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.•*´¨`*•.Frohe Weihnachten .•*´¨`*•.¸

Als das Taxi vor dem Haus anhielt, musste Kelly zwei Mal auf die Hausnummer schauen. Kein Zweifel, das war das Haus, in dem er seit dem Sommer mit seinem Ehemann Luke wohnte, doch erkannte er es nicht wieder. Es sah aus, wie aus einem Wintermärchen. Überall glitzerten silberne Lichter, Tannengirlanden schlängelten sich an den Regenrinnen und Vorsprüngen entlang. Auf dem Schneebedeckten Rasen stand ein Lichtbogen in Form eines Renntiergespanns und im Schornstein steckte eine Weihnachtsmann Figur.
Er wusste, dass Luke ein Weihnachtsfan war, doch bisher hatten sie in einem kleinen Appartement in San Francisco gelebt und die Deko hatte sich auf einen Kranz an der Tür und ein paar Lichterketten am Fenster beschränkt. Das hier… das war ein ganz anderes Kaliber.
Kelly schulterte seine Reisetasche und ging die kleine Auffahrt hinauf. Als er die drei Stufen zur Veranda hinauf stieg, öffnete sich die Tür und sein Mann stand breitgrinsend in einem rot-weiß-grünen Norweger Pulli gekleidet im Eingang.
„Willkommen zu Hause!“ rief er fröhlich.
„Was ist DAS?“ fragte Kelly kurz und deutete mit der freien Hand auf das Haus. Lukes Lächeln fror ein, als ihm klar wurde, dass sein Mann seine Begeisterung nicht zu teilen schien.
„Zu viel?“ Seine Schultern sanken nieder und er wirkte geknickt. Kelly fühlte sich schlecht. Eigentlich mochte er, was Luke aus dem Haus gemacht hatte. Er ließ seine Tasche auf den Boden fallen und trat auf seinen Mann zu. Zärtlich zog er ihn in seine Arme und streichelte seinen Rücken.
„Alles gut, Liebster. Es ist wundervoll. Ich… ich hätt nur gern mitgeholfen.“
In ihm wuchs ein schlechtes Gewissen. Gerade war er vier Tage auf einer Konferenz in New York gewesen und sein Mann hatte sich unheimlich viel Mühe gegeben ihn zu überraschen. Kelly nahm sich vor, dieses Weihnachtsfest zum romantischsten aller Zeiten zu machen.
„Vergiss was ich gesagt habe, Schatz. Du hast einen wahnsinnstollen Job gemacht und ich liebe dich. Und weißt du was? Ich habe mir Urlaub genommen. Bis Neujahr muss ich nicht mehr ins Krankenhaus.“

Später lagen sie gemeinsam eingekuschelt in eine weiche Decke auf dem Sofa vor ihrem Kamin und genossen die Nähe des Anderen.
„War das dein Ernst, dass wir die Feiertage zusammen verbringen können?“ fragte Luke zwischen zwei zärtlichen Küssen und schlang seine Arme fester um den geliebten Mann. Kelly drückte sein Gesicht in Lukes Halsbeuge und atmete tief seinen Geruch ein.
„Ja, Dr. Garner wird die Feiertage über Dienst tun. Seine Frau hat ihn verlassen und er hat mich gefragt, ob er meine Tage übernehmen kann. Eigentlich tut er mir leid, so kurz vor Weihnachten verlassen zu werden, aber er ist ja nicht unschuldig an seiner Situation. Und ich kann endlich mal wieder Weihnachten außerhalb der Klinik verbringen. Was hältst du davon, wenn wir unsere Familien einladen. Deine Eltern, meine Schwestern mit Kindern, wir hätten ja endlich den Platz für alle.“
Luke antwortete eine Weile nicht und streichelte wortlos durch Kellys Haare, dann brummte er nach einer Weile halb zustimmend halb ablehnend. Sein Mann setzte sich auf und betrachtete ihn fragend.
„Möchtest du lieber nicht?“
„Ach, ich weiß nicht genau. Eigentlich wäre es schön, wenn alle gemeinsam feiern könnten. Aber in den letzten Jahren, wenn ich bei Mom und Dad zu Weihnachten war, konnte ich immer heim fahren, wenn ich es nicht mehr mit ihm aushielt. Wenn die beiden hier wohnen, kann ich das nicht.“
Kelly nickte verstehend. Sein Schwiegervater hatte Probleme damit, dass sein Sohn schwul war. Zwar liebte er ihn, aber seine fundamentalchristlichen Ansichten schwanden nur sehr langsam. Auf ihrer Hochzeit hatte er sich bemüht, freundlich zu wirken, doch mit fortschreitender Zeit und steigendem Alkoholpegel hatte sich seine antiquierte Ansicht in den Vordergrund gedrängt und ihm waren einige sehr böse Bemerkungen entsprungen. Kellies Onkel, der seinen Neffen und seine beiden Nichten großgezogen hatte, war daraufhin mit ihm an einander geraten und es war nur gerade so noch von Gästen verhindert worden, dass die beiden handgreiflich wurden.
„Er wird sich zusammen reißen. Vergiss nicht, was er nach unserer Hochzeit versprochen hatte. Gib ihm eine Chance.“

