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Die Decke anstarren. Beine anwinkeln. Leicht stöhnend ausatmen. An meinem nackten, rechten Oberschenkel entlang streichen und das Linke Bein wieder langsam auf das Bett gleiten lassen. Die Hand wegnehmen und auch das andere Bein aufs Bett zurück legen. Nun aufsetzten und langsam wieder zu Bewusstsein kommen.

Ich nahm alles wie in Zeitlupe wahr, währendem ich nackt zum Fenster torkelte und den Rollladen wieder hoch ließ. Warmes Licht flutete das ordentliche, große Jugendzimmer und ich musste mir die Hand vor die Augen Halten, so sehr blendete die unter gehende Sonne. Ich drehte mich um, blickte auf meine quer ins Zimmer gestellten Metallregale und ließ mich auf den Boden sinken. Jedoch stand ich sofort wieder auf, weil ich merkte wie kalt das Parkett war.
*Vielleicht sollte ich mir was anziehen...*, dachte ich mir und lachte.
Meine Mutter war auf Geschäftsreise. Immer noch und wieder mal viel zu lange.
Innerhalb der vergangenen 3 Wochen hatte ich 5 Hauspartys geschmissen, bei denen das DVD-Regal fast zerlegt und mindestens 3 Vasen zu Bruch gegangen waren. Die Katze hatte sich dabei verkrümelt und als ich am nächsten Morgen erwacht war, mein Schädel wie verrückt gebrummt hatte und ich den ganzen Tag lang mit Kotzen beschäftigt war, hat sie mich mit ihren verschiedenfarbigen Augen angeschaut als wolle sie sagen: „Wenn du das so lustig findest beginne ich ehrlich an dir zu zweifeln...“
Doch nun sollte meine Mutter wieder nach Hause kommen. Am Vorabend hatte ich extra noch das ganze Apartment wieder hergestellt, sodass es den Anschein erweckte, es wäre nie etwas gewesen, hatte Vasen nach gekauft und das Regal wieder fest geschraubt. Sie würde kommen und mich loben, wie sauber und ordentlich ich doch wäre. Und dann ihren Koffer voller Zeichnungen und Notizen auf dem Wohnzimmertisch ausleeren.
Das tat meine Mutter immer. Denn sie war Mangaka. Und deshalb wohnte ich auch in einem riesigen Apartment und Designerklamotten und Cosplay Kostüme im Schrank, deshalb waren unsere Wände und unsere Schränke auch mit Figuren aus ihren Manga bemalt und deshalb trug ich auch einen japanischen Namen und hatte eine Fantasie, mit der man einem ganzen Kontinent in Bunten Farben färben konnte. Den hatte ich von ihr geerbt. Meinen Vater kannte ich nicht, wollte ich auch nicht kennen.

Ich blickte in den Spiegel und sah mich selbst mit meiner ungekämmten blonden Löwenmähne, meiner roten Lewis-Jeans und meinem grauen G-Star T-Shirt, auf dem groß die Buchstaben RAW gedruckt waren. Ich war eher zu dünn als zu fett, fand ich, ich hatte mehr Taille als so manches Mädchen. An meinen Händen zeichneten sich deutlich die Gelenke ab, doch ich hatte zu viel Angst vor dem Zunehmen, da ich unter keinen Umständen zu viel zunehmen wollte- ich liebte meinen Körper. Gewichtsprobleme in die andere Richtung als die meisten Anderen- na super.
Ich begab mich ins Bad, um mir die Haare zu machen. Mir war nicht nach langem Stylen, weshalb ich mir einfach die Fransen, die mir inzwischen über die Schultern auf die Brust runter hingen, zu einem hohen Zopf zusammen band.
Noch ein mal blickte ich mir in die hell braunen Augen und lächelte. Warum hatte ich keine Freundin? Eine starke Freundin, die mich beschützen konnte... Ich hatte eine Schwäche für solche Frauen. Oder einen großen Freund, stark und liebevoll wie ein Bär... Er könnte mich tragen und wenn mir kalt war, würde er mich wärmen...
Es war mir egal, ob männlich oder weiblich, Hauptsache mich liebte jemand. Meine Mutter mal ausgenommen. Ich träumte immer davon, mal wirklich von jemandem geliebt zu werden, von ganzem Herzen. Aber ich war immer noch in meinem zu Hause, in dem viel zu großen Apartment, in dem Bad mit den fünf Spiegeln und sah meinem eigenen Spiegelbild in die Augen. War immer noch ich selbst, viel zu verträumt für die Realität und viel zu verdreht für die Vorstellung der Anderen.
Man könnte meinen, Schwule könnten gar nicht alles schwarz weis sehen. Doch das tun sie auf ihre weise. Alle in meiner Klasse halten mich für einen großen, lieben Beschützertypen, der sich nichts sehnlicher wünscht als einen kleinen, süßen Jungen im Arm zu halten, am besten noch einen von ihnen selbst. Dabei konnte ich doch nichts für meine Körpergröße. ich wollte selbst klein und niedlich sein und von mir selbst in der dritten Person reden dürfen, ohne dass mich jemand schief ansah.
Ich schloss dir Augen und machte einen Schritt zurück. Sogleich öffnete ich sie wieder und tappte durch die Tür wieder nach draußen auf den Flur.

Es dauerte nicht lang und meine Mutter kam nach Hause, lobte mich für meine Ordnung und leerte ihre Aktentasche auf dem Wohnzimmertisch aus.
Die vielen Blätter verteilten sich überall auf dem Boden und auf dem Tisch häufte sich ein eigenartig großer Papierberg. Sowas hatte man nicht von der kleinen Tasche erwartet.
Meine Mutter begann in den Blättern rum zu Wühlen und zog eine mit tusche bemalte Pappe heraus.
Ich besah sie mir. Zu sehen waren einige Mädchen im Mangastil, in ihrer Mitte ein kleiner Zauberer mit einer Brille. Darunter stand der Titel des Manga, darunter der Name des Mangaka. Ken Akamatsu. Mein absoluter Lieblingmangaka. Am oberen Bildrand stand auf Japanisch: „Für Yuki, den Sohn einer sehr guten Freundin und meiner Meinung nach besten Mangaka Englands.“
Meine Hände zitterten als ich das sah, langsam umspielte ein lächeln meine Lippen, bis ich schließlich meiner Mutter um den Hals fiel.
„Danke!“, rief ich.
„Du musst dich doch nicht bedanken...“, wehrte sie ab. „Ich bin doch bloß zu einem meiner Freunde... Hey! Du erdrückst mich!...gegangen und habe nach diesem Bild gefragt und ob er noch was drauf schreiben kann...“
„Trotzdem! Ich werde es mir zu den Anderen in die Schublade legen.“ Zu den Anderen. Meine Lieblingsmangaka wechselten ständig.

