Mutterstolz
Mein Kind ist das schönste! Mein Kind ist auch das süsseste! Und ausserdem ist mein Kind das schlaueste, versteht sich jawohl! Mein Kind hat darüberhinaus den ausgeprägtesten Charakter überhaupt, hat bereits mit elf Monaten schon einen tollen Musikgeschmack und läuft wie eine Eins! Sie schläft immer ruhig durch, isst alles und manierlich, knöttert nie und versteht jedes Wort, das man ihr sagt. Sie räumt schon jetzt gerne auf, singt wie eine Nachtigall, drückt sich Eins A aus und bindet sich ihre Schuhe alleine...
Naja, so oder so ähnlich, ein bißchen mütterlicher Stolz ist da wohl auch dabei...
Mal im Ernst, natürlich übertreibt fast jede Mutter, wenn's um den eigenen Nachwuchs geht, das gehört zu „künstlerischer Freiheit“, schliesslich haben wir mit unseren Kindern ein einzigartiges und eigendynamisches Kunstwerk erschaffen!
Aber es gibt Fragen, die kann man als Mutter einfach nicht objektiv beantworten. „Schläft sie denn schon durch?“
Ich nicke heftig und stolz und füge dann an „Naja, manchmal braucht sie nachts ein bißchen Tee oder muss ein Liedchen hören, bevor sie weiterschläft...“ und gehe in mich. Schläft mein Kind denn nun durch oder nicht? Sie isst nachts nichts, Stillen ist längst passé bei uns, aber in vier von sieben Nächten muss ich nachts mindestens einmal aufstehen, um etwas Tee ins Kind zu schütten oder eben wieder Ordnung ins Bett und die versammelte Schnullerbrigade zu bringen. Ich nehme das nicht als „Störung“ wahr, es gehört eben dazu und trotzdem würde ich jedes Mal wieder aus vollster Überzeugung sagen „Ja, mein Kind schläft durch.“ und nicht bewusst lügen. Ob sie aber nun wirklich als „Durchschläferin“ gilt, weiß ich nicht – für mich ist es so.
Die nächste Frage, auch brandgefährlich: “Und, spricht sie schon?“
Wieder heftiges Nicken, natürlich spricht mein Kind...naja, äh, sprechen nun vielleicht nicht direkt, aber sie teilt sich sehr deutlich mit, zumindest mir... äh.
Wörter? Ja, natürlich, „Katze“ kann sie schon sagen und auch das Tier ansich identifizieren. Na gut, das „K“ bereitet ihr Schwierigkeiten und weil ja nicht alle Katzen „Atze“ heissen können, heissen manche auch „Atsi“ oder „Ase“ oder ähnliches. Fast alle Kuscheltiere sind „Teddy“ - inklusive Papa, der ist auch „Teddy“ und ansonsten steht Maggie zur Zeit eben mehr auf Lautmalereien. Grade räumt sie zu meinen Füßen eine Kiste mit CDs und DVDs aus und das sind „AA“s und „Iiha“s.
Und trotzdem, ja, mein Kind spricht! Nur das erste Wort, das ist eben noch nicht ganz fertig.
Aber wer braucht schon „fertige“ Wörter, wenn er ohnehin das schönste, süsseste und schlaueste Kind der Welt ist!
Ordnung ist das halbe Leben!
Ja, auch in einem 2-3 Personen-Haushalt fällt einiges an und ich muß gestehen, Ordnung war noch nie meine Stärke. Schon zu Teenagerzeiten traf es das Schild an meiner Zimmertür ziemlich genau auf den Punkt:
„Ordnung ist das halbe Leben – ich lebe in der anderen Hälfte!“
Doch so lustig Sprüche wie „Nur das Genie beherrscht das Chaos.“ auch sein mögen, spätestens mit Nachwuchs in der Wohnung sind die lässigen Zeiten vorbei.
Mein kleiner Staubsauger probiert alles, was in die Schnute passt, findet alles, was in Reichweite ist, egal wie gut ich es versteckt habe, und ist Meisterin der Flusensuche.
Offensichtlich hat sie schon bemerkt, dass Mama manchmal etwas Hilfe braucht beim Aufräumen, denn regelmäßig, wenn ich beispielsweise in der Küche stehe und koche oder spüle, bringt sie Ordnung in meine Küchenschränke. Ich stelle immer wieder Rotkohl neben Nudeln, Couscous neben Kaffeepads und Brot neben Kartoffelpüree-Pulver.
Diese völlig unsinnige Ordnung geht natürlich gar nicht und so sortiert meine kleine Haushaltsmanagerin erstmal aus und wirft im hohen Bogen über die Schulter, was nicht in den Schrank gehört. Na gut, Konserven und Gläser, die zum Werfen zu schwer oder unhandlich sind, werden dann eben aus dem Schrank gerollt – hauptsache raus!
