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1. Kapitel

Irgendetwas stimmte nicht mit den Sternen. Sven lag auf dem Boden, der immer noch die Wärme des Tages hielt. Es kam ihm vor, als ob sich das Firmament bewegte, so, als ob eine Welle über einen stillen See lief. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen.

»Was?«, brummte Miguel, der neben ihm im dürren Gras lag und mit vollen Backen an einem Stück gebratenem Fleisch kaute.

Sven deutete auf das Phänomen am Himmel, das sich wellenförmig zu einem Kreis verdichtete.

Miguel folgte Svens Finger mit den Augen. »Ich seh nix«, brummte er.

Sven nahm den Blick nicht von der Erscheinung, die nun als grüner Punkt über den Himmel zog.

Auf einmal änderte sie die Flugrichtung. Sven sprang auf. »Was ist das?!«

Miguel schaute ihn besorgt an.

Sven wischte sich eine Strähne seines schulterlangen Haars aus dem Gesicht. Warum konnte Miguel es nicht sehen? Svens Puls pochte schneller, als das grüne Licht immer näher kam. Dann tauchte es in die Atmosphäre ein und sank herab. Sven stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf, als es hinter den schwarzen Silhouetten der fernen Baumwipfel verschwand. »Mutter des Alls!«, rief er. »Das verdammte Ding ist in der südlichen Dorngrasebene gelandet!«

Miguel folgte stumm Svens Blick.

»Wir müssen herausbekommen, was es ist.« Mit zitternden Händen zog Sven seinen Kompass aus der Tasche und peilte den Landeplatz an: 183 Grad. Er programmierte den Wert in sein Datcom, rief die Karte auf und legte den Kurs als helle Linie darauf. »Scheiße!«, rief er, als sich das Display verdunkelte. »Immer wenn man es braucht, setzt es aus!«

Miguel furzte. »Sei froh, dass du überhaupt eins hast. Und wenn da was gelandet ist, können es nur die Squids gewesen sein.«

Auf die tintenfischähnlichen Wesen, die sich selbst Oktoftewiltabinen nannten und mit denen sich die Menschen den Planeten Nitsituaan teilten, war Sven nicht gut zu sprechen, denn sie ließen keine Menschen in ihr Raumfahrtprogramm. Er wollte nach der Schule eine Ausbildung zum Raumpiloten machen und sie gaben ihm keine Chance. »Möglich«, antwortete er. »Ein Grund mehr, nachzusehen, denn die haben in unserem Territorium nichts zu suchen! Aber eins wundert mich: Warum hast du sie nicht gesehen?«

Miguel zuckte die Achseln.

Sven sah ihn misstrauisch an. »Glaubst du, ich habe mir das nur eingebildet?« Er schüttelte sein Datcom, worauf der Bildschirm erneut zum Leben erwachte. »Na also«, rief er und wandte sich an Miguel, »Pack dein Zeug! Wir sehen nach, was da runtergekommen ist!«

Miguel mühte sich in die Senkrechte. »Bist du bescheuert? Mitten in der Nacht!«

»Morgen könnten sie wieder abgeflogen sein, also beeil dich!«

Miguel stand auf und packte den Rest des gebratenen Fleisches ein. Sven schüttete Wasser auf die Glut des Lagerfeuers, dass es zischte. Dann schnappten die beiden ihre Rucksäcke und schlugen sich im Licht der Sterne durch das hohe Gras nach Süden.

Als sie einen Waldstreifen umrundeten, ging der erste der drei Monde auf. In dieser Nacht war es Lanlo, der sein fahlblaues Licht über die Weite der Dorngrasebene warf.

Sven ließ den Blick schweifen: schwarze Bergzacken im Osten. Der Horizont im Süden bildete eine wellige Linie und wurde brettflach im Westen. »Komm weiter«, ermunterte er Miguel und schritt kräftig aus.

Der schüttelte den Kopf, sagte aber nichts.

Es dämmerte, und dann schoben sich die beiden Sonnen des Doppelgestirns über die ferne Bergkette. Die beiden hatten immer noch nichts gefunden.

Sven wagte einen schnellen Blick in das gleißende Licht: Zu dieser Zeit des Zyklus verdeckte die blaue Sonne, Aro, die rote fast vollständig.

»Es wird heiß werden«, stöhnte Miguel und ließ sich ins Gras sinken. »Wir sollten umkehren.«

»Nicht bevor ich weiß, was da gelandet ist«, erwiderte Sven.

Miguel stand langsam auf. »Mom wird uns grillen, wenn wir bis Mittag nicht zuhause sind.«

Sven winkte ab. »Das ist egal. Hier geht etwas Merkwürdiges vor und ich muss wissen was.«

 

2. Kapitel

Wie jeden Morgen ließ Shimamota Estelle Aldures das Ankleidezeremoniell über sich ergehen. Sie wurde in ein scheinbar kilometerlanges, goldbesticktes Tuch gewickelt. Es war schwer, sie konnte sich darin kaum bewegen und es schien Stunden zu dauern, bis die Zofen - von ihrer Mutter eigenhändig ausgewählte Frauen - mit dem Aussehen ihrer Garderobe zufrieden waren. Ihr goldblondes Haar wurde zu langen Zöpfen geflochten und dann zu einer kunstfertigen Turmfrisur gesteckt. Es war wieder eine Geduldsprobe, aber in der gewohnten Routine legte sich die Angst der Nacht.

Zumindest ein bisschen.

Shimamota blickte aus dem hohen Fenster ihres Ankleidegemachs zu der waldigen Hügelkette, die sich quer über den Horizont zog.

Was für einen scheußlichen Traum hatte sie wieder gehabt!

Sie lenkte ihre Aufmerksamkeit nach draußen und versuchte die winzig erscheinenden Fördertürme der Bergwerke zu finden, aber in den Morgennebeln, die aus den Tälern zogen, waren sie nicht auszumachen.

Wieder stiegen diese unheimlichen Traumbilder in ihr auf: Gehirne, die um Hilfe riefen. Gehirne, die darum baten, getötet zu werden.

Ihr Blick wanderte weiter nach Westen, bis er die Küstenlinie traf. Ein vorgelagerter Hügel verdeckte große Teile der Werft, wo Raumschiffe der Oktoftewiltabinen gewartet wurden.

Wieder stiegen Erinnerungen der Nacht in Shimamotas Kopf: lebendige Gehirne, eingetaucht in hellgrüner Nährlösung - und Drähte, ein Gewirr von Drähten.

