Der Regen schlug laut gegen das Fenster. Heftige Sturmböen fegten durch die Straßen und brachten die mühsam aufgehäuften Laubberge in den Gärten der Nachbarn wieder durcheinander. Es war ein typischer Herbsttag, an dem man sich am besten in einen warmen Sessel kuschelte und ein gutes Buch las.
Laura saß an ihrem Fester und schaute verträumt den durch die Luft fliegenden Blättern nach. Vor ihrem inneren Auge tauchten Bilder von ihren Eltern auf, wie sind freundlich und respektvoll miteinander umgingen, sich einfach lieb hatten. Doch schon wurde Laura durch die Schreie ihrer Mutter in die Wirklichkeit zurückgeholt. Sie stritten sich schon wieder.
Laura stöhnte auf und schaltete ihre Musikanlage an. Die wunderschöne Stimme von Kelly Clarkson erfüllte den Raum. Sie sang ein Lied mit dem Namen „Because Of You“, in dem es um ihre eigene Kindheit und die Beziehung zwischen ihren Eltern ging. Auf irgendeine Weise fühlte Laura sich mit ihr verbunden. Sie teilten das gleiche Schicksal.
Schon öfter war es vorgekommen, dass die Nachbarn die Polizei gerufen hatten, weil sie gedacht hatten, dass in Lauras Haus jemand umgebracht wurde. Doch mit der Zeit hatten sie sich daran gewöhnt.
Das Klatschen einer Ohrfeige übertönte für einen kurzen Augenblick sogar die Musik in Lauras Zimmer. Danach hörte sie nur noch eine Tür zuschlagen und dann breitete sich Stille im gesamten Haus aus. Nur nicht bei Laura. Dort war noch immer Kelly Clarksons intensive und wundervolle Stimme zu hören.
Laura legte sich in ihr Bett und zog sich die Decke über den Kopf, obwohl es erst früher Nachmittag war. Sie wollte nichts mehr hören, in eine andere Welt verschwinden, doch wie sollte sie das anstellen. Sie konnte ja nicht einfach in ein Paralleluniversum reisen und dort ein neues Leben beginnen. Nein, das konnte sie nicht. Leider.
Allerdings konnte sie sich in ihren Träumen vor dem Geschrei ihrer Eltern verstecken. Sie konnte von einer Welt träumen, in der sich Vater und Mutter gern hatten und in der Laura keine Angst haben musste, dass sich ihre Eltern trennten und sie alleine blieb. Auch wenn das vielleicht besser wäre als ihr jetziges Leben, wollte sie nicht mehr alleine sein. Sie hatte keine Freunde, denn keiner wollte mit einem Mädchen befreundet sein, dessen Eltern sich anschrieen und auch schlugen. Der einzige Freund, den Laura hatte, war sie selbst.
Leider, musste sie sich eingestehen. Laura hätte gerne eine Freundin gehabt, mit der sie über alles reden konnte und bei der sie vielleicht auch mal eine Nacht schlafen konnte, falls es zu bedrohlich zwischen ihren Eltern wurde. Auch das hatte Laura sich allzu oft erträumt, doch dieser Traum ist noch nicht in Erfüllung gegangen. Nicht so wie ihre Albträume.
Laura hatte schon viele Fantasiefreunde gehabt, als sie noch jünger gewesen war und an sie geglaubt hatte. Nun war sie allerdings zu alt dafür. Nun war sie ganz allein. Ohne Freunde und ohne Familie. Wieso sollte es sich für Laura überhaupt noch lohnen, zu leben? Diese Frage hatte sie sich schon oft gestellt, doch sie war immer vor der Antwort zurückgeschreckt.
Laura war so in ihren Gedanken, dass sie nicht hörte, wie das Auto ihrer Mutter startete und wegfuhr, was ziemlich ungewöhnlich war, doch Laura dachte nur an ihre Traumwelt und nahm ihre Umwelt nicht mehr wahr.
So ging es fast 2 Stunden. Die Stereoanlage war schon lange stumm, da die CD zu Ende war und Laura keine Lust dazu hatte, aufzustehen und erneut auf Play zu drücken oder die CD zu wechseln. Sie hing lieber ihren Gedanken hinterher und versuchte der Wirklichkeit zu entfliehen.
Nach einer weiteren halben Stunde kam Laura unter ihrer Decke hervor und beschloss sich der Wirklichkeit zu stellen. Obwohl sie träge und mutlos war, öffnete sie ihre Zimmertür und öffnete damit das Tor ihrer selbsterrichteten Festung. Sie ging langsam die Treppe hinunter und schlich auf Zehenspitzen an der Wohnzimmertür vorbei, damit ihr Vater, der auf dem Sofa lag und dabei den Fernsehapparat anschaute, sie nicht sah und auch nicht ansprechen konnte.
Sie hatte Glück und ihr Vater schaute völlig gebannt eine dieser hirnlosen Talkshows, sodass Laura ohne Unterbrechung in die Küche gehen und sich etwas zum Essen holen konnte. Draußen war es schon dunkel geworden und die Uhr über der Küchentür zeigte Viertel nach 7. Kein Wunder also, dass Laura Hunger hatte. Daher schnappte sie sich einen Joghurt, einen Apfel und eine kleine Flasche Mineralwasser und schlich wieder in ihr Zimmer zurück.