Am Abend gab es Tiefkühl-Sushi, importiert aus Japan. Die Sushi in Japan ist die Beste, fand ich, egal ob tief gekühlt oder frisch.
Danach erzählte meine Mutter von ihrem Aufenthalt in Tokio und der Pressekonferenz, wie sie ihre ganzen Freunde begrüßte und wie viele ihrer Fans wieder mal als eine ihrer Figuren verkleidet durch die Gegend gelaufen sind.
Gleich darauf ging es sofort für mich ins Bett, morgen hatte ich wieder Schule und wollte unter keinen Umständen unausgeschlafen sein. Fragt mich nicht weshalb.

Trotzdem war ich in der Schule hundemüde. Nachdem ich im Bett gelegen hatte war mir eingefallen, dass meine Mutter ja auch noch ein paar Yaoi Manga mitgebracht hatte und diese hatte ich gelesen, daraufhin habe ich erstmal viele weiße Flecken in mein Bett gepinselt und konnte danach nicht mehr einschlafen.
„Yuki, Schatz, geht’s dir nicht gut?“, fragte Jefray besorgt. Jefray war zwar groß wie ein Bär und wahnsinnig liebevoll, aber ich könnte mich niemals in ihn verlieben, dachte ich, weil er einer meiner besten Freunde war.
„Doch... bin nur total müde.“, murmelte ich.
„Du siehst total süß aus, wenn du so verpennt da sitzt, weißt du das?“, meinte er.
„Findest du...?“ eine leichte Röte zog sich für einen kurzen Moment über mein Gesicht, verblasste jedoch rasch wieder.
„Ja, wirklich.“, sagte er.
Jefray hatte kurze, rote Strubbelhaare und schöne Grün-Blaue Augen. Kurz blickte ich in eben diese Augen, errötete erneut leicht und richtete meinen blick wieder auf die soeben gewischte Tafel.
Dass ich bei errötete war nichts Neues. Das passierte seit wir fast etwas miteinander gehabt hätten.
Das ist zwar noch gar nicht so lange her, aber trotzdem schon fast in Vergessenheit geraten.
Damals waren Jefray und ich leicht betrunken von einer Party nach Hause gelaufen. Irgendwann hatten wir begonnen Händchen zu halten- es war eigentlich ziemlich schön gewesen.
Mitten auf der Straße waren wir stehen geblieben und guckten in den Himmel, beobachteten die Sterne ein Wenig und plötzlich hatte er seine Lippen auf meine gedrückt und in mir war eine Art Feuerwerk hoch gegangen. Doch nach nur drei Sekunden war ein Auto heran gerollt und wir waren wieder auseinander gegangen.
Ich wusste gar nicht, ob er sich noch daran erinnern konnte, schließlich waren wir beide angetrunken gewesen, wenn nicht noch mehr.
„Habe ich dir schon mal gesagt, dass ich deine Haare liebe?“, bemerkte Jefray.
„Schon viel zu oft.“, lache ich.
„Ich finde, man kann das nicht oft genug sagen. Die sind einfach toll.“ Jefray lächelte liebevoll und wieder umspielte dieses leichte rosa meine Nase und brannte sich diesmal in mein Gesicht ein.
Seit diesem Abend hatte er mir auch immer mehr Komplimente gemacht.
„Hast du eigentlich wieder etwas neues gezeichnet?“, fragte Jefray plötzlich ganz unvermittelt.
„Nein... ich hatte keine Lust...“, antwortete ich beiläufig.
„Warum denn? Ich finde, du solltest das alles so weit schulen, wie es geht, denn...“
„Ich will überhaupt nicht berufsmäßig zeichnen.“, unterbrach ich ihn. „Das macht meine Mutter schon, ich will entweder Philosoph oder Autor werden.“
„Hast du denn was neues geschrieben?“, fragte er vorsichtig, schließlich war ich ihm eben über den Mund gefahren.
„Schon, aber nicht dabei.“, antwortete ich ebenso vorsichtig.
Die Stunde begann und endete, der Tag zog sich unendlich in die Länge und aus purer Langeweile zeichnete ich kleine Männchen auf meine Buchseiten, die die Zungen raus streckten und letztendlich aussahen wie kleine Monster. Dann verzierte ich noch ein paar Überschriften und grinste bei dem Gedanken, dass dieses Buch gar nicht mir gehörte.
Doch auch dieser Schultag ging vorbei und ehe ich mich versah stand ich auch schon wieder vor dem Schultor auf dem Weg nach Hause.
„Hey! Yuki!“
Ich drehte mich um und sah, wie Jefray auf mich zu rannte.
„Yuki... ich vergaß dich zu fragen, ob du morgen Abend Zeit hast.“, fragte er, ein Wenig außer Atem.
Ich dachte kurz nach. „Ich glaube schon... was hast du denn vor?“
„Ach... nichts besonderes...“, murmelte er und kratzte sich leicht errötend am Hinterkopf. „Ich habe nur jetzt einen Eigenen Fernseher im Zimmer und so ein Paar DVDs aus der Videothek und wollte diese mit dir zusammen anschauen...“
Ich lächelte. Ein Filmabend... Irgendwie empfand ich nun ein unbekanntes Hochgefühl.
„Geht klar.“, antwortete ich. „Um wie viel Uhr?“
„Sagen wir mal so... um sieben.“ Er lächelte nun auch ungewohnt breit und verabschiedete sich von mir.