Am nächsten Morgen rief Luke bei seinen Eltern in Philadelphia an. Nach kurzem Klingeln nahm seine Mutter ab und freute sich aufrichtig, ihren Sohn am Apparat zu haben.
„Ach Luke, wie schön, dass du anrufst. Geht es euch gut?“ zwitscherte sie freudig drauf los und steckte ihn mit ihrer Fröhlichkeit an. Seine Bedenken verschwanden hinter dem warmen Gefühl der Liebe, die er für seine Eltern empfand und ließen die Worte nun einfach über seine Lippen fließen.
„Oh uns geht es gut, Mom. Kelly wird die Feiertage zu Hause sein, er hat keinen Dienst. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr beide vielleicht über die Tage zu uns kommt und wir gemeinsam feiern würden.“ Kaum hatte er ausgesprochen, erklang ein überglückliches Quietschen aus der Leitung – der Freudenschrei seiner Mutter.
„Albert! Albert! Die Jungs möchten, dass wir zu Weihnachten bei Ihnen sind!“ rief sie ihrem Mann zu. Luke grinste – das Daddyphon hatte seine Mutter es in seiner Kindheit genannt.
„Gibt es Gänsebraten?“ hörte er die Stimme seines Vaters aus dem Hintergrund rufen – er saß mit Sicherheit wieder an seiner Modeleisenbahn.
„Ja, sag ihm, dass ich Gänsebraten machen werde!“ beantwortete er schnell die Frage seines Vaters, ehe Mom sie wiederholen konnte.
„Ja, gibt es!“ gab sie weiter.
„Mit deiner Apfelfüllung?“
„Ja, mit Mom´s Apfelfüllung natürlich.“
„Ja!“ gab sie weiter.
„Wann sollen wir da sein?“
Sie besprachen noch die Details der Anreise, dann war das Gespräch beendet. Erleichtert und voller Vorfreude legte Luke das Telefon weg und ging in die Küche hinüber, wo Kelly stand und Pancakes zum Frühstück machte.
„Sie werden am 24.12. früh morgens ankommen. Sie kommen mit dem Flieger. Hast du schon mit Patty und Clair gesprochen?“
„Patty wird mit ihrem Verlobten Hawaii unsicher machen. Aber Clair kommt mit Jane und Kyle zu uns. Und John…“
Das letzte presste Kelly hervor wie bittere Galle. Auch Luke war überrascht von der Nachricht.
„Ich dachte, er wäre ausgezogen?“
„Sie wollen es nochmal versuchen… er hat sich entschuldigt…“
Kelly rührte nun so heftig in der Schüssel, dass der Inhalt auf die Herdplatte spritzte. Mit einem genervten Seufzer stellte er die Schüssel weg. Dann kratzte er die mittlerweile verbrannten Teigspritzer vom Ceranfeld. Plötzlich spürte er die sanften Hände seines Mannes wie sie seine Schultern massierten. Mit wohligem Brummen entspannte er sich und genoss die Berührung.
„Vielleicht meint er es ja ernst. Wenn Clair ihm noch eine Chance geben will, dann solltest du es auch tun, oder?“
„Du hast wie immer recht.“