Kaum hatte sie die Tür hinter sich geschlossen, fühlte sie sich wieder wohl und setzte sich auf ihr Bett. Sie schaltete den Fernseher ein und schaute sich bei verschiedenen Kanälen an, was es so gab. Schließlich blieb sie bei einer Sendung über die Kinderarbeit in Asien. Laura konnte kaum glauben, dass es noch Kinder gab, die es noch schlechter hatten als sie. Dabei fiel ihr auf, dass ihr Leben gar nicht so schlimm war. Sie hatte immerhin etwas zum Essen und ein Dach über dem Kopf. Was wünschte sie sich mehr?
Als sie sah, wie sich eine chinesische Familie umarmte, wusste sie, was ihr fehlte. Sie hatte keine Familie. Jedenfalls keine richtige.
Mit Erstaunen stellte sie fest, sie würde keinen Augenblick zögern und mit dem chinesischen Mädchen die Plätze tauschen. So stark war ihr Wunsch nach einer Familie, die sich liebte. Auch wenn sie den ganzen Tag arbeiten müsste, würde sie dies in Kauf nehmen, nur um so eine Umarmung zu spüren.
Nach ungefähr einer Stunde machte Laura den Fernseher aus und entsorgte die Reste ihres Abendessens im Mülleimer. Dabei fiel ihr Blick nach draußen und ihr fiel auf, dass das Auto ihrer Mutter verschwunden war. Normalerweise war ihre Mutter nie so spät noch unterwegs. Doch plötzlich fiel ihr der Streit von vorhin wieder ein. Wahrscheinlich war ihre Mutter kurze Zeit später in ihr Auto gestiegen und machte nun eine kurze Spazierfahrt, um ihre Nerven zu beruhigen. Ja, das musste der Grund sein. Beruhigt legte Laura sich ins Bett und schlief wenig später ein.
Mitten in der Nacht wachte sie auf einmal mit einem schrecklichen Gefühl in der Magengegend auf. Sie wusste, dass irgendetwas nicht in Ordnung war. Allerdings konnte sie sich dieses Gefühl nicht erklären. So etwas war noch nie zuvor vorgekommen.
Voller Sorge stand Laura auf und ging an ihr Fenster. In der Auffahrt stand ein Auto, das Auto ihres Vaters, und dahinter wurde der schwarze Asphalt von den Straßenlaternen beleuchtet. Irgendetwas war an diesem Bild nicht korrekt. Etwas war nicht an seinem Platz. Aber was war es?
Da fiel es ihr plötzlich auf. Der Wagen ihrer Mutter fehlte noch immer. Sie war noch nicht zurückgekehrt. Laura schauderte. Wenn ihr nun etwas zugestoßen war. Vielleicht hatte sie die Kontrolle über das Auto verloren und lag nun bewusstlos in irgendeinem Straßengraben so versteckt, dass niemand sie sehen konnte. Vielleicht war sie schon längst tot, aber keiner wusste, dass sie in diesem Straßengraben lag. Sie könnte auch bei der Dunkelheit das Ende der nahegelegenen Klippen nicht gesehen haben und kämpfte jetzt in diesem Moment in ihrem Auto eingeklemmt um ihr Leben.
Ein grausiges Bild zuckte durch Lauras Kopf. Sie wollte gar nicht daran denken, was alles passiert sein könnte. Sie wollte nur, dass ihre Mutter zurückkam und sie in den Arm nahm. Auch wenn sie ihre Eltern hasste, weil sie sich immer stritten, liebte sie ihre Mutter doch. Bei ihrem Vater war es noch etwas anderes, doch ihre Mutter wollte sie nicht verlieren.
Bei jedem Auto, das nun die Straße entlang fuhr, flammte in Laura ein Körnchen Hoffnung auf. Doch wenn es vorbeifuhr, war sie noch betrübter als zuvor und begann schließlich zu weinen. Wenn ihre Mutter wirklich tot war, wusste Laura nicht mehr, warum sie noch leben sollte.
Sie hatte dann niemanden mehr. Ihren Vater schon gar nicht. Ihre Mutter war die einzige Person, für die sie auch nur den Ansatz von Gefühlen hatte.
Der Horizont begann sich aufzuhellen. Die Sonne stieg wie in Zeitlupe am Himmel und Stunde um Stunde verging. Laura wartete noch immer sehnsüchtig darauf, dass ihre Mutter zurückkam und in den Arm nahm. Sie sehnte sich nach Nähe und Geborgenheit. Ihre Mutter war der einzige Mensch der ihr das auch nur annäherungsweise geben konnte. Sie wollte sich in ihren Armen vergraben, als wäre sie wieder in ihrem Bauch.
Warum hatten sie diesen bloß verlassen müssen? Die ersten 9 Monate ihres Lebens mussten die schönste Zeit gewesen sein, die Laura jemals hatte und wahrscheinlich auch haben wird.
Plötzlich hörte Laura Geräusche aus dem Nebenzimmer. Ihr Vater war aufgewacht und begann den Morgen mit seinem alltäglichen Ritual.
Erst einmal auf die Toilette gehen und dabei natürlich den Klodeckel offen stehen lassen. Dann unter die Dusche und anschließend nur mit einem Handtuch bekleidet durch das halbe Haus laufen auf der Suche nach irgendwelchen Klamotten, die er anziehen konnte.