Sie schaute nach Osten, wo sich ein zerklüftetes Gebirge gegen den Morgenhimmel abzeichnete und im niedrigen Sonnenlicht aussah, als wäre es aus grauer Pappe geschnitten. Wilde Bäche strebten von dort dem Njamatagris zu. Shimamota folgte mit den Augen dem glitzernden Band des Flusses, der sich in erhabenen Schleifen durch die Auen wand und dann träge Richtung Stadt wogte.

Albträume. Hatten sie eine Bedeutung? Shimamota hätte die Frage verneint, wenn sie nur ein Mal von den Gehirnen geträumt hätte ... aber immer und immer wieder?

Auch diese Nacht war sie schweißgebadet und mit dem Gefühl absoluter Hilflosigkeit aufgewacht. Schrie ihre eigene Seele in diesen Träumen um Hilfe?

Tief unter ihr sahen die Häuser von Nelantis wie Spielzeug aus. Die Morgensonne spiegelte sich in den zahllosen Fensterscheiben der Hauptstadt, sodass es aussah, als hätte jemand einen Sack Diamanten ausgeschüttet. Shimamota beobachtete die Menschen, die in den Straßen herumwimmelten, und von hier oben klein und winzig erschienen - und unerreichbar.

Albträume. Waren sie am Ende mehr als nur das?

Sie unterdrückte ein Zittern. Vor dem Personal durfte sie keine Gefühle zeigen. Sie wandte sich vom Fenster ab und drehte sich so weit, bis sie den marmorgerahmten Eingang zu ihrem Schlafgemach vor sich hatte. Schweigend und ohne ihre Arbeit zu unterbrechen, folgten die Zofen ihrer Bewegung. Shimamota warf einen sehnsüchtigen Blick auf den Stapel Lernmodule, die sich auf einem goldenen Tischchen neben ihrem riesigen Himmelbett mit den rosaroten Vorhängen türmten. Lesen war ihr Halt in der Nacht, wenn die Träume sie verfolgten und Angst sich wie eine eiserne Klammer um ihre Brust legte. Der Ambassador selbst hatte ihr zum fünften Geburtstag ein Programm geschrieben, das mit Hilfe eines Konverters, den die Oktoftewiltabinen auf seinen Wunsch gebaut hatten, die gespeicherten Informationen als Buchstaben und Bilder auf den Monitor ihres Datcoms spielen konnte. Das war nun schon elf Zyklen her, aber ihre Erinnerung war so scharf, als ob es gestern gewesen wäre, denn sie konnte nichts vergessen. Er war der Einzige, der verstand, dass sie Daten lieber über ihre Augen und anderen Sinne aufnahm, als sie von einer Lernmaschine direkt in ihr Gehirn projizieren zu lassen. Der athletische Mann mit seiner schwarzen Toga hatte väterlich zu ihr heruntergelächelt: »Nun hast du einen Reader für deine Ebooks.«

Nur was Reader oder Ebooks waren, hatte sie nie herausbekommen. Diese Wörter gab es in den Datenbanken von Njamingloh nicht. Gerne hätte sie den Ambassador gefragt, doch sah sie ihn nur bei gesellschaftlichen Anlässen. Zwar winkte er ihr jedes Mal zu, aber eine Gelegenheit, mit ihm zu sprechen, hatte sie sich nie erschleichen können.

Drei Schminkzofen kamen mit ihren Köfferchen und verbeugten sich stumm. Shimamota wandte sich wieder dem Fenster zu, damit die Frauen gutes Licht für ihre Arbeit hatten. Kleine Bürstchen und feine Pinsel kitzelten auf ihrer Haut, reizten sie zum Niesen, wenn sie der Nase zu nahe kamen. Gleichzeitig wurden ihre Nägel kunstvoll bemalt. Endlich waren die Zofen fertig und betrachteten noch einmal kritisch ihr Werk. Sie hielten ihr einen Spiegel hin: Shimamota sah wie immer perfekt aus. Auch heute würde ihre Mutter keine Nachlässigkeit feststellen können.

»Fertig, Guretta«, sagte die leitende Zofe und machte einen tiefen Knicks.

»Estelle«, dröhnte eine Stimme aus einem unsichtbaren Lautsprecher.

Shimamota fuhr zusammen. Sie hasste es, so unerwartet und dann auch noch mit ihrem zweiten Namen angesprochen zu werden. An die Anrede ›Guretta Estelle‹ hatte sie sich wohl oder übel gewöhnt. Sie betrachtete es als ihren Titel. Aber wenigstens ihre Mutter könnte sie bei ihrem richtigen Namen nennen!

Hektisch zupften die Zofen noch eine Haarsträhne und die letzten Falten im Kleid zurecht, dann durfte sie endlich gehen.

Auch der Gang zur Mutter gehörte zur täglichen Routine. Mehr als diese paar Minuten beim morgendlichen Briefing sah sie ihre Mutter nie und auch da dominierten sachliche Themen und Terminabsprachen. Selten fielen private Worte, auch wenn Shimamota es gelegentlich probierte, ging ihre Mutter kaum darauf ein. Als ob sie ein verdammter Roboter wäre!

Aber Shimamota hatte sich damit abgefunden. Sie konnte alles haben - was sie wollte, wen sie wollte - solange sie sich an die Protokolle hielt. Sie hob den Kopf. Graziös schritt sie zum Schlafgemach, durchquerte es und verließ es auf der anderen Seite durch die Tür zu ihren Aufenthaltsräumen. Kleine Tischchen und bequeme Sitzmöbel dominierten den Empfangsraum. Die gläserne Westwand erlaubte einen luftigen Blick in die Ferne, wo Himmel und Meer zusammenstießen. Der Sensor erkannte Shimamota und öffnete geräuschlos die Tür zum Antigravitationslift. Sie ließ sich bis ins oberste Stockwerk tragen, dem Domizil ihrer Mutter, Gura Limka, der Obersten Administratorin.

 

3. Kapitel

Auf dem Meeresgrund, in 1000 Spannen Tiefe, breitete sich die Hauptstadt der Oktoftewiltabinen aus: Wellubimarulles. Am Stadtrand befand sich das Hauptquartier der Sternenflotte, ein imposanter Bau, der einem Korallenriff nachempfunden war.

