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Erwachen


Stille.
Sie fraß mich auf, von innen, wie auf von außen, schien sich zu teilen, denn sie war in mir gleichermaßen, wie um mich herum.
„1-5-3-2 a, nach vorne treten.“
Ich hieß Kuokannen, doch sie riefen mich immer nur bei der Zahl, die auf meinem linken Arm prangte.
Ich machte einige Schritte nach vorne, ein Maschinenarm dockte an meiner Stirn an, ein weiterer an meinem linken Arm.
Hitze durchfuhr meinen Körper, ich dachte, ich verbrenne- doch ehe ein Schrei sich den Weg zu meinen Lippen bahnen konnte, war es auch schon vorbei, ich trat zurück.
„1-5-3-2 a, abtreten.“
Ich machte, wie ferngesteuert, einige Schritte beiseite und lief auf die Gruppe anderer zu, die mit leerem Blick in die ferne starrten.
Als ich mich wieder umdrehte, sah ich meinen Partner, den einzigen, den ich kannte.
„1-5-3-2 b, nach vorne treten.“
Staschko machte einige ruhige Schritte nach vorne, die Maschine dockte an ihn an und ließ im nächsten Moment auch schon wieder von ihm ab, die Zahl an seinem Arm leuchtete auf.
„1-5-3-2 b, abtreten.“
Er lief den Selben Weg, wie ich und kam schließlich neben mir zum Stehen.
Wir Sprachen nicht. Ich wollte auch überhaupt nicht sprechen, ich wusste nicht, worüber. Ich wusste überhaupt nichts.
Ein Mal im Monat wurde unser System zurückgesetzt, nur die wichtigsten Informationen wurden beibehalten, neue Informationen wurden aufgespielt.
So war es immer, das wusste ich, das war noch da, genau wie Staschko. Meine Nummer, mein Name, den keiner nannte, meine Aufgaben, mehr existierte in meinem Kopf nicht.
„Abteil eins, abtreten.“
Die Gruppe um uns herum drehte sich synchron um, uns eingeschlossen und wir marschierten durch eine Tür, ich wusste mal, was dahinter war, vielleicht, doch es schien verschwunden zu sein.
Konnte die Datei nicht finden.
Nach der Tür kam ein großer, strahlendweißer Raum.
PRs trugen Kisten durch die Gegend, an den Wänden standen Stuhlreihen, nach den Nummern sortiert.
Ich lief die Reihen ab, Staschko kurz hinter mir.
1532a prangte an einem Stuhl recht weit hinten an der von der Tür aus rechten Wand, 1532b gleich daneben. Vorsichtig setzten wir uns.
Noch immer fehlte die Sprachdatei. Kein Wort kam über unsere Lippen, wir sahen uns nur an.
Staschko war ein großer Kerl, einer von denen, die zuschlagen sollten. Überall im Gesicht hatten sie ihm wild Piercings gesetzt, sein Gesicht war beinahe zerlöchert.
Aus traurigen, dunkelroten Augen sah er mich an, in den Pupillen konnte man die roten Laser erkennen.
Ein PR ging durch unsere Reihe, laserte jedem in die Augen, schien Informationen zu überspielen.
Als er vor uns ankam, lächelte er sanft.
„Schön, dass ihr recycelt wurdet.“, sagte er und ließ den Laser vor meinen Augen aufblitzen. „Ich mochte euch sehr.“
Auch vor Staschkos Augen ließ er ihn aufblitzen und ging weiter.
„Wer war das?“, fragte ich, in der Hoffnung, diese Datei sei bei Staschko noch vorhanden.
„Ein PR.“, antwortete er. „Weiter weiß ich nicht.“
Seine Stimme war schön dunkel.
Wir saßen eine gefühlte Ewigkeit auf diesen Stühlen, bis ein Schriller Ton uns den Befehl gab, auf das Feld zu gehen, auf dem wir eben noch reprogrammiert worden sind.
