Cover

Eine für alles



Von Kathrin Hörnlein



Eigentlich stecken in Mona Horncastle zehn Personen. Die Frau ist Verlegerin, ihr gehört der Horncastle Verlag, in dem das Theaterbuch Bühne frei! erschienen ist.
Ein Verlag bringt Bücher in die Welt – von der ersten Idee bis zum fertigen Werk. Weil das sehr viel Arbeit ist, hat ein Verlag Mitarbeiter, die verschiedene Aufgaben über- nehmen: Die Lektorin liest und verbessert Manuskripte von Autoren; die Bildredaktion lässt Fotos und Zeichnungen anfertigen und sucht Bilder aus; ein Fachmann für Recht klärt, ob die Bilder gedruckt werden dürfen; Grafiker gestalten die Seiten; in der Herstellung arbeiten Men- schen, die den Druck vorbereiten; Pressesprecher kontaktieren Journalisten, die das Buch bekannt machen sollen; Mitarbeiter im Vertrieb kümmern sich darum, dass ein Buch in die Läden gelangt; in der Buchhaltung sitzen Menschen und rechnen Kosten aus; Fachleute verhandeln mit anderen Verlagen, wenn ein Buch zum Beispiel im Ausland gedruckt werden soll; und über all diese Mit- arbeiter wacht die Verlagsleitung, die auch entscheidet, welche Bücher überhaupt entstehen. So eine Chefin ist Mona Horncastle – und alles andere dazu.
Denn ihr Verlag ist ganz klein, sie macht alles selbst.
»Ich arbeite sieben Tage in der Woche«, sagt die 36- Jährige. Und trotzdem wird ihr die Zeit manchmal knapp. Schon früh morgens beginnt Mona Horncastle ihren Arbeitstag in einem kleinen Büro in München. Auf ihrem Schreibtisch wartet immer ein Haufen Arbeit. Von 7 Uhr bis 9 Uhr morgens ist sie Lektorin, macht Korrekturen und schreibt den Autoren. Ab 9 Uhr kümmert sie sich um das Bekanntwerden ihrer Bücher. Sie telefoniert mit Journalisten und Buchhändlern, überlegt sich Werbung. Nachmittags erledigt sie Vertriebsarbeit und beschäftigt sich mit der Herstellung der Bücher.
»Gerade entwickle ich ein Comic-Kunstbuch. Da sitze ich mit einem Grafiker vor dem Computer, und wir arbeiten an den Seiten.« Kann man die Schrift lesen? Haben wir die richtigen Bilder? Und: Wie soll das Cover aussehen? Der Buchdeckel soll zeigen, was im Buch steckt, und die Menschen neugierig machen, damit sie es kaufen.
»Beim Cover entscheidet man sich ständig falsch. Hinterher denke ich oft ›Ach hätt’ ich doch …‹«, sagt Mona Horncastle.
Vor fünf Jahren entschied sie sich, Verlegerin zu werden. Viele Tausend Buchverlage gibt es in Deutschland. In der Branche hatte Horncastle vorher schon gearbeitet und nebenher Kunstprojekte mit Kindern angeboten. So entstand die Idee, Kunstbücher für Kinder zu machen. Die ersten beiden schrieb die Verlegerin selbst, da war sie also auch noch Autorin. Seitdem wächst der Horncastle Verlag. In diesem Frühjahr gab es vier neue Titel, insgesamt sind bisher 14 Bücher entstanden. Immer
geht es um Kultur, um Theater, Malerei, Musik. Oft wirken Kinder mit – sprechen beiliegende CDs ein, malen Bilder oder schreiben Texte.
»Ich helfe diesen Büchern auf die Welt, wie Babys«, sagt Mona Horncastle, »mit einigen leide ich, weil sie nicht bekannt werden. Mit den erfolgreichen freue ich mich.«
Erfolgreich müssen die Bücher sein, sonst kann der Horncastle Verlag nicht weiterleben. Wenn Bücher entstehen, trägt ein Verlag das Risiko. Man kann Geld verdienen (der Autor bekommt von den Einnahmen des Buches nur einen kleinen Teil), aber auch verlieren. Bevor ein Buch im Laden steht, muss Mona Horncastle viel Geld vorstrecken: Der Autor erhält einen Vorschuss, Bildrechte müssen bezahlt werden, ebenso Grafik, Druck, Werbung und Versand. Die Verlegerin überlegt genau, ob sie von einem Titel 2000 Exemplare drucken lässt oder 5000.
Das, was ihr Verlag mit einem Buch erwirtschaftet, bringt Geld, um ein neues anzugehen – oder eben auch nicht. Aber es geht Mona Horncastle nicht nur ums Geld:
»Ich bin der Verlag, und ich will, dass meine Autoren zufrieden sind. Ich finde, ich bin ihnen ein bisschen Glück schuldig.«
Was sie sich selbst wünscht, ist eine Mitarbeiterin für die Buchhaltung:
»Ich hab’s nicht so mit Zahlen«, sagt sie und lacht.

Das Interview erschien in "DIE ZEIT" am 10.06.2010



Impressum

Texte: "DIE ZEIT", am 10.06.2010
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2010

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