Die Meeresoberfläche leuchtete in der Morgensonne und sandte mattes Licht herunter, als Fanli'belzurili durch das Hauptportal in das Gebäude glitt. Sie blinzelte. Für ihren Geschmack waren viel zu viele Lumineszenzbakterien an der Decke angebracht, die die langen, schmucklosen Korridore im Bürotrakt der Raumfahrtbehörde noch unpersönlicher erscheinen ließen. Sie schwamm an unzähligen polierten Kalzittüren vorbei, die in regelmäßigen Abständen die kahlen Wände unterbrachen. Nummer 111. Die Arbeitsgrotte des Rekruters.

Als die Zeitanemone an der fernen Stirnwand ein weiteres Blatt ausklappte, kam Fanli vor der Tür an. Sie blies noch einmal Wasser durch die Kiemen. Dann richtete sie ihre mentale Stimme auf das Zimmer jenseits der Tür: »Bitte mit Verlaub eintreten zu dürfen.«

Kleine Bläschen stiegen aus den Führungsschienen, als sich die Tür öffnete. Fanli schwamm mit einem beherzten Tentakelschlag in die Grotte.

Im hellen Licht schaute ein fetter Oktoftewiltabine mit großen schwarzen Augen hinter einem Perlmuttpult hervor. Im Wasser trieb der Geruch von Muschelstew und Fanli bemerkte, wie der Rekruter langsam seinen Primärtentakel vom Pult zurückzog. Über seine Haut lief ein Gelbton, was eine gewisse Angenervtheit anzeigte. Fanli vermutete, dass er gerade seine Mahlzeit außer Sicht gebracht hatte. Offensichtlich hatte er sie noch nicht erwartet.

Fanli wunderte sich darüber. »Ich wünsche dem ehrenwerten Rekruter einen schönen guten Morgen«, grüßte sie auf telepathischem Weg, der gängigen Art der Kommunikation unter Oktoftewiltabinen.

»Nehmen Sie doch Platz, verehrtes Frollein Fanli'belzurili«, erwiderte er und deutete mit einem Fangarm auf den Hocker vor seinem Pult. »Was kann ich in meiner bescheidenen Position für Sie tun?«

Fanli ließ sich nieder. Sie fühlte sich etwas nervös und so ordnete sie ihre Tentakel in akkurater Pose um sich herum. »Mit großem Interesse habe ich Ihre Ausschreibung gelesen. Mich dünkt, dass ich mit meinen Fähigkeiten und Talenten genau in das Anspruchsprofil passen würde.«

Mit einem flinken Druck seiner Tentakelspitze betätigte der Rekruter eine Steuereinheit an seinem Arbeitshocker. Über dem Pult formierten sich Tausende von Leuchtamöben zu einem Bildschirm. Anfangs schillerten sie blass, doch als sie das modulierte Licht aus dem Perlmuttpult traf, nahmen sie die Information auf und begannen zu leuchten. Leider nur in Richtung Rekruter. Die Fanli zugekehrte Seite blieb dunkel.

»Ah, der Termin zur neunten Stunde! Sie sind pünktlich.«

»Haben Sie etwas anderes erwartet?«, entfuhr es Fanli und sofort ärgerte sie sich, dass sie ihre Meinung nie für sich behalten konnte.

Auf der Haut des Rekruters erschienen amüsierte blaue Pünktchen. »Sehr geehrte Fanli'belzurili, Weiblinge kommen immer zu spät.«

Fanlis Blick fiel auf ein Bild an der muschelschalendekorierten Wand hinter dem Pult, das eine wabbelige Oktoftewiltabine mit zwei Dutzend Kindern zeigte. Wahrscheinlich die Frau des Rekruters - eine Art Zuchtmaschine, wie es schien. Fanli verkniff sich ihren Kommentar. Sie wollte sich die Chancen auf den Job nicht gleich verderben. »Ich habe auch zwölf Geschwister«, sagte sie stattdessen höflich.

Der Rekruter deutete auf den Bildschirm. »Wie es scheint, ist Ihre Bewerbung in einem falschen Slot gelandet: Navitroniker.« Er wandte sich verwundert schillernd an Fanli. »Das kann doch nicht stimmen. Haben Sie sich vielleicht als Kantinenhilfe beworben? Oder Reinigungskraft oder Sekretärin? Davon haben wir etliche Stellen.«

»Nein, nein«, erwiderte Fanli. »Der Navitroniker ist schon richtig.«

Die Haut des Rekruters überzog sich mit einem überraschten Hellgrün. »Sie glauben doch nicht wirklich, Frollein Fanli'belzurili, die erforderlichen Voraussetzungen zu besitzen?«

»Ich habe Ihnen doch meine Zeugnisse geschickt.«

Der Rekruter wischte mit einem Fangarm durchs Wasser. »Viele Weiblinge vertreiben sich die Zeit vor dem brutfähigen Alter mit Studien.«

»Manche würde gerne eine Karriere einschlagen«, erwiderte Fanli in höflichem Tonfall.

Die Haut des Rekruters nahm ein überhebliches Zitronengelb an. »Es gibt immer welche, die ihre Qualitäten falsch einschätzen.«

Fanli fühlte sich genervt, unterdrückte aber die verräterische Farbreaktion ihrer Haut. »Ich habe Ihnen eine Beurteilung von Raumcommander Wate'medaludes beigefügt«, erwiderte sie ruhig.

Sein Farbton wechselte zu einem ironischen Magenta. »Ihr Vater!«

Die Muskeln in Fanlis Tentakeln spannten sich. Wenn es mehr Ausschreibungen für Navitroniker gäbe, würde sie dieser Qualle ein paar Worte zu sagen haben! Fanli fiel es schwer, ihren Ärger zurückzuhalten. »Er war ein hochgeehrtes Mitglied der Raumflotte.«

»Liebes Frollein Fanli'belzurili, wir alle kennen seine überragenden Verdienste bei der Rettung unseres Planeten! Nitsituaan würde es ohne ihn nicht mehr geben.« Der Rekruter wippte leicht vor Ehrfurcht, saß aber sofort wieder still. »Sehen Sie, Väter stehen den Wünschen ihrer Töchter oft etwas unkritisch gegenüber.«

Fanli hätte ihn für diese Unverschämtheit würgen mögen. Sie blies diskret Wasser durch ihre Kiemen, um sich zu beruhigen. »Ich habe auch Referenzen von meinem letzten Vorgesetzten mitgeschickt.«

Der Rekruter warf einen Blick auf den Monitor. »Lame'linulatus. Wie ich sehe, ein Unterling ihres Vaters.«

»Er hat ein gutes Beurteilungsvermögen und einen scharfen Verstand!«, erläuterte Fanli mit fester Stimme.

