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Chris´Geschichte

Das Hausmädchen hatte ihm einen neuen Anzug rausgelegt, maßgeschneidert wie immer. Sein Meister legte sehr viel Wert darauf, dass alles perfekt zusammen passte. Während Chris das blütenweiße Hemd zuknöpfte, betrachtete er sich im Spiegel.
Er war groß, fast einen Meter fünfundachzig. Sein dunkles Haar war kurz und immer etwas strubbelig. Seine Augen leuchteten in einem hellen Türkis blau. Hinter dem weißen Stoff verschwand ein perfekt gestalteter Körper.
Sein Meister überwachte sowohl seine Ernährung als auch sein tägliches Training mit Argusaugen. Als er gerade seine Krawatte richtete, hörte er von unten Stimmen. Der "Besuch" war eingetroffen. Chris beeilte sich fertig zu werden. Sein Meister hasste Unpünktlichkeit.

Als er die Treppe hinunter eilte, hörte er bereits wie Quentin Boyd die Ankömmlinge begrüßte - Richter Lohman und seine Gattin. Chris straffte seine Schultern, als er den Salon betrat.

"Mrs. Lohman, darf ich Sie mit Christian bekannt machen? Christian, dass ist die reizende Gattin von Richter Lohman." Wie es ihm anerzogen wurde, nahm Chris die Hand der eleganten Dame und hauchte ihr sanft einen Kuss auf den Rücken. Dann neigte er den Kopf zur Begrüßung vor dem Richter - einem Stammkunden.

Jonas Lohman war 40 und sah aus, als wäre er gerade vom Cover der Men´s Health herunter spaziert. Er war der jüngste Richter, der ans oberste Bundesgericht berufen wurde und sehr einflussreich. Seine Frau war um einiges älter, vielleicht Anfang fünfzig, doch immer noch eine echte Schönheit.

"Quentin, er ist einfach bezaubernd. So gute Manieren sieht man heute nur noch sehr selten, und dann noch so ein hübsches Gesicht dabei. Sie haben wirklich einen exquisiten Geschmack!" Mrs. Lohman hängte sich schwärmerisch an seinen Arm und ließ sich von ihm zu Tisch führen. Richter Lohman hatte bei Quentin Boyd zu ihrem Hochzeitstag ein Brunch mit speziellem Service gebucht.
Bei Tisch hielten Quentin und seine Gäste eine einfache Konversation, aus der Chris sich wie gewohnt  zurückhielt. Fragen, die direkt an Ihn gerichtet wurden, beantwortete sein Meister stets für ihn.
Nach dem Essen deutete der Richter an, dass sie sich nun zurückziehen wollten und Chris bekam von Boyd ein Zeichen. Er stand auf, war der Dame beim Aufstehen behilflich und führte sie in den vorbereiteten Wintergarten. Der Richter folgte ihnen nach und Quentin verschloss die Tür hinter ihnen. Sein Meister hatte ihm zuvor genaue Anweisungen des Richters mitgeteilt, wie er sich zu verhalten habe. Er wusste, dass der Richter ein strenger Herr war und  so tat er genau, was der Mann von ihm verlangte. Er küsste die Dame, jedoch niemals auf die Lippen. Sanft streichelte er über ihre Brüste und öffnete langsam ihr Kleid. Zärtlich streifte er den Stoff von ihrem Körper und entblößte ein schwarzes Lederkorsett. Dann übernahm sie das Kommando. Sie schob ihn auf das große französische Bett, riss leidenschaftlich sein Hemd auf, dass die Knöpfe in alle Richtungen davon sprangen.

"Dann wollen wir doch mal sehen, ob mein Mann Recht hat. Zeig was du hast!"
Jetzt war sie nicht mehr die feine Dame. In herrischem Ton befahl sie ihm sich zu entkleiden. Ihr Ehemann hatte sich selbst ebenfalls ausgezogen und saß nackt in einem gewaltigen Ohrensessel und beobachtete die beiden.
Mit geübten Handgriffen legte sie Chris ein ledernes Halsband um, an dem eine silbrige Kette befestigt war. das kalte Leder lag so eng an, dass ihm das Schlucken schwer viel. Sie zog ihn an der Kette hinunter und zwang ihn auf die Knie. Dann stellte sie sich hinter ihn und spannte die Kette so straff, dass er den Hals weit hinten recken musste. Sie schaute von oben auf ihn herab und fixierte seine Türkis leuchtenden Augen.

"Quentin ist ein beeindruckender Meister. Er hat dich gut erzogen!" Sie wechselte einen schnellen Blick mit ihrem Mann, dann begann sie Chris leidenschaftlich zu küssen. Die Augen des Richters verengten sich zu Schlitzen. Ruckartig stand er auf und riss seine Frau weg von ihm und schubste sie aufs Bett. Er nahm die Kette auf und zwang Chris zu Boden.

"Wie kannst du es wagen!" fauchte er und blitzte seine Frau wütend an. Nun übernahm er das Kommando, wie Chris es von ihm gewohnt war.

"Leg Dich hin, Schlampe!" knurrte er mit feurig leuchtenden Augen. Sie gehorchte sofort und räkelte sich verführerisch auf den schwarzen Satinlaken. Mit ihren festen Blick fixierte sie ihren Mann, der sich nun Chris zuwandte. Langsam zog er ihn hoch und ließ ihn auf dem Bett knien. Über dem Bett waren weitere Ketten angebracht, an deren Enden Ledermanschetten befestigt waren. Der Richter streichelte sanft über seinen Arm und hob ihn hoch, bis er ihm die Manschette umlegen konnte. Dann folgte auch der andere Arm. Nun zog er an den Ketten, bis Chris´ Arme hoch über seinen Kopf ausgestreckt waren.

"Ich will nicht, dass du meine Frau anfasst!" flüsterte der Richter ihm ins Ohr. Dann ging er wieder zu seinem Beobachtungsplatz hinüber und schnippte mit den Fingern - das Zeichen für seine Frau, fortzufahren. Sie kroch auf ihn zu und ließ ihre langen schlanken Hände über seinen durchtrainierten Körper gleiten. Chris schloss die Augen und fühlte, wie sie mit der Zunge über seinen Bauch glitt, seinen Bauchnabel umkreiste und immer tiefer sank, bis sie seinen Schwanz zwischen ihre Lippen nahm. Ihre rotlackierten Fingernägel krallten sich in seine Pobacken und er biss sich auf die Lippen. Er wusste, dass der Richter es nicht duldete, wenn er auch nur einen Mucks von sich gab.
Sein Atem ging immer schneller, Mrs. Lohman war ein Profi und sie wusste ihre Zunge sehr geschickt einzusetzen. Kurz bevor er kam hörte sie jedoch plötzlich auf. Als er die Augen öffnete, hatte sie sich umgedreht und reckte ihm ihren festen Po entgegen. Ihr Mann war wieder bei ihnen und half ihm, in sie einzudringen. Sie ließ einen spitzen Schrei hören, und bewegte sich in gleichmäßigem Rhythmus. Chris versuchte Halt in den Ketten zu finden, um ihrem fordernden Rhythmus standhalten zu können. Plötzlich spürte er, wie der Richter hinter ihm stand und seinen Körper gegen seinen Rücken presste. Er fuhr mit seinen Händen über Chris Hüften und biss ihm zärtlich von hinten in den Nacken. Chris schloss wieder die Augen und fühlte nur noch diese Berührungen. Dann drang der Richter hart in ihn ein. Jetzt konnte Chris sich nicht mehr zurück halten. Zwischen seien halb geöffneten Lippen entrann ein leises Seufzen und er gab sich dem Drängen des Richters hin. Lohmans Frau passte sich dem Rhythmus ihres Gatten an. Chris vergaß alles um sich herum und ließ sich von den beiden mittragen.

Als Chris später unter der Dusche stand fühlte er sich schlecht. Er dachte an seine Eltern daheim in Wyoming. Was würden sie sagen, wenn sie von diesen Arrangements erfuhren? Sie glaubten immer noch, dass er nach seinem Studium seine Mary doch noch heiraten würde.
Er hatte sich in Mary verliebt, als sie gemeinsam zur Schule gegangen waren. Es war wie im Bilderbuch, sie waren gemeinsam zum Abschlussball gegangen und hatten sich ewige Liebe geschworen. Doch dann hatte Chris die Zusage bekommen für die Howard University in Washington D.C. bekommen und hatte sich entschieden, sein Veterinär-Studium dort zu absolvieren. Mary hatte versucht tapfer zu sein, doch als sie sich verabschiedeten, hatte sie bitterlich geweint. Chris musste ihr das Versprechen geben, ihr immer treu zu sein und sie ganz oft an zu rufen, was er anfangs auch tat. Doch nach dem ersten halben Jahr wurden aus täglichen Anrufen nur noch wöchentliche und auch die Besuche wurden immer weniger.

