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Wenn dir jemand erzählt,
dass die Seele mit dem Körper
zusammen vergeht
und dass das, was einmal tot ist,
niemals wiederkommt,
so sage ihm: Die Blume geht
zugrunde, aber der Same bleibt zurück
und liegt vor uns,
geheimnisvoll, wie die Ewigkeit des Lebens.

- Kalil Gibran









Prolog



Micheal


Dafür dass es Sommer sein sollte, war es hier ziemlich kalt. Wind wehte durch meine kurzen braunen Haare und einzelne Regentropfen trafen meine Arme. Ich bereute es mir nur ein T-Shirt angezogen zu haben und wünschte mich wieder zurück in das warme Hotelzimmer, das ich eben mit einer Tasche unter dem Arm verlassen hatte.
Vor genau zwei Tagen war ich nach Seattle gekommen und an jedem dieser Tage hatte es geregnet.
Ich erinnerte mich an das sonnige Miami, das ich als Wohnort eingetauscht hatte und sofort fuhren Tränen in meine Augen. Die Erinnerungen an meine Heimat schmerzen schrecklich. Es waren stechende Schmerzen, Schmerzen die man nicht einfach ignorieren konnte. Sie verfolgten mich überall hin, ob ich nun wach war oder träumte.
Das einzige, was diese Schmerzen lindern konnte, war das Gefühl von Rache.
Ich kickte einen grauen Stein zur Seite, der eben vor mir auf dem Weg aufgetaucht war und fasste in meine Haare. Sie waren mittlerweile durchnässt und schienen so fast schwarz.

Ja, ich war hier her nach Seattle gekommen um mich zu rächen, ja ich wollte mich an demjenigen rächen, der für all diese Schmerzen verantwortlich war. Derjenige, der vor genau einem Jahr meine Mutter getötet hatte.
Ich erinnerte mich noch genau an den Tag, an dem ich sie fast tot gefunden habe. Es war warm, viel wärmer wie hier, und ich war von der High School nach Hause gekommen. Ich wunderte mich darüber dass die Tür offen stand und ging langsam in das Haus. Es dauerte eine Weile bis ich sie entdeckt hatte, denn sie lag noch in ihrem Bett. Im ersten Moment war ich glücklich darüber gewesen sie gefunden zu haben, doch dieses Glücksgefühl wich schon im nächsten Moment schrecklicher Angst. Das ganze Bett war voller Blut, ihrem Blut. Es war ein schrecklicher Anblick und in dem Moment ich wieder darüber nachdachte begann mein Magen sich zu verkrampfen und es stiegen abermals Tränen in meine Augen. Schnell blinzelte ich sie weg, atmete einmal tief durch und schob diese Erinnerung in die tiefste Ecke meines Kopfes. Ich hatte mir schon viel zu viele Gedanken darüber gemacht.
Ich hatte wichtigeres zu tun, ich wollte ihren Mörder finden.

Mit einem schrecklichen Quietschen öffnete sich die Tür des Diners als ich in den Raum trat. Es war Sonntag und deshalb ziemlich viel los. An den kleinen Kreisrunden Tischen tummelten sich die Leute.
Vorne an der mit einem roten Lederüberzug beklebten Bar stand eine Frau in ebenfalls roten Hosen und einem engen weißen T-Shirt. Sie lächelte mich an und ich ging auf den Platz an dem ich auch schon die Tage zuvor gesessen hatte. Er war am Fenster und ich hatte einen freien Blick auf die verregnete Straße.
Weiter hinten lachten zwei Kinder, die verschiedene Lieder in einer Musikbox abspielten. Ich beobachtete sie aus dem Augenwinkel. Sie waren glücklich. Es musste sich toll anfühlen glücklich zu sein, ging es mir durch meinen Kopf.
Ich war schon lange nicht mehr glücklich gewesen, genau gesagt seit dem Tag, an dem ich angefangen hatte, das Versprechen einzulösen, das ich meiner Mutter auf dem Sterbebett gegeben hatte.
Es war um ehrlich zu sein ganz simple, ich versprach ihr, ihren Mörder zu finden, ebenso in zu töten.
Ich war immer ein sehr gesetzestreuer Bürger, trotzdem zuckte ich nicht ein einziges Mal mit der Wimper, als ich ihr das versprach. Es war ja nicht so, dass ich eine große andere Wahl hatte, nein, eine andere Wahl gab es wirklich nicht. Nicht unter diesen Umständen.
Ich konnte weder die Polizei rufen, noch mit ihm reden, denn der Mörder meiner Mutter, er war ein Vampir.

