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Prolog

Fahrig wusch ich mir das Blut von den Armen. Das Licht flackerte und beleuchtete den Raum nur spärlich. Bald würden auch die letzten Stromkreise zusammenbrechen und die Welt würde entgültig in der Schwärze der Nacht versinken.

Ein Jahr der Flucht, ein Jahr des Kampfes waren umsonst gewesen. Zitternd senkte ich den Blick auf die dunkelrote Bisswunde, die sich leuchtend von meiner blassen Haut abhob. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten, aber ich sah es keineswegs als ein gutes Zeichen. Es bedeutete lediglich, dass der Virus sich ausbreitete.

Es gab keine Rettung für einen Infizierten. Sicher, es gab irgendwo dort draußen ein Gegengift, aber wie wahrscheinlich war es, dass ich es innerhalb der nächsten Tage finden würde? Aber es gab noch einen anderen Weg, einen Weg den ich nie gewagt hatte zu gehen, so aussichtslos die Situation auch gewesen war. Meine Hand stockte, bevor sie das schmale Messer umklammerte. Getrocknetes Blut blätterte von der Klinge ab und segelte zu Boden. Ich konnte ahnen, was zuvor in dem kleinen Badezimmer passiert war. Blutige Pfützen bedeckten die gesprungenen Fliesen und bildeten eine Spur zu dem kleinen Schrank an der Wand.

Schritt für Schritt ging ich darauf zu und ignorierte das dunkelrote Wasser. Die Schranktür war eingedrückt und hing nur noch in einer Angel.

Noch immer mit dem Messer in der Hand streckte ich den Arm aus und zog an dem Griff. Das kalte Metall schnitt in meine Haut, doch die Tür bewegte sich keinen Millimeter.

Wütend trat ich gegen den Schrank und zerrte weiter an der Tür. So etwas gab es öfters. Abgeschlossene Türen, verbarrikadierte Schränke, nichts, was Zombies auf Dauer abhalten würde.

Mit einem letzten Ruck warf ich mich nach hinten und hielt plötzlich die metallene Tür in der Hand. Achtlos ließ ich sie fallen und zuckte bei dem lauten Scheppern zusammen. Angespannt stand ich da und lauschte. Mein Herz hämmerte schmerzhaft gegen meine Rippen.

Als nichts außer das Geräusch meines eigenen Atems an meine Ohren drang, entspannte ich mich wieder. Man konnte zwischen all den Untoten verrückt werden. Umgeben von Menschen, die starben und Zombies, die dir das Leben nehmen wollen, kam man sich seltsam verloren vor.

Zuerst war der Virus nur ein harmloser Infekt gewesen. Angeblich. Doch nach und nach breitete er sich immer weiter aus und schließlich konnte man die Wahrheit nicht mehr verschleiern.

Der erste auffällige Zombie war ein Investmentbanker gewesen, der nach einem Hundebiss plötzlich seine Kunden anfiel und versuchte, ihnen die Kehle rauszureißen.

Zuerst glaubte man, er stünde unter Drogen, doch mit der Zeit fielen immer mehr Menschen übereinander her und keiner glaubte mehr an Rauschmittel.

Zitternd sank ich auf die Knie und drückte meine Hand auf die brennende Bisswunde.

Wenn dies das Ende war, wäre ich lieber bei einem Flugzeugabsturz gestorben.

Ich blinzelte die Tränen weg und warf einen Blick in den Schrank. Ich konnte nicht anders, als eine Augenbraue fragend hochzuziehen, selbst wenn es keiner sah.

Ich hatte schon alle möglichen Waffenlager gesehen, aber eins im Badezimmer war mir noch nie zu Augen gekommen. Wahrscheinlich hatte der frühere Bewohner dieses Hauses noch versucht, seine Waffe zu erreichen, bevor die Untoten eingefallen waren und ihn sehr wahrscheinlich zum Mittag verspeist hatten.

Ich konnte mich erschießen, oder mir mit dem Messer die Pulsadern aufschneiden. Dann hätte das Elend ein Ende. Ich hob das Messer und legte es auf die weiche Haut an meinem Handgelenk. Meine Hand zitterte und ich schüttelte den Kopf.

Ich konnte mich nicht umbringen, ich hatte einfach nicht die Nerven dazu.

Wütend über meine eigene Feigheit warf ich das Messer von mir und raufte mir die Haare.

Ich wollte kein Zombie werden, kein wandelnder Untoter. Es war eine ausweglose Situation und vor mir tat sich ein Abgrund endloser Verzweiflung aus.

 

1. Kapitel

Gelangweilt schaltete ich mich durch die verschiedenen Fernsehprogramme. Auf allen Sender lief das gleiche: Nachrichten über den neuen Virus.

Schließlich blieb ich an einem Sender hängen und hörte mir den gleichen Quatsch an, der schon seit zwei Wochen im Fernseh lief: „... trotz allem besteht kein Grund zur Sorge. Die betroffenen Gebiete werden evakuiert. Wir bitten die Anwohner Ruhe zu bewahren und....“

Schnaubend schaltete ich den Fernseher wieder aus und quälte mich von der Couch hoch.