»Er gehorcht Befehlen.« Der Rekruter schillerte nun in einem selbstzufriedenen Grün. »Man hört, er war lange in der Crew Ihres Vaters. Da wird sich eine gewisse Loyalität entwickelt haben, vielleicht Dankbarkeit?«

»Er ist der beste Navitroniker!«

»Sie scheinen ihn ja sehr gut zu kennen? Es heißt, er lässt keinen Weibling aus.«

Fanli fuhr von ihrem Sitz hoch. »Wollen Sie damit andeuten, ich hätte mit ihm ...«

Der Rekruter hob zwei Tentakel. »Oh, das würde ich ihm nicht verdenken.« Er ließ seinen Blick über ihre Fangarme gleiten. »Jeder hat ein Recht auf sein Vergnügen.«

Fanli glühte rot vor Zorn. »Anstatt mir Affairen zu unterstellen, sollten Sie sich lieber meine Qualifikationen ansehen!«

Der Rekruter nahm wieder seinen selbstzufriedenen Farbton an. »Aber das tue ich doch, hochverehrtes Frollein Fanli'belzurili. Ihre technischen Fähigkeiten sind zweifelsfrei überragend. Ich wäre froh, wenn ich einen Männling mit dieser Klasse finden könnte, aber es sind die, äh, sozialen Kompetenzen, die mir große Sorge bereiten. Sehen Sie, Sie sind jung, bald kommt der erste Brautkampf, dann legen Sie Ihr erstes Ei ... der erste Schlüpfling. Ich muss vorausdenken. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Crew optimal zusammengesetzt ist. Ich muss Probleme vorhersehen, nicht nur für die ganze Besatzung, auch für den Einzelnen. Ich brauche kein Mitglied, das in sich zerrissen ist und daher in Stresssituationen Fehlentscheidungen treffen könnte. Es würde Leben kosten.«

»Und das alles unterstellen Sie mir, nur weil ich ein Weibling bin?!«, fauchte Fanli.

»Ihr Profil passt nicht.« Der Rekruter wedelte mit seinem Primärtentakel vor dem Bildschirm herum. »Ich könnte Ihnen die Stelle als Küchenhilfe anbieten. Da erhalten Sie sogar Sozialleistungen, eine kostenlose Krabbelstube mit Betreuung ...«

»Chauvinistische Qualle!«, schrie Fanli und schoss zur Tür hinaus.

 

4. Kapitel

Die Sonnen brannten vom Mittagshimmel. Sven stapfte durch das dürre Gras der weiten Ebene. Zweifel befielen ihn. Hatte ihm sein Gehirn einen Streich gespielt? Wenn er seine häufigen Kopfschmerzen in Betracht zog und die Stimmen in seinem Kopf ... Er war ein Telepath, genau wie sein Vater - er hörte die Gedanken der Squids. Aber ›gesehen‹ hatte er bisher noch nie etwas.

Da fiel sein Blick auf ein fingerlanges Insekt mit spitzem Giftstachel, das auf sechs feuerroten Beinen zwischen den Grashalmen auf ihn zukroch. Unwillkürlich stieß er einen Schrei aus: »Sandstecher!«

Als Kind war er in einen Schwarm geraten und dermaßen gestochen worden, dass er wochenlang im Fieber gelegen hatte und fast gestorben wäre.

Miguel sah ihn besorgt an. »Komisch. Die gibt's doch sonst nicht so weit im Norden.«

Das beruhigte Sven nicht. Er machte einen großen Bogen um den Sandstecher. Dann warf er einen Blick auf sein Datcom, um sicherzustellen, dass er noch auf dem richtigen Kurs war.

Eine Stunde später sah Sven einen ganzen Pulk Sandstecher. Die Tiere wimmelten hektisch nordwärts. Sein Magen zog sich zusammen.

»Ist ja gut«, sagte Miguel mit beruhigender Stimme. »Die laufen nicht auf uns zu.«

Sven fixierte sie misstrauisch. »Was wollen die hier?«

»Keine Ahnung. Sieht aus, als wären sie vor irgendetwas auf der Flucht.« Miguel warf einen kritischen Blick südwärts. »Wir sollten umkehren.«

Sven biss die Zähne zusammen. »Wir gehen weiter.«

Das Display des Datcoms zeigte einen eingehenden Anruf.

»Das wird Mom sein«, vermutete Miguel.

Sven ignorierte auch die folgenden Anrufe.

»Solltest du nicht besser ...«

»Nein«, antwortete Sven. Ohne stichhaltige Beweise würde Miguels Mutter seine Beobachtung nicht glauben.

 

Der Nachmittag nahte und immer noch konnte Sven kein Raumschiff sehen. Er überlegte, ob es vielleicht ein Meteor gewesen sein könnte, wischte den Gedanken aber beiseite, denn die Erscheinung hatte beim Runterkommen abgebremst.

Miguel beschattete die Augen und fixierte einen Punkt im Süden. »Da!«

»Was?«

»Da hat was in der Sonne geblitzt!«

Svens Herz begann heftig zu klopfen. »Ein Raumschiff?«

»Kann ich auf die Entfernung nicht erkennen.«

Sven nahm einen tiefen Atemzug. »Dann los!«

 

Sven bemerkte den Gleiter erst, als der ihn in weitem Bogen überholte. Dann raste das Gefährt heran und hielt vor den beiden Jungen an. Leise zischend öffneten sich die Türen und eine drahtige Frau in erdfarbener Jacke und enganliegender Lederhose stieg aus.

»Hallo Mom«, sagte Miguel leise.

Sie sah ihren Sohn nur kurz an und ging an ihm vorbei, direkt auf Sven zu. Sein Haar erntete den missbilligenden Blick, den er nur zu gut kannte.

»Was fällt dir ein, in der Gegend herumzulaufen, statt nachhause zu kommen?«, fuhr sie ihn an. »Und obendrein wagst du es, meine Anrufe zu ignorieren!«

Sven hob den Kopf. »Ich habe etwas gesehen und wollte dem nachgehen.«

Rodhana verengte die Augen. »Was?«

Sven atmete tief durch. »In der Dorngrasebene ist etwas gelandet.«

»Und warum hast du mich nicht sofort informiert?!«

Sven senkte den Kopf. »Weil ich erst sicher sein wollte.«

Rodhana zog die Brauen hoch. »Das klingt nicht sehr überzeugend, junger Mann!« Sie wandte sich an ihren Sohn. »Hast du es auch gesehen?«

»Da vorne hat etwas in der Sonne geblitzt!«, antwortete Miguel.