Auf dem Bett knien, langsam einatmen. Am nackten Körper hinunter schauen. Wieder ausatmen und langsam alle Muskeln anspannen. Wieder locker lassen. Hände aus das eigene, glühende Gesicht legen, dann langsam zu den Oberschenkeln führen. An diesen hoch streichen. Das atmen wird automatisch lauter. Immer näher kommen...

Meine Mutter klopfte an der Tür.
„Darf ich rein kommen?“, fragte sie ganz vorsichtig.
Schnell warf ich mich aufs Bett, zog die Decke über mich und versuchte fast vergebens meine Monsterlatte zu verstecken. *Solange sie nicht genau auf diese Stelle der Decke glotzt*, dachte ich, *fällt es ihr vielleicht gar nicht auf...*
„Klar darfst du rein kommen!“
Mein Gesicht glühte noch immer vor Erregung, doch diese schien langsam nach zu lassen.
Die Tür ging auf und meine Mutter blickte durch die Tür, kam nicht mal ganz rein.
„Könntest du bitte beim Onanieren leiser sein? Ich versuche da drüben zu arbeiten und das erschwert mir das ganze nur...“
Noch nie habe ich mich wegen eines Satzes meiner Mutter so geschämt. Nun war ein Gesicht erneut puterrot- aber diesmal vor Scham.
Noch dazu fragte sie wie selbstverständlich, als habe ich meine Musik zu laut gedreht oder würde schreiend durchs Haus rennen.Als ob es so selbstverständlich wäre, dass man viel zu laut onaniert...
„Danke.“, sagte sie ohne auf eine Antwort zu erwarten.
Meine Monsterlatte, auf die ich eigentlich ganz stolz gewesen war, war wieder zu nichts geworden und ich lag nur noch geschockt in meinem Bett.
„Diese Mütter...“, murmelte ich. „Die schaffen mich...“

Hat jemals jemand von euch geschlagene zwei Stunden lang in einem begehbaren Kleiderschrank gesessen, in dem man theoretisch gesehen einfach einen Handgriff machen muss, um das perfekte Outfit zu finden und trotzdem nichts gefunden habt?
Normalerweise fand ich in meinem Schrank immer etwas. Ich hatte viel zu viel Kram, und ich war sonst immer mit allem zufrieden was ich trug, egal wie gewürfelt, doch diesmal gefiel mir nichts.
Was trägt man denn so zu einem Filmabend?
Man chillt ja nur auf der Couch und zieht sich DVDs rein. Also etwas eher gemütliches, doch Jogginghose und Hoody kommen ein wenig nuttig wenn nicht sogar aufdringlich rüber. Jeans und Shirt waren das einfachste, aber das einfachste wirkt als wäre so ein Abend nichts besonderes, was er keinesfalls war.
Total aufbrezeln wollte ich mich jetzt auch nicht, dann wäre es zu offensichtlich, dass ich total aufgeregt war und mir viel zu lang Gedanken gemacht hatte. Nun hatte ich aber höchstens noch eine viertel Stunde, dann müsste ich schon bei Jefray sein.
„Ach, was solls...“, murmelte ich, streifte mir meinen „Naruto“-Hoody über und zog einfach irgendeine blaue Jeans an. So musste es einfach passen.
Saito-san, unser Chauffeur, fuhr mich in Windeseile zu Jefray und als ich vor seinem Haus stand und klingeln wollte, zögerte ich einen Moment. Ich sah meiner Hand beim Zittern zu und spürte wieder dieses Hochgefühl zusammen mit geballter Nervosität aufsteigen. Ich schloss die Augen und atmete tief durch. Dann betätigte ich die Klingel.
Ein Junge mit Sonnenbrille und hochgegeelten Haaren öffnete die Tür. Jefrays Bruder.
„Yuki, Alter, warst aber auch schon lange nicht mehr hier!“, rief er grinsend.
„Ey Stan, lass Yuki in Ruhe!“, konnte ich Jefray brüllen hören und sofort polterte jemand die Treppe hinauf.
„Ich wollte ihn doch bloß begrüßen, jetz' chill' ma!“, schnaubte Stan und ging ins Wohnzimmer.
„Hey...“, sagte Jefray nach einer kurzen Ruhepause zu mir und eine Spur hell rosa zog sich langsam über seine Züge. Unweigerlich umspielte auch meine Nase ein nicht ganz so blasses rot und ich klammerte meine Hände an meinen Hoody damit man mich nicht so heftig zittern sehen konnte.
„Komm... doch rein...“, flüsterte er halb und zaghaft trat ich in das kleine Haus ein. Im Gegensatz zu dem Apartment, in dem ich wohnte, war das hier ein Meerschweinchenkäfig, aber es war ein Haus, welches ich gerne mal hätte, wenn ich bei meiner Mutter ausziehe. Klein und gemütlich.