Er schob zwar Stress beim Lernen vor, doch hatte er hier eine ganz andere Welt kennen gelernt. Seine Kommilitonen hatten ihn mit in die Clubs genommen und er hatte Freude am Feiern gefunden. Vor einem Jahr etwa hatten sie gemeinsam in Boyds Etablissement den Junggesellenabschied von Pierce Honeycut gefeiert. Für Chris der erste Besuch in einem Bordell überhaupt. Die edle Atmosphäre hatte ihn direkt überwältigt. Simon Adams - der Trauzeuge und Pierce´s bester Freund war mit Geld gesegnet durch seinen Übelkeit erregend reichen Vater und so hatte er das ganze Haus gemietet. Er prahlte gern damit, dass die Party ihn fast dreißigtausend Dollar gekostet hatte -
"Aber was tut man nicht für den besten Freund!"
Quentin Boyd hatte sein gesamtes Personal für die 12 geladenen Gäste bereitgestellt. Es gab Champagner, feinste Speisen und sinnliche Musik.
Chris war furchtbar nervös, versuchte es aber so gut es ging und einem leicht dämlichen Grinsen zu verstecken. Irgendwann hatte Simon ihn zur Seite genommen und ihm ein kleines Tütchen mit ein paar Pillen drin.

"Entspann dich mal ein bisschen, Wyoming!" hatte er verschwörerisch geflüstert und war dann mit einer dunkelhäutigen Schönheit davon getanzt. Champagner und Pillen hatten dazu geführt, dass Chris sich irgendwann mit einer heißen Rothaarigen und eben diesem Quentin Boyd in einem Separee wieder gefunden hatte.
Die Rothaarige - Samara- hatte ihn mit hinaus genommen und unter wilden stürmischen Küssen in den orientalisch eingerichteten Raum geführt. Hier hatte Quentin gewartet. Als sie den Bordellbesitzer sah, hatte sie sich sofort von Chris gelöst und war vor ihm auf die Knie gefallen. Chris war überrascht und verwirrt, als der elegant gekleidete Mann lächelnd auf ihn zutrat und ihn mit festem Blick fixierte.

"Zieh dich aus!" befahl er mit einer Stimme, die wie das knurren einer Raubkatze klang. Mit einem Fingerschnippen gab er Samara ein Zeichen, ihm zur Hand zu gehen. Sofort sprang sie auf und zog ihm die Smoking Jacke aus. Wie hypnotisiert starrte Chris in die Augen von Quentin Boyd. Der charismatische Mann hatte ihn in seinen Bann gezogen und schien ihm telepathisch seinen Willen auf zu zwingen. Wie in Trance  öffnete Chris sein Hemd und streifte es ab, während Samara mit geschickten Fingern seinen Gürtel öffnete und ihm die Hose herunter zog.
Boydt betrachtete ihn eine Weile schweigend von oben bis unten. während Samara wieder zu seinen Füßen ihren Platz eingenommen hatte.

"Du bist schön, ein bisschen roh vielleicht. Aber ich aus dir könnte man was machen!" Chris war immer noch gebannt und schwieg. Ihm wurde bewusst, dass er nackt vor diesem fremden Mann stand, doch er war nicht fähig, sich zu rühren.

"Samara, Liebes, willst du es unserem jungen Freund nicht etwas bequemer machen?" Sie erhob sich und nahm ihn bei den Händen. Im hinteren Bereich des Raumes war ein großes Bett, umhangen von orientalischen Tüchern. Dorthin führte sie ihn und schob ihn rücklings auf die weiche Matratze. Quentin war ihnen gefolgt und stand nun daneben. Er reichte ihr ein Seitentuch.

"Binde ihn!" Chris beobachtete sie, während sie seinen linken Arm mit dem Seidentuch an das Bettgestell band und dann das gleiche mit dem anderen Arm anstellte. Dann zog Boydt ein weiteres schwarzes Tuch aus der Tasche und beugte sich über ihn.

"Und jetzt...." sagte er und legte es Chris um die Augen. " entspann dich einfach und lass es geschehen."

 

 


Chris spürte Samaras Zunge an seinem Hals. Zärtlich fuhr sie über seine Brust, immer tiefer über seine Bauchmuskeln und noch weiter abwärts. Sein Herz klopfte vor Erregung, sein Atem ging stoßweise. Als sie seinen Schwanz zwischen ihre weichen Lippen gleiten ließ, entfuhr ihm ein leises Stöhnen.
Dann fühlte er plötzlich ein zweites paar Hände auf seiner Haut. Sie streichelten seine Brust, und massierten seinen Hals. Instinktiv wand er den Kopf, doch durch die Augenbinde konnte er nicht sehen, was geschah. Aus einiger Entfernung erklang Quentins Stimme:

"Entspann dich. Lass es einfach geschehen!" Ein drittes Paar Hände begann seine Beine zu streicheln. Er versuchte sich zu entspannen, aber der Kontrollverlust verunsicherte ihn sehr.  "Er kommt nicht zur Ruhe, Meister!" hörte er Samara, die plötzlich aufgehört hatte, ihn zu liebkosen. Er konnte die schweren Schritte eines Mannes näher kommen hören. Dann ein leises Klirren und Flüssigkeit, die in ein Glas lief. Die Matratze neben ihm senkte sich ab, als jemand sich dort hinkniete. Dann spürte er eine feste Hand in seinem Nacken, die seinen Kopf anhob. An seine Lippen wurde ein Glas gehalten mit scharfriechendem Inhalt.

"Trink!" befahl Quentin immer noch aus der Ferne. Vorsichtig nippte er an dem Glas, es war Brandy. Er wollte den Kopf zurück lehnen, doch die Hand zwang ihn weiter aufrecht und drückte das Glas weiter an seinen Mund.

"Ganz!" kam der nächste Befehl sanft aber bestimmt. Chris fügte sich und leerte den letzten Schluck. Der Brandy war würzig und brannte in seinem Hals, so dass er husten musste. 
Bald tat der Alkohol seine Wirkung, da er bereits vom Champagner angeheitert gewesen war. Die Anspannung fiel von ihm ab und er ließ die Berührungen einfach geschehen. Ein paar weiche Lippen berührten seine Wangen und wanderten langsam zu den Seinen. Er erwiderte den Kuss, während er an seinem Hals ein weiteres paar Lippen fühlte. Samara hatte sich inzwischen auf ihn gesetzt und bewegte sich in einem immer schneller werdenden fordernden Rhythmus. Chris ließ sich nun gänzlich fallen und genoss alles was mit ihm geschah. 


Später, als er sich gesäubert und angezogen hatte, trat Boydt zu ihm und reichte ihm ein Glas Whiskey. Sie prosteten sich zu und Chris trank einen großen Schluck.

"Du könntest ziemlich viel Geld bei mir verdienen." sagte Boydt und trank ebenfalls. Seine Augen waren auf die übrigen Gäste gerichtet, die sich im Salon seines Etablissements amüsierten. 
"Wie meinen Sie das?" fragte Chris neugierig.

"Mit der richtigen Ausbildung könntest du sicher pro Nacht ein paar Tausender verdienen. Exklusive Kundschaft, nicht der Pöbel, der sonst allabendlich herein geschneit kommt. Man müsste bei dir nur hier und da ein paar Kleinigkeiten ändern, etwas mehr Training und weniger Fastfood und schon wärst du der fleischgewordene feuchte Traum." Chris blickte ihn verwirrt an. Er schien nicht zu verstehen, was der Bordellbesitzer ihm vorschlug. "Denk drüber nach. Du kannst mich jederzeit anrufen, wenn du aus deiner kleinen Welt mit den kleinen Träumen ausbrechen willst."
Eine Woche später stieg Chris aus dem Greyhound in Fort Washakie. Thanksginving bei der Familie stand an. Als er auf den alten Straßen des winzigen Örtchens stand fühlte er sich plötzlich nicht mehr zu hause. Alles kam ihm so fremd und einfach vor, ganz anders, als die neue Welt, die er in Washington kennen gelernt hatte. Er sah den Wagen seines Vaters vor dem Eisenwarenladen stehen und ging hinüber. Auf der Farm gab es immer was zu tun und sicher würden sein Vater und seine beiden älteren Brüder den Feiertag nicht verstreichen lassen, ohne die nötigen Reparaturen zu erledigen.
Das kleine Glöckchen an der Tür bimmelte heiser, als er den Laden betrat. Der alte Verne schaute hinter dem Verkaufstresen auf und nickte ihm zu, als er ihn erkannte.