Rodhana schnaubte. »Hab ich mir's doch gedacht! Ihr heckt wieder irgendeinen Unsinn aus!« Sie deutete auf den Gleiter. »Einsteigen!«

Sven rührte sich nicht. »Nein ... Da ...«

»Wenn dort etwas gelandet ist, werde ich mich darum kümmern!« Rodhana sah Sven scharf an. »Rein mit dir!«

Sven ließ sich neben Miguel nieder, der bereits schweigend auf der Rückbank saß. Rodhana stieg ein und sprach die Zielkoordinaten in den Bordcomputer. Das feine Sirren des Antriebs schwoll an.

 

Wenig später saßen die beiden Jungen in Miguels Zimmer auf der Hazienda am Fuß der Berge. Hier stand ein zusätzliches Bett für Sven. Seit vielen Zyklen kam er fast jedes Wochenende zu Besuch, denn hier litt er weit weniger unter Kopfschmerzen als im elterlichen Haus am Meer.

Sven schob das Datcom von sich, lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sah zum Fenster hinaus in den wolkenlosen Himmel. Die Erscheinung letzte Nacht war so klar gewesen, so real ... Sven atmete schwer. Er trat ans Fenster und schaute zu dem kleinen See, wo das Boot von Miguels Vater Pedro am Steg vertäut dümpelte. Auf den Weiden, die sich bis zum Horizont erstreckten, grasten Biftons. Pedro züchtete die massigen, mannshohen Vierbeiner, weil ihr Fleisch geschätzt wurde. Sie gaben auch gute Zugtiere für den Karren ab. Meistens waren sie friedlich, aber wenn eins mal den breiten Kopf mit den geschwungenen Hörnern senkte und einen aus olivgrünen Augen anstierte, machte man gerne einen vorsichtigen Rückzug.

Auf dem nördlichen Fahrweg nahte ein Gleiter. Sven sah ihn in der Sonne blitzen. »Da kommt mein Alter«, stöhnte er und ließ sich aufs Bett fallen. »Hoffentlich glaubt er mir.«

Zunächst hörte er Stimmen im Empfangsraum, dann stieg jemand die Treppe herauf. Die Tür öffnete sich. »Hallo, miteinander.«

»Hallo, Jake«, grüßte Miguel.

»Kannst du nicht anklopfen?«, beschwerte sich Sven.

»Das ist nun die Begrüßung von meinem Sohn, den ich seit fast einer Woche nicht gesehen habe!«

»Du bist ja nie daheim«, konterte Sven.

»Das Gleiche kann ich von dir sagen.« Sein Vater ließ den Blick über das Chaos im Zimmer schweifen: Klamotten - eine Trennung zwischen sauberen und getragenen schien es nicht zu geben - selbstgemachte Speere mit Spitzen aus alten Messerklingen und scharfen Blechteilen lehnten an der Wand. Campingausrüstung, Angelzeug, Zwillen verschiedener Größe, ein Bogen und einige Pfeile verteilten sich wahllos über Plankenboden und Möbel. Jakes Mundwinkel zuckte. Er zog sich den einzig freien Stuhl herbei und ließ sich vor Sven nieder.

Miguel räusperte sich. »Soll ich gehen?«

»Nein, nein. Bleib mal hier.«

»Was soll das werden?«, maulte Sven. »Ein Verhör?«

»Reg dich ab, Sven. Nenne es väterliche Neugier. Du hast etwas gesehen und Miguel nicht?«

Sven nickte.

»Wie hast du es aufgenommen? Durch die Augen - oder im Gehirn?«

Jetzt, wo es angesprochen wurde, war Sven sich nicht ganz sicher. Hitze schoss in seinen Körper. »Glaubst du, ich habe es mir eingebildet?«

Jake blieb ruhig. »Wir werden es herausbekommen. Ich habe Grimper gebeten, mit seinen Leuten morgen die Dorngrasebene bis hinauf zur Blazzjoren-Wüste nach gelandeten Flugobjekten abzusuchen.«

Sven atmete auf. »Kann ich mithelfen?«

Sein Vater lächelte. »Du, mein Sohn, wirst zur Schule gehen.«

 

5. Kapitel

Fanli schnellte sich mit ärgerlichen Tentakelstößen vorwärts. Das Wasser rauschte um ihre Kiemen. Zwei Jobinterviews in der letzten Woche ... und zwei Absagen. Und nun hatte sie sich die dritte eingefangen. Nur, weil sie ein Weibling war! Die wenigen Stellen wurden ausnahmslos an Männlinge vergeben. Diese verdammten Spritzer! Dabei war sie eine kompetente, ausgebildete Navitronikerin mit Weltraumerfahrung. Es war einfach nur ungerecht!

Das Meer schien heute vor Hitze zu kochen. Sie suchte eine kühle Strömung und ließ sich in die Tiefe tragen. Unter ihr wimmelte das Leben der Hauptstadt. Scooter, röhrenförmige Gefährte aus kalzifiziertem Knorpel, angetrieben durch synthetische Wasserstrahlmuskeln, zischten durch die Straßenschluchten und in den Tangparks suchten Oktoftewiltabinen Kühlung von der Widrigkeit der heißen Zeit. Sie liebte Wellubimarulles, aber heute kotzte es sie an. Sie brauchte einen Drink und sie wusste auch schon wo. Sie steuerte auf eine belebte Straße zu und ließ sich auf das Bodenlevel hinabsinken. Dort war der Eingang. Nach außen hin wirkte es recht unscheinbar, das Tibulata, aber für sie war es ein Stück Zuhause. Der breite Männling an der Tür, Joje, grüßte höflich wie immer. »Du bist aber heute früh dran! Gab's Ärger?«

Fanli zwinkerte ihm zu. »Sind schon welche von der alten Crew da?«

»Klar«, blubberte Joje. »Die halbe Besatzung.«

»Danke«, sagte Fanli. »Und lass keine Muränen rein.«

Durch einen langen Tunnel, den von der Decke wehende buntfluoreszierende Algenfäden schummrig beleuchteten, tauchte sie in die Tiefe des Gebäudes. Sie näherte sich einem Gewirr mentaler Stimmen. Musik wurde laut. Sie schlüpfte durch einen Tangvorhang und vor ihr öffnete sich eine hangargroße Grotte. Auf der Bühne gegenüber sang Lolli'lindezzina simultan mit ihrer akustischen und mentalen Stimme. Anemonenlampen betonten das aufreizende Farbspiel ihrer Haut und sie tanzte auf eine Weise, dass die Männlinge links an der langen Bar vor Glotzen das Trinken vergaßen. Die meisten trugen die Tätowierungen niedriger Ränge des Raumkommandos. Fanli bemerkte auch mehrere Mitglieder des Militärs und Ordnungshüter. Einige schauten sie taxierend an. Fanli wandte sich ab.