Es war immer dasselbe Spiel und er dachte auch nie daran, seine Sachen vielleicht vor dem Schlafengehen hinauszulegen. Immer musste er halbnackt durchs Haus laufen und es war kein schöner Anblick, denn ein dicker Bierbauch hing über dem Handtuch und auf seiner Brust wucherte ein kleiner Urwald, genauso wie auch unter seinen Achseln und auf seinem Rücken.
Seitdem Laura ihren Vater eines Morgens so gesehen hatte, hütete sie sich davor, zu dieser Zeit aus ihrem Zimmer zu treten.
Nachdem sie gehört hatte, wie die Schlafzimmertür geschlossen wurde, schlich sie aus ihrem Zimmer und ging ohne ein Geräusch die Treppe hinunter. Sie schnappte sich ihre Schlüssel vom Haken, schlüpfte in ihre Schuhe und ging aus dem Haus.
Da Ferien waren, musste Laura nicht zur Schule und konnte sich stattdessen auf die Suche nach ihrer Mutter machen. Sie hatte zwar keine genaue Vorstellung davon, wo ihre Mutter sein könnte, doch es gab ein paar Orte, die nur sie und ihre Mutter kannten oder eine ganz spezielle Bedeutung für sie hatten. Diese wollte sie nun aufsuchen.
Ihr Vater würde sich schon keine Sorgen machen, der dachte doch nur an sich selbst und außerdem würde es noch lange dauern, bis er nach seinem Kater, den er jeden Morgen hatte, wieder aufnahmefähig wäre. Wahrscheinlich bemerkte er nicht einmal, dass Laura nicht da war oder dachte, sie wäre in der Schule, weil er nicht wusste, dass Ferien waren.
Mit diesen Gedanken im Hinterkopf machte sie sich auf den Weg zum ersten Ort, den sie abklappern wollte. Der Weg war nicht sehr lang und führte zu einem kleinen Spielplatz ganz in der Nähe. Dort hatten Laura und ihre Mutter viel Zeit verbracht, als sie noch ein Kind gewesen war. Seit dem war er ein Ort, der sie an bessere Zeiten erinnerte.
Als Laura auf dem Spielplatz eintraf, wusste sie sofort, dass ihre Mutter nicht dort war. Das Auto stand nicht am Straßenrand und warum hätte sie auch das Auto nehmen sollen, um zu diesem Spielplatz zu gelangen?
Also hielt Laura sich gar nicht lange an dem Ort auf, sondern setzte ihr Suche fort. Dafür musste sie allerdings einige Haltestellen mit dem Bus fahren, denn diesmal war der Weg nicht so kurz. Daher wartete sie an der Bushaltestelle und stieg wenige Minuten später in einen Bus ein, der in die richtige Richtung fuhr. Sie setzte sich ans Fenster und schaute in die ihr so bekannte Gegend. Sie fuhr an der Schule vorbei, dem Kindergarten und dem großen Einkaufzentrum, das noch nicht sehr lange geöffnet hatte.
Während Laura im Bus saß und ihre Umgebung beobachtete, war sie ständig auf der Suche nach dem Auto ihrer Mutter. Doch sie suchte vergeblich.
Langsam bahnte sich der Bus seinen Weg durch die überfüllten Straßen und das sanfte Vibrieren ließ Laura die Augen schließen. Sie glitt in eine Traumwelt, in der sie nicht auf der Suche nach ihrer Mutter war. Sie träumte davon, zusammen mit ihrer Mutter in einer großen Wohnung mit vielen Fenstern und hellen Räumen zu leben.
Ihr Vater war nicht dabei. Sie wollte nicht, dass er ihr Leben zerstörte. Er sollte sich eigentlich um sie Sorgen machen, doch sie wusste, dass er das niemals tun würde. Nicht einmal in ihren Träumen. Es war für sie unvorstellbar. Das passte einfach nicht zu seinem Charakter.
Auf einmal wurde Laura aus ihren Gedanken gerissen. Der Bus hatte seine Endhaltestellen erreicht und der Busfahrer wollte endlich wieder umdrehen und dieselbe Strecke zurückfahren. Daher hatte er über die Lautsprecher gesagt, dass Laura aussteigen sollte, wenn sie nicht wieder zurück in die Stadt wollte. Schnell stieg sie aus und wandte sich nach rechts, weg von der Stadt.
Der Weg war nicht mehr weit und schon zehn Minuten später war sie dort angekommen, wo sie hinwollte.
Laut schlug das Wasser gegen die Klippen. Große Wellen türmten sich auf und klatschten gegen den rauen Fels. Dieser Ort hatte etwas Melancholisches an sich und strahlte Traurigkeit aus.
Langsam näherte sich Laura dem Wagen, der nahe dem Abgrund stand. Es bestand kein Zweifel. Es war das Auto ihrer Mutter. Doch ihre Mutter saß nicht darin. Ein ungutes Gefühl überkam Laura. Irgendetwas war passiert und das würde ihr nicht gefallen. Ohne ein Geräusch öffnete Laura die Fahrertür. Die Scheinwerfer waren noch eingeschaltet und sie machte sie mit einem Handgriff aus. Dann näherte sie sich dem Klippenrand.