"Dein Vater ist hinten, Chris. Hast du der Hauptstadt endlich den Rücken gekehrt?"

"Nein, Mr. Hemet, ich bin nur für Thanksginving heim gekommen. Das Studium dauert noch eine Weile." antwortete Chris dem alten Mann und ging dann nach hinten, wo die Ersatzteile für Traktoren und Mähmaschinen lagerten.
Sein Vater war gerade dabei einen neuen Ansaugstutzen zu begutachten und bemerkte ihn nicht sogleich.

"Macht die Pumpe wieder Ärger?" Mr. Kienney sah überrascht hoch.

"Junge, du bist schon da? Wie spät ist es denn?" Chris lachte und ließ die Tasche fallen, damit sein Vater ihn umarmen konnte.

"Tut mir leid, Chris. Ich hab die Zeit vergessen, wartest du schon lange?"

"Nein, keine Sorge. Bin gerade erst angekommen. Ich hatte deinen Wagen hier stehen sehn und bin gleich her gekommen."
Am Nachmittag saß die ganze Familie im Wohnzimmer bei Tisch. Megan Kienney und ihre Schwiegertöchter hatten schon seit Tagen Vorbereitungen getroffen und wie üblich Speisen für eine ganze Armee auf den Tisch gebracht. Chris’ kleine Nichten hatten sich links und rechts neben ihm platziert und schnatterten in einem Fort. Mary, die ebenfalls eingeladen war, saß ihm gegenüber und schien nur Augen für ihn zu haben. Und obwohl alles wie früher war, fühlte er sich erneut unwohl und fehl am Platz. Die Gespräche um ihn herum schienen zu verblassen und in seinem Geist wallte die Erinnerung an die Nacht im Blue Griffin auf. Gerüche, Geräusche alles umflog ihn und holte ihn aus der Realität. Sein Herz begann erneut zu pochen, wie in jener Nacht und er spürte dieses Ziehen im Unterleib.

"Christian?" Er schreckte hoch und sah, dass alle ihn anblickten.

"Bitte?" Seine Mutter lachte.

"Du träumst ja mit offenen Augen. Wir wollten wissen, wie dein Studium läuft." Er spürte die Hitze auf seinen Wangen.

"Äh, ja. Soweit alles ok. Ich komm ganz gut zurecht. Entschuldigt mich bitte, ich muss mal kurz raus." So unauffällig wie möglich rutschte er mit dem Stuhl nach hinten und wand sich schnell ab und lief hinaus. Die kalte Luft draußen tat gut. Schnee lag in der Luft. Er atmete tief durch und hoffte, dass niemand die beginnende Erektion bemerkt hatte. Er ging bis zum Pferdegatter und lehnte sich dort an den Zaun. Der Geruch von Heu und Pferdemist umwehte ihn. Mit tiefen Atemzügen versuchte er gegen die aufwallenden Gefühle anzukämpfen.  Plötzlich hörte er hinter sich ein Geräusch. Mary war ihm nachgegangen und trat nun zu ihm.

"Ist alles ok?" fragte sie und stellte sich neben ihn an den Zaun.

"Ich musste einfach an die frische Luft." Sie kuschelte sich an ihn und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.

"Ich habe dich vermisst. Wie lange bleibst du dieses Mal?" Er hatte automatisch den Arm um sie gelegt, doch es fühlte sich nicht mehr so an wie früher. Es fühlte sich irgendwie unangenehm an. Lag es an seinem schlechten Gewissen?

"Ich bin nur übers Wochenende hier. Sonntagabend fahre ich wieder zurück. Ich wollte eh unbedingt mit dir reden, aber ich weiß nicht, ob das jetzt so der beste Zeitpunkt ist." Sie blickte ihn mit ihren Rehbraunen Augen an. Nun wurde ihm noch unwohler.

"Bei dem was ich sagen will, ist es eigentlich egal, wann. Der Zeitpunkt wird wohl nie der Beste sein." Sie sagte immer noch nichts und sah ihn weiter fragend an.
"Es hat sich in meinem Leben einiges verändert. Und ich glaube nicht, dass ich nach dem Studium wieder hier her zurück kommen werde." Sie schwieg weiter.

"Es tut mir Leid, Mary. Aber ich möchte kein kleines Leben mit kleinen Träumen mehr. Und ich fürchte, dass ich dir auch nicht mehr geben kann, was ich dir einmal versprochen habe." Tränen füllten ihre Augen.

"Würdest du mich bitte bei deinen Eltern entschuldigen?" brachte sie hervor und lief zu ihrem Wagen.
Chris blieb noch eine Weile draußen, bis ihm zu kalt wurde. Als er allein wieder hinein kam, sahen ihn alle fragend an.
"Ich hab Schluss gemacht." sagte er schlicht und ging ohne weitere Worte in sein Zimmer.  Er hatte sich gerade auf sein Bett fallen lassen, als die Tür aufging, und seine beiden Brüder herein kamen.

"Nicht unsere Idee!" sagte Mike gleich beim Eintreten.

"Die Frauen meinten, wir müssten als große Brüder mit dir sprechen." Chris brummte nur und schloss die Augen.
"Erzählst du uns warum?" Pete hatte sich ans Fenster gestellt und betrachtete ihn mit verschränkten Armen.
Sie mussten eine ganze Weile warten, bis ihr kleiner Bruder ihnen antwortete.
"Ich habe einfach eine andere Sicht auf die Welt bekommen. Ich will kein Tierarzt mehr werden und hier leben. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie anders das Leben in Washington ist. Ich will ... ich weiß nicht, wie ich das erklären soll."
"Hast du eine andere kennen gelernt?" Erinnerungsfetzen waberten durch seinen Geist. Ruckartig setzte er sich auf und vertrieb dieses warme Gefühl.

"Nein, so ist es nicht. Aber ich habe da eine ganz neue Freiheit kennen gelernt. Es wäre Mary nicht fair gegenüber, wenn sie hier wartet, dass ich zurückkomme, wenn ich das doch gar nicht mehr will."
"Du musst wissen, was du willst. Das Mädchen wird sich schon fangen. Ist ja ein hübscher Käfer. Die wird nicht lange allein sein. Und du kommst jetzt mit runter. Mom hat gesagt, dass es erst Kuchen gibt, wenn du unten bei Tisch sitzt."

Am Montagnachmittag nach der Vorlesung nahm er allen Mut zusammen und fuhr zum Blue Phoenix. Da das Etablissement tagsüber geschlossen war, dauerte es eine Weile, bis ihm die Tür geöffnet wurde.

"Ich würde gern mit Mr Boydt sprechen, bitte." sagte er, als eine junge Blondine mit leicht verschlafenem Blick ihm öffnete. Sie bat ihn herein und führte ihn in den großen Salon, wo die Junggesellen Party stattgefunden hatte.

"Ich werde Quentin holen, machen Sie es sich doch bitte bequem." Chris setzte sich in einen der Sessel und wartete. Seine Finger zitterten leicht vor Nervosität. In der Luft lag ein feiner Hauch von Patschuli. Es dauerte nicht lange, dann kam Quentin Boydt, gewohnt elegant gekleidet die viktorianische Wendeltreppe herunter.

"Christian, schön Sie zu sehen. Also haben Sie über mein Angebot nachgedacht?" Chris nickte und erhob sich, um die ausgestreckte Hand des Bordellbesitzers zu ergreifen.

"Ja, ich denke, das habe ich."

