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Nightmare







Mit einer leichten Bewegung wischte sie sich den Schlaf aus den Augen. Ein leises Gähnen schlich ihr über die Lippen, worauf sie die Zähne erschreckt zusammenbiss. Ein vorsichtiger Blick schweifte durch den dunklen Raum. Er tastete sich vorsichtig die kahlen Wände entlang, an den Fenstern vorbei, in deren Glas sich der Schein des vollen Mondes spiegelte und blieb schließlich in der dunkelsten Ecke hängen.
Ein heftiger Schauer jagte ihr über den Rücken und ließ sich die kleinen Haare auf ihren Armen aufstellen.
Hatte sie ein Geräusch gehört? Vorsichtig tasteten ihre eiskalten Hände über das sanft-weiße Lacken des Bettes.
Nichts, sie konnte nicht ungewöhnliches erkennen. Sie griff ins Leere.
Unabsichtlich huschte ihr Blicke einen Augenblick zurück in die Dunkelheit. Leicht kniff sie ihre Augen zusammen, doch sie konnte nichts erkennen. Nur Leere. Stille Leere.
Das ist doch idiotisch

, dachte sie. Noch einen letzen Blick, dann würde sie weiter schlafen. Es würde ihr ein anstrengender Tag bevor stehen.

Sie ließ sich sanft zurück in das Kissen sinken.
Leise natürlich

, man konnte nicht vorsichtig genug sein.
Die Decke unter der sie sich versteckte, schmiegte sich an ihren Körper und erfüllte sie mit sicherer Wärme. Ihre Angst schwand ein wenig, als sie sich schließlich von der dunklen Ecke wegdrehte.
Ihr Blick lag jetzt auf den Konturen ihres Kleiderschranks. Natürlich konnte sie das dunkle Holz, in dem Schatten, den die Wand warf nicht erkennen, jedoch wusste sie was sich direkt dahinter verbarg.
Der Gedanke erfüllte sie mit Glück. Ihre Angst war nun, schon fast ganz verschwunden. Noch ein paar Gedanken an den morgigen Tag, dann würde die Angst zurück in die dunkle Höhle kriechen, aus dem sie gekommen war.
Unerwartet musste sie lachen. Nicht laut natürlich- das Glück müsstre schließlich nicht herausgefordert werden- doch ein leises Lachen in sich hinein, das würde niemand außer ihr bemerken.
Von einem Moment auf den anderen war ihr Zimmer in die komplette Schwärze der Nacht getaucht. Die Angst kam zurück. Fraas sie wie ein lästiger Virus durch ihre Adern und ließ ihr Herz laut pochen.
Das ganze Zimmer schien erfüllt von dem Geräusch.
Dabei hatte sie den Verursacher der Dunkelheit schon vor Sekunden ausgemacht. Eine kleine Wolke, die sich vor den Mond geschoben hatte. Sie konnte sie von ihrem Platz aus genau sehen. Nicht besonders aufregend, klein und grau, fast durchsichtig- eigentlich wie sie selbst.
Es schien ihr fast peinlich sich von so etwas lächerlichem erschreckt zu haben. Ein tiefer Atemzug, dann würde sich ihr Herz beruhigen. Sie zählte die Sekunden, bis es soweit sein würde.
Sie vergingen, doch die Schläge wollten nicht aufhören von den Wänden widerzuhallen. Sie dröhnten fast in ihren Ohren, verursachten ihr Kopfschmerzen. Wütend zog sie sich das Kissen über den Kopf, in der Hoffnung die Angst ersticken zu können. Ihr Herz jedoch pochte noch ein wenig lauter, fast so als wollte es sie ärgern.
Die Wut trieb ihr Hitze in die Wangen, ließ sie rot anlaufen. Rot wie eine Tomate.
Das Rot machte sie wütender. Sie hatte ihren Körper nicht unter Kontrolle. Sie konnte nicht einmal ihren eigenen Körper kontrollieren, wie sollte sie so für eine Familie sorgen?
Ein kleiner Blick huschte zurück zum Kleiderschrank und dem verborgenen Kleid hinter den schweren Türen.
Das weiße Kleid, das sie selbst ausgesucht hatte. Das Kleid mit der langen Schleppe, den hellen Stickmusters und der Perlenkette. Perlen, in denen sie ihr Spiegelbild erkennen konnte.
Noch ein paar Tage zuvor hatte sie diese Idee gut gefunden- Spiegel. Spiegel in die sie sich nie getraut hatte zu sehen.

