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Die Geschichte handelt eigentlich nur vom Herrn Grützmeier. Herr Grützmeier lebte wie er geboren ward froh und zufrieden im Kackvogelland. Weshalb das Land so hieß, liegt auf der Hand. In Kackvogelland gab es unzählige Vögel, insbesondere in Herrn Grützmeiers Umgebung.
Das kam daher, weil Herr Grützmeier von Hause aus Klempner war und gern Hirse- und Maisbrei aß und er die einzige Hirse-Mais-Brei-Fertigungsanlage in ganz Kackvogelland besaß. Außerdem war Herr Grützmeier leidenschaftlicher Leser der Lokalzeitschrift für freie Rückstandsbeseitiger und würde einem Federvieh niemals einen Federkiel ausreißen, geschweige denn ein wirkliches Leid angedeihen lassen.
Das spürten die Kackvögel. Das und die Verlockung der täglich anfallenden Hirse-Mais-Brei-Abfälle der Fertigungsanlage. Jene Leckereien sammelte Herr Grützmeier hinter dem Haus in einem übel riechenden steinernen Becken, das so groß war wie ein Mittelklasseswimmingpool. Über dem Becken hing stets eine dunkle Wolke mit tausenden von Flügeln und Schnäbeln und Kackvogelbeinen. Die Wolke kreischte und schrie und barg Krähen und Elstern, Möwen und Raben und alles, was sich sonst noch darin behaupten konnte. Die Fraktion der plüschig zarten Singvögel war auf die randständigen, billigen Plätze, abseits der potentiellen Energiequelle verwiesen. Sie musste geduldig ausharren, bis hin und wieder Reste aus den vollen Kröpfen der großen Spezies durch Schnabelhiebe anderer Artgenossen oder hektisches Kopfschütteln herüberflogen.
So ging es tagein tagaus, Herr Grützmeier ging seiner Arbeit nach, quetschte Hirse und Mais, ließ pressen, quellen und vergor, machte Brei aus Hülsenfrucht und Poaceaen und produzierte Biounrat – und die Vögel machten dem Kackvogelland alle Ehre. Der Boden hatte deshalb schon eine sehr glitschige, weiße Oberschicht, der Herr zu werden es Herrn Grützmeier mächtig an Zeit kostete. Also grübelte er und dachte darüber nach, wie er die Kackvögel daran hindern könne, seine Umgebung als Entsorgungsterrain zu benutzen. Dazu fiel ihm nichts ein. Doch eines Tages hatte er eine epochale Idee.
Herr Grützmeier kaufte viele Fässer lustiger bunter Lebensmittelfarben. Beschaffte sich einen riesigen Magneten, kaufte einige Säcke feinsten Eisenpulvers mit Vanillegeschmack und Unmengen an Stärke, Semmelmehl und biologisch abbaubares Bindemittel.
Den Magneten vergrub er mehrere Meter entfernt von seinem Haus. Dann mischte er je nach Tagesstimmung eine der Lebensmittelfarben in die anfallenden Reste der Hirse-Mais-Brei-Herstellung und rührte jedes Mal einige Kilo des Eisenpulvers sowie der bindenden Inkredenzien hinzu. Heute wählte Herr Grützmeier die rote Farbe und sobald der Abfall präpariert ward und in dem großen Becken hinter dem Haus vor sich hin wabberte, wartete Herr Grützmeier, ob seine Idee funktionieren würde.
Die kreischende Wolke konnte es gar nicht erwarten, sich auf die frische Hirse-Mais-Schicht in dem Becken zu stürzen. Einen kurzen Moment war es, als ob einige der Kackvögel stutzten und die rötliche Farbe der Leckerei sie verwirrte. Aber da Vögel zwar ein relativ großes Kleinhirn besitzen, hingegen einen wenig ausgeprägten Cortex, waren logische Schlussfolgerungen oder gar kognitive Leistungen, die eine Verbindungen zwischen dem von ihnen produzierten Vogelmist, dem damit bei Menschen erzeugten Missfallen und den folglich möglichen Lösungsansätzen dieser flügellosen zweibeinigen Spezies hergestellt hätten, sehr unwahrscheinlich. Und so pickten und stopften sie wie eh und je in sich hinein, bis sie beinahe platzten und so dick waren, dass sie ihre Flughöhe nicht mehr richtig halten konnten.
Und es schmeckte ihnen heute sogar ausgesprochen gut, irgendwie… exotischer, leckerer.
Einige Stunden waren seither vergangen und Herr Grützmeier war über all der langen Warterei eingeschlafen, als er von wiederholtem Geraschel geweckt wurde. Er rieb sich die Augen und horchte, woher dieses Rascheln käme. Er musste genau hinschauen, aber dann gewahrte er zu seinem Erstaunen, dass sich kleine, feste rote Gügelchen auf den Abhang hinter dem Haus zu bewegten. Es sah so skuril aus, dass Herr Grützmeier im ersten Moment an eine große, ausgekippte Murmeltüte denken musste. Dann hörte er ein leises "plop" und sah, wie unter dem Stoß eines Kolkraben eine runde rote Kuller zu Boden fiel und kurz danach eine kleine unter dem Schwänzchen einer Singdrossel. Wieder und wieder vernahm er nun dieses "plop" …. "plop" …. "plop"-"plop"…. "plop". Und alles rollte in Richtung des riesigen Magneten, den Herr Grützmeier unterhalb des Abhanges vergraben hatte.
Er eilte hinter den bunten Gebilden her und lugte über den Rand des sanft abfallenden Hanges – was er erblickte, erfüllte ihn mit Staunen und Stolz. Da, wo der Magnet im Boden lag, bildeten die Kackvogelkugeln eine Art gefüllten Kreis und alle weiteren türmten sich darauf in einer Weise auf, dass bald eine runde, rot schimmernde Pyramide entstand. So schön war der Anblick, dass Herr Grützmeier nasse Augen bekam und an Weihnachten dachte. "Morgen, morgen mische ich Grün bei. Und wenn ich einige Stunden danach gelb beimische und dann wieder grün…. Oder doch lieber beige, wie die Farbe kleiner Pfefferkuchen am Weihnachtsbaum....?" Er starrte versonnen vor sich hin und seine Gedanken wirbelten friedlich, als er auf dem kleinen, nun nicht mehr weiß und glitschigen, sondern sauber erdfarbenen Feldweg zum Haus zurückschlenderte.

Impressum

Texte: copyright by horstbocke
Tag der Veröffentlichung: 20.12.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
für'n Heinz

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