"Dann kommen Sie mal mit in mein Büro. Meine stille Teilhaberin ist gerade da, dann können wir alles Weitere besprechen."
Boydt führte ihn die Wendeltreppe hinauf und dort in ein großes geschmackvoll eingerichtetes Büro. Neben dem riesigen Mahagoni-Schreibtisch stand eine wunderschöne Farbige, in einem eleganten schwarzen Kostüm. Ihre majestätischen Gesichtszüge erhellten sich etwas, als die beiden Männer in den Raum traten.

"Aveline, darf ich dir Mr Kienney vorstellen? Christian, dies ist meine Partnerin Aveline La Fleure."

"Ma´am" Chris nahm die entgegen gestreckte Hand und hauchte ihr einen Kuss auf den Rücken.

"Oh, ich sehe Potential!" meinte sie an ihren Partner gerichtet.

"Cheri, zieh dein Hemd aus!"
Chris war kurz überrumpelt, doch dann tat er, wie ihm gehießen. Mit prüfendem Blick umrundete ihn die Frau und betrachtete scheinbar jeden Zentimeter seines Körpers. Er versuchte, sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen. Sie fuhr mit den manikürten Fingerspitzen über seinen Rücken und ihre Nägel kratzen über seine Haut. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihn, was ihm peinlich war. Dieses Unwohlsein wurde extrem verstärkt, als ihre Hände an seinem Po angekommen waren und hier herzhaft zugriffen.

"Quentin, mein Schatz, du hast wirklich ein gutes Auge. Wir müssen zwar hier und da ein paar kleinere Korrekturen machen, und ein paar kleine Pfündchen müssen hier noch runter", sagte sie, als sie über seinen Bauch streichelte.

"Da war jemand zu Thanksgiving bei Mama daheim?" Betreten blickte Chris zu Boden.

"Du musst nicht schüchtern sein. Dafür gibt es keinen Grund. Ganz im Gegenteil, es ist zwar charmant, doch wird es dir in unserem Job ehr hinderlich sein. Aber auch das kriegen wir schon hin." Quentin nahm hinter seinem Schreibtisch Platz und holte seinen Terminplaner heraus.
"Als erstes machen wir erst mal einen Termin bei Jarod. Er ist Personaltrainer und wird dir ein Workout verpassen. Zusätzlich solltest du am besten ein Kampfsport Training absolvieren. Wing Tsun oder Jiu Jitsu zum Beispiel. Nur kein Boxen, Du musst gut auf dein Gesicht aufpassen. Apropos Gesicht, morgen früh kommst du hier her, dann ist unsere Kosmetikerin hier. Das wird sehr lehrreich für dich, glaub mir. Und am Nachmittag gehen wir beide etwas shoppen. Deine Garderobe muss unbedingt dem neuen Stil angepasst werden." Quentin war nun ganz in seinem Element als Manager und Organisator.

"Willst du eigentlich im Studentenwohnheim bleiben? Ich mein, dein Studium musst du nicht abbrechen, aber wir haben hier genug Wohnfläche, zur Verfügung. Die meisten unserer Angestellten wohnen hier zusammen. Wenn du also möchtest..."

 


Am nächsten Tag war Chris in das Blue Phoenix umgezogen und begann sein neues Leben.
Die Kosmetikerin hatte ihn 2 Stunden lang eingehend untersucht und ihm dann ein Pflegeprogramm zusammengestellt, dass er das Gefühl hatte, allein den halben Tag damit beschäftigt sein zu müssen. Die Anwendungsanleitung, die sie ihm dazu gegeben hatte, nahm beinahe das Ausmaß der Bedienungsanleitung für ein Spaceshuttle an. Ungefähr genauso verständlich war es auch für ihn. Die jungen Damen, die im Phoenix arbeiteten, gaben sich große Mühe, ihm zu erklären, wann was wie benutzt werden sollte. Weitere zwei Stunden später saß er erschöpft auf seinem Bett. als Quentin klopfte.

"Bereit?" fragte er und meinte den gemeinsamen Ausflug zum Shoppen. Chris ließ sich nach hinten fallen und schloss die Augen.

"Bitte, ich kann nicht mehr. Warum tun Frauen sich so was täglich an?" Quentin trat lachend ein und besah sich die Masse an Tiegelchen, die Olga dem jungen Mann aufgedrückt hatte. "Sie wollen schön für uns sein, mein Junge. Unsere Artgenossen sind einfach so oberflächlich, dass das zarte Geschlecht der Meinung ist, die absolute Perfektion erreichen zu müssen. Mir persönlich gefiel meine Frau am besten, als sie nach sechs Stunden Wehen  unseren Sohn zur Welt gebracht hatte." Chris betrachtete ihn verblüfft.

"Sie sind verheiratet?"

"Natürlich, was dachtest du denn über mich? Seit fünfzehn Jahren. Ich habe drei wunderbare Kinder und trainiere die Junior League meines Jüngsten. Das hier ist Business, mehr nicht. Und jetzt hoch mit dir. Verpassen wir dir ein Outfit, was zu deinem neuen Job passt."
Quentin führte ihn in Geschäfte, die er bislang nur von außen kannte. Armani, Boss, die Preise auf den Etiketten verursachten ihm Schwindel. Stundenlang ging es nun nur noch um An- und Ausziehen, Ausmessen, Schrittweite, Taille, Armlänge. Hemden, Hosen, Jacketts, Westen. Dunkle Farben, darauf bestand Quentin, schwarz und dunkles Blau. Chris erkannte sich im Spiegel kaum. Er betrachtete sich in einem schwarzen Boss- Anzug, dazu hatte man ihm ein ebenso schwarzes Hemd gegeben und eine dunkelrote Krawatte, die Quentin ihm gebunden hatte.

"Das musst du auf jeden Fall noch lernen", hatte er nur gemurmelt und ihn dann betrachtet. "Ausgezeichnet. Die Schultern müssen noch etwas angepasst werden, da ist es noch etwas zu weit und auch die Taille sollte noch etwas abgeändert werden. Ansonsten, perfekt. Anton, schicken Sie uns die ganze Auswahl ins Haus. Die passenden Schuhe und Accessoires ebenfalls. Rechnung wie immer aufs Phoenix." Der alte Schneider nickte eifrig und ließ seine Assistenten alles zusammen packen.
"So, mein Junge, das war’s. Hunger?" Als Chris die Frage mit einem Nicken beantwortete führte er ihn zu seinem Wagen.

"Worauf hast du denn Hunger? Thai? Italienisch? Griechisch?"

"Also, ich kenn mich ehrlich nicht wirklich mit ausländischem Essen aus. Das exotischste bei uns war Pizza."

"Hm ok, dann fangen wir vielleicht langsam an. Ich schlage Don Martinos vor. Ein wundervolles italienisches Lokal. Sizilianische Spezialitäten, alles nur keine Pizza. Du wirst es lieben, versprochen."
Später saßen sie gemeinsam an einem ruhigen Tisch. Quentin hatte die Auswahl an Wein und Speisen übernommen und so genoßen sie gerade die Vorspeise - Muscheln in Weißwein Soße.

"Weiß ihre Frau, was Sie beruflich machen?"
"Natürlich. Vor meiner Frau habe ich keine Geheimnisse. Das solltest du dir auch hinter die Ohren schreiben. Wenn du einen Menschen gefunden hast, den du von ganzem Herzen liebst, lass keine Geheimnisse zwischen euch kommen. Das verkompliziert alles. Die Wahrheit ist immer die bessere Alternative."
"Dann hat ihre Frau keine Probleme damit?"

"Warum sollte sie? Es ist eine Dienstleistung wie jede andere auch. Wir erfüllen erotische Träume. Verwechsle das niemals mit einfacher Prostitution. Jeder einzelne von euch ist ein Künstler, aus dir wird zumindest mal einer. Es geht nicht immer um Sex, es ist Leidenschaft die wir anbieten. Du wirst sehen, nicht jeder Abend endet zwischen den Kissen. Viele wollen einfach einen stilvollen Abend in angenehmer Begleitung. Sharon hat zum Beispiel einen Stammkunden, der sie jeden Mittwochabend zum Essen ausführt. Danach gehen sie ins Theater oder ins Konzert oder tanzen und danach bringt er sie ganz Gentlemenlike nach Hause und gibt ihr einen artigen Gute Nacht Kuss auf die Wange. Der Spaß kostet ihn jedes Mal viertausend Dollar. Aber das ist es ihm wohl wert." Chris war überrascht und ließ es sich auch anmerken.

"So viel?"