Jetzt fand sie diese Idee blöd- nicht durchdacht. Was würden die anderen denken, wen sie erfuhren wie undvorbereitet sie war?
Eine unbeabsichtigte Träne rann über ihre Wange. Wie sollte sie ihr eigenes Leben leben können. Ihr Leben, von dem sie sonst immer allein in dunklen Nächten geträumt hatte.

Ein erneuter Schauer jagte ihr über den Rücken. Er war Eiskalt. Eiskalt wie die tiefe der Nacht. Eiskalt wie die schwärze eines Abgrunds. Sie fühlte sich plötzlich ungeschützt, allein, angestarrt. Wie konnte sie nur jemals darauf beharrt haben, die letze Nacht, allein in ihrer Wohnung zu verbringen. Ein unscheinbares Mädchen wie sie. Sie sollte sich freuen, jemanden gefunden zu haben, der diese Ansicht nicht teilte. Wie konnte sie ihn abgewiesen haben?

Ein Blick bohrte sich in ihren Rücken. Es musste ein Blick sein, ein tiefer hasserfüllter Blick.
War sie etwa zu laut gewesen? Hatte ihr Körper sie verraten? Sie hasste ihn. Sie hasste sich.

Blitzschnell fuhr sie herum. Sie wollte ihm ins Gesicht sehen. Sie wollte seinen eiskalten, stinkenden Atmen schmecken. Seinen Geruch riechen. Seine reißenden Klauen spüren. Sie musste es tun. Sie hatte keine Wahl. Sie wollte wenigstens dieses eine Mal selbst entscheiden.

In dem Moment, indem sie zurück in die schwärze der Ecke starrte, verkrampften sich ihre Hände. Sie war aufgeregt. Am liebsten wäre sie gleich aus dem Bett gestürzt. Doch sie hatte eine gute Erziehung genossen.

Es kostete sie Wirklich Überwindung. Sie setzte sich auf. Dann langsam, Bein führ Bein kroch sie aus dem Bett. Sie stand da. Bereit ihm ins Gesicht zu sehen. Bereit sich zu verändern.

Klack Klack

, hallten ihre Schritte auf dem Boden. Klack Klack

. Erst jetzt bemerkte sie wie nass ihre Wangen waren. Hatte sie geweint? Ihre Ohren rauschten. Jetzt oder nie.
Schritt für Schritt bewegte sie sich auf das Fenster zu. Auf den Mond und die kleine Wolke die immer noch am Himmel stand. Sie konnte sie nicht länger provozieren. Sollte sie doch bleiben wie sie war.
Als sie das Fenster mit zitternden Fingern aufriss, wehte ihr ein kalter Stoß Wind in die Augen. Sie tränten erneut. Es kümmerte sie nicht. Sie öffnete das Fenster soweit sie konnte. Bohrte ihre Fingernägel so sehr in den Rahmen, das sie meinen konnte wie sie begannen zu bluten.
Nur einen winzigen Augenblick später stürzte sie sich in die Tiefe des Abgrundes.
Der Wind schlug ihr die Haare in ihr lächelndes Gesicht.
Sie fiel, doch spürte keine Angst.
Sie wusste er würde unten auf sie warten. Seine Klauen würden sie freudig in Empfang nehmen.
Sie war fast bei ihm. Er schrie nach ihr, lechzte nach ihrem Blut. Der Tod.




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Tag der Veröffentlichung: 03.11.2011

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