Hatte ihre Mutter sich einfach hinuntergestürzt? Warum hatte sie das getan? War es überhaupt so? Laura schaute die Felswand hinab. Dabei kam ein Stück Stoff in ihr Blickfeld. Es war ein mit schwarzen Rosen gemustertes Stück Seide, wie die Seidenbluse ihrer Mutter, die sie am vergangenen Tag getragen hatte. Lauras Gesicht wurde zu einer Maske, die keine Gefühle zeigte. Es schien, als schaue sie ins Leere, ohne etwas Genaues zu sehen. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper, als ihr klar wurde, was ihre Mutter getan hatte. Sie entfernte sich einfach vom Abgrund, holte ihr Handy heraus und wählte die Nummer der Polizei.
10 Minuten nach ihrem Anruf erschienen 2 Polizeibeamte. Sie untersuchten das Auto auf mögliche Spuren, schauten sich die Klippen und die gemusterte Seide, die an einem Zweig hing, an und befragten anschließend Laura, ob sie irgendetwas angefasst hätte und sie einen Grund wüsste, der für einen Selbstmord sprechen würde. Laura sagte wahrheitsgemäß, dass sie die Scheinwerfer ausgeschaltet hätte, und erzählte den beiden Beamten auch von den häufigen und heftigen Streitereien ihrer Eltern. Daher schiene es für Laura also nicht unwahrscheinlich, dass sich ihre Mutter selbst in den Tod gestürzt hatte.
So sahen es auch die Polizisten und machten kein großes Drama um diesen Fall. Einer der beiden rief die Spurensicherung, doch sie gaben sich keine Mühe mehr. Pflichtgemäß ließen sie allerdings noch ein paar Taucher rufen, die nach einer Frauenleiche suchen sollten. Damit war der Fall abgeschlossen. Es war Selbstmord.
Dessen war sich auch Laura sicher, allerdings schien es, als hätte sie es noch nicht begriffen. Ihr Blick war noch immer leer und ließ keine Gefühle erkennen. Sie sprach kein Wort und ließ sich von einem der Polizisten nach Hause fahren.
Dort sprach der Beamte ihrem Vater sein Beileid aus und verabschiedete sich schnell wieder, als wäre ihm in der Gegenwart dieses schäbigen Mannes unwohl. Lauras Vater spielte kurz Traurigkeit vor und machte sich, nachdem der Polizist wieder verschwunden war, eine neue Flasche Bier auf.
Währenddessen hatte Laura sich in ihr Zimmer verkrochen und ins Bett gelegt. Sie zog sich die Decke über den Kopf und schloss die Augen. Im Hintergrund lief wieder Musik. Es war wieder Kelly Clarkson und langsam liefen Laura Tränen über das Gesicht. Ihr Gehirn und besonders ihr Herz schienen endlich zu begreifen, was mit ihrer Mutter geschehen war. Sie hatte sich umgebracht, ist einfach in den Abgrund gesprungen. Wahrscheinlich hatte sie nicht einmal an Laura, ihre Tochter, gedacht. Sie hatte keine Rücksicht auf sie genommen, hatte nur ihr eigenes Wohl im Sinne.
Wut begann in Laura aufzusteigen. Warum hatte ihre Mutter sie verlassen? Sie hätten doch einfach die Stadt verlassen und ein neues gemeinsames Leben beginnen können. Warum hatte sie sich unbedingt töten müssen? Hatte es keinen anderen Ausweg gegeben? Warum hatte ihre Mutter sie nicht mitgenommen? Sie wäre ohne darüber nachzudenken mit ihr in den Tod gesprungen.
Immer mehr Tränen rollten Lauras Wangen hinunter, doch nun aus Wut und nicht aus Traurigkeit. Langsam weinte sie sich in den Schlaf und wachte erst später wieder auf. Die Sonne war schon untergegangen und nur die Straßenlaternen spendeten noch Licht, kaltes Licht.
Lauras Augen waren verquollen, doch ihr Blick war wieder leer. Keine Gefühlsregung zeigte sich in ihrem Gesicht. Weder Trauer noch Wut noch irgendein anderes Gefühl. Es schien, als hätte sie keine Gefühle, kein Herz, mehr.
Sie sah so aus, als wäre sie eine lebende Leiche, die eigentlich lieber tot sein wollte. Es gab nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnte. Außerdem würde es keinen interessieren, ob sie nun lebte oder in einem Grab läge. Nicht einmal ihr Vater würde sich darum scheren. Ihr Leben hatte keinen Sinn mehr.
Dieses Mal schreckte sie nicht vor der Antwort zurück, welchen Sinn ihr Leben überhaupt noch hatte. Denn sie wusste die Antwort. Nur durch ein Ereignis lag ihr gesamtes Leben in Trümmern. Es war wie ein Scherbenmeer, in dem sie alleine und ohne Hilfe schwamm. Sie schnitt sich an jeder Scherbe, doch es gab niemanden, der ihr half, weil es keinen gab, der sich um sie kümmerte. Keinen Menschen würde es stören, wenn sie in diesem Meer ertrank.
Plötzlich war Laura klar, was sie tun musste, um endlich Frieden zu finden, glücklich und von diesem Leben erlöst zu sein. Sie musste ihrer Mutter hinterher springen! Dann erst würde sie Glück empfinden können. Sie musste die Schwelle zum Tod überschreiten.
