Das Licht der hawaiianischen Sonne spiegelte sich auf der gebräunten Haut, umrandete die wohldefinierten Muskelpakete und brach sich in den Wassertropfen, die vom letzten Schwimmen noch auf der Haut glitzerten.
Collin betrachtete den Körper seines Mannes mit einem versonnenen Lächeln. Vorsichtig zeichnete er die Bauchmuskeln nach und ließ ein leises Lachen erklingen, als Vance reflexartig den Bauch einzog. Es gab da seitlich diese kleine Stelle, an der sein Geliebter unheimlich kitzlig war.
„Das machst du doch mit Absicht!“ knurrte Michael mit seiner rauen, raubtierartigen Stimme und drehte sich auf die Seite.
Seine warmen braunen Augen strahlten und winzige Lachfältchen zeichneten sich in ihren Winkeln ab.
„Ich liebe Dich so sehr!“ hauchte Collin und griff nach Michaels Hand. Kalt und schlaff lag sie in seiner. Das EKG fiepte in einem monotonen Rhythmus. Paul und Maria standen auf der anderen Seite des Bettes, seine Mom stand hinter ihm, ihre beiden Hände auf seiner Schulter fest aufliegen. Alle hatten Tränen in den Augen. Dr. Miller hielt sich dezent im Hintergrund, sie wusste, wie schwer dieser Schritt für Angehörige war. Sie wartete, bis Mr. Falk ihr zu nickte, dann stellte sie die Beatmungsgeräte ab.
Collin drückte die Hand seines Mannes ein wenig fester, als das Stampfen des Beatmungsgerätes verstummte. Lange dauerte es nicht, dann verwandelte sich das regelmäßige Piepen in einen dauerhaften Pfeifton. Michael war tot.
In seiner Brust verkrampfte sich sein Herz und in seiner Kehle staute sich ein Schrei. Er wollte es nicht wahr haben, dass er die Liebe seines Lebens verloren geben sollte. Doch es war zu spät. Er wusste, dass Michael schon lange fort war, aber jetzt, wo das Herz, dass Michael ihm geschenkt hatte, nicht mehr schlug, fühlte er den Verlust deutlicher denn je.
Wieder sah er seinen Geliebten vor sich. Der Tag, an dem sie sich kennen gelernt hatten.
Collin war gerade aus Minnesota nach Chicago gezogen und mühte sich mit zwei Kartons, einer scheußlichen Lampe und einem klemmenden Schloss ab. Fast wäre alles herunter gefallen, als neben ihm ein Paar Füße in schwarzem Leder erschienen.
„Kann ich dir was abnehmen?“ raunte eine warme, raue Stimme und zwei große Hände griffen nach einem der Kartons.
„Danke“ keuchte Collin und schaffte es endlich den Schlüssel ins Schloss zu stecken. Knarzend öffnete sich die verwitterte Tür und er stellte den Karton und die scheußliche Lampe im Eingang ab. Dann blickte er auf und wurde vom Blitz getroffen. Der Mann, der vor ihm stand, war der Fleisch gewordene Traum seiner einsamen Nächte. Und genau in diesem Moment war es um ihn geschehen.
„Lebe wohl, mein Leben!“ flüsterte er seinem Geliebten ins Ohr und verabschiedete sich mit einem Kuss auf die Stirn. Seine Schwiegermutter schluchzte leise, gestützt von ihrem Mann. Als Collin sich nun umwandte, legte Paul auch um ihn den Arm. Doch für Collin gab es keinen Trost. Er wollte nur noch weg und allein sein…
Regen fiel in dicken Tropfen auf die Erde hinab, als würden die Engel mit ihm trauern. In nassen Bahnen liefen sie vom Sarg herunter, der mit weißen und roten Rosen geschmückt war.
Das Bild der Trauer hätte nicht deutlicher beschrieben werden können. Genau so sah es in Collins Herz aus, kalt, grau, ohne Licht. Das Licht war mit Michael aus seinem Leben gerissen worden.
Und als sich nun der Sarg mit seinem geliebten Mann in die durchnässte Erde senkte, breitete sich eine tiefe Leere in seinem Herzen aus. Wie sollte er jemals wieder lachen können? Seine Schwiegermutter griff nach seiner Hand. Automatisch drückte er sie, weil er wusste, dass sie das brauchte. Doch für ihn war es eine Erinnerung an Michael, wie er seine Hand gehalten hatte, als sie gemeinsam zum Traualtar geschritten waren. Beide in schwarze Anzüge gekleidet. Die ganze Kirche war voll mit ihren Freunden und Michaels Familie, die längst auch zu seiner geworden war. Michaels älterer Bruder, der seit Jahren die Gemeinde als Pastor betreute, wartete vor dem beleuchteten Altar auf sie. Es kam ihm so irreal vor, wie John sie nach einander fragte, ob sie einander für immer lieben wollen würden, einander halten und für immer gemeinsam durch das Leben gehen wollten.