 

Zwei Tage lang bereiteten Kelly und Luke das Haus für ihre Gäste vor. Sie putzten, räumten und dekorierten, bis sie ihre traute Zweisamkeit in ein Familienheim verwandelt hatten.
„So, das wäre geschafft. Und jetzt?“ fragte Luke, als sie müde auf der Treppe saßen. Kelly legte ihm den Arm um die Schulter und lächelte.
„Du kannst dich etwas ausruhen. Ich werde gleich losfahren, die Einkäufe erledigen.“
„Nein, warte. Lass uns ein Stündchen gemeinsam ausruhen und dann fahren wir beide einkaufen.“
„Was genau schwebt dir vor?“ Kelly ahnte bereits, vorauf sein Mann hinaus wollte und funkelte ihn an. Lukes breites Grinsen bestätigte seine Annahme. Dann stand er auf und zog Kelly hinter sich die Treppe hinauf ins Schlafzimmer.

Glücklich und ausgelassen fuhren die beiden zwei Stunden später zum Einkaufszentrum, um ihre Besorgungen zu erledigen. Obst und Gemüse für das Weihnachtsessen, Backzutaten für die Kekse und den Weinachtsapfelkuchen, den Kellies Tante immer gebacken hatte.
„Jetzt brauchen wir nur noch den Gänsebraten und den Weihnachtsbaum!“ ächzte Luke unter der Last der Tüten. Kelly griff sich eine der Papiertüten und wuchtete sie auf seine beladenen Arme.
„Ich bringe diese Tüten schon mal zum Auto raus. Geh du doch zur Metzgerei und besorg die Gans. Ich treffe dich dann beim Coffee Shop daneben und wir trinken noch was bevor wir den Baum holen.“
Dankbar gab Luke ihm einen schnellen Kuss auf die Wange und ging mit der einen Tüte Richtung Metzgerei davon, während Kelly den Ausgang zum Parkplatz wählte. Sobald Luke ausser Sicht war, beeilte er sich, die Tüten zum Auto zu bringen. Er hatte noch etwas anderes vor und dabei sollte sein Mann ihn keineswegs erwischen…