Wir erhoben uns gemeinsam mit den Anderen und machten uns auf den Weg auf das Feld.
Dort stellten wir uns in einem Rechteck auf, wie automatisch und blickten auf ein Hologramm, das vor uns aus dem Boden strahlte.
„Liebe Knytt Bots.“, eröffnete er seine Rede. „Hiermit heiße ich euch erneut auf diesem Gelände willkommen.“
Der Mann hieß Joxter. Das wusste ich, wie aus dem nichts, plötzlich gefundene Datei.
„Hier erhaltet ihr ein weiteres Update, welches euch leistungsfähiger machen wird. Ab morgen werdet ihr Aufträge durch den Server geschickt bekommen, denen ihr Folge zu leisten habt.“
Der Mann sah kalt aus. Er machte einem den Kopf leer mit seinen Gesichtszügen.
Bei der Art, wie er sich bewegte, nicht genau, manchmal zitterte er und Narben hatte er im Gesicht, als sei es eine Landkarte, wurde mir klar, dass er ein Mensch war.
Ein Mensch. Ich hatte kaum Informationen über sie.
Ich hatte Informationen über Lebewesen, wie Tiere oder Pflanzen, über sämtliche Roboterarten seit Anbeginn des Maschinenbaus, über sämtliche chemische Elemente und Bestandteile dieser Welt, doch über zwei Wesen wusste ich nichts.
Über den Menschen und über das, was der Mann namens ‚Joxter‘ genannt hatte.
Knytt Bot. Eine Fehlermeldung tat sich in mir auf, sobald ich genauer suchen wollte, schnell schloss ich sie, Fehlermeldungen taten weh, es ist, als würde jemand deinen Kopf nehmen und gegen eine Wand schlagen.
Plötzlich verschwand das Hologramm.
Durch ein weiteres Signal wurde uns bedeutet, uns in die Ruhezelle zu begeben.
Ruhezelle. Wie das klang, gleich einem Gefängnis.
Staschko und ich liefen hinter den anderen her, bald schon erreichten wir einen weißen Raum, nach vielen weißen Gängen, weißen Türen, es schien kaum eine andere Farbe zu geben.
In diesem Raum befanden sich kleine Zellen, über denen Schilder prangten mit Nummern darauf.
Plötzlich fiel mir auf, dass es sonst keine a oder b Bezeichnungen hinter den Namen gab. Alle waren alleine, hatten trotz der gewonnenen Sprachdatei noch kein Wort geredet.
Staschko und ich schienen die einzigen zu sein, die sich eine Nummer teilten.
Trotzdem waren unsere Zellen getrennt.
Wir stellten uns vor unsere Wand, sanden einen Befehl an sie, wie selbstverständlich und direkt wurden wir in die Wand geholt, angedockt und…
Stille.
Erneut.

Verwirrung


Ich erwachte Zeitgleich mit allen anderen. Sobald ich die Augen aufschlug, erhielt ich eine Information, wir sollten einen flüchtigen Bot ausschalten, er hatte wohl einen Virus, der sein System zerfraß, wie eine Motte den Inhalt eines Kleiderschranks.
Nachdem ich die Koordinaten eingelesen hatte, wusste ich, wohin ich zu gehen hatte.
Ich sollte diese Aufgabe mit Staschko zusammen erledigen.
Ich lief den Gang zwischen den Docking Stations entlang, durch die automatische Tür in einen großen, weißen Gang. Hinter mir waren Schritte zu hören.
Als ich mich umdrehte, stand da Staschko, die Hände in den Hosentaschen vergraben, die traurigen Augen auf mich gerichtet.
„Du weißt, was zu tun ist?“, fragte er.
Ich nickte. „Wie kommen wir dahin? Das ist eine ganze Strecke von hier entfernt.“
„Lass uns fliegen.“, sagte er.
„Fliegen?“, fragte ich. Zum fliegen braucht man Flügel, sagte mein System. Oder ein Flugzeug. Ich hatte keine Flügel und ich verfügte in meinem ganzen Speicher keine Datei, die es mir ermöglichte, ein Flugzeug zu bedienen.