1. Rachael

Ich ging gerade eine Gasse in Seattle entlang.
Ich hatte keine Ahnung welche Gasse es war, weil ich darauf gar nicht achtete, obwohl mir dank meines fotografischen Gedächtnis, und der Tatsache das ich Seattle inzwischen sehr gut kannte, ein Blick reichen würde um Gasse zu erkennen.

Ich war auch der Suche nach meinem Abendessen. Denn ich konnte nicht einfach in ein Restaurant gehen und mir etwas Bestellen. Es sei denn dieses hätte Blut auf die Karte gesetzt.

Gerade kam ein Mann um die Ecke.
Er war ein bisschen Rundlich, aber sah aus wie ein ganz normaler Mensch. Da er in einen Anzug trug und einen schwarzen Aktenkoffer bei sich hatte, machte er den Anschein, als ob er in einem ganz normalen Büro arbeiten würde. Wahrscheinlich war er gerade auf dem Weg nach Hause wo eine Frau und vielleicht auch seine Kinder auf ihn warteten.
Deswegen wäre er nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich hatte schon seit gestern Abend nichts mehr gegessen- oder sollte ich getrunken sagen- und meine Kehle brannte wie Feuer.
Außerdem würde ich Normalerweise nicht so unvorsichtig sein, dies auf einer Gasse zu machen. Aber es war bereits dunkel und weit und breit konnte ich keine Menschen sehen oder hören. Und außerdem würden meine Übermenschlichen Sinne es mir verraten, wenn irgendjemand kommen würde.

Ich ging über die andere Straßenseite und achtete darauf nicht zu schnell zu gehen. Der Mann konnte mich bereits sehen.
Diese Erinnerung hätte ich später natürlich auch wieder auslöschen können, aber wieso hätte ich mir unnötig Arbeit machen sollen. Also lief ich, als ich die Straße überquert hatte, in genauso langsamem Tempo zu dem Mann.
Er sah überrascht aus als ich vor ihm stand und ihn anlächelte, aber wer wäre da nicht überrascht gewesen?
„ Ähm“, stotterte er.
Ich wusste das ihn mein permanentes Lächeln noch zusätzlich durcheinander brachte, aber das machte einfach zu viel Spaß diese Menschen so durcheinander zu bringen.
„Kann ich ihnen irgendwie helfen?“. Ich schaute ihm tief in die Augen und musste mich dabei nicht einmal wirklich Anstrengen, seine Gedanken zu beeinflussen. Das Gehörte einfach zum Alltag eines Vampirs. Natürlich gab es manche die mehr begabt waren als andere, aber ich für meinen Teil hatte damit nie Probleme gehabt.
Und in dem Moment indem man das tat, konnten die Menschen nicht mehr denken und man konnte ihn alles sagen was man wollte.
„Ja tatsächlich“, sagte ich beschwörend. „Sie können mir wirklich helfen.“ Dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen krallte eine Hand in seine Schulter um mich fest zu halten, senkte meinen Kopf und Grub meine Zähne in seinen Hals.

Ich musste nicht einmal darauf achten wo ich zubiss, denn das hatte ich schon oft genug gemacht.
Ich fand im nu die Richtige Stelle und warmes Blut floss meinen Hals hinab. Sofort stoppte das brennen in meiner Kehle. Ich wusste dass ich mich dem Gefühl von Blut in meinem Hals nicht völlig hingeben durfte, denn sonst würde ich ziemlich sicher die Kontrolle verlieren, und diesen Menschen bis zum letzen Tropfen aussaugen.
Und das durfte, und wollte ich natürlich nicht. Ich tötete nie Menschen, zumindest versuchte ich das.
Es gab immer wiedermal Unfälle, wobei der Mensch starb, doch umso älter ein Vampir war umso leichter fiehl es ihm, sich zu kontrollieren.
Besonders wenn man lange kein Blut mehr getrunken hatte, deswegen versuchten die Vampire dies zu vermeiden.
Ganz zu schweigen davon, dass wenn man nichts trank das Brennen in der Kehle immer Schlimmer wurde.
Viele Vampire achteten aber auch nicht darauf ob sie die Menschen töteten, manche töteten sogar vorsätzlich weil ihn dass ein Gefühl von Stärke und Macht gab.
Ich und meine Schwester Ann gehörten nicht zu dieser Art von Vampiren. Wir akzeptierten die Menschen, vielleicht schätzten wir sie sogar ein bisschen.