Der beißende Geruch von Weihrauch stieg mir in die Nase und ich wusste, wo er herkam.

„Samuel!“, brüllte ich und stieß die Tür zum Nebenzimmer auf. Dichte Rauchschwaden kamen mir entgegen und ich wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht herum, um nicht zu ersticken.

Mein durch und durch durchgeknallter Mitbewohner und bester Freund Samuel hockte vor einem niedrigen Tisch und starrte konzentriert auf seine Voodoo- Knochen.

„Willst du aus dir einen Räucherlachs machen?“

Meine scherzhafte Frage erntete einen wütenden Blick und Samuel warf mir einen der Knochen zu. Geschickt fing ich ihn auf und hielt ihn einen Moment in der geschlossenen Hand, bevor ich einen Blick auf die glatte Oberfläche warf.

„Ist das nicht das Zeichen für Untergang?“

Samuel nickte so heftig, dass ihm die violett und grün gefärbten Dreadlocks wild ums Gesicht flogen.

Kurz bevor ich ernsthaft anfing zu glauben, dass er einen epileptischen Anfall hatte, hörte er auf und deutete auf die Knochen am Tisch.

"Da kommt etwas auf uns zu. Etwas Böses.“

Neugierig geworden kletterte ich über die am Boden liegenden Kissen hinweg und hockte mich neben ihn. Die Knochen schimmerten weiß im Kerzenlicht und ich versuchte die Zeichen zu deuten. Aber ich war weder religiös, noch überhaupt gläubig, also kannte ich mich mit dem Kram nicht aus und sah nur einen Haufen menschlicher Überreste.

"Was bedeutet das?", fragte ich und deutete auf drei übereinanderliegende Knochen an.

"Tod. Leben. Menschen."

Kopfschüttelnd kratzte Sam sich am Kopf und biss sich auf die Unterlippe. Dann schob er das Zeug zu einem Haufen zusammen und kam taumelnd auf die Beine.

"Na los du fauler Hund, steh auf! Wir gehen zu Sebi rüber. Ein Bier am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen."

"Es ist acht Uhr abends", stellte ich fest und ließ ich von ihm auf die Beine ziehen. 

"Sei nicht so kleinlich, Mari. Irgendo dort draussen ist es morgen."

Grollend schüttelte ich seine Hand ab. Es reichte mir schon, dass meine Eltern mich auf den undankbaren Namen Marius getauft hatten, da musste er mich nicht auch noch Mari nennen.

Draußen herrschte das typische Wetter: Nieselregen mit Aussicht auf noch mehr Regen. Provisorisch hielt ich mir die Lederjacke über den Kopf und sprintete über die Straße zu unserer Stammkneipe.

Krachend rannte ich gegen die verschlossene Tür und taumelte auf die Fahrbahn zurück. Lachend packte Samuel mich am Kragen und zog mich wieder nach vorne.

Wie die Idioten hämmerten wir gegen die Tür, bis uns fast die Knöchel bluteten und ein wutschnaubender Sebi in Boxershorts und T- Shirt die Tür aufriß.

"Ihr seid kleine Saufkobolde, wisst ihr das?"

Knurrend scheuchte er uns die schmale Treppe zum Schankraum hinunter. Wir kannten den Laden wie unsere Westentasche, was wahrscheinlich auch der Grund war, warum wir uns einfach selbst bedienten.

Sam verschwand hinter der Theke und tacuhte fast augenblicklich wieder mit drei Bierflaschen in der Hand auf.

"Hier Sebi, zum Anstoßenmn."

Seelenruhig angelte unser liebster Barkeeper erst sein Sweatshirt von der Theke, bevor er sich neben mich setzte und die Bierflasche annahm.

"Sag mal Sebi, was hälst du von der Sache mit dem Virus?", brachte Sam die Sache auf den Punkt. Sebastian stockte für einen Moment, bevor er die Bierflasche abstellte und an seinem Lippenpiercing zupfte.

"Ich glaube, es steckt mehr dahinter, als die Regierung verrät. Die ganze Sache riecht faul.  Ich fliege nach Norwegen zurück. Ich möchte nicht hier bleiben. Sorry Zuckerschnecken, aber es ist so."

Betroffen wechselten wir einen Blick. Abgesehen von Sebi hatten wir keine Freunde hier. Wir waren die Art von Menschen, die nur die wenigsten leiden konnten. Samuel mit seinen grün violetten Dreadlocks und den weißen Kontaktlinsen und ich mit den abstehenden schwarzen Haaren und den eisblauen Augen. Nein, wir waren nicht normal.

"Das ist schade", murmelte Samuel und trank sein Bier fast in einem Zug aus.

Impressum

Texte: Scar Manson/ Manson
Bildmaterialien: Cover: Darque
Lektorat: Bran Akristo Manson
Tag der Veröffentlichung: 14.08.2014

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