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Vorwort


Exposés sind das Fegefeuer der Autoren. Eher geht ein Elefant durch ein Nadelöhr, als dass man einen 400-seitigen Roman auf zwei Seiten eindampfen kann.
Die meisten Autoren würden deshalb am liebsten gar keine Exposés schreiben.
Dabei können sie so nützlich sein. Nicht nur, weil sie – wenn gelungen – zu Verlagsverträgen führen. Sondern, weil Sie damit auch die eigene Geschichte prüfen können. Denn was auf 400 Seiten verborgen bleibt, wird auf zweien erbarmungslos deutlich: Plotlöcher, unglaubwürdige Figuren, fehlende Logik oder Spannung, offene Enden und erst recht, wenn unklar ist, wo die Geschichte eigentlich beginnt. Genau deshalb wollen Verlage als Erstes ein Exposé sehen.
Wo hakt es, was könnte man verbessern? Das habe ich an 15 Exposés unveröffentlichter Autoren untersucht. Den Balken im Auge des anderen sieht man bekanntlich leichter als den Splitter im eigenen. Und es sind Fehler, die der anderen und die eigenen, aus denen wir am meisten lernen können.
Exposés verraten viel über Ihre Geschichte und vor allem über Ihren Plot. Deshalb werden Sie auf den folgenden Seiten auch viel zum Plot finden. Beispiele dafür, wie man einen verunglückten Plot verbessert, wie man Plotlöcher erkennt, wie man Mängel ausfindig macht, aber auch Stärken, und vor allem: wie man das Beste aus seiner Geschichte herausholt. Die meisten Anfänger nutzen nämlich das Potenzial ihrer Geschichten nicht aus.
Und wie schreibt man ein Exposé? Wie fasst man 400 Seiten auf ein bis drei Seiten zusammen? Dazu gibt es eine Menge Tipps im Kapitel „Eindampfen“.
Was unterscheidet eigentlich erfolgreiche Exposés von den weniger glücklichen Kollegen? Das können Sie an sechs Beispiel-Exposés studieren, die einen Verlag gefunden haben. Damit Sie sehen können, wie Profis ihre Exposés aufbauen.
Außerdem haben mir sieben angesehene Literaturagenten verraten, wie ein gutes Exposé ihrer Meinung nach aussehen sollte.
Und schließlich stelle ich Ihnen auch die Unterlagen vor, die für eine Manuskripteinsendung an Literaturagenten und Verlage nötig sind.
Was Verlage nutzen, um Manuskripte auszuwählen – das können auch Sie als Autor nutzen. Machen Sie Ihr Exposé zur Nagelprobe, beschreiben Sie Ihren Plot und prüfen Sie, ob er trägt. Damit Ihre Geschichte besser wird. Damit Sie einen Verlag finden.
Gehen wir also an die Arbeit!

Hans Peter Roentgen
www.hproentgen.de


I. Plot, Exposé und Pitch


Wenn Sie Agenten oder Verlagen ein Buch vorstellen, benötigen diese Material, um das Projekt zu prüfen. Eignet es sich zur Veröffentlichung? Passt es ins Verlagsprogramm? Und das Wichtigste: Werden genug Leute dieses Buch lesen wollen? Deshalb interessieren Lektoren zwei Fragen:
1. Kann der Autor überhaupt professionell schreiben? Kann er Texte so formulieren, dass viele Leute sie lesen wollen?
2. Hat der Autor eine Geschichte, die trägt? Die also einen Anfang hat, ein Ende und einen Plot, der beide miteinander verbindet?
Für Punkt 1 brauchen Sie eine Textprobe. Für Punkt 2 das Exposé. Das soll die Geschichte vorstellen, und zwar möglichst kurz. Lektoren haben wenig Zeit, aber einen Schreibtisch voller Manuskripte, die gelesen werden wollen. Folglich landet jede Einsendung, die nicht kurz ist oder die bereits auf den ersten Blick erkennen lässt, dass der Autor das Schreibhandwerk nicht beherrscht oder dass sein Manuskript keine brauchbare Geschichte enthält, auf dem großen Stoß ‚Ablehnen’.
Dazu zählen alle Manuskripte, deren Exposé eine der folgenden Eigenschaften hat:

- Es ist unklar, um welche Geschichte, um welchen Konflikt es sich überhaupt handelt.
- Der Anfang der Geschichte hat nichts oder wenig mit dem Ende zu tun.
- Das Exposé platzt wegen einer Überfülle von Figuren aus allen Nähten.
- Wo ist der Konflikt und warum soll sich jemand dafür interessieren?
- Das Exposé behauptet, spannend zu sein, beweist das aber nicht, weil es zu allgemein bleibt.