Jefray hatte extra für mich sein gesamtes Zimmer auf Hochglanz gebracht.
Ich trat vorsichtig ein und stellte mich einfach mitten in den Raum.
„Setz' dich ruhig...“, murmelte Jefray und wies auf das süße braune Stoffsofa an einer Seite des Raumes. Ich ließ mich darauf nieder und musste bei dem ebenso süßen, grauen Fernseher grinsen, weil er so klein war, dass ich bezweifelte, auf dem kleinen Kasten wirklich etwas erkennen zu können. Noch dazu sah er wirklich alt aus.
„Kann ich dir irgendwas gutes tun, etwas zu trinken, etwas zum Knabbern vielleicht...?“, fragte Jefray zögerlich.
Ich dachte kurz nach. Einen trockenen Mund hatte ich schon, aber das lag eher weniger daran, dass ich Durst hatte als an meiner Aufregung.
„Nein danke.“, sagte ich also und lächelte.
Auch Jefray musste kurz breit grinsen, dann warf er eine DVD ein und ließ sich neben mich sinken.
War wohl ein Fantasiefilm, einer der Art Filme, welcher mir wirklich gut gefallen hätte, wenn ich nicht mehr damit beschäftigt gewesen wäre, wie nah seine Hand an meiner lag und wie seine Lippen in der Strahlung des Fernsehers leuchten.
Irgendwann drehte er plötzlich den Kopf und sah mir direkt in die Augen. Zumindest sah er mich an und das genügte um mich total aus dem Gleichgewicht zu bringen. Irgendwas stimmte mit mir nicht, so viel stand fest.
„Was ist los?“, fragte er.
„Öhm... nichts...“, stammelte ich, blickte zurück auf die Mattscheibe und lief noch roter an als ich eh schon war.
Trotzdem richtete ich den Blick wieder zurück auf ihn, denn irgendwie konnte ich mich nicht losreißen. Er leckte gedankenverloren über seine Lippen. Die meinen begannen sofort zu kribbeln und un schloss ich die augen und drehte den Kopf wieder weg.
*Stopp, Yuki.*, dachte ich komischerweise auf Japanisch. *Du verhältst dich als seist du verliebt, dabei ist er einer deiner besten Freunde, du kannst dich gar nicht in ihn ver...*
Ich spürte einen leichten Druck auf meiner ihm zugewandten Hand. Zu meinem Erstaunen hatte er seine auf sie gelegt und sah mich an. Das noch ziemlich blasse Rot in meinem Gesicht wurde zu einem Purpur und ich konnte meine Gedanken nicht mehr vollenden. Zumindest nicht in die Richtung, in die ich wollte. *Du kannst dich nicht in ihn ver... Oh mein Gott, er hat echt voll die schönen Augen... nein, du kannst nicht... Und voll die weichen Lippen... NEIN, du darfst nicht... Und er ist immer so lieb...* So ging das eine ganze Weile lang, bis er seinen Blick wieder zurück auf den kleinen Fernseher heftete. Nach nur ein paar Minuten kam im Film die Kussszene und ich blickte wie automatisch zu Jefray herüber, der mich schon eine ganze Weile zu beobachten schien. Nun wandelte sich sein Blich in eine Mischung aus Erwartung und etwas, das ich nicht wirklich beurteilen konnte. Zumindest lächelte er.
Auch ich musste lächeln und so saßen wir ein Paar Minuten lang schweigend da, jeder hörte auf seinen eigenen, rasenden Herzschlag.
Plötzlich schloss er die Augen. Atmete tief durch und errötete noch dunkler als ich. Dann blickte er mir tief in die Augen und hob meinen Kopf.
Irgendwie wusste ich schon, was gleich passieren würde, da mein Puls nochmal einen drauf legte und ich mich flauer als je zuvor fühlte, doch es kam in meinem Kopf nichts mehr an.
Ganz leicht, wie ein Hauchen, drückte er seine Lippen lange auf meine und ich schloss ganz automatisch die Augen. Langsam wurde mein Körper schwer wie Blei und ich ließ mich gehen.
Irgendwann war der Kuss vorbei und ich öffnete verträumt die Augen. War das eben echt gewesen?
Schien tatsächlich der Realität zu entsprechen, denn Jefray saß immer noch so nahe vor mir und hatte seine rechte Hand an meiner Wange, die andere ruhte noch immer auf meiner Hand.
Wir blickten uns lange schweigend in die Augen und lächelten, dann gab er mir einen weiteren, langen, weichen Kuss.
Plötzlich stand er auf und hob mich hoch wie eine Braut, die er über die Schwelle zu tragen hatte. Diesmal berührten sich unsere Lippen nur kurz und sonst blickte er mir nur tief in die Augen, was mich einfach nur zum schmelzen brachte. Noch nie war ich so glücklich gewesen.
Schließlich legte er mich auf sein Bett und stützte sich über mich.
„Du... ich...“, hauchte er in die Stille. „Ich... habe schon sehr lange ziemlich starke Gefühle für dich... aber ich habe mich nie getraut es dir zu sagen und... ich...“
Seine Stimme zitterte. Zum ersten Mal sah ich ihn nervös und verlegen.
„...Ich wollte dich noch fragen, ob du... eventuell... mit mir...“ Wieder atmete er tief ein- und aus. „Mit mir... zus-... zusammen sein...“ Seine stimme versagte und er wand den Blick ab.
Mein Herz raste. Ich fühlte mich fast als würde ich keine Luft mehr bekommen und atmete ziemlich heftig.
„Ähm... ich...“ Ich musste irgendwie nachdenken... aber das konnte ich nicht, mein Kopf war voll mit Gedanken an Jefray und ich konnte mich auf nichts Anderes konzentrieren. Doch Moment... Wenn ich nur noch an ihn denken konnte und so schöne Gefühle bei diesem Kuss bekommen hatte... Dann konnte ich ja nur ich ihn ver...
Ich wollte den Gedanken fort wischen, doch er brannte sich in mein Gedächtnis ein. Dann konnte ich ja nur in ihn verliebt sein.
„Ich...“, stammelte ich weiter. Mein Kopf ließ kein Nein zu. Niemals. Ich musste als nur zwei Buchstaben loswerden, doch irgendwie wollte alles nicht so wie ich wollte...
„Ich... ähm....“ Er blickte mir plötzlich wieder in die Augen und ich sagte etwas, das ich eigentlich nicht so hätte sagen gewollt.
„Ich liebe dich auch schon so lange... habe es nur nicht wirklich realisiert und... ich wünsche mir nichts lieber als mit dir zusammen zu sein.“
Erst starrte er mich ungläubig an, dann lächelte er plötzlich immer breiter, bis er sich aufrichtete und sich die Hände auf den Mund Presste um eben dieses Lächeln zu verbergen.
„Oh mein Gott- habe ich das eben wirklich gesagt...?!“, murmelte ich und musste selbst breit lächeln.
Er stützte sich über mich und gab ir einen weiteren Kuss, diesmal ein wenig schneller und ohne Vorwarnung glitt plötzlich seine Zunge zwischen meine Lippen.
*Scheiße...*, dachte ich mir. *Was mach' ich denn jetzt?!* Vorsichtig berührte ich seine Zunge mit der meinen.
Ob es schön war? Ja, und wie... Es war einfach nur Wow... Auch wenn ich nicht wirklich verstanden habe, was ich getan hatte, aber solang ich dabei wahnsinnig glücklich war, war ja alles egal.
Nun senkte er langsam die Lippen auf meinen Hals und gab mir zärtlich einen Kuss darauf. Ich begann ihm durch die Haare zu streichen und vergrub meine Finger schließlich in seiner massigen, roten Mähne. Er wiederum leckte mir den Hals hoch und ich hörte mich etwas lauter Atmen.
Nun griff er mir unter den Hoody und strich langsam meinen Körper hoch, währendem er mir zärtlich weitere Küsse auf die Lippen drückte.
Da ging plötzlich der Klingelton meines Handys los. Scheiße. Was war denn jetzt wieder?!
„Entschuldigung...“, murmelte ich und blickte auf die Anzeige meines Handys. Meine Mutter.
Ich ging ran und brummte genervt: „Was?!“
„Wann gedenkst du denn wieder nach Hause zu kommen?“, brummte sie ebenso genervt wie ich „Es ist schon halb elf.“
Ich fauchte leise. „Wann soll ich denn kommen?!“
„Ich will dir jetzt nicht den Abend versauen, aber es ist dein eigenes Pech, wenn du morgen tot müde bist, weil du mal wieder kaum geschlafen hast.“
Es nervte mich zwar, dass sie mich in so einem Moment anrufen musste, aber es machte mich schon fast aggressiv, dass sie auch noch Recht hatte.
„Gut, ich komme ja schon.“ Ohne ein weiteres Wort legte ich auf und sah Jefray traurig an.
„Du... ich muss nach Hause...“, flüsterte ich. Jefray drückte nochmal seine Lippen auf meine. Und noch ein Mal. Beim dritten Mal spürte ich wieder seine Zunge und reagierte diesmal wie automatisch.
„Okay, dann... soll ich dich nach Hause bringen?“, hauchte er zurück und blickte mir erneut tief in die Augen.
„Ja... bitte.“, antwortete ich. Nach einem weiteren Kuss stand ich langsam und unsicher auf und tappte mit ihm Hand in Hand zur Haustür.