„Ja. Komm mit.“ Staschko lief weiter den Gang entlang, bis er schließlich eine Tür an der linken Wand öffnete. Ich folgte ihm, nun standen wir in einem dunklen Raum, in dem das Licht langsam aufflackerte, bis die Glühbirnen schließlich konstant leuchteten.
Er lief geradewegs auf einen Jet zu, der auf den Tragflächen, wie auch auf den Seiten die Zahlen „13-1532“ trug.
Die Flugmaschine gehörte zu uns, als ich sie sah, erkannte ich sie, aber ich wusste noch immer nicht, wie ich sie bedienen sollte. War die Datei vielleicht verloren gegangen?
Ich suchte erneut meine Speicherplatte ab, das musste doch irgendwo sein…
Vor mir stieg Staschko in den Jet ein, er setzte sich auf den Fliegersitz.
„So weit ich weiß, soll ich fliegen.“, sagte er als Erklärung.
„Ist wohl so.“, antwortete ich daraufhin und setzte mich auf den Sitz hinter ihm, welcher der einzige weitere Sitz im Jet war.
Staschko drückte einige Knöpfe, daraufhin fuhr sich eine Glaskuppel über unsere beiden Sitze, durch einen weiteren Knopfdruck tat sich vor uns eine Wand auf.
Staschko startete den Flieger nun Komplett und fuhr ihn auf die Öffnung zu, draußen war eine lange, Betonierte Strecke. Er beschleunigte, bis wie abhoben.
Wir flogen eine weite Strecke durch eine Wüstenähnliche Region, bis ein Wald kam, danach folgte eine Art Schneegebiet.
Wir flogen Stundenlang und irgendwann bemerkte ich einen kleinen Zettel, der auf dem Boden vor meinem Sitz lag.
Ich hob ihn vom Boden auf, dort stand mit einer mir sehr vertrauten Handschrift geschrieben:
„Frag B896/s, er sagt dir, was du wissen musst. 1532a.“
Ich verstand nicht ganz.
1532a war meine Bezeichnung, ich wusste alles, was ich wissen musste und wer war B896/s? Eine solche Bezeichnung wurde für keine Bots vergeben… außer für PRs.
Vielleicht der PR, der Staschko und mich angesprochen hatte.
Den Rest des Fluges verbrachte ich damit, mich stumm umzusehen.
Manchmal sah ich Vögel, manchmal andere Flugzeuge, in denen vermutlich Menschen saßen.
Plötzlich sprang in mir eine Meldung an, ab hier sollte ich anfangen, die Landschaft zu kontrollieren.
„Hast du das auch eben bekommen?“, fragte Staschko.
„Ja.“, antwortete ich, presste meine Hände auf den Sitz und konzentrierte mich auf die Signale, die vom Erdboden zu mir hinauf drangen.
„Kannst du tiefer fliegen?“, fragte ich.
„Natürlich.“ Der Flieger verlor langsam an Höhe, während Staschko noch immer kleine Kreise über dem Feld zog, in dem wir suchen müssen.
Da war etwas.
Es war ein schwaches Signal, aber es war noch immer vernehmbar. Das musste er sein.
„Kannst du hier landen?“
Ohne ein weiteres Wort setzte Staschko zur Landung an, der Flieger setzte mit einem Schlag auf und bremste abrupt ab.
Die Glaskuppel tat sich auf und wir stiegen direkt in eine dünne Schneedecke. Darunter war blanker Stein.
Nicht weit von uns entfernt saß jemand. Er hatte uns den Rücken zugewandt und blickte Stumm gen Horizont.
Er blickte sich nicht mal um, als wir näher kamen.
Durch das Signal, das ich von ihm empfing, wusste ich, dass es sich um den gesuchten Knytt Bot handelte.
„Ich wusste, jemand würde kommen.“, sagte er. Seine Stimme war klar.