Für jeden dieser Punkte werden Sie im Buch Beispiele von Exposés finden, die genau dieses Problem enthalten. Und ich werde Ihnen zeigen, wie man das beheben kann.
Der Plot, das Gerüst jeder Geschichte
Was die Verlage interessiert, sollte Sie als Autor erst recht interessieren. Ist meine Geschichte gut? Ist klar, an welcher Stelle sie beginnt und wo sie endet? Dazu benötigen Sie einen Plot.
Der Plot verbindet den Anfang mit dem Ende. Er sagt uns, wo die Geschichte beginnt und was passiert, dass sie genau dieses und kein anderes Ende nimmt. Dazu gehören die wichtigsten zwei Personen eines jeden Romans. Nämlich der Protagonist und der Antagonist, traditionell auch Held und Bösewicht genannt. Letzteres heißt nicht, dass der Protagonist ein Held oder der Antagonist böse sein muss – auch wenn das oft der Fall ist. Das sind die beiden wichtigsten Figuren in Ihrem Plot. Der Protagonist ist der, der die Geschichte bestimmt, der Antagonist der, der die Ziele des Protagonisten verhindern will. Manchmal spricht man auch von antagonistischen Kräften, weil der Antagonist nicht unbedingt eine Person sein muss.
Protagonist und Antagonist bestimmen Ihren Plot. Was sie tun, was sie erreichen und worin sie scheitern, legt fest, wie die Geschichte verläuft. Andere Personen können helfen oder hindern, aber sie stehen nicht im Zentrum der Geschichte.
Und den Plot schildern Sie im Exposé.
Der Pitch bringt die Geschichte auf den Punkt
Der Begriff ‚Pitch’ kommt wie so vieles aus Amerika. Sie treffen zufällig einen Verleger im Fahrstuhl und haben genau eine Minute Zeit, ihm Ihre Geschichte vorzustellen. Bevor er aussteigt, müssen Sie ihn überzeugt haben.
Das ist die Theorie. Ich kenne viele veröffentlichte Autoren, aber keinen, der im Fahrstuhl seinen Verleger getroffen hat. Das ist die Praxis.
Der Pitch ist dennoch nicht nutzlos, ganz im Gegenteil. Denn auch ohne Fahrstuhl müssen Sie erst mal neugierig auf Ihre Geschichte machen, im Anschreiben an einen Literaturagenten zum Beispiel. Warum soll er Ihre Geschichte vertreten? Warum sollte ein Verlag sie kaufen?
Natürlich kauft niemand ein Buch allein aufgrund des genialen Pitchs. Aber aufgrund des Pitchs werden Agenten neugierig darauf, sich die Leseprobe und das Exposé anzusehen.
Ein Pitch ist also kein Wundermittel. Er ist ein kondensiertes Exposé. Dort sollte stehen, was das Besondere an Ihrem Projekt ist. Wodurch es sich von anderen unterscheidet, warum Leser es kaufen sollten.

Das ist die berührende Liebesgeschichte von Jana, die ihre große Liebe findet, sie aber auf tragische Weise verliert. Eine Geschichte voller Emotionen, Tragik und Liebe!

Ein Lektor, der das liest, wird denken, dass die Geschichte nicht berührt, keine Emotionen hat und die Tragik behauptet wird. Warum? Weil sich nirgendwo etwas findet, das diese Behauptungen belegt. Auch ein Pitch muss konkret einen Unterschied benennen.

Der Widerstandskämpfer Rick wurde von seiner Geliebten beim Einmarsch der Deutschen in Paris verlassen, jetzt hockt er zynisch und verbittert in seinem Café in Casablanca. Da betritt seine ehemalige Geliebte das Café – am Arm eines anderen Mannes.