Außerdem sammelt sie mit wachsender Begeisterung alles an Schuhen, was sich in unserer Wohnung findet und trägt sie in den Flur zum Schrank (ja, richtig, super!), um sie dort allesamt in einen Wasserkasten zu stopfen, der dort meistens steht. Schubladen werden aufgezogen, ausgeräumt, neu gefüllt (vorzugsweise mit leeren Plastik- flaschen oder meinem schnurlosen Telefon) und, wenn möglich, wieder zugeschoben.
Sie hat in ihrem Zimmer ein kleines „Geheimlager“ am Kopfende ihres Bettes, wo sie stolz alles hin schleppt, was für sie von Nutzen sein könnte. Dort finde ich vermisste Haarspangen, diverse Zopfgummis, 50ml-Tetrapaks mit Schlagsahne, Shampooflaschen oder Tampons.
Wenn ich am Schreibtisch sitze, steht sie häufig neben meinem Stuhl und fischt CDs und Videos aus der Kiste, die unter dem Schreibtisch geparkt ist, bis ihr Inhalt ein festes Zuhause gefunden hat, die sie mir dann wortreich angibt, damit ich sie irgendwo staple.
Sie ist ein ausgesprochen fleißiges Mädchen mit einem ausgesprochenen Sinn für Ordnung. Wenn wir es jetzt noch schaffen, unsere beiden Systeme irgendwie zu vereinen, hat das Chaos keine Chance mehr!
Oh, das Telefon klingelt - nur wo?
Wer rastet, der rostet
Abrupt werde ich aus einem angenehmen Zustand des Dösens gerissen, weil mein Lieblingskind mir mit Schmackes den Taschenrechner auf das Ohr schlägt und dabei lautstark verkündet: „Wahwahwahwah!“ Und weil ich ja eine gute Mutter bin, zwinge ich mich die Augen zu öffnen, lächle sie etwas gezwungen, aber breit an und sage: „Hallo, Hallo! Wer ist denn da?“ Ja, ich telefoniere mit einem Taschenrechner... und? Uri Geller verbiegt Löffel, meine Tochter ist dermaßen medial veranlagt, dass sie nicht nur mit Taschenrechnern und Fernbedienungen Telefongespräche ermöglicht, sondern im Notfall auch mit einer Scheibe Knäckebrot oder einer Packung Taschentücher – je nachdem, was gerade so zur Verfügung steht.
Nun gut, eine Ausnahme gibt es allerdings und das ist ein Telefon mit Gesprächspartner am anderen Ende. Da verstummt meine kleine Sabbelschnute so plötzlich wie sonst nur, wenn sie etwas zu Essen ergattert hat, macht große Augen und bringt keinen Ton mehr raus... aber man kann ja auch nicht alles können.
Dieses Kind ist aber auch immer viel beschäftigt und kommt kaum zur Ruhe. Da wollen Löffel erbeutet und versteckt, Taschentücher ihrer lästigen Packung entledigt, Schuhe in der Wohnung verteilt, frisch gewaschene Wäsche entfaltet, Küchenschränke ausgeräumt und mit der entfalteten Wäsche gefüllt werden und noch so viel mehr. Alleine schon die mannigfaltigen Möglichkeiten in der Wohnung Utensilien zu sammeln, um ihrer stark vorherrschenden musikalischen Ader Ausdruck zu verleihen... mit Löffeln in leeren Tassen und Keksdosen rühren, mit den Schuhen auf den Holzdielen aufstampfen, mit den lösbaren Stäben aus dem Kinderbett trommeln, wo es nur geht, mit den Händen gegen die Küchentür mit Glasscheibe bollern, ach, so viel zu tun, so wenig Zeit!
Wenn sich dann doch eine gewisse Erschöpfung breit macht, komme ich in den Genuss mit Maggie ein Buch zu „lesen“. Eigentlich blättert sie vor und zurück, um mir diverse Katzen und katzenähnliche Geschöpfe in ihren Büchern zu zeigen, stolz mit dem kleinen Zeigefinger darauf zu tippen und etwas zu sagen wie „A-a!“ oder „Atsse!“. Manchmal finden wir auch Teddys in den Büchern, auch darauf wird dann begeistert gedeutet, begleitet von „Deddy! Deddy!“. Und weil ich ja eine begeisterungsfähige Mutter bin, gebe ich ihr einen Knutscher auf ihre Apfelbäckchen und rufe begeistert „Ja, eine Katze!“ oder „Genau, da ist ein Teddy!“, als hätte ich noch nie so etwas in einem unserer Bücher entdeckt.
Und ich gestehe, die Begeisterung ist echt. Jeden Tag überrascht es mich von neuem, wie viel so ein Zwergenkind schon kann, versteht und lernt und auch, wenn sie zum sechsten Mal mit der Haarbürste an meinem Bein steht, um mir zu bedeuten, dass ich mich runterbeugen soll, damit sie mir die Haare „ordnen“ kann, tue ich es mit Freude und mütterlichem Stolz.