Schließlich ließ ich von ihm ab, ich hatte nicht ein Tropfen Blut auf meine Kleidung bekommen.
Anschließend schaute ich ihm abermals in die Augen.
„Du wirst dich nicht an mich erinnern oder an das was gerade passiert ist. Du wirst denken dass du mir nie begegnet bist“, sagte ich wieder beschwörend. Ich wante mich um zum gehen.

2. Ann

Wie jeden anderen Sonntagabend auch saß ich in der kleinen Bar, die ich von dem Apartment Fenster aus sehen konnte, das zu dem Apartment gehörte, indem ich und meine, ein Jahr jüngere, Schwester Rachael lebten.

Ich mochte es hier zu sein.
Die meisten Leute hier wurden schon nach wenigen Stunden so benebelt, das sie für jeden Jäger zu einem leichten Ziel wurden. Wenn sich zu diesem Zeitpunkt schon genügend Alkohol in ihrem Blutkreislauf befand, braucht jemand wie ich nicht einmal seine besonderen Fähigkeiten einzusetzen um sie vergessen zu lassen- das erledigt der Alkohol ganz von allein.
Obwohl der Alkohol eindeutig ein Pluspunkt war, war es nicht der einzige Grund für mein kommen.
Ich mochte es unter Menschen zu sein, es war immer wieder atemberaubend für mich ihnen dabei zuzusehen wie sie damit begannen sich über unwichtige Dinge zu streiten, ihre verschossensten Geheimnisse zu erzählen oder anderen ihre Seele zu offenbaren.
Das war eindeutig ein Pluspunkt, an dem was ich war.
Meine Sinne waren so scharf, das ich so ziemlich jedes ihrer kleinen, schmutzigen Geheimnisse belauschen konnte, ohne mich sonderlich anzustrengen.
Als ich gerade darüber nachdachte, hörte ich eine sanfte Stimme in meinen Ohren.
Eine Stimme die mir sehr bekannt war.
Diese Stimme gehörte einer Ärztin, Mitte Vierzig mit dunkelbraunen Haaren und herrlich köstlichem Blut.
Ich hatte sie vor drei Wochen das erste Mal bemerkt, sie war zusammen mit einer Gruppe Leute in die Bar gekommen. Ganz im Gegensatz zu ihren Freunden, störte es sie anscheinend nicht offen über ihre Gefühle zu reden.
Sie machte sich an Kerle ran, die nur halb so alt wie sie waren und erzählte ihnen von ihrem Verkorksten Leben.
Als sie schließlich die Bar verlassen hatte, war ich ihr gefolgt. Da war mir zum ersten Mal aufgefallen wie köstlich sie schmeckte. Doch nicht nur ihr Geschmack, sondern auch ihr Beruf gefiel mir außergewöhnlich gut.
Als Ärztin hatte sie natürlich eine Menge Schlüssel dabeigehabt, Schlüssel die ich ihr abgenommen und mir damit freien Zutritt zum Krankenhaus verschafft hatte.
Das Krankenhaus war etwas Wundervolles für uns.
Dort lagerten viele Liter Blut, die nur darauf warteten von einem Vampir mitgenommen zu werden, obwohl es manche Vampire lieber in Körpertemperatur mochten.