„Was soll das heißen, Sie haben keine Gans mehr? Es ist Weihnachten. Sie müssen doch Gänse verkaufen!“ rief Luke außer sich, als die Verkäuferin ihm die enttäuschende Nachricht mitteilte.
„Das tun wir ja auch. Wir haben nur jetzt keine Gänse mehr. Sie sind alle verkauft!“ sie wirkte ziemlich überfordert mit einem unzufriedenen Kunden. Offenbar war sie noch nicht lange in dem Job tätig. Als ihm das klar wurde, schämte er sich für seinen Ausbruch.
„Nun, was können wir denn machen? Ich brauche unbedingt eine Gans für Weihnachten.“ Fragte er sie freundlicher und hoffte, dass sie sich etwas beruhigen würde. Doch in ihr rührte sich nur der Trotz. Sie blickte ihn biestig und herablassend an und zuckte mit den Schultern.
„Vielleicht fragen Sie mal ihresgleichen, ob sie da eine Gans bekommen können!“
Lukes Wangen färbten sich rot. Ihre Worte waren wie eine Ohrfeige und im Moment war er zu überrascht, um zu antworten. Auch die umherstehenden Kunden hatten ihre Worte gehört und schienen Peinlich berührt.
„Alice!“ bellte eine herrische Männerstimme von hinten und ließ die junge Frau zusammen zucken. Ein stämmiger Mann in Metzgerkleidung trat in den Verkaufsraum und funkelte die Verkäuferin zornig an.
„Wie sprichst du mit unserer Kundschaft! Geh nach hinten und hilf deinem Bruder beim Ausbeinen!“ Dann wandte er sich Luke mit einem freundlicheren Gesichtsausdruck und sanfterer Stimme zu.
„Es tut mir leid, Mister. Meine Tochter wurde von uns anders erzogen. Sie… sie hat gerade so eine Phase.“ Seine Entschuldigung schien aufrichtig. „Wie kann ich ihnen den behilflich sein?“
„Ich brauche für Weihnachten dringend eine Gans. Aber ihre Tochter meinte, sie hätten keine mehr.“
„Das ist leider wahr. In der Weihnachtszeit sind Truthahn und Gans meist nur auf Vorbestellung zu bekommen. Aber wenn Sie möchten, nehme ich noch eine Bestellung auf. Am vierundzwanzigsten früh morgens bekomme ich nochmals eine Lieferung. Ich besorge Ihnen dann nochmal eine Gans. Für wie viele Personen soll der Braten denn sein?“
„Oh, danke vielen Dank. Das ist ja wunderbar. Wir sind zwar nur sieben, aber es ist besser, wenn genug Fleisch vorhanden ist!“
Der Metzger lächelte wissend und notierte sich alles in seinem Bestellbuch.
„Dann werden es wohl zwei mittelgroße Vögel werden. Ab halb neun können Sie zum Abholen kommen.“
Zufrieden verließ Luke das Geschäft und blickte sich draußen nach seinem Mann um. Doch da er ihn nirgends entdecken konnte, suchte er sich im Coffee Shop einen freien Tisch nahe des Eingangs.
Als Kelly beim Coffee Shop ankam, stopfte er schnell ein kleines Päckchen in seine Jackeninnentasche und schritt dann flott auf den Tisch zu, an dem sein Mann bereits bei einer Tasse Cappuccino saß. Mit einem innigen Kuss begrüßte er ihn und ließ sich auf den Stuhl ihm gegenüber fallen.
„Wo ist die Gans? Sie kann doch unmöglich in die Tüte mit den Äpfeln und Nüssen hinein gepasst haben.“ Luke erzählte von seinem Erlebnis und schloss mit den Worten: „Ich werde dann Heilig Abend am Morgen erst die Gänse und dann meine Eltern am Flughafen abholen.“
Kelly bewunderte die Ruhe, in der Luke ihm das Geschehnis erzählte und wie er mit der ungeplanten Änderung umging. Gewöhnlich beunruhigten ihn Planänderungen immer immens doch dieses Mal schien er ganz entspannt. Er lächelte und streichelte ihm die Hand. Luke blickte ihn verwundert an:
„Was ist los?“ fragte er neugierig und nahm einen großen Schluck von seinem Cappu.
„Ach, nur so. Ich merke gerade, wie sehr ich dich liebe!“
„Erst jetzt?“ Luke lachte verlegen.
„Nein, eigentlich jede Minute, die wir verheiratet sind. Doch gerade in diesem Moment finde ich dich absolut faszinierend. Du wirkst so entspannt und gelöst. So habe ich dich nur selten erlebt.“
„Weißt du, ich bin einfach nur glücklich, dass wir dieses Weihnachten endlich zusammen feiern können. Nichts kann mir jetzt noch die Tage vermiesen!“

Am Morgen des vierundzwanzigsten Dezembers saßen Kelly und Luke am Frühstückstisch und genossen die Ruhe vor dem Sturm. Kelly hielt seine Tasse Kaffee in beiden Händen und blickte durch das Fenster hinaus.
„Es schneit.“ sagte er verträumt und das Kind in ihm erfreute sich am Tanz der Flocken. Luke folgte seinem Blick und nahm mit einem Mal eine besorgte Mine an.
„Hoffentlich wird es nicht stärker. Nicht das der Flug von meinen Eltern gestrichen wird.“
„Das glaube ich nicht. Die sind doch längst in der Luft. Wir sollten uns jetzt aber fertig machen. In einer halben Stunde solltest du bei der Mall die Vögel abholen, sonst müssen deine Eltern am Flughafen warten.“
Luke nickte lächelnd und verließ die Küche um sich fertig zu machen, während Kelly begann auf zu räumen damit er den Apfelkuchen backen konnte.
„Wann kommt deine Schwester mit ihrem Anhang?“ rief Luke aus dem Korridor.
„Sie werden am späten Nachmittag ankommen. John besteht darauf, dass sie in ihre Kirche gehen zum Heilig Abend Gottesdienst. Danach fahren sie her. Wir sollten sie zum Kaffee also nicht einplanen.“
„Okay. Ich fahre dann jetzt los. Soll ich sonst noch etwas mitbringen?“
Kelly steckte den Kopf aus der Küchentür heraus und schenkte ihm ein wundervolles Lächeln.
„Nur dich, in einem Stück. Und deine Eltern, wenn sie schon da sind!“