Dieser Gedanke war wie eine Erlösung für Laura oder eher gesagt der Plan zur Erlösung, den sie sofort in die Tat umsetzen musste. Daher schnappte sich ihre Jacke und lief, ohne auf ihren Vater zu achten, aus dem Haus. Jedoch kam dieser ihr hinterher gerannt. „Wo willst du hin? Bleib sofort stehen! Ich will wissen, wo du hinläufst! Du bleibst auf der Stelle stehen! Ich bin dein Vater und du hast gefälligst auf mich zu hören!“
Die Rufe ihres Vaters durchbrachen die Stille der Nacht, die zuvor nur durch die Rufe einer Eule gestört worden war. Laura allerdings blieb nicht stehen. Warum hätte sie dies auch tun sollen? Sie hatte einen Plan und niemand, erst recht nicht ihr Vater, konnte sie davon abhalten, ihn in die Tat umzusetzen. Dies war ihre einzige Chance, in eine bessere Welt zu gelangen, in der sie nicht durch Einsamkeit geplagt wurde. Ihr war klar, dass sie, wenn sie stehen bleiben würde, nicht mehr den Mut dazu hätte, ihrer Mutter in den Tod zu folgen.
Daher rannte sie einfach weiter und achtete nicht auf die Rufe ihres Vaters, der vergeblich versuchte, sie torkelnd einzuholen. Schon nach wenigen Sekunden war der Abstand zwischen den beiden so groß, dass Laura die Schreie ihres Vaters nicht mehr hörte. Als sie, ohne anzuhalten, einen Blick über die Schulter warf, sah sie, wie ihr Vater niedergeschlagen, was für sie keinen Sinn ergab, zurück zum Haus trottete, und Fragen kamen in ihr auf.
War er wirklich besorgt um sie? Zeigte er wirklich zum ersten Mal Gefühle gegenüber Laura? Konnte es sein, dass ihm doch etwas an seiner Tochter lag?
Für Laura war es unvorstellbar, doch der Blick ihres Vaters hatte ihren Entschluss ins Wanken gebracht. Sie begann sich Sorgen um ihn zu machen. Würde er es überstehen, sowohl Frau als auch Tochter zu verlieren? Konnte ein Mensch so etwas überhaupt verkraften? Hatte ihr Vater eine solche Strafe verdient? Konnte Laura ihm wirklich so etwas Schreckliches antun? Er war doch immer noch ihr Vater. Wieso sollte er also nicht doch Gefühle für seine Tochter haben?
Laura verlangsamte ihren Lauf und nach wenigen Metern blieb sie stehen. Sie konnte es nicht. Sie konnte ihren Vater einfach nicht verlassen. Auch wenn er ein noch so schlechter Vater war, so war er doch ihr Vater und auf irgendeine Art und Weise liebte sie ihn und er sie. Sie waren eine Familie, eine Familie mit Problemen, doch sie mussten zusammenhalten. Sie hatten doch nur noch sich.
Laura drehte sich um und ging den Weg zurück. Sie wunderte sich, wie weit sie schon gelaufen war, und doch hatte sie es nicht geschafft, auch den letzten Schritt zu machen. Sie hatte es nicht gekonnt, denn im letzten Moment war noch ein letzter lebenswerter Funken aufgetaucht, ihr Vater oder die Gefühle zu ihrem Vater. Sie hatten Laura zurück ins Leben geholt und jeden Gedanken an Selbstmord aus ihrem Kopf verdrängt.
Nun war sie auf dem Weg die Treppe hinauf in ihr Zimmer, doch vor der Wohnzimmertür blieb sie stehen und sah ihren Vater an, der sich auf das Sofa gelegt hatte und wahrscheinlich wegen des Alkohols eingeschlafen war. Laura nahm eine Decke und legte sie auf den Körper ihres Vaters, damit er nicht fror. Zu mehr Zuneigung war sie allerdings noch nicht im Stande. Sie hatte einen Schritt auf ihren Vater zu gemacht, doch nun musste sie Schritt für Schritt gehen und durfte nichts überstürzen, um nicht wieder alles zu zerstören. Langsam musste sich die Beziehung entwickeln. Nichts konnte auf die Schnelle entstehen, wenn es eine solche Vergangenheit hatte. Doch Vater und Tochter hatten sich einander genäherte und es konnte etwas entstehen.
Als Laura in ihrem warmen Bett lag und über ihr Leben nachdachte, kamen ihr wieder Tränen. Es machte sie traurig und wütend, dass sie niemanden hatte. Warum hatte sie sich keine Freunde gesucht? Warum musste sie immer alleine sein? Vielleicht wäre ihre Kindheit anders verlaufen, hätte sie sich getraut, um professionelle Hilfe zu bitten. Vielleicht hätte eine Familientherapie geholfen. Vielleicht wäre ihre Mutter dann noch am Leben. Warum hatte sie nicht versucht, ihr Leben zu ändern? Vielleicht wäre sie dann nicht mehr alleine und hätte ein besseres Leben. So vieles hätte anders verlaufen können, besser. Vielleicht hätte ihre Mutter sie dann jetzt in den Arm nehmen und trösten können.