Niemand hatte damals geahnt, dass „für immer“ nur drei kurze Jahre dauern würde…
Unruhe kam in der Trauergemeinschaft auf und riss Collin aus seinem Traum. Der Sarg war schon in der Erde versunken. Warteten sie auf ihn? Er hatte gesagt, dass er niemals Erde auf seinen Mann werfen konnte… Doch als her hoch blickte, sah er, dass alle in eine andere Richtung blickten. Auf dem Weg zur Grabstätte stand ein Mann, er trug dunkle Kleidung und blickte mit betretenem Gesicht auf seine Füße. Collin wurde flau im Magen. Dass er sich hier her wagte… Seine Knie zitterten und drohten unter ihm nachzugeben. Er beobachtete seinen Schwager, der schnellen Schrittes zu dem Fremden hinüber lief und ihn – souverän und höflich, wie es einem Pastor gebot – eindringlich bat, das Begräbnis zu verlassen.
Collin starrte auf die Stelle, wo der Fremde gestanden hatte und fühlte, wie kalte Wut seine Trauer zu verdrängen drohte. Michaels Mörder!
Collin lag auf dem Sofa und starrte müde auf den Fernseher. Was dort lief, interessierte ihn gar nicht, er wollte nur das Gefühl haben, nicht allein zu sein. Sechs Wochen waren nun seit der Beerdigung von Michael vergangen und er hatte seit dem kaum das Haus verlassen. Einmal musste er zur Bank, um Michaels Konten aufzulösen und dann wollte die Versicherung, dass er mit dem Totenschein vorbei kam. Ansonsten hatte er sich in die gemeinsame Wohnung zurückgezogen. Lebensmittel ließ er sich vom Supermarkt liefern, obwohl er in letzter Zeit kaum etwas zu sich nahm, sein Geschäft hatte er seiner Angestellten übergeben und ließ sich nur hin und wieder per Telefon auf den neuesten Stand bringen. Familie und Freunde versuchten ihn regelmäßig auf zu suchen, doch in der Regel wimmelte er sie an der Tür schon ab. Die Tage und Nächte plätscherten bedeutungslos dahin. Ohne Michael fehlte ihm jeder Lebenswille. „Das ist nicht dein Ernst, Honey.“ hörte er plötzlich eine vertraute Stimme. „Michael?“ Collin setzte sich auf und blickte sich um. Natürlich war er nicht da… Michael war tot. Collin war sicher kurz eingeschlafen. Er beschloss, auf zu stehen und sich frisch zu machen. Wenn er es recht bedachte, hatte er diesen schäbigen Trainingsanzug schon viel zu lange am Leib. Während er in der Dusche stand, hatte er plötzlich das Gefühl, dass er nicht allein war. Aber nicht dieses unheimliche – der Killer steht mit gezücktem Messer hinter dem Duschvorhang alla Psycho- Gefühl, sondern ehr dieses warme Feeling, dass man von Liebe umgeben ist. So hatte es sich angefühlt, seit er mit Michael zusammen gezogen war. Wie hatte er dieses Gefühl in den letzten Wochen vermisst und wie sehr vermisste er Micheal immer noch. Das warme Prickeln des Wassers auf seinen Schultern fühlte sich an, wie die zärtlichen Berührungen, als Michael hinter ihm in der Dusche stand. Ihr erster Abend in dieser Wohnung, sie waren verschwitzt vom anstrengenden Umzug. Eine gemeinsame Dusche schien logisch und… Michael stand hinter ihm, massierte ihm die müden Schultern mit dem frisch riechenden Duschgel. In kreisenden Bewegungen fuhren seine kräftigen Finger über die beanspruchten Muskelgruppen in Schulter und Nacken. „Ich merke richtig, wie du dich überall entspannst!“ hauchte Michael ihm ins Ohr und küsste seinen Nacken. „Nicht überall!“ kicherte Collin und zog Michaels Arme über seine Schultern hinunter zu seinem
Bauch. Ein Stück tiefer war es alles andere als entspannt…
Tag der Veröffentlichung: 09.11.2016
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