"Das ist noch gar nichts. Für dich könnten wir eine Menge mehr rausholen. Was hältst du von zehntausend?" Chris verschluckte sich an seinem Wein.

"Wenn du bereit bist, etwas dafür zu tun? Hast du schon mal mit einem Mann geschlafen?" "Nein."

"Würdest du?"

"Ich weiß nicht."

Quentin stand plötzlich auf und kam um den Tisch herum. Er beugte sich vor, legte Chris die Hand in den Nacken, zog ihn zu sich und gab ihm einen innigen Kuss. Chris erstarrte überwältigt, dann erwiderte er den Kuss. Die Lippen des anderen Mannes waren weicher, als er geglaubt hatte. Als Quentin ihn freigab, klopfte sein Herz unglaublich schnell.

"Und?" Chris nahm erst mal einen großen Schluck Wasser.

"Nun... es war anders als ich mir vorgestellt hatte. Aber zwischen einem Kuss und Sex ist doch ein weiter Unterschied." Quentin setzte sich lachend wieder hin.

"So groß ist der Unterschied nicht und am Ende spielt es keine Rolle mehr."

"Haben Sie es schon gemacht?"

"Was, mit Männern schlafen? Durchaus. Ich habe mich nie von gesellschaftlichen Grenzen einschränken lassen, egal in welchem Bereich. Das heißt aber nicht, dass du nicht wählerisch sein darfst. Ich werde dir jeden Kunden erst einmal vorstellen, Du allein entscheidest, auf welches Angebot du eingehen möchtest. Ich beschäftige keine billigen Nutten. Eure Exklusivität macht unseren Ruf aus. Und dich möchte ich als besondere Rarität halten. Je seltener du ja sagst, umso höher wird dein Kurs."
In den nächsten Tagen kam Chris kaum zur Ruhe. Neben den angekündigten Sport- und Trainingseinheiten bekam er von Aveline Unterricht in gutem Benehmen. Sie brachte ihm eine vornehme Haltung und elegante Ausdrucksweise bei. Zusammen mit den Mädchen unterrichtete sie ihn im Tanzen und Konversation. Abends bei Tisch wurden seine Tischmanieren aufpoliert und ihm wurden die Unterschiede zwischen verschiedenen Gabeln. Löffeln und Gläsern beigebracht. Abends fiel er erschöpft ins Bett und schlief fast immer augenblicklich ein.
Etwa zwei Wochen nach dem er eingezogen war rief Quentin ihn abends in sein Büro. Aveline war ebenfalls anwesend und thronte in ihrem wundervollen Chersterfield Sessel, der am Fenster im Erker platziert war.

"Ihr wolltet mich sprechen?" fragte er und nahm in einem der Sessel, die vor Quentins Schreibtisch standen, Platz.

"Ja, wir sind äußerst zufrieden mit deinen Fortschritten. Du lernst erstaunlich schnell und deine Trainer sind mehr als zufrieden. Ich hätte nicht erwartet, dass es so schnell geht." Aveline war ihre Begeisterung anzuhören.

"Was hältst du von einem kleinen Job. Eine Generalprobe so zu sagen. Keine Sorge, nichts exotisches. Ein ziemlich einflussreicher Kunde möchte eine Begleitung für seine Gattin heute Abend. Essen und Oper. Er selbst ist verhindert und lässt einiges Springen, damit seine Herzensdame einen schönen Abend hat, zu seinen Konditionen versteht sich. Meine Frau und ich sind mit diesem Herrn privat bekannt und werden Aveline und ich also ebenfalls dabei sein, du bist also nicht allein. Interesse?"
Chris überlegte nicht lang und sagte sofort zu, obwohl ihm das Herz fast stehen geblieben wäre.

"Schön, dann wird Olga am späten Nachmittag herkommen und dir zur Hand gehen. Leg für Pauline den Boss Anzug raus, der sollte heute Abend perfekt passen. Und sag am besten das Training mit Claude ab. Wenn du etwas Bewegung brauchst, empfehle ich dir ein paar Runden im Pool oder etwas Laufarbeit."
Am frühen Abend war es soweit. Chris hatte sich umgezogen und mit Olgas Hilfe ein angenehmes, nicht zu aufdringliches Aftershave ausgewählt. Er betrachtete sich noch einmal im Spiegel. Der dunkle Anzug schmiegte sich perfekt an seinen Körper an. Das weiße Hemd hatte er nicht komplett geschlossen und auf Fliege und Krawatte verzichtet, statt dessen trug er ein dünnes schwarzes Lederband mit einem kleinen silbernen Anhänger - einen Phoenix mit winzigem Saphir-Auge.  Um sein Handgelenk schlang sich ein teuere Fossil mit breitem schwarzem Lederarmband. Quentin hatte ihm für jede Hand jeweils für Ring -  und Zeigefinger Silberringe anfertigen lassen. Nochmal ein kurzer Check - Frisur ok, Schuhe ok, Outfit ok. Er war absolut zufrieden mit seinem Aussehen und hoffte, dass auch Quentin und Aveline es so sehen würden. Ein leises Klopfen riss ihn aus den Gedanken. Auf seine Aufforderung wurde die Tür geöffnet und die schöne Farbige betrat in einem umwerfenden dunkelblauen Kleid sein Zimmer.

"Du siehst fantastisch aus Cheri." schwärmte sie und trat hinter ihm. Mit ihren schlanken Fingern richtete sie seinen Kragen ein bisschen und führte einige winzige Korrekturen an seiner Frisur aus.

"So, nun ist es perfekt. Bist du bereit?" Chris schluckte und nickte. Nun wurde ihm schon etwas mulmig. Aveline hakte ihn unter und führte ihn nach draußen. Quentin erwartete sie bereits im Foyer. Er trug einen schwarzen Smoking und wirkte nicht minder elegant wie seine Partnerin. An seinem Gesichtsausdruck erkannte Chris, dass Quentin sehr zufrieden mit ihm war. Gemeinsam fuhren sie zum Opernhaus.

"Werden wir die Dame nicht abholen?" fragte er Quentin, als der Wagen vor der Oper anhielt.

"Nein, Mrs. Bradshaw erwartet uns bereits in ihrer Loge. Wir werden sie gleich treffen." Die Nervosität wuchs weiter an in Chris. Bisher hatte er sich keine Gedanken um sein Date für heute gemacht, aber in seinen Gedanken entstanden Bilder von einer reifen Dame der Gesellschaft, die sich gern mit jungen Männern schmückte. Er schüttelte den Kopf, um diese Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben. Er wurde fürstlich dafür bezahlt, mit der Dame die Aufführung an zusehen und anschließend mit ihr essen zu gehen. Da war das Alter doch vollkommen egal.

"Alles ok?" fragte Quentin mit besorgtem Unterton, da er Chris´ Kopfschütteln bemerkt hatte.

"Ja, alles in Ordnung." antwortete Chris schnell und lächelte etwas verlegen. Quentin führte sie durch das Foyer hinauf zu den Privatlogen. Vor einer der vorderen Logen blieb er stehen und klopfte sachte an. Ein Butler öffnete die Tür und ließ sie dann eintreten. Die Loge war elegant eingerichtet, an der Brüstung standen bequeme Sessel. In einem davon saß Mrs. Bradshaw. Allerdings war es nicht die erwartete reife Dame der Gesellschaft. Zu Chris´ Überraschung saß dort eine junge Frau, kaum älter als er selbst. Ihr schwarzes Haar war kunstvoll geflochten und hochgesteckt. Ihr schlanker Körper steckte in einem eleganten roten Satinkleid. Sie lächelte fröhlich, als Quentin zu ihr trat und sie mit einem Kuss auf die Wange begrüßte.

"Clair, meine Liebe. Schön sie zu sehen. Darf ich Ihnen Christian vorstellen? Er wird ihnen heute Abend Gesellschaft leisten." Sie stand auf und wandte sich ihm zu. Chris verbeugte sich höflich und gab ihr einen galanten Handkuss.

"Es freut mich, Sie kennen zu lernen Mrs. Bradshaw."  Nachdem sich die beiden Frauen ebenfalls sehr vertraut begrüßt hatten, wurde das Licht gedimmt. Sie nahmen alle ihre Plätze ein und die Vorstellung begann. Im Zwielicht betrachtete Chris seine Klientin. Sie hatte ein fein geschnittenes Gesicht, ihre Nase war ein kleines bisschen gestupst und wenn sie lächelte hatte sie links neben den Lippen ein kleines freches Grübchen. Sie attraktiv zu nennen wäre eine furchtbare Untertreibung und Chris begann zu bedauern, dass sie fast den ganzen Abend hier in dieser dunklen Loge sitzen mussten.