Während der Fahrt fiel der Schnee in immer dichteren Flocken. Die Scheibenwischer arbeiteten auf Hochtouren und der Verkehr floss nur sehr langsam. Unruhig blickte Luke immer wieder auf die Uhr am Autoradio. Er hätte schon vor zwanzig Minuten an der Mall sein müssen, um rechtzeitig zum Flughafen zu kommen, doch wie es aussah, würde er das wohl nicht schaffen. Er atmete einmal tief durch und schaltete das Radio ein.
„…verstärkt sich der Schneefall bis zum Mittag noch zunehmend. Der Flughafen meldet, dass die Lande- und Startbahnen bereits nicht mehr geräumt werden können und alle Flüge umgeleitet und abgesagt wurden. Auch Züge können die Bahnhöfe nicht mehr passieren. Was als kleine Winterkaltfront anfingt wächst sich im Laufe des Tages zu einem mittleren Schneesturm aus. Die Straßen sind verstopft und der Verkehr bewegt sich nur noch in Schritttempo. Wer nicht unbedingt hinaus muss, sollte zu Hause im Warmen bleiben…“
In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Auf dem Display stand die Nummer seiner Mutter. Noch bevor er ranging, wusste er, was sie sagen würde:
„Liebling, es tut mir so leid. Der Flieger wird umgeleitet wegen des Sturms. Wir werden wohl nach Tampa zurück fliegen müssen. Es tut mir so schrecklich leid.“ Sie war den Tränen nahe, was Luke ans Herz ging.
„Aber Mom, das ist ja nicht eure Schuld. Hier schneit es echt furchtbar. Ich stecke mitten im Stau.“
„Oh Gott, Junge. Pass nur gut auf. Wir sollten aufhören zu telefonieren, damit du dich auf den Verkehr konzentrieren kannst. Wir rufen an, wenn wir wieder zu Hause sind!“
Als Luke das Handy auf den Beifahrersitz legte, seufzte er ein klein bisschen enttäuscht.
„Schöne Bescherung!“ Er hatte sich auf seine Eltern doch sehr gefreut. Jetzt würde er nur mit Kelly, seiner Schwester, deren Kindern und scheußlichen Ehemann Weihnachten feiern. Doch so schnell wie sie gekommen waren, verwarf er die düsteren Gedanken, denn der wichtigste Mensch in seinem Leben war ja auf jeden Fall bei ihm – sein Ehemann…

Kelly holte gerade den Kuchen aus dem Backofen, als das Telefon schrillte.
„Ja bitte?“
„Onkel Kelly, hier ist Jane, deine Nichte!“ die Stimme der fünfjährigen schrillte durch den Hörer.
„Hallo Liebes, wie geht es dir denn?“
„Gut, und dir? Schade, dass wir dich nicht besuchen können!“ Kelly war überrumpelt.
„Wie, ihr könnt mich nicht besuchen?“
„Na weil Mama doch unser Schwesterchen bekommt, muss sie im Krankenhaus bleiben!“ Aus dem Hintergrund erklang Kyles Stimme, der offenbar versuchte, seiner Zwillingsschwester den Hörer zu entreißen. „Das wird kein Mädchen, Dummie! Das wird ein Junge! Und jetzt lass mich mit Onkel Kelly reden!“
„Keiner von euch beiden redet jetzt mit ihm! Her mit dem Hörer und ruhe jetzt.“ Erklang gereitzt die Stimme von John Shepard, Kellies Schwager
„Hi Kelly, sorry. Die Beiden sollten dich nicht anrufen. Das wollte ich selbst machen. Aber sie haben es ja schon gesagt. Clair muss ins Krankenhaus und bis zur Geburt unter Beobachtung bleiben!“
Kelly war immer noch überrumpelt.
„Sie ist schwanger?“ presste er heraus.
„Ja. Darum hat sie mir nochmal eine Chance gegeben. Und glaub mir, ich habe meine Lektion gelernt. Ich vermassele es nicht noch einmal!“
„Aber… aber sie hat gar nichts gesagt! Wie weit ist sie denn schon?“
„Im siebten Monat. Nimm es ihr nicht übel, dass sie es verschwiegen hat. Es sollte eine Weihnachtsüberraschung werden. Sie hat es aber auch erst spät bemerkt. Mach dir aber keine Sorgen. Die Ärzte sind zuversichtlich, dass weder ihr noch dem Kind Gefahr droht, solange sie unter Beobachtung bleibt. Vielleicht kann sie auch bald schon wieder nach Hause.“
Immer noch wie betäubt versicherte er seinem Schwager, dass alles okay sei, wünschte frohe Weihnachten und beendete das Gespräch. Sein Kopf dröhnte von dem gerade gehörten. Freude und Schrecken wechselten sich ab.
„Schöne Bescherung!“ schnaufte er, dann riss er sich los und ging zurück in die Küche. Auch wenn seine Familie nicht mit ihnen feiern würde, so würde er noch immer mit Luke und seinen Schwiegereltern zusammen feiern. Also machte er sich dran, den Apfelkuchen weihnachtlich zu verzieren…