An den Tischen in der Mitte des Saals entdeckte sie die Crew der STEL-72. Sie winkte deren kräftigem Navitroniker zu. Er hob zum Gruß seine Trinkblase, einen kugelrunden Beutel aus transparenten Tangfasern mit Saugnippel, und prostete ihr zu.

Etwas abseits umschwärmte eine Anzahl junger Weiblinge lustig und kokett schillernd einen schmucken Kerl, der sich lässig auf seinem Hocker räkelte: Zera'malulufus. Fanli seufzte. Er sah schon verdammt gut aus, hatte lange, kräftige Tentakel, einen wohlgeformten Kopf und tiefschwarze Augen, in denen helle Pünktchen wie Sterne leuchteten. Er war nur unwesentlich älter als sie selbst und hatte den Sprung in die Raumflotte geschafft. Na klar, als Männling und noch dazu General Zukla'medikulles' Sohn war das kein Wunder. Früher war sie einmal mit ihm befreundet gewesen, aber seit er als Offiziersanwärter auf der Raumbasis stationiert war, sah sie ihn nur im Tibulata, wenn er Heimurlaub hatte, und dann hing eine Traube Weiblinge um ihn herum.

Mit einem heftigen Tentakelschlag stieß sie sich vorwärts.

An dem gewohnten Tisch in der hintersten Ecke erblickte sie eine Gruppe lärmender Oktoftewiltabinen mit prallen Trinkblasen in exotischen Farben. Sie kannte jeden Einzelnen und jeder hatte einen Platz in ihrem Herzen. Unter ihrer Obhut hatte sie ihre erste Raumerfahrung gemacht. Da war Maski'lammarubis, ein kurzer, breiter Oktoftewiltabine mittleren Alters. Er war der Steuermann auf dem Schiff ihres Vaters gewesen. Wie üblich hing er zusammen mit Lame'linulatus ab, der als Schiffsnavitroniker damals ihr Vorgesetzter gewesen war. Die durchgestandenen Ängste und Gefahren hatten sie trotz des Altersunterschieds zu Freunden zusammengeschmiedet. Jetzt waren sie arbeitslos, denn ihr berühmtes Schiff, die FREDDY, war nach ihrem spektakulären Einsatz gegen die sternenvernichtende Hyperschockwelle ins Museum gebracht worden. Dabei war es doch noch voll raumtauglich! Fanli verstand schon, dass es als wichtiger Bestandteil der Geschichte Nitsituaans erhalten und für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollte, statt es den Gefahren des Alls auszusetzen. Aber man hätte der Crew ein neues Schiff zur Verfügung stellen sollen!

»Ah! Fanli!«, rief ihr der kompakt gebaute Ex-Steuermann zu.

»Hallo, Maski!«, grüßte sie.

Lame legte einen seiner wendigen Tentakel um sie. »Wie war das Vorstellungsgespräch?«

Die Erinnerung trieb Fanli Hitze in den Körper. »Ich brauche erst einmal einen großen Annelysirak!«, stöhnte sie.

»So schlimm?«, wollte Lame wissen.

»Bring mir gleich zwei!«, rief sie zur Bar.

»Nimm dir's nicht so zu Herzen«, sagte Maski sanft und ließ ein aufmunterndes Hellblau über seine Haut pulsen. »Aber eine Schande ist es schon, dass sie dir noch nicht einmal eine Chance geben!«

Lame wedelte beschwichtigend mit einem Fangarm. »Die wird schon noch kommen. In der Zwischenzeit solltest du dein Leben genießen! Ein bisschen Ablenkung könnte dir nicht schaden.« Er deutete zur Bar. »Sieh dir doch mal den Jungster dort an.«

Fanli warf einen kurzen Blick hinüber. Er sah aus wie einer von vielen. »Kennst du den Typen?«

»Nee. Seh ihn heute zum ersten Mal. Aber seit du reingetaucht bist, lässt er kein Auge von dir.« Schelmisch ließ Lame'linulatus grüne Pünktchen auf seiner Haut aufleuchten. »Wenn du schon nicht an den schönen Zera rankommst, dann könntest du dich von dem auf andere Gedanken bringen lassen!«

»Stockfisch!«, blitzte Fanli ihren alten Vorgesetzten an und stieß ihm die Tentakelspitze in die Seite. »Ich brauche keine hormongesteuerten Spritzer.«

»Bei mir hilft sowas immer«, sagte er treuherzig.

Solche Diskussionen nervten. »Dann schnapp ihn dir halt!«, erwiderte sie.

Lame blubberte vor Vergnügen. »Du bist eine verdammt freche Krabbe!«

»Oh-oh«, machte Maski, reckte den Kopf und sah zur Bar. »Wie's aussieht, nutzt er die Gelegenheit, dir deine Drinks zu bringen.«

»Zera?«

»Nein! Der Neue.«

»Und wenn schon«, zischte Fanli.

Augenblicke später reichten zwei elegante Tentakel um sie herum und stellten die bestellten Trinkblasen mit grünschillerndem Inhalt vor sie. »Darf ich mir die Freiheit nehmen, mich vorzustellen, hochverehrtes Frollein? Ich bin Marti.«

Verzieh dich!, dachte Fanli. Laut sagte sie: »Vielen Dank, Kumpel. Und nun möchte ich dich gerne von hinten sehen!«

Marti machte einen Salto.

»Das war für Ihren Geschmack vielleicht eine zu kurze Ansicht meiner Rückseite«, sagte er und ließ verschmitzt orangefarbene Pünktchen auf seiner Haut aufblitzen, »aber ich kann's auch langsamer.«

Fanli blubberte belustigt. »Du bist ein Clownfisch, Marti!«

Der deutete auf ihre Drinks. »Es gibt auch andere Möglichkeiten, Sorgen loszuwerden.«

Sollte das so eine plumpe Anmache sein? Lame ging ihr schon mit seinen Anzüglichkeiten auf die Nerven. Und jetzt auch noch diese Type! Fanli färbte sich rot vor Ärger. »Das haben mir andere auch schon vorgeschlagen!«

Marti legte ein verlegenes Blau auf. »So hatte ich das nicht gemeint.«

»Ich habe es satt, von jedem Kerl angequatscht zu werden! Schwimm wieder zu Deinesgleichen an die Bar! Und wenn ich sehe, dass du einen Weibling gegen ihren Willen belästigst, dann ...« Fanli machte das Würgezeichen.