Naja, zumindest war sie gerade abermals in die Bar gekommen.
Ihre Augen sahen müde aus und ihr Körper roch nach Erschöpfung.
„Was ist los?“, hörte ich eine andere Frau zu ihr sagen. Sie hatte blonde lange Haare und kam mir nicht sonderlich bekannt vor.
„Ich habe Probleme“, sie zögerte. „Mit meinem Verlobten.“
Das wunderte mich. Als Ehefrau hätte ich sie nicht eingeschätzt, dachte ich, und ich begann mich wieder zu wundern wie seltsam Menschen doch waren.
Als sie an mir vorbei zu Bar ging, lächelte ich ihr aufmunternd zu. Sie blickte in mein Gesicht und ihre Augen wurden plötzlich ängstlich.
Ich wusste nicht wieso, in der Nacht in der ich ihr Blut genommen hatte, hatte ich sie vergessen lassen.
Ich war stark, es war also kein Problem für mich gewesen ihre Gedanken zu löschen.
Es gab keinen Grund für sie mich so anzusehen.
Sie drehte sich plötzlich um und verließ blitzschnell die Bar. Ich sah ihr einige Sekunden verwundert hinterher, bis ich aufstand, um ihr nach draußen zu folgen.
Es war ein leichtes für mich Menschen zu folgen, oder sie wiederzufinden, wenn ich einmal ihr Blut gekostet hatte. Doch so sehr ich mich in dem Moment indem ich draußen im Regen stand auch anstrengte, ich konnte sie nicht finden.
Ich konzentrierte mich still auf meine Ohren, weit in der Ferne konnte ich das Rauschen eines Flusses und das knistern eines Feuers hören.
Ich blendete sie und natürlich auch alle Geräusche um mich herum aus, die zuvor wie eine Lawine durch meinen Kopf gerauscht waren.
Es wurde still, das einzige was ich wahrnahm war das leise tropfen des Regens. Doch sonst war da nichts, leere, die Frau, sie war verschwunden.


3.

Racheal

Als ich in das Apartment von mir und meiner Schwester kam, war sie bereits da.
Sie saß an unserem Küchentisch und tippte irgendetwas auf ihrem Laptop.
Unser Apartment war voll ausgestattet mit Möbeln und allem anderen Zeug was Menschen so brauchten, abgesehen von Lebensmitteln, natürlich.
Nicht das wir das alles bräuchten, aber wir hatten es einfach zum Teil, um den Anschein zu wahren, obwohl wir eigentlich immer nur Besuch von anderen Vampiren hatten. Zum anderen Teil, weil es sich seltsam anfühlen würde in einem fast leeren Apartment zu wohnen.
„Was machst du da?“, fragte ich meine Schwester.
Wenn man schon über dreihundert Jahre lebte, viel es einem schwer sich immer neu zu beschäftigen.
Ich und meine Schwester kamen aus dem 17. Jahrhundert. „Ich mache bei einem Gewinnspiel mit“, sagte sie und klang wenig interessiert.
„Das Geld brauchen wir doch gar nicht“, sagte ich aber kannte die Antwort schon. Geld brauchte man wirklich nicht, wenn man ein fotografisches Gedächtnis hatte. Außerdem noch andere tolle Fähigkeiten. So fand man immer einen Weg an Geld zu kommen, wobei der Weg nicht immer legal war.

Aber es steht schließlich auch nichts über Vampire im Gesetz. Meine Schwester liebte es ihr Können unter Beweis zu stellen und Sachen zu gewinnen, obwohl das, über die Jahre seinen Reiz verloren hatte.
Vieles verlor seinen Reiz nach 300 Jahren. Aber das war nur eine von den Negativen Sachen wenn man ein Vampir war, es konnte ja nicht nur Positives geben.
Und wenn man es so sah, hatten Vampire doch schon ziemlich viele Vorteile mit ihren übermenschlichen Sinnen. Wie zum Beispiel Ihre Schnelligkeit, oder ihrem außergewöhnlich gutem Gehör. Und dann war da noch die Sache mit der Unsterblichkeit.
Und das war ein Thema für sich.
„An was denkst du?“, fragte meine Schwester fordernd. Sie blickte mich mit ihren großen blauen Augen an.
“Ach, an gar nichts“, antwortete ich und verzog das Gesicht. Ich wollte ihr nicht davon erzählen, dass ich an die Unsterblichkeit und ihre Nachteile dachte. Aber Ann kannte mich Natürlich schon viel zu gut, und wusste, dass ich zu diesem Thema nichts weiter sagen würde.
Sie runzelte die Stirn.
Und schob ihre langen, glänzenden Blonden Harre zurück. Die ihr schon fast bis zu Talie gingen.
Man könnte sie für ein klassisches Topmodel halten.
Mit ihren langen Beinen ihrer blassen Haut und den glänzend blonden Haare.
Jedes Victoria Secret Model würde wahrscheinlich alles geben, umso aus zu sehen wie sie.
Und natürlich noch ihre Schlanke makellose Figur, aber die hatte so wohl ich als auch fast jeder andere Vampir auch. Aber ich war nicht ganz so groß wie meine Schwester.