Laura machte sich selber Vorwürfe und sah sich selbst als die Schuldige für die Situation, in der sie nun steckte. Hätte sie den Mund aufgemacht und etwas gesagt, hätte alles anders sein können.
Dieser Ansicht war sie und wollte sich selber dafür bestrafen, dass sie nichts getan hatte.
Daher schlich sie ohne ein Geräusch aus ihrer Festung und lief durch den Flur ins Badezimmer. Von unten aus dem Wohnzimmer hörte sie das laute Schnarchen ihres Vaters. Im Badezimmer öffnete sie den kleinen Hängeschrank zwischen der Dusche und dem Spiegel über dem Waschbecken. Dutzende Shampooflaschen standen in Reih und Glied in den oberen Regalen. Darunter allerdings fand Laura, was sie gesucht hatte, die Rasierklingen ihres Vaters.
Ohne darüber auch nur eine Sekunde nachzudenken, nahm sie eine in die Hand und näherte sich ihrem nackten Unterarm. Dann ritzte sie sich die Klinge ein bis zwei Zentimeter in ihr Fleisch und lächelte, als sie den Schmerz spürte. Endlich wurde sie für alle ihre Fehler bestraft. Dieses wiederholte sie fünfmal, bis ihr Arm völlig blutig war und sich am Boden eine kleine Blutlache gebildet hatte.
Schnell schnappte sie sich eine Rolle Klopapier und wischte das Blut auf. Zuvor klebte sie sich Pflaster auf die Schnittwunden und zurück in ihrem Zimmer versteckte sie die Rasierklinge in einem ihrer Bücher. Natürlich wischte sie davor das Blut ab und passte auf, dass sie nicht die Buchseiten zerschnitt. Danach stellte sie das Buch zurück und legte sich in ihr Bett. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.
Der nächste Tag war für Laura ein guter Tag. Schon am Morgen hatte sie gute Laune und fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben wohl in ihrer Haut. Sie hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie ihr Leben nicht verdient hatte, da sie sich selber bestraft hatte. Sie hatte für alles Schlechte, was ihr widerfahren war, wofür sie sich allerdings schuldig fühlte, gebüßt.
Mit diesen Gedanken ging Laura, ohne auf das morgendliche Ritual ihres Vaters, das er trotz des Todes seiner Frau abhalten musste, zu achten, hinunter. Sie sah das, was sie sah, als Teil ihrer Bestrafung an und musste es aushalten.
Daher ging sie auf geradem Wege in die Küche und bereitete das Frühstück für ihren Vater vor. Sie selbst war der Ansicht, dass sie noch kein Frühstück verdient hatte. Also machte sie ein Omelette mit Speck für ihren Vater, goss ihm ein Glas Orangesaft ein und setze sich schließlich zu ihrem Vater, der währenddessen vom Geruch der Eier geleitet den Weg in die Küche gefunden hatte und sie ungläubig anstarrte, an den Küchentisch. Er war es nicht gewohnt, von seiner Tochter bedient zu werden, auch wenn er sich das allzu oft gewünscht hatte. Er war von Lauras Verwandlung so erstaunt, dass er sogar vergaß zu essen, bis seine Tochter ihn daran erinnerte.
Nach dem Frühstück setzte sich Lauras Vater wie jeden Morgen vor den Fernseher und griff nach der ersten Flasche Bier des Tages. Wieder setzte Laura sich zu ihm und lächelte ihn an.
„Was guckst du eigentlich so? Habe ich was im Gesicht?“ Lauras ließ sich von dem schroffen Ton ihres Vaters nicht abschrecken und schüttelte nur immer noch grinsend den Kopf. „Und was grinst du so dumm? Machst du dich über mich lustig? Lachst du mich etwa aus?“ Er hob die Hand, bereit zuzuschlagen. „Natürlich nicht, Papi. Warum sollte ich das tun? Ich will doch ab jetzt eine bessere Tochter sein. Ich weiß, ich habe dir und auch Mami das ganze Leben seit meiner Geburt vermasselt. Dafür möchte ich mich nun entschuldigen. Bei Mami ist es schon zu spät, doch bei dir habe ich noch die Chance, mich dafür zu bedanken, was ihr für mich getan und dass ihr mich ausgehalten habt.“
Ohne ein einziges Gefühl kamen Laura diese Worte über die Lippen. Es war, als hätte sie den Schalter für ihre Gefühle am gestrigen Abend beim ersten Schnitt umgeklappt und ein Lächeln aufgesetzt, ein kaltes Lächeln. Ihr Gesicht war eine Maske, hinter der alle Gefühle, ob Trauer oder Wut, verschlossen waren. Nur das Glück, das Laura aufgrund ihrer Bestrafung verspürte und verspüren wollte, ließ sie heraus. Doch dieses Glück schien nicht richtig, nicht ehrlich.
Es war, als würde ihr Körper auf ihren Wunsch reagieren und ihn durch Hormonausschüttungen erfüllen, die allerdings auf rein chemischer Basis geschahen und nichts mit wirklichen Gefühlen zu tun hatten. Das Glück, das Laura spürte, war keine Emotion. Es war eine chemische Reaktion auf ihren Wunsch.
