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Angel Crie - Hinter dem Vorhang

Man hört immer von einem Licht, dass in der Stunde des Todes erscheint und einen hinüber begleitet. Von einem warmen Gefühl, von Liebe und Glückseligkeit….
Alles Quatsch! Dann hat der „liebe Gott“ bei mir die Stromrechnung nicht bezahlt.

Ich trieb nach meinem Tod durch endlose Dunkelheit. Keine wunderschönen Engel, die mich an die Hand nahmen und ins Paradies geleiteten. Wusste ich es doch, dass alles, was in der Kirche erzählt wurde Blödsinn war. Gut dass ich nie daran geglaubt hatte.

Ich wartete, dass sich etwas tat, das ich etwas sehen würde, fühlen oder hören. Doch nichts geschah. Irgendwann versuchte ich zu rufen, doch meine Stimme verhallte noch bevor sie meinen Mund verlassen konnte. Tiefste Verzweiflung stieg in mir auf. Ich schrie und tobte, dann weinte ich.
Monate schienen zu vergehen, ohne dass sich etwas um mich herum änderte. Dann fing ich an, mich selbst zu entertainen. Tonlos erzählte ich mir meine Lieblingswitze, kritisierte Filme, an die ich mich noch erinnern konnte und diskutierte mit imaginären Gegnern meine politischen Ansichten.
Das Thema Theologie vermied ich jedoch; ich war zu Lebzeiten einfach zu zynisch gewesen, als dass es eine unterhaltsame Auseinandersetzung hätte geben können.
Bald bemerkte ich, dass ich mich frei bewegen konnte, ohne Hindernisse und – vor allem – ohne Energieverlust. Und so schwamm ich durch meine dunkle Umgebung, schlug Purzelbäume und Räder und feixte wie ein Clown auf Speed.
Dann wurde der Strom eingeschaltet. Die Dunkelheit um mich herum – bisher formlos und unbestimmt – verwandelte sich in eine klare Flüssigkeit, durchtränkt von gleißendem Licht.

Hände griffen nach mir, zerrten und zogen, pressten sich auf meine Brust und quetschten alles aus mir heraus. Es wurde laut. Millionen Stimmen schienen auf einmal auf mich ein zubrüllen und plötzlich erschien ein Gesicht über meinem.
Ein älterer Mann, mit weißen Haaren und fliehender Stirn.
„Sie kommt zu sich!“ rief jemand.
Ich lag in der Notaufnahme eines Krankenhauses, umringt von Ärzten und Schwestern und technischem Gedöns. Ich war am Leben….


Ein paar Tage später saß ich im Garten der Klinik und genoss die warme Sonne. Eine Frau mittleren Alters saß neben mir auf der Bank und weinte. Sie trauerte um ihren Ehemann, den sie gerade verloren hatte. Eine der Schwesternhelferinnen hatte ihr erzählt, dass ich fast 10 Minuten klinisch tot gewesen und wiederbelebt worden war. Und so nahm sie all ihren Mut zusammen und fragte mich nach dem Jenseits. Eigentlich wollte ich ihr sagen, wie es wirklich gewesen war, dass ich kein schönes Licht, keine Engel und keine Liebe erlebt hatte, doch dann blickte ich ihr in die Augen und sah Verzweiflung und Trauer, Angst, um die Ungewissheit, was mit ihrem geliebten Mann geschah...
Und so antwortete ich: „Da war ein warmes Licht, Wärme und reine Liebe!“

Und mit einem Mal sah ich ihn, einen wunderschönen Engel - wie es immer beschrieben wurde. Lange blonde Haare, ein Gesicht – überirdisch schön, umgeben von einem warmen Licht. Es ging ein Gefühl von – ja von Liebe von ihm aus. Er lächelte und über seine Wangen rollten silberne Tränen.
„Siehst du, Kind. Das ist Glaube.“ hörte ich eine zärtliche Stimme in meinem Kopf. Und dann begriff ich, dass es nicht darum ging, was wirklich war. Es zählt nur, woran man glaubt. Der Frau die Wahrheit zu erzählen hätte mir nichts gebracht, aber sie hätte es unendlich traurig gemacht…

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Tag der Veröffentlichung: 10.04.2016

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