Das allein ist kein Beweis, dass die Geschichte gut ist oder sich verkaufen lässt. Aber es wäre zumindest interessant genug, dass es sich lohnen könnte, das zugehörige Manuskript anzufordern – das ‚Casablanca’ heißt.
Im Pitch soll man nichts über das Wie sagen. Nicht, wie gut der Stil ist, nicht wie spannend die Verwicklungen. Da geht es nur ums Was. Was würden Sie jemandem erzählen, dem Sie das Buch empfehlen?
Deshalb ist der Pitch, genau wie das Exposé, nicht nur wichtig, um einen Verlag zu finden. Er ist auch wichtig, um zu prüfen: Worum geht es in meiner Geschichte eigentlich?
Exposé und Pitch sind wichtig für Autoren. Als Selbstkontrolle, weil Sie damit Ihre eigene Geschichte prüfen und verbessern können – und sie können auch bei der Entwicklung eines Stoffes, eines Textes helfen.
Gehen wir also an die Arbeit. Sehen wir uns die Beispiele an und wie wir sie verbessern können.


II. Beispielexposés


Wo fängt die Geschichte an?
Alle Geschichten müssen irgendwo anfangen. Doch wo genau? Die Frage ist nicht nur fürs Exposé wichtig, dort aber ganz besonders. Verscheuchen Sie den Leser nicht durch unnötige Vorbemerkungen, durch eine Vorgeschichte, die zwar für Sie als Autor wichtig ist, nicht aber für die Geschichte selbst. Das klingt selbstverständlich, ist es aber nicht. Wenn Sie mit einem Buch anfangen, wissen Sie oft noch nicht viel über Ihre Geschichte. Sie fangen vielleicht mit einer interessanten Figur an. Oder einem Bild, einer Szene, die Sie fasziniert. Oder mit einem spannenden Hintergrund. Um mehr über die Geschichte zu erfahren, schreiben Sie die ersten Szenen.
Sie schreiben sich warm. Sportler wärmen sich vor dem Wettkampf auf, Musiker stimmen ihre Instrumente. Aber das Aufwärmen gehört so wenig zum Spiel wie das Stimmen der Instrumente zum Konzert.
Natürlich muss ein Autor wissen, wie alles begann. Wie der Alltag seines Helden vor der Geschichte beschaffen ist, welche Ausbildung er warum begonnen hat.
Für das Exposé gehört so etwas aber in einen Nebensatz, je kürzer, desto besser. Interessant ist der Punkt, an dem die Geschichte losgeht. Das ist der Punkt, an dem sich etwas ändert. Troja und die Griechen sind nicht die besten Freunde, aber es herrscht Friede. Achill lebt bei der Mama. Wen interessiert das? Niemanden.
Da raubt Paris die schöne Helena und der Friede ist vorbei. Der trojanische Krieg hat begonnen und damit die Ilias. Der Raub der schönen Helena setzt die Geschichte der Ilias in Gang.