Ich kaufte immer die Klamotten für mich und Ann. Wenn ich das nicht tat, zog sie einfach das an was sie wollte und das war kein schöner Anblick.
Schließlich hatten wir genug Geld um bei Victorias Secret, Chanel oder Louis Vuitton einzukaufen.
Aus diesem Grund hatte ich ein riesen großes Ankleide Zimmer das direkt an mein Schlafzimmer grenzte.
Meiner Schwester hatte ich einen begeh baren Kleider Schrank gebaut.
Ich ging zu unserem großen Fenster. Das sich über die ganze Wand streckte. Und schaute auf den dicht befahrenen Highway. Wie sehr mich Seattle doch nervte.


4.

Ann

Ich klappte meinen Laptop zu, legte meine Beine auf den Tisch und blickte zu meiner Schwester.
Sie war ziemlich hübsch, mit ihren schwarzen Locken und der, für Vampire so typischen, weißen Haut, erinnerte sie mich ein wenig an Schneewittchen.
Früher, ging es durch meinen Kopf, so wie jetzt, hatte sich meine Schwester kaum verändert. Und das, obwohl sie so ziemlich jeden Modetrend mitmachte, den es gab.
Ich stand auf und ging durch den Raum. Rachel stad am Fenster und beobachtete irgendetwas auf der Straße.
„Ähm“, begann ich. „Ich gehe ein wenig in die Stadt. Vielleicht treffe ich ja jemanden interessanten.“ Ich verzog mein Gesicht zu einem Grinsen, schnappte mir meine schwarze Lederjacke und verließ das Apartment.
Ich brauchte die Jacke nicht, doch es regnete draußen und ich hasste es wenn meine Kleidung begann nass zu werden.
Das Haus indem unser Apartment war, lag direkt an der Straße. Ich wollte unbedingt hier einziehen. Es war ziemlich cool, einfach nur die Tür öffnen zu müssen und im treiben der Stadt herauszukommen.
Und auch heute war wieder ziemlich viel los. Die Menschen hetzten von Gebäude zu Gebäude. Aus einem Friseursalon stürmte eine alte Frau heraus. Als sie bemerkte, das der Regen und der Wind begannen ihre neue Frisur zu zerstören, zog sie blitzartig einer ihrer Einkaufstüten über ihren Kopf.
Sie tat das so unvorsichtig, das der ganze Inhalt der rosaroten Kosmetiktüte in Sekundenschnelle auf dem Bordstein landete. Mit einem lauten Klirren zerbrachen Parfümflaschen im Wert von Hunderten von Dollar.
Ich konnte mir ein grinsen nicht verkneifen, wie dumm Menschen doch waren.

