Viele sagen zu mir, ich sei innerlich gefroren. Alle schlimmen Erlebnisse haben mein Herz einfrieren lassen. Ich weis nicht, ob ich ihnen Recht geben kann. Die Kälte lebt schon viel zu lange in mir, doch ich lasse sie nie nach außen dringen. Fühlen sie, dass ich in mir anders bin, als ich mich gebe? Wissen sie überhaupt, wie ich mich fühle? Es ist so kalt in mir. So kalt, seit sie mir alles genommen haben, was ich je geliebt habe. Ein nie enden wollender Wind. Tief in mir, wo einst die Liebe gewesen war. Ich glaube auch, dass ich gefroren bin. Was kann ich denn dagegen tun? Nichts, das ist die Antwort. Nichts und niemand kann mein kaltes Herz auftauen. Nicht einmal weinen kann ich mehr. Zu viele Nächte lag ich in meinem Bett und habe Tränen vergossen. Die Leute warten nur darauf, dass ich meinem traurigen Leben ein Ende setzte, damit sie sich wieder etwas zu erzählen haben. Aber warum sollte ich das für sie tun? Ich lebe gut in meinem Schmerz, kenne nichts anderes mehr. Es stört mich schon seit geraumer Zeit nicht mehr allein zu sein, warum sollte ich mir dann das Leben nehmen?
So viele Fragen, so wenig Antworten. Viele denken daran, dass wenn ich jetzt auch sterbe, wieder bei meiner Familie und bei dir bin. Aber ich habe aufgehört daran zu glauben. Zu viele ungeklärte Dinge. Nichts ist gewiss. Keiner weis, was nach dem Tod passiert, keiner weis, ob man die Menschen, die man liebt je wieder sieht.
Dann bleibe ich lieber am Leben. Gefroren und einsam. Mit den ganzen wunderbaren und schmerzvollen Erinnerungen. Es macht mir nichts mehr aus. Im Gegenteil. Der Schmerz wird langsam zu meinem Freund. Die Kälte ist immer da, verlässt mich nie. So einsam bin ich gar nicht. Ich habe meine Gefährten. Kälte und Schmerz. Ebenso gehört die Sehnsucht zu meinen besten Freunden. Die Sehnsucht nach deinen Armen und deinen Lippen. Ich werde deine warmen Blicke nie vergessen. Auch nicht ganze Liebe die daraus sprach.
Könnte ich es noch, dann würde ich jetzt weinen, aber ich bin gefroren, so wie es alle sagen. Innerlich Kalt. Empfinde keine Gefühle mehr. Gleichgültigkeit.
Wie wollen sie wissen, was in mir los ist? Sie fühlen es nicht, sie kennen es nicht. Warum sprechen sie dann über mich, als ob sie in meiner Lage wären? Und wenn sie in meiner Lage wären, woher wollen sie wissen, dass sie genau das gleiche fühlen wie ich?
Die Menschen sind voreingenommen. Kalt und Gefühllos. Sie geben mir das Gefühl unzurechnungsfähig und ein Tier zu sein, über das man bestimmen muss. Nie werden sie wissen, was Freiheit ist, wenn sie nicht ihre Fesseln lösen und die anderen um sich herum frei zu lassen.
Ich wusste einmal was es war. Damals, als du noch gelebt hast. Du ließt mich die atemberaubende Freiheit spüren und stelltest deine dafür in den Schatten. Wie sehr ich dich doch vermisse! Ich fühlte den Ring mit dem Rubin an meinem Finger. Ein Geschenk von dir. Alles, was ich noch habe. Und meine Erinnerungen. Erinnerungen an das Glück und an die Liebe meines Lebens, die für immer verloren gegangen ist.
Warum kann ich nicht mehr weinen? Ist das der Grund, wieso sie mich für gefroren halten? Weil ich keine Tränen mehr weinen kann? Was wissen sie schon!
Meine Beine gaben nach und ich fiel auf die nasse Friedhofserde. Jetzt kniete ich direkt vor seinem Bild. Ich schloss die Augen.
Der kalte Wind wurde milder, doch verspürte ich keine Wärme. Gefroren. Aus meiner Kehle drang ein Schluchzer. Keine Tränen. Kalt, alles war so kalt. Der eisige Regen war warm im vergleich zu meiner Seele.
Warum wurdest du mir genommen? Immer wieder kommt die Frage über meine Lippen. Lautlos und voller Trauer. Ich sehe deine tiefblauen Augen und dein warmes Lächeln vor mir. Immer wieder kommt der Schmerz. Die Welt ist so unvollkommen. Zumindest für mich. Wäre sie perfekt, dann wärst du hier. Immer dachte ich, ich sei stark. Das dachte ich bis zu dem Tag, an dem alles schief ging. In einer perfekten Welt wäre so etwas nie passiert. Aber das ändert auch nichts mehr an alledem. Nun bist du tot und ich gefroren.
Was würdest du davon halten, was sie über mich erzählen? Ja, du würdest darüber hinwegsehen, du würdest mir sagen, ich soll mich nicht darum kümmern, was sie sagen.
Ich brauche dich doch! Komm zu mir zurück.
Das erste Mal seit Tagen liefen mir Tränen über die Wangen.
Ich stand auf und blicke noch einmal auf das Grab zu meinen Füßen. Die weißen Lilien auf der frischen Erde stachen heraus wie Sterne in einer nicht enden wollenden Nacht.
Warum hast du mich verlassen? Komm doch wieder zu mir zurück!
Lange hatte ich nicht mehr stumm gefleht und noch nie laut. Ein weiterer Grund, wieso sie behaupten, ich sei gefroren. Vermutlich haben sie Recht. Ich bin zu einer Statue aus Kummer und Schmerz gefroren. Aber in meinem Herzen glüht die nie enden wollende Liebe und Leidenschaft zu dir.
Texte: Alle Rechte liegen beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 16.05.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für Meli und Lea, weil sie einfach die Besten sind...
und für meine Familie, weil sie mich auch so toll unterstützt...