Als er sich umdrehte merkte ich, dass er anders aussah, als die anderen Knytt Bots. Oder doch nicht?
Er hatte den selben Bauplan, weder das Material, noch die Struktur oder der Aufbau unterschied sich von uns, sein Baujahr lag lediglich ein Jahr hinter dem meinen.
Doch er wirkte anders. Das Signal, aus dem ich all diese Informationen hatte, war schwächer, jedoch fehlten ihm keine Dateien, er schien eher zu viele Dateien zu haben.
Was sollte das denn für ein Virus sein?
„Seit ich losgegangen bin, habe ich gewartet, die haben sich eine Menge Zeit gelassen.“ Als er das sagte, lächelte er. Ich kann nicht erklären, wie er das geschafft haben sollte, der Befehl dazu fehlte bei mir gänzlich, die Programmierung war nicht da, wo kam sie bei ihm her?
Er stand auf und ging auf uns zu.
„Wie heißt du?“, fragte er. Diese Frage war merkwürdig. Die Kennnummer konnte man bei jedem Bot aus dem gleichmäßigen Signal lesen, das sie aussandten.
„1532a“, antwortete ich.
„Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich will deinen Namen hören.“
Den Namen sagt man nicht. Niemandem. „Von was sprichst du?“
Dieser Virus schien schrecklich zu sein, lauter seltsame Fragen stellte er, seltsame Handlungen tat er, er schien in sich Unmengen an Programmierungen zu generieren.
„Von deinem Namen.“ Er blickte mich an, plötzlich wirkten seine Augen traurig, wie die von Staschko. „Ich bin Radu.“
Irgendwie schien er mich anzustecken.
„Ich bin… Kuokannen.“ Es war das erste Mal, dass ich diesen Namen aussprach. In mir tauchte eine Fehlermeldung auf, ich kniff die Augen zusammen.
„Tut mir leid.“ Radu lächelte. „Ich kann mich nicht mehr daran erinnern, was passierte, als ich das zum ersten Mal gemacht habe.“ Er legte mir die Hände auf die Schultern. „Hör mir zu. Was immer dir mitgeteilt wurde, nachdem du mich heruntergefahren hast, nimmst du meine Speicherkarte heraus und trägst sie mit dir zurück zur Station. Dort gibst du sie einem PR mit der Bezeichnung B896/s. Er weiß, was er damit tun muss.“
Ich blickte ihn an, er wirkte nicht, wie ein Bot. Er wirkte… komisch. Sein Handeln stand überhaupt nicht im Sinne irgendeiner Programmierung.
Staschko, der alles stumm mit angehört hatte, unterbrach uns.
„hier.“, sagte er und drückte mir einen Metallchip in die Hand.
Ich blickte noch ein Mal zu Radu. „Mach einfach. Und nimm dann meine Speicherkarte.“
Ich legte den Metallchip an seine Schläfe, es gab ein kurzes klacken und Radu blieb stehen, das Licht hinter seinen Augen war erloschen, doch es schien, als würde er mich noch immer unentwegt anblicken.
Ich hob die Hand und wollte die Klappe hinter seinem Ohr entriegeln, um an die Speicherkarte zu kommen, doch in mir kam eine Fehlermeldung auf.
Zugriff verweigert.
Wieder versuchte ich es.
Zugriff verweigert.
Ich wusste nicht, wie lang ich dastand und gegen die Fehlermeldung ankämpfte, doch plötzlich kam mir eine Idee.
Ich suchte den Ursprung der Fehlermeldung versuchte, ihn einfach zu löschen.
Zugriff verweigert.
Wieder und wieder versuchte ich es, bald schon hätte ich mich lieber ausgeschaltet, als eine weitere Fehlermeldung zu ertragen.
„Was hast du vor?“, fragte Staschko.
„Ich will an diese Speicherkarte.“, antwortete ich.