Beispiel: Die Nacht der Jägerin


Kurz nach ihrem sechzehnten Geburtstag zeigen sich bei der jungen Jägerin Valcrish, die mit ihrer Familie in einem abgeschiedenen Tal lebt, unerwartet Anzeichen für magische Fähigkeiten. Sie beschließt daraufhin, sich eine Lehrerin zu suchen, die sie im Gebrauch der Magie unterrichtet, und findet sie in der alten Keddris, der einzigen Priesterin von Melinor, der mächtigen Göttin der Magie. Valcrish verdingt sich für vier Jahre Lehrzeit bei ihr, begreift aber schnell, dass Keddris sie nicht nur die Magie lehren, sondern sie auch als ihre Nachfolgerin im Dienst der Göttin sehen möchte. Doch Valcrish fühlt sich nicht dazu berufen, wächst aber während ihrer Ausbildung unmerklich in den Kult der Göttin hinein.
Am Ende ihrer Lehrzeit erfährt sie durch eine Vision von dem Mondpriester Vaylon, der von einer Hexe seiner Seele beraubt und in einen Wolf verwandelt wurde. Sie erfährt auch, dass ihr Schicksal auf irgendeine Weise mit seinem verbunden ist, und macht sich auf die Suche nach ihm. Sie findet Vaylon gerade noch rechtzeitig, um ihn davor bewahren zu können, von Jägern getötet zu werden.
Durch die erfährt sie von einem Ort namens Clunyath, an dem das Böse haust, und findet heraus, dass Vaylons Seele dort gefangen gehalten wird.
Valcrish geht nach Clunyath, wo die Hexe Ansheyla herrscht, die den Menschen, die sie zu sich lockt, nicht nur die Seelen raubt, sondern auch ihre Herzen der Blutgöttin opfert. Einer ihrer Gefangenen und künftigen Opfer ist Valcrishs seit Jahren verschollener Bruder. Nun hat sie einen doppelten Grund, Ansheyla das Handwerk zu legen.
Doch die Hexe ist durch die Blutopfer, die sie seit Jahren darbringt, schon so mächtig geworden, dass das Einzige, was sie noch aufhalten kann, das „Herz von Tharúnis“ ist, der mächtigste magische Kristall, der je existiert hat. Der befindet sich aber im Reich der Drachen, das nicht in dieser Welt liegt und nur einem einzigen Menschen zugänglich ist: Melinors Priesterin.
Nach reiflicher Überlegung entscheidet sich Valcrish, Melinors Priesterin zu werden und reist anschließend mit Vaylon ins Reich der Drachen, wo es ihr in zähen Verhandlungen mit der misstrauischen und den Menschen nicht allzu wohlgesonnenen Drachenkönigin gelingt, sie zu überzeugen, ihr das Herz von Tharúnis zu leihen. Mit seiner Hilfe besiegt sie Ansheyla, muss sich jetzt aber gegen die Blutgöttin wehren, die sie zur Strafe dafür vernichten will. Doch Valcrish gelingt es, sich und die Blutgöttin in die „Schattenwelt“ zu bringen, eine magische Dimension, in der die Zauberkräfte von Göttern und Menschen gleich stark sind. Dort kommt es zu einem Duell zwischen den beiden, das fast die ganze Nacht dauert und das Valcrish schließlich um Haaresbreite gewinnt.
Durch Ansheylas Tod werden auch die gefangenen Seelen befreit, und Vaylon erhält seine menschliche Gestalt zurück, der sich während der Monate, die er mit Valcrish verbracht hat, längst in sie verliebt hat. Da sie seine Gefühle erwidert, heiraten sie und beschließen, einige Jahre als Wanderpriester durch die Welt zu ziehen, ehe sie sich, sobald Keddris eines Tages ihr Amt niederlegt, in Melinors Tempel niederlassen, um dort ihren Göttinnen zu dienen.




Lektorat


Hier ist der erste Absatz Vorgeschichte. Eine Jägerin erkennt, dass sie magische Fähigkeiten hat und macht eine Ausbildung zur Magierin. Nicht interessanter als eine Gymnasiastin, die entdeckt, dass sie mathematische Fähigkeiten hat und folglich Mathematik studiert. Der Autor muss das wissen, der Leser, insbesondere der Leser eines Exposés, braucht das nicht.
Denn die spannende Geschichte ist die des Mondpriesters Vaylon, der seiner Seele beraubt wurde und den Valcrish vor den Jägern rettet. Damit sollte man dann auch beginnen.

Valcrish ist Lehrling bei der Priesterin Keddris. Eines Tags träumt sie von dem Mondpriester Vaylon, dem eine Hexe die Seele geraubt hat. Seitdem streift er ruhelos als Wolf durch das Land, immer auf der Flucht vor Jägern. Valcrishs Schicksal ist auf irgendeine Weise mit dem von Vaylon verbunden …



Auf irgendeine Weise? Ja, auf welche Weise denn? Was führt dazu, dass Valcrish den Traum ernst nimmt und sich aufmacht, ihn zu suchen und zu retten? Genau das wäre hier wichtig zu wissen. Mit „auf irgendeine Weise“ ist es nicht getan, das erweckt beim Leser den Eindruck, dass der Autor es nicht so genau weiß. Wenn der Autor es aber nicht weiß, wer sonst? Und warum eine Geschichte lesen, in der die Dinge „auf irgendeine Weise“ passieren? Wer Zufälle liebt, spielt Lotto, aber liest keine Romane.
Hier gehört Butter bei die Fische.
Doch was könnte das sein?
Valcrishs Bruder wird vermisst. Das erfahren wir aber erst in der Mitte des Exposés. Und das Schicksal des Bruders ist mit dem von Vaylon verbunden. Das wäre nun wirklich ein Grund für Valcrish, nach Vaylon zu suchen. Versuchen wir’s mal:

Valcrish ist Lehrling bei der Priesterin Keddris. Vor einigen Jahren hat sie ihren Zwillingsbruder verloren, der angeblich bei einer Jagd umkam. Doch die Leiche wurde nie gefunden. Eines Tags träumt Valcrish von dem Mondpriester Vaylon, dem eine Hexe die Seele geraubt hat. Seitdem streift er ruhelos als Wolf durch das Land, aber der Wolf träumt von Valcrishs Bruder. Er weiß, wo dieser gefangen gehalten wird.