Die Musik selbst schläferte ihn fast ein. Er hätte nichts gegen ein anständiges Metall-Konzert gehabt, mit Oper konnte er offensichtlich gar nichts anfangen.
Dann gab es Applaus und das Licht ging an - Pause. Quentin erhob sich und bot Aveline seinen Arm an, Chris tat es ihm gleich und führte die junge Mrs Bradshaw hinaus in den Salon, wo befrackte Butler Champagner reichten. Die Damen verabschiedeten sich, um sich die Nasen zu pudern und die beiden Männer blieben allein zurück. Quentin schmunzelte, als er Chris dabei beobachtete, wie er mit leicht verträumtem Blick hinter seiner Begleiterin her sah.
"Sie gefällt dir, was?" fragte er und nahm einen Schluck Champagner. Chris errötete bis in die Haarspitzen.

"Ist das so offensichtlich? Ich hatte ehr mit einer reiferen Dame gerechnet."
"Dein erster Auftrag sollte schon etwas angenehmes sein." lachte Quentin leise.

"Ich wollte dich nicht gleich verschrecken. Aber schreib dir eines hinter die Ohren. Verliebe dich nie in Klienten! Vor allem nicht in diese. Ihr Mann ist einer der einflussreichsten Mafiosi unserer Stadt. Wenn du ihr zu nah kommst, macht er dich glatt kalt!"
Als Aveline wenige Augenblicke später wieder zu ihnen stieß, war Chris totenbleich.

"Ist alles in Ordnung mit ihm?" Fragte sie besorgt, doch als sie Quentins schelmisches Grinsen sah, stemmte sie böse die Hände in die Hüften.

"Du hast ihm doch nicht etwa von Clairs Ehemann erzählt?"  Quentin zwinkerte ihr zu, doch sie funkelte ihn nur böse an und wandte sich an den jungen Mann.

"Ganz gleich was er dir erzählt hat, es stimmt nicht. Cole Bradshaw ist ein einflussreicher Geschäftsmann und..." sie unterbrach sich, da Clair soeben wieder bei ihnen angekommen war.

"Redet ihr gerade von meinem Cole?" fragte sie mit einer fast kindlich klingenden Stimme. "Ich wollte Christian gerade von ihm erzählen." sagte Aveline nonchalante. Clair begann zu strahlen, ganz offensichtlich liebte sie ihren Ehemann abgöttisch.

"Oh, Cole ist so ein wunderbare Mann. Christian, sie würden ihn bestimmt mögen." Und schon fing sie an zu plappern und die Vorzüge ihres Gatten darzulegen. Schon war seine beginnende Verliebtheit wie weggeblasen. Schon war die Pause zu Ende und es folgte eine weitere quälende Stunde Oper. Anschließend bestiegen sie zusammen Quentins Luxuswagen und fuhren in eines der teuersten Restaurants in ganz Washington. Eine Stunde lang bestes französisches Essen, teure Weine und das unentwegte Geplapper von Little Miss Clair. Gegen elf Uhr abends hielt der Wagen vor dem Haus der Bradshaws und Chris verabschiedete die junge Frau an der Tür mit einem galanten Handkuss.
Als er wieder im Auto saß, schien es, als fiele eine Last von seinen Schultern. Quentin grinste und schaute ihn im Rückspiegel an.

"Und? Wie fandst du dein erstes Mal?" "Puh, anstrengend. Und lehrreich. Soviel zum äußeren Schein." Aveline lachte herzlich auf.

"Der Schein trügt immer, vor allem in der Preisklasse, in der wir uns bewegen. Aber vergiss niemals, Du verkaufst nicht dich, sondern eine Illusion. Solange du sie aufrecht erhältst, kannst du mit ihnen machen, was du dir wünschst." 

Mittlerweile hatte Chris das Studium abgeschlossen und sich ganz auf die Arbeit im Blue Phoenix Escort gestürzt. Seit fünf Jahren arbeitete er jetzt schon für Quentin und Aveline und bereute keinen einzigen Tag. Sein Leben hatte sich gänzlich gewandelt. Er hatte sich vor einem Jahr ein großes Appartement in der Innenstadt zugelegt, Penthouse mit unglaublichem Ausblick über die Stadt. Zwar wohnte er immer noch in seinem Zimmer im Blue Phoenix, aber für private Stunden zog er sich lieber hierhin zurück. Gerade stand er auf der Terrasse und blickte zufrieden lächelnd in den azurblauen Himmel hinein. Es lief wirklich verdammt gut für ihn. Sein Konto war gut gefüllt, vor dem Haus parkte eine Harley, die er sich selbst zum 25. Geburtstag geschenkt hatte und heute Abend würde er mit einer bezaubernden jungen Frau zu Abend essen. Das alles war mehr, als er sich damals, als er nach Washington ging, jemals erträumt hatte. Sein Blick wanderte zu dem Brief auf dem kleinen Kaffeetisch. Eine Einladung zum Klassentreffen. Die Washakie Wildcats feierten traditionell alle 7 Jahre ein Klassentreffen und dieses Jahr sollte das Erste für seinen Abschluss-Jahrgang stattfinden. 

"Um Rückmeldung bis zum 15. Mai wird gebeten" stand in geschwungenen Lettern auf der Einladung - die Frist lief morgen aus. Den Brief hatte er jetzt schon drei Wochen da liegen, und hatte sich bisher nicht entscheiden können. Nun hatte er sich endlich entschieden, er würde fahren. Für eine schriftliche Benachrichtigung war es jetzt natürlich schon etwas spät, also nahm er sein Handy zur Hand und wählte die Nummer von Susann Barlow. Sie war die Leiterin des Schulkomitees und organisierte seit langem die Klassentreffen. Außerdem war sie eine gute Freundin seiner Mutter.
"Mrs. Barlow, Chris Kienney hier, Megans Sohn. Wie geht es Ihnen?"

"Chris, mein Lieber, danke es geht mir sehr gut. Wie schön von dir zu hören. Geht es dir da in der Hauptstadt auch gut?" Chris lächelte. Sie war fast wie eine Tante für ihn.

"Danke, mir geht es hier wirklich fantastisch. Ich wollte mich wegen des Klassentreffens bei Ihnen melden. Leider konnte ich nicht früher abschätzen, ob ich den Termin schaffen würde, daher würde ich gern telefonisch bei Ihnen zusagen."

"Oh wie lieb von dir. Das ist wunderbar. Es werden fast alle deine Klassenkameraden anwesend sein. Und deine Ma wird sich sicher auch freuen, wenn du mal wieder da bist."

 

Und so war es dann auch.

Als er am 25.Mai bei seinen Eltern auf der Farm anhielt, stürmte Megan Kienney mit ausgebreiteten Armen auf ihren jüngsten Sohn zu.

"Chris, mein lieber Schatz, wie schön, dass du endlich da bist!" rief sie ihm schon von der Veranda aus zu. während er seine Mom umarmte, fühlte er sich mit einem Mal schrecklich schuldig. Seit dem Thanksgiving, an dem er sich von Mary getrennt und sich für sein neues Leben entschieden hatte, war er nicht mehr zu Hause gewesen. Besuchsversuche seiner Eltern hatte er immer mit Vorwänden abgewiegelt, wie hätte er ihnen auch sein neues Zuhause erklären können? Oder seinen neuen Job? Jetzt schob er erst mal diese Gedanken fort. Seine Mutter führte ihn gleich ins Haus.

"Dein Vater und deine Brüder werden nachher erst kommen. Sie sind in der Stadt um beim Aufbau des Festzeltes zu helfen. Es wird ein riesiges Familienpicknick geben, wie früher." Chris hörte ihrem aufgeregten Redefluss lächelnd zu. Er hatte schon immer ein enges Verhältnis zu seiner Mutter. Jetzt saß er bei ihr in der Küche und hörte zu, wie sie von ihrem Alltag erzählte, von ihren Erlebnissen mit dem Frauenverein und ihrem grandiosen Erfolg beim letzten Torten-Back-Wettbewerb. Dabei setzte sie ihm immer wieder Kekse und Kuchen und allerlei Selbsteingemachtes vor. Aus Höflichkeit nahm er sich einen Keks, rührte den Rest aber nicht an. Als seine Mutter das bemerkte, sah sie ihn prüfend an.