Lauras Vater schüttelte auf die Antwort seiner Tochter hin nur ungläubig den Kopf, richtete dann aber wieder seine Aufmerksamkeit auf die gerade laufende Talkshow, in der es um Eltern ging, die ihre Kinder auf verschiedene Weisen verloren hatten. Mal waren es Drogen und Alkohol, dann war es Magersucht und schließlich kamen auch psychische Probleme der Jugendlichen dazu, wie zum Beispiel der Drang, sich selber zu verletzen. Jedes Elternpaar hatte seine eigene Geschichte.
„Wie kann man nur so blind sein? Man muss doch sehen, wenn es dem Kind nicht gut geht. Das können nur schlechte Eltern sein, die nicht auf ihre Kinder achten. Mir würde so etwas nie passieren, oder Laura? Ich bin doch ein guter, nein, der beste Vater.“ Empört zog Lauras Vater über die zu tiefst verletzten und traurigen Eltern her, als wäre er etwas Besseres. Er schien sogar noch Stolz auf seine Künste als Vater zu sein. Dabei hatte er keine Ahnung, was tief in seiner Tochter vorging.
Eine halbe Stunde lang hörte Laura ihrem Vater zu, der sich über jedes Elternpaar aufregte und missbilligend den Kopf schüttelte, und schaute ihn an wie ein Idol. Dann begann sie, das Haus aufzuräumen, denn als gute Tochter musste sie sich doch im Haushalt nützlich machen, besonders da sie ja nun die einzige Frau im Haus war.
Also schnappte sie sich den Staubsauger und den Putzeimer und schrubbte das Haus vom Keller bis unters Dach, bis man vom Boden essen konnte. Eine Pause gönnte sie sich nicht, obwohl sie noch nichts gegessen hatte und Hunger verspürte. Doch sie versagte sich das Essen und redete sich ein, dass sie es sich noch nicht verdient hätte. Erst müsste alles im Haushalt erledigt sein. Daher machte sie weiter, bis kein einziges Staubkorn und kein einziger Fleck mehr übrig waren.
Die ganze Zeit über lag ihr Vater auf dem Sofa und rührte nur dann einen Finger, wenn er nach seinem Bier griff oder mit der Fernbedienung den Kanal wechselte. Er kam gar nicht erst auf die Idee, seiner Tochter zu helfen, sondern genoss es, bedient zu werden.
Auch zum Mittag machte Laura das Essen und brachte es ihrem Vater ins Wohnzimmer, damit er nicht aufstehen musste. Sie selbst aß nur einen Müsliriegel, von dem sie meinte, ihn sich verdient zu haben.
Den Rest des Tages erfüllte sie jeden Wunsch ihres Vaters oder setzte sich, wenn sie nichts zu tun hatte, neben ihn und grinste ihn an.
Als die Sonne unterging, legte sie sich ins Bett und schloss lächelnd die Augen. Doch das Lächeln währte nicht lange, denn als sie ihre Augen schloss, schossen ihr Bilder von ihrer Mutter durch den Kopf. Mal war es eine glückliche Frau, dann waren die Augen wieder verquollen, angeschwollen und blau geschlagen.
Heiße Tränen liefen Laura über die Wangen und wieder machte sie sich selber dafür verantwortlich, was mit dieser Frau geschehen war, wie ihr momentanes Leben aussah und dass sie keine Mutter mehr hatte.
Hass gegen sich selbst kam in Laura auf und der Drang, sich zu bestrafen, zu verletzen. Mit einem Griff holte sie das eine Buch aus dem Regal und schüttelte es, bis etwas Metallisches heraus fiel. Sie schmiss das Buch in die Ecke und hob schnell die Rasierklinge vom Boden auf. Dann krempelte sie ihren rechten Ärmel hoch und ritzte sich fünfmal in den noch unverletzten Unterarm. Sie wollte schreien vor Schmerzen, doch sie biss die Zähne zusammen und gab keinen laut von sich.
Sie durfte nicht schreien. Das erlaubte sie sich selber nicht. Sie musste diesen Schmerz ertragen, aushalten, ohne zu jammern.
Immer noch liefen Lauras Tränen, doch sie fühlte Erleichterung. Sie war wieder bestraft worden. Sie hatte wieder für ihre Fehler gebüßt.
Schnell verband sie ihre Schnitte, damit kein Blut auf den Teppich tropfte. Dann versteckte sie die Klinge wieder im Buch und stellte es zurück ins Regal. Nun konnte sie endlich in ihr Bett fallen und schlafen.
Am nächsten Tag fühlte Laura sich wie schon am Tag zuvor gut und startete fröhlich in den Tag. Wieder versagte sie sich das Essen mit irgendwelchen scheinheiligen Begründungen, die nicht einmal logisch waren. Sie sagte sich, ihr Vater müsse es ihr erlauben, doch um Erlaubnis fragte sie nicht.
Sie bediente ihren Vater wie einen König und erfüllte ihm alle Wünsche. Dieser genoss es, ohne sich irgendwelche Gedanken darüber zu machen. Er freute sich über die für ihn positive Veränderung seiner Tochter und nutzte sie aus, um sich nicht mehr vom Sofa fortbewegen zu müssen. Er schlief sogar auf ihm.