„Dann schreib dir doch den Befehl, sie zu nehmen.“
Das war zu leicht. Darauf wäre ich nicht gekommen.
Schnell schrieb ich mir den Befehl, diese Speicherkarte zu entnehmen, in der Hoffnung, der Ursprung der Meldung würde nicht reagieren.
Ich entriegelte die Karte hinter Radus Ohr, es funktionierte. Schließlich hatte ich eine Mattschwarze Speicherkarte in die Hand.
Auf ihr standen die Ziffern „5926“, was Radus Kennnummer war.
Ich ließ die Karte in meine Tasche gleiten. „Danke“, sagte ich.
Staschko zuckte mit den Schultern und ging zurück zum Flieger.
Nun musste ich nur noch diesen PR finden, um endlich zu wissen, was los war.

Wissen


Wir rollten gerade in die Flughalle, als mir ein Knytt Bot auffiel, der auf der Stelle stand, die für unseren Jet gedacht war. Er war weiblicher Gestalt.
Staschko drehte eine Runde durch die Halle, bis wir wieder in Richtung der Startbahn schauten, öffnete die Glaskuppel und machte die Maschine aus.
Ich stieg aus, Staschko folgte, der Bot stand nun neben dem Flieger und beobachtete uns abwechselnd.
Wir kamen vor ihm zum stehen, er blickte uns weiterhin regungslos an, bis er die Stimme erhob.
„Folgt mir bitte.“ Der Fembot drehte sich um und lief vor uns her durch einen Ausgang, wir folgten ihr.
Sie führte uns in den Raum, in dem wir am Vortag gewartet hatten. Dort stand tatsächlich der PR, der noch mit uns geredet hatte. Er winkte uns zu.
„Da seid ihr ja!“ Er lächelte. Woher hatten diese Bots nur diese Datei? „Kommt ihr?“, fragte er.
Wir liefen einfach weiter, der Fembot noch immer ein Stück weit vor uns, durch einen langen, weißen Gang, bis der PR sich umsah, schnell eine Tür öffnete und uns bedeutete, uns zu beeilen.
Wir rannten zur Tür, schlüpften hindurch und sie fiel hinter uns ins Schloss, noch bevor jemand auch nur geahnt hatte, dass wir hier waren.
Nun befanden wir uns in einem kleinen Raum, in dem einige Server standen. Rings herum rollten verschiedenste PRs, einer davon diente sogar als Staubsauger.
„Schön, dass ihr wieder da seid! Wie seid ihr diesmal davongekommen?“, fragte einer der PRs, der ebenfalls lächelte.
„Davongekommen?“, fragte ich. „Von was denn?“
Die Mienen der PRs um uns herum verfinsterten sich.
„Das bedeutet… ihr habt keine Ahnung mehr, was…“
„Nein.“ Was sollte ich schon wissen. „Ich weiß alles, was ich wissen muss.“
Die Bots rissen die Augen auf.
Da fiel mir etwas ein. „B896/s?“ Der Bot, der uns begleitet hatte, blickte auf. „Ich habe von einem Bot namens 5926, oder auch Radu… etwas erhalten, das ich dir geben soll.“
„Von Radu?!“ Der Bot rollte auf mich zu. „Wie geht es ihm?“
Ich wusste nicht, wie ich diese Frage deuten sollte. „Ich habe ihn ausgeschaltet.“, antwortete ich also.
Der Bot blieb abrupt stehen. „Wie, du hast ihn ausgeschaltet?“
„Mit der Metallchipmethode.“, erklärte ich. „Wie ich es tun sollte.“
„DU IDIOT!“ Der Bot hatte die Stimme gehoben. Auch das konnte ich nicht deuten. „Was hat er dir gegeben?“
„Deine Speicherkarte.“ Ich griff in meine Hosentasche und holte die kleine, schwarze Speicherkarte hervor, die mir der Knytt Bot gegeben hatte und drückte sie dem PR in die Hände.