"Bist du krank, mein Kind? Warum isst du denn nichts?" Sofort landete ihre Hand auf seiner Stirn um zu testen, ob er nicht doch Fieber habe.

"Mir geht es gut, Ma. Ich achte nur etwas mehr auf meine Ernährung." lachte er und nahm ihre Hand von seiner Stirn und gab ihr einen Kuss auf den Handrücken.

"Du siehst wundervoll aus. Und so schick. Ist das Auto deins?"

"Nein, das ist ein Leihwagen. Ich habe mir ein Motorrad gekauft. Ein Auto ist in der City zu unbeweglich." Seine Mutter blickte für einen Moment besorgt drein, bevor sie sich erinnerte, dass alle ihre Babys erwachsene Männer waren. Dann lächelte sie wieder.
Später kamen dann die Männer wieder heim und Chris beobachtete aus dem Küchenfenster heraus, wie sie prüfend um seinen Leihwagen - einen schwarzen BMW X6, betrachteten. Grinsend trat er auf die Veranda heraus.
"Fährt sich etwas steif, aber man sitzt bequem!" rief er ihnen lachend zu.

"Der Kleine ist da!" Sie kamen schnell zu ihm herüber und begrüßten ihn nicht weniger überschwänglich, als seine Mutter es getan hatte.

"Du hast dich lange nicht blicken lassen. Was ist denn mit dir passiert?" Sein ältester Bruder Mike zupfte an Chris´ weinroten Hemd und betrachtete mit hochgezogenen Augen die Anzughose.

"Bist du unter die Frackträger gegangen?" Chris wischte die Hand seines Bruders übertrieben ab.

"Stil hat man oder eben nicht!" frotzelte er und erntete einen Knuff von Mike in den Magen. Da wurden die Augen seines Bruders noch größer. Mit den Fingern tastete er den Bauch seines kleinen Bruders ab, blickte überrascht hoch und zog dann unter heftiger Gegenwehr das Hemd hoch.

"Wow, sieh dir das an. Das nennt man wohl ein Sixpack." entwich es Pete.

Am Abend fuhr Chris zum offiziellen Klassentreffen, das in der Sporthalle der Schule stattfand. Er hatte sich für einen sportlicheren Armani Anzug in Mitternachtsblau entschieden, was ihm trotzdem den Spott und die Frotzeleien seiner Brüder eingetragen hatte. Nur seine Mutter und seine Schwägerinnen waren sichtlich beeindruckt.
Als er nun die Sporthalle betrat und sich umsah, kam er sich schon ein wenig overdresst vor. Dann kam ihm Aveline Stimme in den Sinn: "Stil hat man oder eben nicht." Also straffte er die Schultern und ging hinein. Gleich am Eingang hörte er seinen Namen und gleich wurde er von hinten angesprungen. John Wethers war ihm wie früher auf den Rücken gesprungen, um ihn - wie früher - um zu reißen. Damals war Chris nicht mal ansatzweise so trainiert, wie heute, so dass er nur etwas schwankte.

"Komm runter da, John. Du zerknitterst meinen Anzug." lachte Chris und versuchte sich von seinem Jugendfreund zu befreien.

"Man, man, man. Du hast trainiert. Du bist echt nicht mehr so leicht umzuhauen. Schön, dass du dich mal wieder hier blicken lässt." sprudelte John los, nur um gleich darauf nach Luft zu schnappen. Während der Asthmatiker wieder zu Kräften kam, gesellten sich noch zwei weitere Gestalten dazu - Tina Bennet und Pat O´Reilly, die ebenfalls Teil ihrer kleinen Clique waren. Es überraschte Chris nicht im Mindesten, dass Tina nun O´Reilly und nicht mehr Bennet hieß und sich hochschwanger durch die Klassenkameraden schob.

"Und was wird es?" fragte er, während er sie zur Begrüßung auf die Wange küsste.

"Ein Mädchen, schon wieder." antwortete Pat für seine Frau und umarmte sie zärtlich. Gemeinsam gingen sie an einen der vielen Tische und unterhielten sich ein wenig.

"Chris, jetzt erzähl mal. Dir scheint es in Washington nicht schlecht zu gehen, wenn man deinen teuren Anzug so anschaut. Und gut im Training scheinst du auch zu sein." forderte Tina ihn auf.

"Verdient man als Tierarzt wirklich so gut?" Chris nahm einen großen Schluck Bier und verzögerte die Antwort somit noch etwas hinaus.

"Also, nein, als Tierarzt würde ich sicher nicht so verdienen. Ich arbeite im privaten Dienstleistungsbereich für eine recht elitäre Klientel. Und ja, ich bin äußerst zu frieden."

"Du machst aber ein großes Geheimnis darum." lachte Pat.

"Aber es ist schön zu sehen, dass es dir gut geht. Ich hätte nie gedacht, dass du mal ein Großstadt - Yuppie wirst. Ehr hätte ich dich an Marys Seite gesehen, mit einer Menge Kindern und einer Praxis hier in der Stadt."
"Mary hat er ja rechtzeitig abgeschoben, bevor er groß Karriere gemacht hat. Wäre sie dir hinderlich gewesen?" Als sie sich umsahen, stand Fouler Pierce, Marys Zwillingsbruder, hinter ihnen. Wie immer war er betrunken, er hatte also sein Alkoholproblem, dass sich bereits mit 14 eingeschlichen hatte, nicht in den Griff bekommen.

"Fouler, du weißt, dass es nicht so ist. Aber das ist nur eine Sache zwischen mir und Mary." Damit betrachtete Chris die Unterhaltung als beendet und wandte sich wieder um. Doch für Fouler war die Sache nicht beendet und er riss Chris plötzlich am Kragen nach hinten vom Stuhl. Trotz der Überraschung schaffte er es sich seitlich zu drehen, so dass er auf den Knien aufkam und schnell wieder auf die Füße kam. Es war schlagartig still geworden, und alle Anwesenden starrten sie an. In Foulers Gesicht spiegelte sich die Wut eines Betrunkenen. Er ballte seine Fäuste und holte aus. Zu weit, zu langsam zu unbeholfen, typisch für seinen alkoholisierten Zustand. Es war leicht für Chris seinem Schlag auszuweichen und so stolperte Fouler an ihm vorbei gegen den Tisch. Doch das machte ihn nur noch wütender. Er drehte sich so schnell er vermochte um und stürmte erneut auf Chris los. Dieses Mal war es nicht so leicht, ihm auszuweichen, da er mit seinem ganzen Körper gegen ihn prallte. Ein Tackling wie beim Football. Fouler war damals in der Schulmanschaft gewesen. Chris stemmte sich mit seiner ganzen Kraft dagegen und schaffte es so eben, nicht umzufallen. Als Fouler sich nun wieder aufrichtete, holte Chris einmal aus und donnerte ihm einen rechten Haken in den Magen und setzte ihn, als er sich krümmte mit einem gezielten Schlag in den Nacken außer Gefecht. Foulers Freunde kamen gelaufen und zogen ihn hoch.

"Er ist betrunken..:" versuchte Lynn-Ann - seine aktuelle Dauerfreundin, ihn zu entschuldigen. Chris winkte nur heftig atmend ab und ging durch die Gaffer Richtung Toilette. Seine Freunde folgten ihm.

"Alles ok, Chris?" fragte Pat besorgt, als Chris vor dem Waschbecken stand und sich im Spiegel begutachtete. Chris nickte nur und wusch sich sein Gesicht mit kaltem Wasser. Als er sich wieder abgetrocknet und die Frisur gerichtet hatte, wand er sich seinen Freunden zu. "Seit mir bitte nicht böse, aber mir ist der Spaß für heute Abend vergangen. Wollen wir uns nicht morgen einfach beim Familienpicknick treffen und weiterreden?" Natürlich hatten sie nichts dagegen und so verließ Chris das Klassentreffen schon nach kurzer Zeit. Als er zu seinem Wagen ging, bemerkte er nicht, dass Fouler und zwei seiner Freunde ihm gefolgt waren. Sie waren jedoch nicht schnell genug bei ihm, so dass sie ihn nur noch davon fahren sehen konnten. Der mittlerweile nicht mehr ganz so betrunkene Fouler knurrte hinter ihm her.