So glitt er langsam, aber stetig, in die Verwahrlosung und Laura unterstützte dies noch dazu, indem sie ihn vergötterte und ihm alles brachte, was er wollte. Mit jedem Kilo, das er zunahm, stieg auch ihre Liebe und ihr falsches Glück, da es für sie ein Zeichen war, dass sie alles richtig machte und ihr Vater gut versorgt war.
Auf diese Weise begann ein Teufelskreis, aus dem es keinen Ausweg gab. Laura verbot es sich, zu essen und ritzte sich jeden Abend, manchmal sogar mehrmals täglich. Nach einer Woche musste sie sogar auf ihre Oberschenkel ausweichen, da ihre Unterarme völlig zerkratzt und die Schmerzen unerträglich waren. Trotzdem hörte sie nichts auf denn sie brauchte ihre Bestrafung, um ein gutes Gefühl zu haben. Ohne dieses Gefühl würde sie in ein tiefes, schwarzes Loch fallen, aus dem sie nicht mehr herauskäme.
Ihr Zustand verschlechterte sich zunehmend, denn zu den selbstzugefügten Verletzungen verlor sie Kilo um Kilo und ihr Körper war am Ende. Immer häufiger hatte sie keine Kraft mehr um aufzustehen oder die Treppe hinauf oder hinunter zu gehen. Doch noch immer wollte sie nichts dagegen unternehmen, weil sie selber nicht sah, was sie sich antat. Sie fand es gut, diese Schmerzen zu haben. Sie waren teil ihrer Bestrafung.
Auch ihr Vater sah nicht, wie schlecht es seiner Tochter ging. Er genoss ihre Vergötterung und achtete überhaupt nicht auf sie. Für ihn zählte nur sein eigenes Wohl. Er scherte sich nicht um Laura, denn sie brachte ihm weiterhin das Essen und putzte das Haus. Warum hätte er sich also Gedanken machen sollen? Er war doch ein guter Vater und gehörte nicht zu den Eltern, die ihr Kind verloren.
Eines Tages, nach ungefähr 3 Wochen, schenkte er seiner Tochter schließlich doch Beachtung. Er schlich sich nachts, es war schon nach Mitternacht, in ihr Zimmer. Sie lag im Bett und sah im weißen Licht des Mondes aus wie ein Skelett. Aber ihr Vater achtete nicht darauf, denn er verspürte Lust. Also hob er die Bettdecke und schlüpfte zu Laura ins Bett. Sie wachte nicht auf. Langsam und genüsslich zog er ihr Nachthemd hoch und seine Hose aus. Er küsste sie nicht, da es ihm nur um Befriedigung, sexuelle Befriedigung, ging.
Er zog ihre Unterhose hinunter und legte sich auf sie. Er spürte, wie sie unter ihm wach wurde und presste eine seiner dicken, beharrten Hände auf ihren Mund. Dann flüsterte er ihr ins Ohr: „Du wolltest doch alles für mich tun und eine gute Tochter sein, oder? Sei eine gute Tochter und mach’s mir besser als deine dreckige Hure von Mutter!“ Laura schluckte, doch ihr war klar, dass auch das zu ihrer Bestrafung gehörte. Sie musste es ertragen.
Mit einem Stöhnen drang er in sie ein und zerstörte dabei ihr Jungfernhäutchen. Entjungfert vom eigenen Vater.
Er bewegte sich hoch und runter und stöhnte dabei immer lauter. Es gefiel ihm. Laura fühlte nichts. Sie war mit ihren Gedanken am anderen Ende der Welt, dachte an jene schönen Momente mit ihrer Mutter. Sie verließ ihren Körper und tauchte ein in ihre Erinnerungen, bis es vorbei war.
Es hatte nur 10 Minuten gedauert, dann war ihr Vater fertig und ließ sie wie ein gebrauchtes Taschentuch liegen. Er verließ ihr Zimmer ohne ein Blick zurück.
Laura fühlte sich schmutzig und lief ins Bad. Dort stellte sie sich mit Nachthemd unter die Dusche. Sie wollte den Schmutz, der an ihr klebte, abschrubben, doch er löste sich nicht. Also holte sie eine Rasierklinge aus dem Badezimmerschrank und versuchte damit, den Dreck zu entfernen. Sie riss sich fast die gesamte Haut von den Unterarmen. Blut floss heraus und füllte die Duschwanne, in der schon Hautstücke lagen.
Dann wurde alles schwarz um sie herum. Ihr Körper konnte nicht mehr. Die Unterernährung und der riesige Blutverlust hatten sie in die Knie gezwungen und schlussendlich getötet.
Laura war frei von jeglichen Gefühlen. Sie schwebte über ihrem toten Körper. Sie spürte das Wasser nicht mehr und auch keine Schmerzen. Sie war frei. Endlich. Es gab keine Schuldgefühle mehr, keine Trauer, überhaupt nichts mehr.
Laura begann weiter nach oben zu schweben. Über sich sah sie ein weißes Licht, das wohlig auf sie hinab schien und ein Lächeln auf Lauras mageres Gesicht zauberte. Im Licht sah sie ihre Mutter, die auf sie wartete.
Wenig später wurde Laura von den Armen ihrer Mutter umschlossen und sie wollte, dass dies für immer so blieb. Und so war es auch.
Tag der Veröffentlichung: 06.01.2009
Alle Rechte vorbehalten