Dieser blickte erst auf die Speicherkarte, dann auf mich und plötzlich schien ihm ein Licht aufzugehen.
„Ich weiß, was er vorhatte. Kuokannen, beug dich doch mal zu mir herunter.
Ich ging in die Hocke und der kleine PR entriegelte den Karteneinzug hinter meinem linken Ohr, in die er dann die Karte einschob.
„Kopiere dir mal diese Dateien.“, sagte er. Ich schloss die Augen, ließ all die Dateien vor meinem inneren Auge vorbeifliegen.
Es waren Passwörter. Nichts als eine unendliche Reihe von Passwörtern und Dokumenten, in denen ständig der Begriff „Knytt“ vorkam.
Als ich die Augen wieder öffnete, hatte ich alle Dateien auf meine eigene Speicherkarte importiert.
„Hast du?“, fragte der PR.
Plötzlich wusste ich seinen Namen. Er hieß Skruttet.
Ich nickte, er entnahm mir wieder die Speicherkarte und gab sie an Staschko weiter, der bis jetzt schweigend an der Tür gestanden hatte.
Als er fertig war, entnahm Skruttet ihm die Karte wieder und verstaute sie in einer Kiste unter einem Tisch.
„Ihr verfügt nun über eine Reihe an Passwörtern und einigen Anleitungen, wie ihr sie verwendet.“, sagte er und blickte mich zuversichtlich an.
„Was ist ‚Knytt‘?“, fragte ich.
Skruttet verzog erneut das Gesicht. „Dein Betriebssystem?“
Ich sah ihn an. „Mein Betriebssystem?“
„Ja, das, was dich zum Laufen bringt!“
Kurz las ich die Dokumente ein. Er hatte Recht, das Knytt war mein Betriebssystem, dennoch waren jegliche Informationen darüber unter Verschluss.
„Woher habt ihr das?“, fragte ich.
„Von dir.“, antwortete Skruttet. „Deshalb waren wir so geschockt, als wir von deinem Reset gehört haben.“
Das konnte ich nicht glauben.
Ich schien mir eine ganze Menge an Informationen erarbeitet zu haben und hatte keine davon mehr in meinem Speicher. Es war alles weg.
„Gott sei Dank hattest du daran gedacht und alles auf verschiedene Bots verteilt. Die Passwörter, welche das Wichtigste waren, hast du mir gegeben und gesagt, ich soll sie gut verwahren. Also habe ich sie Radu aufgespielt- der zu der Zeit defekt war, ich dachte, es würde nicht rauskommen.“ Skruttet seufzte. „Aber durch die Passwörter konnte er sich selbst regenerieren und hat es geschafft, auszubrechen. Ich hatte dir nie gesagt, wo die Dateien waren, weil du ausgerastet wärst. Wie erklärt man sowas auch? ‚Hey, Kuokannen, deine wertvollsten Dateien sind in einem Bot, der irgendwo in der Weltgeschichte herumläuft.“ Er lachte kurz auf.
„Ausrasten?“, fragte ich. „Was ist das?“
„Wenn dich etwas ärgert, etwas überhaupt nicht so verläuft, wie du es dir vorgestellt hast und du dann anfängst sehr laut zu reden.“, erklärte er.
In Ordnung, neue Datei, ‚Ausrasten‘.
„Eine Frage habe ich noch.“, sagte ich schließlich. „Weshalb teilen Staschko und ich die selbe Nummer?“
„Das weiß ich nicht.“, antwortete Skruttet. „Das wolltest du ursprünglich herausfinden, hast es nur nie geschafft.“
Ich nickte. Plötzlich kam eine Durchsage. „1532a und 1532b werden in die Verhörkammer gerufen.“
Die PRs waren erstarrt, Staschko und ich machten schon Kehrt und wollten der Anweisung nachkommen, da klammerte sich Skruttet an mein Bein.
„Nein, geht nicht!“
Ich hielt Staschko fest, damit er nicht alleine weiterlief.