Marti lachte. »Sie gefallen mir, wenn Sie wütend sind! Würden Sie mir Ihren Namen verraten?«

»Nein!«, fuhr sie ihn an.

»Schade«, erwiderte er, senkte sich im höflichen Gruß kurz ab und zog sich an die Bar zurück.

»Dem hast du's aber sauber gegeben!«, sagte Lame und saugte an seiner Trinkblase.

Maski schaute dem Jüngling hinterher. »Ich fand ihn eigentlich ganz nett.«

»Du wirst auch nicht jeden Tag achtundachtzig Mal von solchen Kerlen angeblubbert!«, fauchte Fanli, besann sich aber sogleich und streckte beschwichtigend ihren Tentakel aus. »Tut mir leid, Maski. Es war nicht so gemeint. Ich bin heute etwas geladen.«

»Kann ich verstehen.« Maski hob seine Trinkblase. »Glumpers«, prostete er ihr zu und nahm einen tiefen Zug. »Was macht eigentlich dein Vater? Ich habe ihn schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen.«

»Wenn er nicht versucht, seine Tentakel in das Homidenfreundschaftsprogramm zu schieben, verbringt er viel Zeit mit den Wissenschaftlern. Sie forschen gerade an einer ganz geheimen ›revolutionären‹ Entdeckung.«

Lame nickte versonnen. »Das vor kurzer Zeit entdeckte Lymelleninterferenzphänomen könnte zu einem absolut undurchdringlichen Unsichtbarkeitsschirm genutzt werden.«

»Vielen Dank, Lame. Das kannst du morgen deinen Studenten erzählen!« Fanli hielt ihm die Trinkblase hin. »Glumpers!«

 

Es wurde im Verlauf des Abends noch mehr Annelysirak bestellt. Fanlis Laune hob sich mit jeder Trinkblase. »Man müsste an den Leiter der Raumflotte rankommen!«, überlegte sie. »Swallu'ketallantes soll nicht so ein verbohrter Chauvinist sein, obwohl er ein General ist.«

»Da kann ich dir leider nicht helfen.« Lame zog nachdenklich einen Fangarm durchs Wasser. »Aber ich mache dir einen anderen Vorschlag: Gib den Navitroniker auf ...«

»Das kommt überhaupt nicht in Frage!«, fuhr Fanli hoch. »Ich will auf ein Schiff!«

»Jetzt hör doch erst einmal zu!«, beschwichtigte er sie. »Mach eine Fortbildung zum Raumschiffcommander.«

Fanli sah ihn mit großen Augen an. »So wie Papa! Das wäre schon was!« Sogleich sackte sie in sich zusammen. »Aber ... da nehmen sie mich als Weibling doch erst recht nicht!«

»Du musst es wirklich wollen und daran glauben, dann wirst du es schaffen. Außerdem«, er zwinkerte ihr zu, »gehöre ich zu den Ausbildern. Ich bin sicher, ich kann ein gutes Wort für dich einlegen.«

Fanli sah ihn nachdenklich an. Wie seine gutgemeinte Beurteilung von Rekrutern aufgenommen wurde, hatte sie zu ihrem Leidwesen bereits erfahren müssen. Aber ... Fanli lehnte sich zurück und ließ ihren Blick zur schillernden Decke emporwandern ... Raumschiffcommander ...

Sie bestellte noch einen Annelysirak.

 

Nach und nach verabschiedete sich einer nach dem anderen. Auch der begehrte Zera'malulufus verschwand und mit ihm eine Traube junger Weiblinge. Fanli spürte einen Stich im Herzen und seufzte.

Sie nahm noch einen Schluck Annelysirak, bannte Zera aus ihren Gedanken und hing ihren Träumen nach. Sie stellte sich vor, wie es wäre, auf dem Kommandositz eines Raumschiffs zu sitzen, durchs All zu fliegen, Befehle zu geben. Sie würde Weiblinge in ihre Crew aufnehmen. Bei der Mutter des Alls, das würde sie! Lame'linulatus hatte recht. Sie könnte es schaffen: Sie lernte schnell und war physisch in bester Verfassung. Ihr Plan stand fest: Morgen würde sie sich für die Ausbildung anmelden!

»Hochverehrtes Frollein, fühlen Sie sich jetzt besser?«

Fanli blickte auf. Sie stellte fest, dass sie nicht mehr ganz klar sah, aber das war der Kerl von vorhin. Marti. Er leuchtete in einem freundlichen Blauton und hielt sich auf respektierlicher Distanz. Eigentlich sah er gar nicht so schlecht aus und irgendwie fühlte sie sich gerade leicht und zufrieden. Sie war definitiv nicht mehr in der Stimmung zu streiten. »Ich habe dich hier noch nie gesehen«, antwortete sie.

Er schwamm eine Winzigkeit näher. »Ist auch mein erstes Mal.«

Fanli suchte nach seiner Tätowierung. Das war nicht einfach, denn es fiel ihr schwer, ihre Augen zu fokussieren. Dass sie keine fand, verwirrte sie etwas. »Zur Raumflotte gehörst du jedenfalls nicht.«

»Nee.« Seine Haut flimmerte in einem freudigen Orangeton.

Wahrscheinlich war er einer von diesen Jungstern, die von der Raumfahrt träumten, denen aber die Qualifikationen fehlten. Fanli seufzte. Solche Typen hingen oft im Tibulata ab, um ihre Helden zu bewundern. Aber dass er sie nicht erkannte, wunderte sie. Diese Fische wussten doch sonst die gesamte Mannschaft der FREDDY aufzusagen - und damals war sie das einzige weibliche Crew-Mitglied gewesen.

Er warf einen Blick auf ihre Tätowierung. »Du bist Navitroniker?«

Hallloooh!!, dachte sie. Bei dem klingelt es immer noch nicht! »Wäre ich! Wenn ich einen verdammten Job bekommen könnte!«, antwortete sie. Gerade war sie noch bester Laune gewesen und jetzt kam diese Qualle daher und musste sie wieder an die Absagen erinnern.