Es wäre ein Wunder gewesen, hätte ich schlafen gekonnt. Ich konnte noch immer nur an Jefray denken und an das, was wir an diesem Abend alles getan haben.
Dazu musste ich noch mit einer Monsterlatte kämpfen, dennoch onanierte ich unter keinen Umständen,, da man das während einer Beziehung einfach nicht tut.
Irgendwann schaffte ich es schließlich doch ein zu schlafen.

Nächster Tag, Weg von der Schule nach Hause.
Ich fühlte mich noch immer benommen, Jefray hatte mich in jeder Pause zum Knutschen ins Schulklo geschleift, da man uns dort nicht beobachten konnte. Am Schultor hatte ich auch nochmal einen für meine Nerven ziemlich heftigen Kuss bekommen. Nun schien sich in meinem Kopf alles zu drehen, aber das interessierte mich nicht sonderlich.
Andererseits achtete ich aber auch nicht mehr auf meine Umwelt.
Auf meinem Weg muss ich durch einen Park laufen. In diesem Park gibt es ziemlich viel tiefes Gestrüpp, weshalb Eltern auch nicht gerne mit ihren Kindern her kommen. Einerseits, weil die Wahrscheinlichkeit sehr groß ist, dass sie diese nicht wieder finden und andererseits, weil man nicht weiß, Ob da jemand im Busch sitzt und wartet oder nicht.

Ich schlenderte in Schlangenlinien über die Wiese, die sich neben dem Weg befand. Plötzlich legte jemand mir die Hand auf die Schulter und ich fuhr herum, erschrocken darüber, dass da plötzlich jemand war.
Da stand ein mittelalter Mann mit buschigem Bart und lächelte mich gespielt an.
„Du bist doch dieser Yuki Pattermont, richtig?“, fragte er.
„Ja...“, antwortete ich vorsichtig.
Die freie Hand des Mannes schloss sich um mein Handgelenk. „Er ist es!“, schrie er. „Helft mir ihn mit zu nehmen!“
Aus einem weiteren Gebüsch sprangen weitere Männer und Halfen dem Bärtigen mich fest zu halten. Einer entriss mir meine Tasche, ein weiterer knebelte mich mit einem weißen Stofffetzen.
Kurz darauf spürte ich einen dumpfen Schmerz am Kopf und wurde bewusstlos.