„Entsperrt euer System, löscht eine Datei Namens MAS_LOID und verschwindet von hier!“, erklärte Skruttet, nachdem er mich wieder losgelassen hatte. „Viel Glück!“
Ich nickte, schloss die Augen. Nachdem ich leicht mit dem vorgesehen Passwort hinein gekommen war, löschte ich die besagte Datei von meinem System.
Als ich die Augen wieder öffnete, sah alles gleich nicht mehr so weiß aus.
Die Wände waren eher grau-braun, als weiß und die Tür wirkte, als wäre sie vor Jahrzehnten eingebaut worden.
„Man hat euch eine Täuschung einprogrammiert. Mit dieser Täuschung hängt eure enorme Folgsamkeit zusammen- es kontrolliert sozusagen den einprogrammierten, menschlichen Verstand. Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber bei dir schien diese Datei fehlerhaft zu sein, deshalb wolltest du darüber hinaus immer sehr viel herausfinden. Aber jetzt geht, die werden euch vermutlich schon längst suchen!“ Skruttet schob uns zur Tür hinaus und wir liefen direkt zielstrebig den plötzlich so schäbig aussehenden, grauen Gang entlang.
Staschko drückte die Tür zur Flughalle auf, die Lichter flackerten an und er rannte geradewegs auf unsere Maschine zu. Wenigstens die war genau so neu, wie ich sie in Erinnerung hatte.
Gerade, als ich einsteigen wollte, hörte ich eine Stimme. „DA SIND SIE!“
Ich drehte mich um, da standen einige Cop Bots, die direkt auf uns zurollten. Schnell schloss Staschko die Glaskuppel und startete den Flieger.
Mit einem Knopfdruck öffnete sich die Luke zur Startbahn und er rollte los.
Ich hörte, wie die Bots wieder etwas schrien, konnte sie jedoch durch das Glas nicht verstehen.
Doch ich konnte deutlich erkennen, dass die Luke sich langsam wieder schloss.
Staschko drückte nochmal auf den Knopf, der sie öffnete, die ruckelte, blieb stehen, fuhr sich wieder hoch, nur um wieder zu ruckeln, stehen zu bleiben und sich dann wieder herunter zu fahren.
Er rollte immer schneller, als wollte er schon in der Halle starten und schließlich hatten wir es, gerade so, aus der Flughalle geschafft. Wir rollten über die Startbahn und hoben ab, in irgendeine Richtung.
Nur wenig später konnte ich auf dem Radargerät an Staschkos Sitz erkennen, dass hinter uns einige weitere Jets waren. Sie schossen auf uns.
Staschko versuchte um die Kugeln herum zu lenken, schaffte es auch weitestgehend, die Kugeln schienen uns nur zu streifen.
Plötzlich fuhren sich vor mir ein Bildschirm und ein Steuerungsknüppel mit einem Knopf darauf hoch.
„Knall sie ab.“, sagte Staschko trocken.
Ich kannte das, doch durch die Löschung der Täuschungsdatei war es umso schwerer, auf diese Anweisung zuzugreifen.
Ich griff einfach nach dem Steuerknüppel und als ich ihn bewegte sah ich, wie das Bild auf dem Bildschirm sich bewegte.
Ich wartete, bis das Fadenkreuz auf einen der feindlichen Jets zeigte und drückte ab.
In diesem Moment sah ich, dass ich wohl nicht mit einer Kugel geschossen hatte, denn es bildete sich Rauch und der Jet explodierte in der Ferne.
Auch den nächsten erwischte ich direkt, doch der dritte und letzte schien hartnäckiger. Nach ein paar Versuchen explodierte jedoch auch er und ich drückte automatisch auf einen Knopf, durch den sich die Einrichtung vor mir herunterfuhr und ich wieder das Radargerät sehen konnte. Es waren keine Flieger mehr darauf zu sehen.

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Bildmaterialien: YG Entertainment/ Big Bang- MONSTER
Tag der Veröffentlichung: 10.08.2012

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