Jetzt hätten wir ein klares Motiv für Valcrish, nach Vaylon zu suchen. Vaylons Seele wurde von der gleichen Hexe geraubt, die auch Valcrishs Bruder gefangen hält. Über ihn kann sie ihren Bruder finden. Also macht sie sich auf, Vaylon zu suchen.
Vielleicht gibt es aber noch eine bessere Möglichkeit? Wann ist die erste Begegnung zwischen Valcrish und Vaylon?
Als dieser gejagt wird.
Was, wenn das der Beginn der Geschichte wäre? Valcrish rettet Vaylon vor den Jägern. Warum? Weil in der Umgebung des Heiligtums die Jagd verboten ist? Weil der Wolf Valcrishs Totemtier ist? Auch hier sollte es einen Grund geben.
Und wieso kann ein Magierlehrling Jäger davon abhalten, ihrem Beruf nachzugehen und Wölfe zu jagen? Wie gelingt Valcrish dieses Kunststück? Und woher wissen die Jäger den Weg zum Bösen und dass dort Vaylons Seele gefangen gehalten wird?
Vielleicht bringt der Wolf Valcrish zum Dank Nachricht von ihrem Bruder. Auch hier die Frage: Wie macht der Wolf das? Spricht er wie im Märchen? Erscheint er ihr im Traum? Auch diese Frage sollte im Exposé beantwortet werden. Autoren, deren Geschichten keine innere Logik haben, werden selten gelesen.
Und ein kleiner Tipp für das Manuskript: Sicher keine schlechte Idee, wenn die Jäger nicht ohne weiteres von ihrem Opfer ablassen. Wenn sich Valcrish Mühe geben muss, gar in Gefahr gerät. Autoren sollten es ihren Figuren nie zu leicht machen, das ist langweilig.

Wann geht es wirklich los?


In den meisten Krimis ist das einfach: wenn der erste Mord passiert. In anderen Geschichten gibt es eine Vorgeschichte. Casablanca beginnt damit, dass die ehemalige Freundin des Protagonisten Rick auftaucht. Doch der Film zeigt zunächst das Leben in Ricks Café mitten im zweiten Weltkrieg, die deutschen Offiziere, die Flüchtlinge und die Figur Rick. Dass Casablanca anders als ein Krimi nicht sofort beginnt, hat einen einfachen Grund. Wir alle haben Krimis gesehen, wissen, dass Kriminalbeamte Morde untersuchen. Wir müssen das nicht alles gesagt bekommen.
Doch welcher Filmzuschauer war schon mal in Casablanca? Hier mussten der Hintergrund und die Figur des Rick erst einmal etabliert werden.
Gehört das auch ins Exposé?
Ja, es gehört dorthin. Ohne diesen Hintergrund und die Figur funktioniert die Geschichte nämlich nicht. Das heißt nicht, dass Sie alle Verwicklungen auch im Exposé aufzählen müssen. Wenn Sie einen Hintergrund haben und eine Figur, die erst einmal eingeführt wird, tun Sie das in einem Satz.

Mitten im zweiten Weltkrieg betreibt Rick, ein ehemaliger Widerstandskämpfer, jetzt ein Zyniker, ein Café in Casablanca. Seine Gäste sind deutsche Offiziere, französische Kolonialbeamte und alle die Gestrandeten, die auf ein Visum für die USA hoffen.


Das reicht.
Meine Geschichte hat doch einen ganz eigenen komplexen Hintergrund, ich muss doch erst meine Figur vorstellen, meine Welt, sagen Sie?
Müssen Sie das wirklich? Die meisten Exposés, die ich kenne, müssen nicht. Lektoren und Agenten wissen eine ganze Menge über Hintergründe.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Wenn Ihre Geschichte die Verschwörung des Jugurtha in der römischen Antike als Hintergrund hat, sollten Sie etwas dazu sagen. Aber nicht im Exposé. Sondern auf einer eigenen Seite, die die Welt Ihrer Geschichte vorstellt. Am Schluss dieses Buches finden Sie dazu Näheres, und zwar im Kapitel „Was Sie Agenten und Verlagen schicken“.