„Alta, wenn du den tot gemacht hast, ja, werden die disch tot machen du Sohn von nem Schaf!“
„Tschüüüüüüüüsch! Der atmet doch noch Bruder, chill ma!“
„Aber der Macht doch gar nix! Isch weis nisch wie lang der schon so da liegt!“
Vorsichtig öffnete ich ein Auge. Ich lag bewegungsunfähig auf einem Holzboden, gefesselt an einer Heizung. Vor mir saßen zwei Männer, die ihre Schmutzigen Taliban-Schals bis zur Nase hoch gezogen hatten. Sie hatten sich die Haare fast ganz abgeschoren.
Nun öffnete ich auch das zweite Auge und der eine Mann rief: „Guck doch, Alta, isch den nisch tot gemacht! Der is wach!“
„Tschüüüüüüüüüüüsch!“, zischte der Andere. „Isch doch nur gesagt, der sisch nisch bewegt, Junge!“
Der, der daran gezweifelt hat, ob ich lebe, hatte eine Narbe über der rechten Augenbraue und hatte muskulöse, tätowierte Oberarme.
„Isch Celan, das da Ahmed. Wir uns um disch kümmern.“, sagte er. *Mein Gott*, dachte ich *Und ich habe gedacht, ich würde schlechtes Englisch sprechen, weil ich sonst noch deutsch und Japanisch kann...*
Celan nahm mir den Knebel aus dem Mund, doch Ahmed wollte ihm diesen weg reißen und mir wieder in den Mund stopfen.
„Tschüüüsch! Der schreit doch dann und wir geschändet von Boss!“
„Was los mit dir Junge? Der muss doch auch noch trinken und so, isch will mit dem unterhalten!“
Celan entwandt den Knebel wieder aus Ahmeds Fingern und warf ihn irgendwo in den Raum.
„Willstu was trinken, Bruder?“
Ich hatte so viel angst, dass ich nur den Kopf schütteln konnte.
„Alta, keine Angst vor Celan! Alles gut wenn du misch vertrauen. Kann isch dir anderes machen?“
„N...nein...“, stammelte ich. Ich bewegte ein Bein, das eingeschlafen war und merkte, dass es ganz komisch unter der Heizung klemmte.
„Das macht dein Bein tot, kann sein?“ War das ein besorgter Unterton in der Stimme meines Entführers?
Ich nickte.
„Ich mach disch ma von Heizung weg, Aber isch disch muss machen woanders hin, sonst Boss misch schändet.“
Celan machte mich von der Heizung los und kette mich stattdessen mit Auslauf an einer in der Wand verankerten Öse fest.
„Bessa?“, frage er und schien zu Grinsen, was ich an dem Teil seines Gesichtes erkennen konnte, welcher nicht vom Schal verdeckt waren.
„Alta, das Gefangener! Der nisch soll gut haben, Mann!“, raunte Ahmed und ließ sich kopfschüttelnd in einer Ecke des Raumes nieder.
„Du willst auch nischt an Heizung verrecken, Hauptsache du hast gut, was?!“, fauchte Celan.
„Tschüüüsch, was los mit dir Junge?!“ Ahmed drehte den Kopf zur Seite weg und hielt seinen Mittelfinger in Richtung Celan in die Höhe. Celan wiederum fauchte leise „Bastard...“ und kniete sich vor mich.
„Boss schreibt jetzt Brief an dein Mutter, die dann gibt Boss Geld und du kommen wieder frei, alles geritzt Kumpel.“, flüsterte er und lächelte.
Ich wusste nicht genau was ich davon halten sollte. Er wollte mir wohl Hoffnung machen, aber es war nicht gerade eine schöne Aussicht, dass meine Mutter wegen mir mit Lösegeld erpresst wurde.
„Boss nur disch genommen hat, weil dein Mutter so viel Geld hat.“, fuhr Celan fort. „Er nimmt immer so Kinder, egal wie Alt.“ Nun wurde er irgendwie nachdenklich. „Mir er hat gesagt, Celan, Wenn du helfen mir Geld kriegen, isch dir machen Schule, Ausbildung und geil Beruf. Aber isch jetzt sitzen voll lang bei dem und isch nix Schule und nix Beruf. Das fuckt misch voll ab.“ Er schlug mit der flachen Hand auf den Boden.
„Wieso...“, begann ich und nahm all meinen Mut zusammen, den Satz zu beenden. „Wieso... läufst du... dann nicht weg oder so? Du... machst hier... finde ich weder etwas für dich noch... hat es irgendeinen Sinn für die Allgemeinheit...“
„Weil isch hoffen, Boss hat Wahrheit gesagt und isch endlich Ausbildung. Isch will lernen rischtig spreschen Englisch mit rischtig Aussprache und so...“, Celan schloss die Augen. „Aber vielleischt du hast Rescht und Boss niemals machen Schule und so für misch.“
Ich sah ihn Mitleidig an und murmelte schließlich leicht lächelnd: „Nehm' dein Leben am Besten selbst in die Hand, mach dich nicht von jemandem Abhängig.“
Auch Celan begann zu lächeln. „Gut. Isch machen Leben jetzt selbst.“

Jippie. Auf einem Holzboden schläft es sich Hammer geil.
Ich hatte noch nie so Rückenschmerzen wie an dem Tag nach der Entführung. Nachdem ich wach war, spielte ich erstmal mit Celan Karten, Ahmed sah ich an dem Tag überhaupt nicht.
„Mau mau!“, rief ich zum fünften Mal in Folge und Celan lachte ein Wenig vor sich hin. Dafür, dass entführt worden war und eigentlich das erlebte, was in den Medien als so schlecht verschrien wird, ging es mir viel zu gut.
„Wie machst du das? Isch immer verlieren, isch einfach zu blöd für Spiel.“, lachte er.
„Das ist gar nicht wahr, du hast nur gerade Pech mit den Karten.“, ermunterte ich ihn und begann, die Karten neu zu mischen.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen und Ahmed stand in der Tür, in seiner Hand ein Maschinengewehr und zielte auf mich.
„Boss will du kommen. Sofort.“, nuschelte er in seinen Schal hinein.
Celan und mir war das Lachen augenblicklich vergangen.
Hektisch machte mein neuer Kumpel mich von der Stange los und schleifte mich an der Kette durch die Tür. Nun setzte er einen überraschend ernsten Gesichtsausdruck auf und ich verstand: Mit dem Gefangenen durfte man weder Pfleglich noch höflich umgehen, erst recht nicht vor dem „Boss“.
Beim Laufen spürte ich Ahmeds Gewehr im Rücken und mir stockte leicht der Atem.
Wir liefen scheins endlose Gänge entlang und blieben schließlich vor einer Tür stehen, vor der der Alte stand, der mich am vorigen Tag im Park festgehalten hat, mit ebenfalls einem Gewehr in der Hand.
Er nickte Celan und Ahmed zu und öffnete die Tür. Dahinter befand sich ein Raum, ebenso schlicht und dreckig wie der, in dem ich untergebracht war und an einem Schreibtisch, dem einzigen Möbelstück im Raum, saß ein Junger Mann mit ungepflegten Haaren und einem ekelhaften Bart und starrte auf ein altes Handy.
Die beiden Jugendlichen und ich stellten uns genau vor den Schreibtisch und endlich blickte der Mann, der wohl der „Boss“ zu sein schien, von dem alten Handy auf, mir direkt ins Gesicht. Er richtete sich auf und riss meine Kopf mit einer Hand hoch.
„Ein hübscher junger Mann...“, raunte er mit der Stimme eines alten Mannes. „Der ließe sich in anderen Ländern auch gut verkaufen... aber diese Frau gibt sicherlich viel mehr Geld als irgendein Käufer...“
*In einem anderen Land verkaufen?!* Jetzt war's vorbei. Nun bekam ich Panik.
Der Mann zischte Ahmed irgendwas in einer eigenartigen Sprache zu und dieser nahm sie Waffe runter.
„Ich erkläre dir das jetzt nur ein mal... wenn du es falsch machst ist sage ich meinem Freund mit dem Gewehr, dass er dir eine Kugel durch den hübschen Kopf jagen soll und das wollen wir ja nicht, oder?“, sagte der „Boss“ leise und langsam in einem Ton, als wäre ich ein kleines Kind. Aber gerade diese Betonung jagte mir einen Schauer den Rücken hinunter. Ganz zu schweigen von der Drohung.
„Ich werde nun deine liebe Mama anrufen und werde ihr alle Umstände erklären. Dann gebe ich dir das Telefon und du bittest darum, dass sie Zahlt, weil du hier weg willst und wir dich sonst töten werden. Verstanden?“
Ich schluckte. Sowas liest man ständig in Zeitungen. Sowas hört man im Radio, sowas bekommt man durchs Fernsehen, durch den Unterricht und durch alles mögliche andere mit. Und nun sollte ich das selbst tun. Tief atmen...
Ich musste nun ruhig bleiben. Ein Fehler und ich war tot.
Eigentlich war es eher weniger ein Problem, dass ich das richtige sagte, als, dass ich überhaupt was sagte. Ich bekam in diesem Moment keinen Ton raus und die Angst schnürte mir die Kehle zu.
Der „Boss“ wählte auf dem Handy eine Nummer und wartete eine Weile. Dann meldete sich meine Mutter... sie klang als habe sie geweint.
Dann sagte der Mann, mit verstellter Stimme: „Sie wollen doch sicher unter allen Umständen ihren
Sohn zurück, oder?“ Nun sagte er ihr ein Datum und eine Zeit, in der sie das Geld zu Übergeben hatte. Dann drückte er mir ohne Vorwarnung das Handy ans Ohr und ich wimmerte erst leise, dann hauchte ich irgendwie: „Hol mich bitte hier raus... das... ist scheiße hier...“ und gleich danach versagte meine Stimme wieder.
Der „Boss“ legte auf und lächelte mich böse an. Sofort begann er wieder an dem Handy rum zu spielen und Celan und Ahmed schleiften mich zurück auf das Zimmer, in dem man mich untergebracht hatte.

