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Tod im Liebesnest


Otto Jenner nahm seinen Beruf als Privatdetektiv ernst, auch wenn es um so einfache Beschattungen wie im Fall Carola Petersen ging.
Er folgte der blonden Frau an diesem Morgen bei ihrem Einkaufsbummel.
Otto beschattete Carola seit zwei Tagen im Auftrag ihres Mannes. Michael Petersen, Besitzer eines Architekturbüros, vermutete, dass sie ihn betrog.
Zu Recht, wie Otto herausgefunden hatte. Carolas Geliebter hieß Robbie Brenner und gab sich als Journalist aus. Er hatte Carola und Robbie in einer Cocktailbar beobachtet und vom Barkeeper Brenners Namen erfahren. Wo Carolas Liebhaber wohnte, hatte er an jenem Abend aber nicht mehr herausfinden können, weil ihm Brenner mit seinem Sportwagen entwischt war.
Am späten Nachmittag steuerte Carola schließlich die Bar an, in der Otto sie gestern schon mit Brenner beobachtet hatte.
Auf dem Parkplatz entdeckte er Brenners Sportwagen. Hinter der Windschutzscheibe steckte der Parkausweis. "Stellplatz 37/C, Berolina-Hochhaus" stand darauf.
Zufrieden notierte Otto die Adresse und betrat die Bar. Carola und Brenner saßen am Tresen. Ihre Cocktails hatten sie kaum angerührt. Otto setzte sich in Lauschweite.
Carola wirkte nervös und machte ganz und gar nicht den Eindruck einer Ehefrau auf Abwegen. "Es ist vorbei!", sagte Carola zu Brenner. "Ich will dich nie wieder sehen."
Brenner bemühte sich um Fassung, doch mehr als ein gequältes Grinsen brachte er nicht zustande. "So schnell wirst du mich nicht los! Du hast mir gestern eine Menge über die dubiosen Geschäfte deines Mannes erzählt." Er zog sein Handy heraus. "Ich habe alles aufgenommen. Es wird deinen Mann nicht freuen, wenn ich das an eine Zeitung gebe."
Detektiv Jenner spürte, dass der Fall mit einem Schlag interessanter wurde als die üblichen Ehebruchsgeschichten, mit denen er sich ansonsten befasste.
"Erpressung?", fragte Carola Petersen heiser. "Was willst du? Geld? Kannst du mal wieder die Miete für dein Appartement nicht bezahlen?"
"Richtig", sagte Brenner. "Wie wäre es, wenn du das demnächst übernimmst? Immerhin haben wir dort ja eine Menge netter Stunden verbracht. Überleg dir, was dir die Reputation deines Mannes und deine Ehe wert ist."
Carola stand ohne ein weiteres Wort auf und verließ das Lokal. Ehe Otto seinen Drink bezahlen konnte, war auch Brenner schon gegangen. Durchs Fenster sah Otto ihn in seinem Sportwagen vom Parkplatz rollen.
Der Detektiv holte sein Handy heraus und rief Michael Petersen an. "Ihre Frau ist in Schwierigkeiten!", sagte er. "Sie hat Brenner von Ihren Geschäften erzählt. Er hat alles aufgeschrieben, um Carola oder Sie damit zu erpressen."
Petersen fluchte. "Wo haben die beiden ihr Liebesnest?", knurrte er dann. "Wenn mir dieser Bursche in die Hände fällt, bringe ich ihn um."
"Er scheint im Berolina-Hochhaus zu wohnen", sagte Otto.
"Beschaffen Sie endlich Fotos von ihm!", zischte Petersen. "Ich will wissen, wie der Kerl aussieht!"

* * *


Zwei Stunden stand Otto vor dem Berolina-Hochhaus, um Brenners Spur wieder aufzunehmen. In der Wohnanlage gab es 60 Appartements. Er suchte auf der Klingeltafel vergeblich nach Brenners Namen.
"Stellplatz 37/C?", fragte der Hausmeister, den Otto in seinem Büro im Souterrain aufstöberte. "Der gehört zum Appartement 137. Da wohnt ein Wissenschaftler. Der ist im Ausland und hat wohl untervermietet."
In diesem Moment fuhren zwei Polizeiwagen vor. Uniformierte und Männer in Zivil stiegen aus. Zuletzt kletterte eine attraktive blonde Frau aus dem Wagen.
"Kommissarin Kemper!", begrüßte Otto die Chefin der Mordkommission.
"Jemand hat angerufen, dass in Appartement 137 eine Leiche liegen soll!", erklärte die Kriminalbeamtin.
Wenig später standen sie vor der angelehnten Wohnungstür. "Pollock" lautete das Namensschild. Eine Nachbarin hatte die offene Wohnungstür entdeckt und nach dem rechten sehen wollen. Einbruchsspuren gab es keine. Brenner lag im Wohnraum, in seiner Brust steckte ein Messer.
"Er ist höchstens seit einer halben Stunde tot", sagte Kommissarin Marlene Kemper. "Das kann ich auch ohne Rechtsmediziner feststellen." Sie sah Otto an. "Was hast du mit dem Fall zu tun?"
Otto berichtete kurz. Als er das Handy erwähnte, mit dem Brenner Varolas Indiskretionen aufgenommen hatte, untersuchte Marlene Kemper den Toten. "Kein Handy!", stellte sie fest. "Es scheint, als ob entweder Carola Petersen oder ihr Mann den Mord begangen haben, um einen Erpresser loszuwerden." Sie schüttelte den Kopf. "Otto, wie konntest du nur so dumm sein, Petersen zu erzählen, dass Brenner hier wohnt und dass er Erpressungsmaterial in der Hand hat? Petersen ist wahrscheinlich geradewegs hergefahren, um ihn umzubringen.
Otto wiegte den Kopf. "Wenn Sie damals nicht falsch liegen, Frau Kommissarin!"

***


Die Kommissarin drückte beide Augen zu, als sie Otto Jenner erlaubte, sie bei ihrem Besuch bei Petersen zu begleiten. Der Unternehmer saß mit seiner Frau Carola in der Wohnhalle seines Bungalows. Carola wurde blass, als sie erfuhr, dass ihr Mann sie von Otto Jenner hatte beschatten lassen. "Oh mein Gott!", murmelte sie.
Auch im Gesicht ihres Mannes arbeitete es. "Sie halten mich jetzt natürlich für den Mörder!", sagte er zu der Kommissarin.
"Dem Toten wurde sein Handy mit der Aufzeichnung eines brisanten Gesprächs gestohlen!", sagte die Kommissarin. "Sie hatten von Herrn Jenner davon erfahren. Und dazu auch den Namen und die Adresse Ihres Nebenbuhlers."
"Moment", mischte Otto Jenner sich ein. "Das ist der Denkfehler, den Sie gemacht haben, Frau Kommissarin. "Michael Petersen kannte nur Brenners Namen und erfuhr von mir nur, dass er im Berolina-Hochhaus wohnte. Dass Brenner dort Untermieter bei "Pollock" war, wusste Petersen nicht. Deshalb hätte er Brenner in dem großen Appartementhaus gar nicht ausfindig machen können."
"Sie haben Recht!", sagte die Kommissarin und schaute Carola Petersen an. "Sie dagegen wussten genau, wo Brenner wohnte…"
"Sie haben Recht", sagte Carola leise. "Ich habe ihn getötet."

 

 

ENDE

 

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Texte: Autor
Tag der Veröffentlichung: 28.01.2012

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