Flastersteine waren nass und vereinzelt kreuzten Pfützen meinen Weg. Ich konnte mich eine ganze Weile beherrschen, aber bei der fünften Pfütze konnte ich nicht anders, ich sprang mit beiden Beinen hinein, so wie ich es als Kind immer tat. Es war mir egal, ob meine Füße dabei nass wurden, es machte mich Glücklich. Nichts ist so vergänglich, wie das Glück. Man bekommt es nur sehr schwer zu fassen, und es zu halten, ist fast unmöglich. Deswegen erfreue ich mich an den kleinen Dingen des Lebens, auch wenn ich da durch kindlich und naiv wirke. Meistens, jedenfalls.

Als ich so die Straße entlang sprang, so von Pfütze zu Pfütze, viel mir auf der gegenüberliegenden Seite, ein Mann auf, der in die selbe Richtung lief und mich bei meinen Sprungkünsten beobachtete. Ich blieb kurz stehen uns sah ihn an. Irgendwie schien er nicht glücklich zu sein. Seine ganze Haltung und sein Blick, ließen mich das glauben, also sprang ich in die nächste Pfütze, drehte mich dabei und schenkte ihm, mein schönstes Lächeln. Im Augenwinkel sah ich, wie er langsamer wurde und etwas verwirrt, aber glücklicher, weiter lief. Das ist ein wunderbares Gefühl, wenn ich mein Lächeln, mit einem Menschen teilen kann, der zur Zeit nicht im Stande ist, sich alleine glücklich zu machen.

Es war nicht mehr weit zum Strand, denn ich hörte schon das Rauschen der Wellen. Dieses Geräusch, war eines der Schönsten für mich. Ich verbinde es mit Freiheit und Ausgeglichenheit. Da ich von Haus aus, kein ausgeglichener Mensch bin, hilft mir das Meer dabei, meine Mitte zu finden, wenn ich sie selbst mal wieder vergessen habe. Und endlich war ich angekommen, am Meer der Freiheit und Ausgeglichenheit, im Zentrum, meiner Selbst.

Ich kam genau zur richtigen Zeit am Strand an, denn am Horizont, zeigte sich nun die Sonne. Es sah so aus, als ob sie direkt aus dem Meer empor stieg. Impossant und wunderschön, so wie die Natur eben ist. Ich setze mich auf eine Strandliege und beobachtete die aufgehende Sonne. Wenn ich zeichnen könnte, würde ich dieses Bild auf einer Leinwand festhalten, aber da ich es nun mal nicht kann, gibt es für mich keine bessere Leinwand, als meine Seele. Ein weiterer Windstoß, durchfuhr meinen Körper und ich fing an, leicht zu frieren. Ich hätte mir eine Decke oder noch eine Jacke mitnehmen sollen.

„Um diese Zeit, im Herbst, ist es immer etwas kühl am Strand.“ Durchschnitt eine männliche Stimme mein gedankliches Selbstgespräch. Ich sah nach rechts oben und blickte in zwei blaue Augen, die durch eine Brille sahen. „Bist du nicht der Mann, dem ich vorhin begegnet bin?“ Fragte ich, etwas zögerlich. Er nickte und setze sich auf eine Liege, die neben mir stand. „Ich gehe jeden Früh hier her, um Kraft zu tanken, damit ich den Tag überstehen kann.“ Fing er an zu erzählen. „Deswegen weiß ich auch, das es im Herbst auch schon ziemlich kühl werden kann.“

„Na ja, ich nehme die morgendliche Kälte gern in Kauf, für diesen Anblick.“ Ich sah in die Ferne und schloss bei dem nächsten Windstoß die Augen. „Ich mag den Wind, das Meer und das Rauschen der Wellen.“

„Ja, ich auch.“ Stimmte er mir zu und sprach weiter. „Es ist schon komisch. Ich sehe dich jeden Tag am Bahnhof, aber du warst immer so in deiner Musik vertieft, dass ich dir nicht aufgefallen bin. Und heute, sehe ich dich, wie du durch die Pfützen springst und dir keinen Kopf machst, was Andere über dich denken könnten. Das hat mich sehr bewegt, und dann schenkst du mir ein Lächeln, was mich so aus dem Konzept gebracht hat, dass ich mich fast verlaufen hätte. Wieso hast du mir so ein Lächeln geschenkt?“