Ich sprach bis zum Abendessen kein Wort mehr. Mittagessen schien es nicht zu geben, doch beim Abendessen schmuggelte mir Celan etwas Brot aufs Zimmer.
„Habisch geklaut, sonst du noch verhungerst.“, sagte er und lächelte leicht.
Ich veränderte irgendwie gezwungen meinen Gesichtsausdruck und biss in das Brot. Wirklich Hunger hatte ich nicht, aber Celan zuliebe würgte ich das Brot runter.
„Sag ma...“, begann er plötzlich. „Hast du eigentlisch jemand, der dir steht sehr sehr nah?“
Ich zuckte. Diese Frage hatte ich nicht erwartet. Hätte ich gewusst, ob Celan etwas gegen Homosexualität hat oder nicht, hätte ich sofort gesagt, dass Jefray meine absolute Vertrauensperson war, dass ich ihn liebte und dass ich mir kein Leben mehr ohne ihn vorstellen könnte, aber vielleicht würde das meine ganze Zeit hier zum schlechten Wenden. Also antwortete ich erstmal vorsichtig.
„Da... ist ein... Freund, der steht mir wirklich wahnsinnig nahe. Weshalb fragst du?“
„Ach, nur so...“, murmelte Celan. „Wie... heißt der denn?“
„Jefray... Ich... kenne ihn zwar erst sein ein paar Jahren aber... er ist echt was besonderes.“
„Liebst du ihn?“ Noch so eine Schockfrage von Celan. Das hätte ich sogar noch weniger erwartet.
„Ähm...“, machte ich und blickte umher, als würde ich etwas suchen.
„Keine Sorge, Celan das findet okay.“, einte Celan und lächelte warm.
„Nunja...“, nun musste ich auch wieder lächeln. „ich... ja, ich...liebe ihn...“
Celan lächelte noch wärmer, doch nur für einen kurzen Augenblick.. Dann verblasste dieser glückliche Ausdruck wieder aus seinem Gesicht. „Isch in Irak auch hatte jemand, den isch hatte sehr lieb. Aber sie leider gestorben bei Anschlag wegen Religion... Da isch gesagt nein und gezogen nach England, weil hier nischt so schlimm mit Krieg und so. Und isch nischt mehr wirklich gläubig. Wegen Glauben zu viele Menschen tot.“
Würde ich Celan nur so kennen lernen, ich glaube, ich würde ihm niemals glaube, dass er für einen Erpresser arbeitet.
„Isch glaube, du solltest schlafen, morgen Boss vielleicht will disch nochmal zulabern. Weis nisch genau. Schlaf besser, dann du disch kannst konzentrieren.“ Celan lächelte noch ein Mal und ließ sich dann in eine Ecke des Raumes sinken.
Ich legte mich hin und nach einer gefühlten halben Stunde schlief ich auch ein.
Mitten in der Nacht wurde ich aus dem Schlaf gerüttelt und öffnete erschrocken die Augen, fast schon erwartete ich, dass der „Boss“ vor mir stand und mich missbrauchen wollte oder so ähnlich. Doch ich erschrak schon fast, als ich in Jefrays Gesicht blickte.
Ich setzte mich auf. War das ein Traum? Nein, ganz bestimmt nicht, denn der kurze Kuss, den er ir im nächsten Moment gab schmeckte so echt, dass mein Herz sofort einen neuen Saltorekord aufstellte.
„Oh mein Gott... Gott sei dank ist dir nichts passiert...“, wimmerte er fast. Er nahm mich in den Arm und ich spürte, wie heftig er zitterte und als er mich wieder ansah, bemerkte ich, dass er sogar weinte.
„Alta, wallah, wir ham kein Zeit für so scheiß...“, raunte Celan vom Fenster her. Moment... Da war ein Fenster?! Wo kam denn das plötzlich her?!
Jefray stand auf. Ich tat es meinem Freund nach und merkte, dass meine Fesseln gelöst waren.
Celan sprang aus dem Fenster, der Raum schien ebenerdig zu sein. Jefray sprang ihm hinterher und ich kletterte auch irgendwie den beiden nach. Jefray griff nach meiner Hand und rannte los. Vor uns lag ein Wald. Wir liefen direkt rein und rannten, rannten immer weiter, hörten gar nicht mehr auf. Ich wollte auch gar nicht mehr aufhören. Naja, eigentlich verstand ich überhaupt nicht, ob das jetzt Realität war oder nicht und was gerade passierte drang auch nicht in mein innerstes vor, viel mehr tat es gut nach der langen Zeit des Sitzens endlich wieder zu laufen.
Aber was noch gut tat war, in Jefrays Nähe zu sein. Nach einer ewigen Strecke blieb Celan keuchend stehen. Erst jetzt sah ich, dass er sein Maschinengewehr mitgenommen hatte.
Ich bekam Angst, er könne die Waffe plötzlich auf Jefray und mich richten, doch er leerte nur das Magazin und begann mit einem kleinen Schraubenzieher das Gewehr auseinander zu schrauben. Die Teile verstreute er irgendwo im Wald.
„Isch weis, nisch grade umweltfreundlisch Waffe entfernen, aber so mir keiner kann nachweisen, dass isch was gemacht hab mit die Typen.“, erklärte er.
Dann lächelte er uns an. „Hoffe, keiner findet die Teile.“
Wir lächelen beide zurück. Dann sahen wir uns an. Hach, was war es doch schön wieder bei ihm zu sein... Sofort gab er mir wieder einen Kuss, diesmal für viel länger und ich klammerte meine Finger in seine Jacke. Meine Zunge strich sacht über seine. Warum kann man nicht einfach die Welt anhalten?
„Hey ihr süßen, weita laufen, wir sin gleisch anna Bushalte!“, lachte Celan. Jefray und ich erschraken und erröteten dunkel, was Celan nur noch mehr zum lachen brachte.
Dann drehte er sich um und rannte weiter, aus dem Wald raus. Danach folgte die Vorstadt von London. In der Ferne konnte ich die Sonne auf gehen sehen.
A new day has broken,
A day full with hope...