Es war schon dunkel geworden, und Luke war noch immer nicht mit seinen Eltern zurück gekehrt. Kelly wurde unruhig. Er hatte alles vorbereitet, und erst beim Blick aus dem Fenster war ihm aufgefallen, wie spät es bereits war. Besorgt nahm er den Hörer zur Hand und wählte Lukes Handy an. Doch er geriet direkt zur Mailbox.
„Oh nicht doch!“ fluchte er und dachte nach. Seine Sorge nahm panische ausmaße an und so wählte er die Nummer des Krankenhauses. Die Sekretärin der Notaufnahme erkannte seine Telefonnummer sofort: „Oh gut, dass Sie anrufen Doktor! Wir haben so viele Zugänge und Doktor Garner bringt unser ganzes System durch einander! Könnten Sie nicht kurz vorbei kommen und mit ihm reden?“
„Nein Sandra, ich werde nicht vorbei kommen. Ich möchte nur wissen, ob Sie vielleicht einen Luke Walker in der Aufnahme haben?“
„Walker? Ihren Mann, Doktor? Ich schaue sofort nach…“ sie verstummte einen Moment und er hörte leises Klicken. Dann war sie wieder am Aparat: „Nein, Doktor. Er ist nicht hier.“
Erleichtert legte Kelly auf, als hinter ihm die Tür aufsprang. Ein eisiger Wind pfiff hinein und trieb eine Flockenwolke direkt in sein Gesicht. Dann sah er Luke im Türrahmen stehen, beladen mit zwei großen Papiertüten – ohne Begleitung.
„Liebling!“ rief Kelly aus und stürzte ihm entgegen. Ohne Rücksicht auf die Einkäufe riss er seinen Mann an seine Brust und drückte ihn fest an sich. „Ich hatte so große Angst, dass dir was passiert ist!“
Mit klappernden Zähnen erwiderte Luke seine Umarmung und schmiegte sein Gesicht an den Hals seines Mannes.
„Ich bin echt froh, wieder zu Hause zu sein. Die Heizung ist vor zwei Stunden ausgefallen, mein Handy ist mir in der Mall in den Brunnen gefallen, weil der Boden davor nass war und ich ausgerutscht bin und ach ja, meine Eltern sind wieder in Tampa. Der Flieger wurde zurück geleitet, wegen des Schneesturms.“
Mit einem Mal brach Kelly in Gelächter aus. Er ließ seinen Mann los und lachte aus vollem Herzen.
„Was ist denn mit dir los?“ fragte Luke verständnislos.
„Clair ist im siebten Monat schwanger. Sie muss im Krankenhaus zur Beobachtung bleiben und so haben sie auch abgesagt. Wir werden wohl allein feiern müssen!“
„Eine schöne Bescherung!“ fiel Luke nun auch in sein Lachen ein…

 

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Bildmaterialien: Bild von Herbert Aust auf Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 15.12.2019

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