Die Heldin scheitert


Dann geht Valcrish nach Clunyath. Sie will sich dem Bösen, der Hexe stellen. Gut. Offenbar scheitert sie, aber auch das steht nicht im Exposé, stattdessen wieder Erläuterungen des Autors. Die Hexe ist durch Blutopfer zu mächtig geworden.
Woher weiß Valcrish das? Greift sie die Hexe an, wird geschlagen, kann nur mit knapper Not und der Hilfe des Wolfs entkommen? Dann sollte das auch so da stehen.
Jedenfalls ist der erste Befreiungsversuch gescheitert. Valcrishs Magie reicht auch mit Wolfshilfe nicht aus. Gut so. Geschichten, in denen gleich alles gelingt, sind langweilig.
Was kommt dann? Ein Kristall könnte die Lösung sein. Und wie erfährt Valcrish das? Sie ist zunächst mal geschlagen, wir dürfen annehmen, verzweifelt, ohne Hoffnung. Irgendetwas muss ihr wieder Hoffnung geben, irgendetwas muss sie auf die Spur zum Kristall bringen. Auch das gehört ins Exposé.
Valcrish gelangt mit Vaylon ins Land der Drachen. Doch die Drachenkönigin lehnt es ab, ihr den Kristall zu leihen. Verständlich, wer würde so einen Schatz einer hergelaufenen Menschin anvertrauen? Mit Menschen hat die Königin sowieso schlechte Erfahrungen gemacht.
Wer garantiert ihr, dass Valcrish ihn zurückgibt? Dass sie ihn nicht für eigene Zwecke nutzt? Sich damit zur Nachfolgerin der Hexe aufschwingt?
Im Exposé steht: in zähen Verhandlungen gelingt es Valcrish, sie zu überzeugen. Tja, wie überzeugt man eine Drachenkönigin? Gibt sie ihr ein Pfand? Zeigt sie ihr, dass die Hexe auch die Drachen bedroht? Befreundet sie sich mit dem Lieblingsneffen der Königin, und der legt bei der Tante ein gutes Wort für sie ein? Hat sie gar etwas, das sie selbst gering schätzt, den Drachen aber sehr wichtig ist?
Auch das sind Fragen, die das Exposé beantworten muss.

Gleichlautende Namen


Valcrish und Vaylon klingen sehr ähnlich. Überlegen Sie sich genau, wie Ihre Personen heißen. Vor allem eins sollten Sie bedenken: Wenn Sie sich Namen ausdenken, ist die Gefahr groß, dass Sie zunächst ähnliche wählen. Namen, die mit dem gleichen Anfangsbuchstaben anfangen und bei denen dann auch der zweite Buchstabe übereinstimmt. Martin und Manfred, Valcrish und Vaylon. Unser Gehirn arbeitet assoziativ. Es wählt gerne Ähnliches aus, als Erstes fallen uns nicht die neuen, sondern die bekannten Lösungen ein.
Bei Namen wird es zum Problem, wenn die ersten zwei Buchstaben gleich sind. Der Leser verwechselt sie leicht. Achten Sie darauf. Gönnen Sie Ihren Figuren unterschiedliche Namen, die der Leser leicht unterscheiden kann. Vielleicht Narja statt Valcrish? Namen sind wichtig, es lohnt sich, darüber nachzudenken und nicht zum erstbesten zu greifen.

Übung


Welche Bücher haben Sie zuletzt gelesen? Suchen Sie sich eines heraus, das Ihnen besonders gefallen hat und an das Sie sich gut erinnern. Dann entwerfen Sie den Anfang eines Exposés dafür. Lesen Sie möglichst nicht den Klappentext, auch nicht, was auf dem Schutzumschlag steht. Im ersten Schritt dürfen Sie so umfangreich schreiben, wie Sie mögen. Jetzt geht es erst mal um den Anfang.
Dann kommt der schwierige Teil. Streichen Sie alles, was überflüssig ist. Wenn Sie Zweifel haben, erstellen Sie eine Version mit der gestrichenen Stelle und eine ohne. Ist die kürzere noch verständlich? Wenn ja, gut; wenn nein müssen Sie etwas anderes streichen. Hören Sie mit dem Kürzen erst auf, wenn Sie nur noch zwei Sätze auf dem Papier haben. (Na gut, wenn es wirklich nicht anders geht, dürfen es auch drei sein. Aber wirklich nicht mehr).


Hat euch die Leseprobe gefallen?

Wenn ja, könnt ihr hier mehr über das Buch erfahren:

http://dreiseiten.schreibratgeber.de

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.04.2010

Alle Rechte vorbehalten

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