Was danach geschehen ist? Naja, Celan hat sein Studium von meiner Mutter bezahlt bekommen, da er mir zur Flucht verholfen hatte, wurde dann später Politiker, hat zum Ende zu fast besseres Englisch gesprochen als ich.
Die Erpresserbande wurde festgenommen und wegen ewig vielen Punkten ewig lange ins Gefängnis gesteckt, zum Glück musste ich die niemals wieder sehen... erst recht nicht diesen widerlichen „Boss“, dem muss man erstmal ein paar Takte zum Thema Körperpflege beibringen.
Und Jefray und ich? Tja... was ist wohl aus uns geworden?

„Schatz? Soll ich dir helfen?“, fragte ich vom Bett her, ich trug noch immer meinen Schlafanzug.
„Mensch Yuki...“ Jefray musste schmunzeln. „Auch wenn es drei Mal ganz nett ist, wenn du mir meine Hemden zuknöpfst, ich muss jetzt ein wenig schneller Sein, sonst bin ich zu spät in der Firma.“
Als ob das nicht so wie so schon jeden Tag der Fall wäre.
„Heute Abend darfst du mich auch komplett ausziehen, aber morgens muss es einfach schnell gehen.“
Da freut man sich doch. Heute Nacht wird dann bestimmt wieder spaßig.
Jefray liebte seinen Job als Ingenieur. Und auch wenn er jeden Tag zu spät kam, machte das seinem Chef nicht wirklich etwas aus, da Jefray wahnsinnig schnell sehr gute Ergebnisse erzielt.
Ich stand langsam auf und streckte mich. Nun musste ich mich aber für die Pressekonferenz vorbereiten. Es war meine erste Pressekonferenz überhaupt, hatte ja auch erst vor wenigen Wochen mein erstes Buch raus gebracht. Ein Kassenschlager.
Ein Leben wie im Traum... ich hoffe nur, ich wache niemals auf.

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Kekse und dummes Geschwätz:
Sooooo, ihr Leute, hier kommt mein kleines Nachwort.
Ich hatte beim Schreiben mehrmals so ein komisches Gefühl, als hätte ich irgendetwas falsch gemacht, ganz gravierend falsch. Aber gefunden habe ich nichts, weis nicht, ob das positiv oder negativ ist.
Die Stelle mit Yukis Entführung ist mir mehr oder weniger spontan eingefallen, in letzter Sekunde. Ich hoffe das fällt nicht ganz so schlimm auf.
Am Ende hab ich die ersten zwei Zeilen aus diesem komischen Lied aus dem Anime „Gantz“ geschrieben. Ich fand einfach das passt. Auch wenn das Original eine ganz andere Hintergrundbedeutung hat xD

Kekse zu verteilen sind an:
-Meinen Vater, der hat nämlich meinen Laptop in letzter Sekunde wieder in Gang gebracht, sodass OpenOffice überhaupt wieder auf gegangen ist (jaaa, ich habe OpenOffice und neiiiin, ich werde mir kein Word kaufen, weil zu geizig dazu bin :3)
-Alex, weil er mir Kraft und einen kleinen aber wichtigen Sinn im Leben gegeben hat. Ich hab dich lieb, vergess das nie!
-Stephan Serin (ein Autor und Lehrer), der mich mir mit seinem Buch geholfen hat, die Stellen mit dem gebrochenen Deutsch (Englisch^^) zu schreiben
-Einer Flasche „Elisapethenquelle- Pfirsich“ die mir zur Seite gestanden hat und ohne die ich beim Schreiben verreckt wäre

Widmen werde ich diese Geschichte meinem Freund Alex.
Er sagte, dies sei keine Kurzgeschichte, sondern eine kurze Geschichte. Eine Kurzgeschichte habe eine ganz andere Merkmale. Diese sind hier überhaupt nicht vorhanden, manchmal ist sogar das Gegenteil der Fall. Deshalb ist es einfach eine Geschichte, die kurz ist. Entschuldigt bitte diesen Fehler, ich weis ich habe irgendwo schon mal geschrieben, diese Geschichten seien Kurzgeschichten, hab aber vergessen wo... q.q


Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.10.2010

Alle Rechte vorbehalten

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