"Ich finde noch heraus, was du verheimlichst. Auf ehrlichem Weg kannst du gar nicht so viel Kohle machen!"


Am nächsten Tag fuhr Chris mit seinen Eltern zum Familienpicknick im Stadtpark. Seine Geschwister wollten sich dort ebenfalls mit ihren Familien mit ihnen treffen. Von seinem Zusammenstoß mit Fouler Pierce hatte er niemandem etwas gesagt. Er wollte das Thema Mary gar nicht mehr ansprechen und somit auch nicht, dass ihr versoffener Bruder ihn angegriffen hatte.
Pat und Tina hatten bereits eine große Tischgruppe für sie reserviert und Mike hatte einen riesigen Grill aufgebaut, den Chris´ Vater erst einmal fachmännisch in Augenschein nahm. Wenig später gesellten sich auch seine Brüder und ihre Familien zu der Gruppe. Es war herrlich. Chris genoss es sichtlich im Kreis seiner Familie zu sein, mit seinen Brüdern und seinen Freunden Football zu spielen oder mit seinen kleinen Nichten  zu spielen. Irgendwann rief Mr Kienney alle zu Tisch und servierte frisch gegrillte Steaks und Burger. Während es Essens begannen sie alle sich zu unterhalten. Aufgeregt wurde über das erwartete Baby gesprochen, über die letzte Ernte und den bisher viel zu trockenen Frühling. Chris lauschte begeistert und genoss die Zeit. Dass Familie Pierce auftauchte, bekam niemand mit. Fouler baute sich mit seinem Anhang direkt hinter Chris auf.

"Warum erzählst du uns denn nicht von deinem neuen Job, Mr Kienney? Du verdienst doch jetzt richtig Asche, im heißen Washington."
"Hast du nicht gestern Abend schon genug Ärger gemacht, Fouler?" fragte Mike. Bevor noch weiter auf die Frage eingegangen wurde, stand Chris auf und wandte sich dem Widersacher zu.

"Bitte, Fouler. Wir möchten hier einen schönen Tag verbringen. Ganz gleich welchen Groll du gegen mich hegst, vermies meinen Eltern nicht dieses Picknick." Er hatte versucht so beruhigend wie möglich ihn ein zureden, doch es hatte offenbar die umgekehrte Wirkung auf den Wüterich, denn dieser fuhr mit rotem Kopf fort.

"Warum erzählst du deinen Eltern nicht vom Blue Phoenix Escort Service?" Chris fühlte sich, als hätte er ihm ins Gesicht geschlagen. Rings um sie herum war es toten Still geworden. Alle Anwesenden hatten sich ihnen zugewandt.

"Warum sagst du ihnen nicht, dass ihr jüngster Sohn eine Nutte ist?"
Im ersten Augenblick wollte er sich auf Fouler stürzen und ihm einfach nur Schmerz zu fügen. Er fühlte tiefe Wut in sich aufsteigen. Doch schon im nächsten Moment besann er sich eines Besseren. Er straffte seinen Rücken und sah Fouler mit erhobenem Kinn und stolzem Blick ins Gesicht.
"Wie ich mein Geld verdiene dürfte dich oder sonst jemanden wenig angehen. Aber nur zur Info. Die Profession heißt Callboy, und ich verdiene in einer Nacht mehr, als Deine Werkstatt im ganzen Monat einbringen dürfte!"
Danach wandte er sich ab und ließ alle zurück. Er wollte nur noch weg und zurück nach Washington. In seinem Rücken meinte er die Blicke seiner Familie brennend zu spüren, dennoch zwang er sich, ruhigen Schrittes zu seinem Auto zu gehen. Erst, als er mit dem Auto ein Stück weit weg gefahren war, erlaubte er seiner Wut, sich ihren Weg zu bahnen. Er hielt am Straßenrand an, und schlug vor Wut immer wieder aufs Lenkrad, bis seine Hände zu bluten begannen. Er war außer Atem vom Schreien, sein Herz klopfte wie wild. Als er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, fuhr er nach Hause. Er wollte schleunigst seine Sachen packen und dann nach Washington zurückreisen.
Er brauchte etwa zwanzig Minuten, dann hatte er alles eingepackt. Seinen Eltern hatte er nur eine kurze Nachricht "Es tut mir leid!" hinterlassen und wollte gerade zum Auto, als seine Familie gemeinsam auf dem Hof ankam. Chris beeilte sich, um zu seinem Wagen zu kommen, doch Mike war schneller und schnitt ihm den Weg ab. Sein Vater kam schnaufend zu ihm und funkelte ihn wütend an.

"Du wirst dich nicht einfach aus dem Staub machen! Ich habe keine Feiglinge groß gezogen, die sich bei Nacht und Nebel verdrücken. Rein ins Haus, wir werden jetzt darüber reden!" schnarrte er. Chris vermied es, einem von ihnen in die Augen zu sehen.

"Es gibt nichts zu reden. Es ist wie es ist, und ich habe nicht vor, etwas an meinem Leben zu ändern." sagte er und ärgerte sich, dass er wieder wie ein kleiner Junge klang. Sein Vater packte ihn am Oberarm und zog in ins Haus. Im Wohnzimmer stieß er ihn in den Sessel und setzte sich mit seiner Frau auf das Sofa. Pete und Mike platzieren sich hinter ihren Eltern. Ihre Frauen waren mit den Kindern draußen geblieben. Chris war wütend, er schämte sich und das machte ihn noch wütender, da er mit seiner Entscheidung nie gehadert hatte.
"Warum hast du uns nichts gesagt?" fragte seine Mutter, sie war bleich und er konnte sehen, dass sie geweint hatte. Chris schluckte.

"Was hätte ich euch denn sagen sollen? Ich schmeiß das Studium, weil ich lieber als Prostituierter arbeiten möchte?" antwortete er trotzig. Seine Mutter brach direkt wieder in Tränen aus.

"Nicht in diesem Ton, mein Sohn! Wir sind wirklich schwer enttäuscht von dir. Wir haben dich doch zur Ehrlichkeit erzogen. Wieso dieses Theater? Wenn du Geld gebraucht hast, hättest du uns doch was sagen können." Chris stützte seinen Kopf in seine Hände.

"Es ging nicht um Geld. Es ging nie um Geld, Dad."
"Aber was dann? Bist Du schwul? Wolltest du deswegen die Mary nicht mehr heiraten?"
"Mom, nein. Ich bin nicht schwul. Ich habe eine andere Welt kennen gelernt. Ein ganz anderes Leben und da passt Mary nicht hinein. Ich kann es nicht genau erklären, aber es hat mich sofort gepackt. Ich wollte einfach kein gewöhnliches Leben mehr führen."
Dann erzählte er seinen Eltern und seinen Brüdern grob, wie es dazu gekommen war und wie sein Leben zurzeit aussah. Während er sprach traute er sich nicht, sie an zu sehen. Er starrte während dessen auf seine Hände und spielte fahrig mit einem der Ringe. Als er geendet hatte war es im Wohnzimmer unglaublich still. Es schien, als hätten alle den Atem angehalten.
Fast schüchtern blickte er hoch und sah seiner Mutter direkt ins Gesicht. Er erwartete Enttäuschung und Abscheu zu sehen, doch alles was er sah war - Liebe. Genauso in den Augen seines Vaters.
"Ihr seid nicht schockiert?"

"Warum? Glaubst du, dass ihr drei vom Storch gebracht worden seid? Deine Mama ist ein heißer Feger gewesen, und für mich ist sie das heute noch. Deine Berufswahl ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber wenn es dich zufrieden macht, soll es wohl so sein." 

"Und die Leute hier? Macht es euch nichts aus, dass es jetzt alle wissen?"

Da lachte sein Vater laut, stand auf und nahm seinen Sohn in den Arm.

"Das Gerede der Leute hat uns doch noch nie gestört. Sie zerfetzen sich das Maul über alles und jeden, warum sollten wir etwas darauf geben? Leb dein Leben, wie du es für richtig hältst, nur pass gut auf dich auf!"

 

- Ende -

 

 

Impressum

Bildmaterialien: Brianna Keanny
Tag der Veröffentlichung: 24.09.2015

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