Da ich nichts Besseres zu tun hatte, lief ich in den Park.
Es war nicht, dass ich ein Naturfreak war, nein ganz bestimmt nicht, nur ich konnte schon von weit die große Anzahl von Menschen dort spüren.
Ich hörte Musik, Stimmen und Gelächter, außerdem lach ein fettiger Geruch von frittierten Pommes in der Luft. Das war kein Geruch, der bei mir Appetit auslöste, trotzdem lief ich auf die Geräusche und Gerüche zu, die nicht zu dem sonst so öden Park passten.
Als ich um die Ecke kam, konnte ich es sehen.
Es war eine ganze Masse von Menschen, die sich um eine Tribüne aus Holz versammelten. Auf der Tribüne wiederum, standen einige Instrumente, doch es waren keine Leute dort die sie spielten. Die Musik die fröhlich in der Luft lag, kam aus einer der zwei großen Boxen, die neben einem ebenso großen Keyboard aufgestellt waren.
Doch anscheinend störte die fehlende Live- Musik die Menschen wenig.
Eine ziemlich große Schlange hatte sich vor einer Frittenbude gesammelt, und überall auf dem Platz liefen Menschen in grünen Kostümen herum um Flyer zu verteilen. Einer von ihnen kam genau auf mich zu. Es war ein Mann, seine Haare waren eine Mischung aus schwarz und grau und er roch nach billiger Seife und Rasierwasser.
„Haben sie einen Moment“, rief er mir nach, als ich mich gerade umdrehen wollte. Ich zischte durch meine Zähne, setze ein permanent, vielleicht etwas zu freundliches Lächeln auf und drehte mich um.
„Wenn’s schnell geht“, antwortete ich ihm zuckersüß.
„Ja“, er holte Luft. „Wir veranstalten eine Charité Aktion zu
Gunsten des stätigen Tier- und Umeltschutzverbundes. Deshalb würden wir sie liebend gerne um eine kleine Spende zugunsten der Tiere bitten“, sagte er zögerlich. Ihm war es sichtlich unangenehm mit mir zu sprechen, was mich erheiterte, deshalb baute ich das Gespräch noch ein wenig aus.
„Ah und was wird davon bezahlt?“, fragte ich während ich die Menschen beobachtete.
„Eine Menge“, sagte er knapp. Er sah sich um und anscheinend hatte er schon neue Leute entdeckt, denen er sich aufdrängen konnte.
„Nein, ich denke nicht das ich etwas spenden möchte“, sagte ich mit einem Unterton in der Stimme, der ihm Gänsehaut bereitete.
Er flüsterte noch ein „trotzdem Danke“, da war er schon in der Menge verschwunden.
Ich sah mich um, es war langweilig und als ich gerade gehen wollte passierte mir etwas, das mir nur sehr selten passierte. Ich hätte fast jemanden umgerannt.
Normalerweise musste ich mich nicht anstrengen, mein Körper wich den ziemlich tollpatschigen Menschen ganz von allein aus, doch der Kerl der jetzt vor mir stand war wie aus dem nichts aufgetaucht.
„Sorry“, entschuldigte ich mich verwirrt. Der Kerl vor mir war vielleicht Anfang zwanzig, er hatte braune zerwuschelt Haare und trug Jeans, ein geöffnetes Hemd und ein Braunes T-Shirt.
„Mein Feher“, antwortete er lächelnd. Das Lächeln erreichte seine dunklen Augen. Sie waren nett, trotzdem wirkten sie seltsam tief und traurig. Es war eine seltsame Art von Traurigkeit, die ich jetzt an seinen Kompletten Gesichtszügen erkennen konnte. Sie war gut verborgen, trotzdem war sie vorhanden, bereit um jeden Moment auszubrechen.
Ich stand immer noch vor ihm, ich denke das es daran lag das er mich ein bisschen bemitleidend anstarrte.
„Ähm“, sagte er zögerlich und ich machte sofort einen Schritt zu Seite, während sich tief irgendwo in mir die Frage stellte, wie sein Blut wohl schmecken würde.
Obwohl ich zur Seite gegangen war, ging er nicht weg.
Es war ein seltsam neues Gefühl für mich, das ich nicht einschätzen konnte, aber dieser Kerl zog mich irgendwie an. Es war nicht neu für mich einen Menschen gutaussehend zu finden. Es gab zu wenige Vampire in einer Stadt um seine Beziehungen immer darauf zu beschränken, trotzdem predigte ich meinen Freunden immer das sie sich nicht auf Beziehungen mit Menschen einlassen sollte.
Nicht das ich mich selbst daran hielt, nein, aber ich wusste wie gefährlich so etwas sein konnte.
„Ich bin Micheal.“ Er schaute auf meine Füße und darauf in mein Gesicht.
„Ann“, sagte ich knapp.
„Hi Ann“, er lächelte mich an.
„Hi.“ Ich mochte dieses ganze vorstellen und herumreden nicht, also atmete ich einmal durch, lächelte ihn süß an und dann drehte ich mich um. „Vielleicht trifft man sich mal wieder“, sagte ich in einer Lautstärke die er nicht überhören konnte und verwand hinter der nächsten Ecke.


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Tag der Veröffentlichung: 11.01.2011

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