Nur manchmal, ganz, ganz selten, wenn sie morgens, nach meiner ersten Tasse Kaffee, mit mir im großen Bett rumtollt und sich auf mich drauf setzt und mit viel Juchzen und Lachen und Kieksen auf mir herumhüpft... dann denke ich an die Zeit, in der sie sich noch im Krabbeln übte.
Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann...
... in unserem Haus herum. Das kleine, koboldähnliche Wesen trägt eine knallrote Cordhose, ein lila Pullöverchen und hält seinen Kopf in eine große Keksdose, während es „Di di di da da da wöh wöh wöööh!“ macht und dabei von einem Stummelbeinchen auf das andere hüpft. Der Blick auf die Uhr sagt, es ist noch viel zu früh zum Aufstehen, aber gegen die kleinen, guten Hausgeister kommt man einfach nicht an!
Während ich gen Küche, und vornehmlich Kaffeemaschine, schlurfe, taucht ein kleines pausbackiges Köpfchen aus der Keksdose auf und strahlt mich mit großen, blauen Augen an. Die blonden Haare stehen wirr vom Kopf ab und während das kleine Wesen mit einer Hand die große Keksdose umklammert, zeigt die andere mit dem überaus wichtigen und hochaktiven Zeigefinger in Richtung Bett und es quiekt „Papapapapaaa!“. Ja, richtig, da war ja noch jemand. Unter einem Wulst von Decke und IKEA-Kuschelratten stellt sich Maggies Vater tot, aber das wird ihn nicht retten.
Ich sehe davon ab mir sofort einen Kaffee zu kochen und wuchte das kleine Engelchen aufs Bett mit den Worten „Genau, da ist der Papa! Geh ihn mal wecken!“. Sofort wird die Keksdose abgestellt am Fußende und der Zwerg eiert los und wirft sich auf den Haufen, unter dem Papa vermutet wird.
Schadenfroh grinsend verschwinde ich in der Küche und widme mich meiner Freundin Kaffeemaschine. Als ich mit einem schmackhaften Heißgetränk zurückkomme, hat „Papa“ bereits seine Brille auf und Maggie erzählt ihm silbenreich, was sie so geträumt hat. „Tsse tssse äh wäh wah wah tsse tsö!“
Dann klettert das Monster wieder vom Bett, um sich, bewaffnet mit der Keksdose und einem Kochlöffel, trommelnderweise auf dem Fußboden niederzulassen und ab und an beifallsheischend in die Runde zu blicken.
Das Personal leert derweil die Kaffeetasse und begibt sich dann in die Küche, um Frühstück zuzubereiten, denn ein Kind lebt schließlich nicht von Musik und gebunkerten Butterkeksen allein.
Das Käsebrot wird dankbar angenommen und nachdem das Gnomenkind zunächst den Käse von der Stulle geklaubt und vertilgt hat, schiebt es sich noch soviel Brot in die Schnute, wie eben rein passt und geht wieder auf Tour. Aus einem ihrer Geheimverstecke wird Knäckebrot hervor gezaubert und strategisch günstig im Flur verteilt, so dass Mama auf dem Weg ins Badezimmer auch auf jeden Fall auf drei von fünf Stücken drauf tritt. Welch ein Spaß!
Nach einer Freifahrt auf dem Staubsauger zur Beseitigung der Knäckebrotkrümel folgt direkt das nächste Highlight: Zähne putzen und abhängen im Bad. Nachdem die Beisserchen glänzen und die komplette Zahnpasta aus der Zahnbürste gelutscht ist, folgt die Morgenhygiene der Schluse und das bedeutet für Maggie halbwegs freies Walten und Schalten auf dem Abenteuerspielplatz Badezimmer.
Und da gibt es neben dreckigen Socken, einem Fön, der Klobürste und diverser Shampooflaschen auch den Höhepunkt des Vormittages zu bestaunen:
DIE Schachtel!
DIE Schachtel ist eine halbvolle Tamponpackung und Maggie kann sich fast 30 Minuten damit beschäftigen, die Tampons einzeln herauszunehmen, die Hälfte ins Stiefelbecken zu legen und dann wieder einzuräumen. Beim Einräumen nimmt sie jedoch die Schachtel in die Hand und jedes Mal, wenn sie sich vorne über beugt, um einen Tampon aus dem Becken zu fischen, fallen die anderen wieder raus. Also stellt sie pflichtbewusst die Packung ab, wirft die Tampons, die auf den Boden gekullert sind, wieder hinein und versucht erneut einen Tampon aus dem Stiefelbecken zu fischen – mit der Packung in der Hand.
Und täglich grüßt das Murmeltier.
Tag der Veröffentlichung: 25.04.2009
Alle Rechte vorbehalten