„Weil ich das Gefühl hatte, das du es gebraucht hast.“ Ich sah ihn an. „Ich habe in meinem Leben schon oft gehört, dass ich ein Leichtfuß bin. Das stimmt auch, denn ich mache mir über viele Sachen keine Gedanken. Ich nehme es so, wie es kommt und dann mache ich das Beste daraus. So bin ich und so lebe ich.“ Er lächelte vor sich hin, aber dennoch wirkte er traurig. „Darf ich dich fragen, was dich unglücklich macht? Ich meine, du lächelst zwar, aber deine Augen und deine Haltung zeigen mir etwas Anderes.“

Er sah in die Ferne. „Du hast ein sehr gutes Gespür dafür, wie es Anderen geht. Das Leben, was ich zur Zeit führe, macht mich einfach nur krank. Ich möchte nur noch weg, aber ich habe Angst davor, allein zu sein. In diesen Leben, habe ich alles, eine Frau und einen Sohn. Was mir fehlt, ist das Gefühl frei zu sein, damit ich wieder leben und glücklich werden kann. Zur Zeit, fühle ich mich einfach nur gefangen, gefangen in dem Käfig meines jetzigen Lebens.“

„Das Gefühl kenne ich nur zu gut, deswegen bin ich vor einiger Zeit, aus meinem alten Leben ausgebrochen. Aber abzuhauen, hat auch Nachteile, denn von Vorn anzufangen, ist verdammt schwer. Man muss sich sicher sein.“

„Tja...“ Seufste er. „Bei mir ist das leider nicht so einfach, schon alleine deswegen nicht, weil ich ein Kind habe. Wäre er nicht, dann wäre ich schon lange weg.“

Ich sah ihn an. „Weißt du, ein Kind ist eines der größten Geschenke, das uns die Natur geben kann, deswegen verstehe ich deine Bedenken, aber was hat ein Kind von seinem Vater, dem es seelisch nicht gut geht? Der zu Grunde geht, in einer Beziehung, die scheinbar nur noch auf dem Papier besteht? Nichts. Klar muss man es seinem Sprössling schonend und langsam beibringen, aber auf langer Sicht gesehen, ist es besser, wenn man sich und den Anderen nicht mehr belügt. Hart wird es für alle Beteiligten werden, das hat das Leben in diesem Fall, so vorgesehen. Wenn du meinen Rat hören möchtest, dann sage ich dir, dass du gehen und leben sollst. Denn nur so kannst du dich irgendwann wieder selbst glücklich machen. Wer sich selbst glücklich machen kann, der kann auch Andere glücklich machen.“ Ich atmete tief ein. „Weißt du, ich lebe mit dem Wind. Ich spüre und fühle ihn. Er sagt mir wohin ich gehen und was ich machen soll. Es mag sich vielleicht komisch anhören, aber den Wind assoziiere ich mit Freiheit.“

„Ich habe mich noch nie mit einem Menschen, wie du es bist, unterhalten. Du bringst eine Leichtigkeit in dein Leben und in dein Umfeld, das ist unglaublich. Das ist eine Gabe, die es so nur einmal gibt.“ Er stand auf. „Behalte deine Gabe und pflege sie. Ich muss jetzt leider auf Arbeit, aber eigentlich möchte ich mich weiter mit dir unterhalten oder dir einfach nur zu hören.“

„Ich werde jeden Herbstmorgen hier sein.“ Lächelte ich. „Und dir solange mit meiner „Gabe“ Kraft geben, bis du wieder aus eigenen Antrieb und vom ganzem Herzen, lachen kannst, auch wenn es Jahre oder bis zum Lebensende dauern sollte. Ich werde hier sein und auf dich warten.“

„Sowas sagst du zu einem Mann, den du heute erst kennengelernt und mit ihm gesprochen hast?“ Sagte er etwas erschrocken.

Meine Augen suchten seine Augen. „Weißt du, nur weil ich am Bahnhof Musik höre und ich augenscheinlich nichts mitbekomme, nehme ich meine Umwelt bewusst war. Ich habe dich jeden Tag gesehen. Habe bemerkt, das du mich beobachtest und gelächelt hast, wenn ich mitgesungen habe. Ich habe gefühlt das du es brauchst, dass du mich brauchst. Ich weiß mehr als du denkst und weniger als du sagst. Also nehme ich dich mit, auf meinen Flügeln aus Wind, damit deine Seele wieder frei sein kann.“

 

Impressum

Texte: Witch Whisper
Bildmaterialien: Joachim Sthal
Tag der Veröffentlichung: 26.12.2014

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für Heiko.

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