»Das tut mir echt leid«, sagte er und leuchtete in einem betroffenen Lila.

»Alles, weil ich keinen Schwanz zwischen den Tentakeln habe!«, fuhr sie verärgert fort. »Verdammte Chauvinisten! Weiblinge sind doch nur zu einem gut, was?!«

»Nicht alle sind so.« Marti schwamm ein bisschen näher. »Ich möchte Ihnen gerne helfen.«

Fanli klappte die Kiemendeckel zu. Leider gab es viel zu viele Spritzer auf diesem Planeten, und jeder sagte das, was ihm selbst zum Vorteil verhalf. Vielleicht meinte er es ernst, vielleicht wollte er sie ja auch nur ›nach Hause bringen‹. »Vielen Dank, Marti.«

Er wich ein Stück zurück. »Du bist vielleicht eine Kratzmuschel! Du scheinst dich ja dermaßen in deine Vorurteile verbohrt zu haben, dass du nicht mehr geradeaus denken kannst!«

Sie sah ihn erschrocken an. »Kannst du in mich hineinsehen?«

Er winkte ab. »Es steht dir auf die Haut geschrieben.« Er nahm einen stahlblauen Farbton an. »Aber ich werde dir beweisen, dass es auch andere Männlinge gibt.«

Wieder wusste sie nicht, ob er nur Sprüche abließ. Sie beschloss, ihn ein wenig abzuklopfen. »Es wäre wirklich schön, wenn es solche gäbe. Weißt du, es ist nämlich ziemlich frustrierend, ständig gegen Chauvinisten ankämpfen zu müssen.« Sie hob ihren Primärtentakel wie zum Schwur: »Aber ich werde nicht aufgeben! Allen zum Trotz werde ich der erste weibliche Raumschiffcommander von Nitsituaan werden! Commander Fanli'belzurili!«

Marti paddelte wieder ein Stück näher heran und seine Farbe wechselte zu einem leuchtenden Hellblau. »Das ist ein wunderschöner Name«, sagte er leise.

Sie sah ihn verblüfft an. Das klang so ehrlich. Er war ein seltsamer Typ. Erst brachte er sie zum Kochen und dann zeigte er seine gefühlvolle Seite. »Tut mir leid, wenn ich dir etwas unterstellt habe.«

»Schon gut«, antwortete er. »Darf ich mich zu dir setzen?«

Sie rutschte ein Stück zur Seite.

Er setzte sich neben sie. »Du scheinst sehr ambitioniert zu sein. Habe ich richtig verstanden, dass du Raumschiffcommander werden willst?«

»Na, ja«, gab sie zu. »Eigentlich wäre ich schon mit einer Position als Navitroniker zufrieden, aber Lame hat mich vorhin auf die Idee gebracht.«

»Dein Freund?«

Fanli blubberte. »Mein Ex.«

Marti legte einen verwirrten Ockerton auf.

Sie stieß ihn vergnügt in die Seite. »Mein Ex-Vorgesetzter!«

»Ach so«, sagte er.

»Und du findest das abartig?«

»Was?«

Fanli ließ grüne Pünktchen über ihre Haut blitzen, damit er wusste, dass sie alberte. Aber verwirrt sah er echt süß aus. »Ich meine, dass ich mir anmaße, beruflich in die Domäne der Männlinge vorzudringen«, klärte sie ihn auf.

»Ganz im Gegenteil.« Er sah ihr ernst in die Augen. »Mir imponiert, dass du dich das traust.«

Sie ließ die Tentakel sinken. »Mit ›Trau dich‹ allein ist es leider nicht getan. Die Entscheidungen werden von konservativen Männlingen getroffen.«

Marti schimmerte in einem geheimnisvollen Nachtblau. »Ich denke, du wirst deine Chance bekommen.«

Sie blickte auf. »Glaubst du wirklich?«

Er sah sie mit seinen schwarzen Augen an. »Ganz sicher.«

Seine Ermunterung tat ihr gut und irgendetwas in ihrem Inneren wollte, dass er recht hatte. »Das ist ganz lieb von dir.«

Er rückte etwas näher und Fanli ertappte sich bei dem Wunsch, dass er vielleicht doch ein bisschen mutiger sein könnte.

»Danke«, sagte er. »Es ist sehr schön, mit dir zu reden, aber es scheint, wir müssen uns dazu einen anderen Ort wählen.« Er deutete zur Bar. »Wir sind die letzten Gäste, ich denke, sie wollen schließen.«

Fanli sah ihn einen Augenblick lang an. Dann gab sie sich einen Ruck. »Na gut. Wenn du willst, darfst du mich nach Hause bringen - aber nur bis an die Tür.«

 

6. Kapitel

Vom Meer her blies ein kräftiger Morgenwind und heulte um das Haus am Strand von Lundsiel. Sven saß in der blitzsauberen Essküche. Er stocherte abwesend in seinem Frühstücksbrei, während er versuchte, sich Daten und Grafiken für den heutigen Unterricht einzuprägen, aber es ging ums Verrecken nichts in seinen Schädel. Es war, als hätte er wieder eine Million fremder Stimmen in seinem Kopf, die wie spitze Nadeln in sein Gehirn bohrten.

Die sieben Augenpaare seiner Geschwister beobachteten ihn schweigend über ihre leergegessenen Teller hinweg und sein Vater, der am Kopfende des langen Esstischs saß, trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum. »Du hast eine wertvolle Gabe, Sven, aber irgendetwas scheint damit nicht zu stimmen.« Er lehnte sich vor und sah Sven prüfend in die Augen. »Wir sollten noch ein paar PSI-Tests mit dir machen lassen. Vielleicht können die Oktoftewiltabinen den Grund für deine Kopfschmerzen finden.«

Sven sah seinen Vater misstrauisch an. Schwang da nicht ›Halluzinationen‹ zwischen den Worten? Sven wünschte, er hätte diese blöde Gabe nicht. Warum ausgerechnet er? Warum nicht einer seiner Geschwister? Oder überhaupt ein anderer! So blieb alles an ihm hängen! Er sollte dem Beispiel seines Vaters folgen und sein Talent zur Verbesserung des Zusammenlebens der Menschen und Squids auf Nitsituaan nutzen. »Wenn ich es länger in ihrer Nähe aushalten könnte, würde ich mich zum Raumpiloten ausbilden lassen und nichts anderes!«

Jake schüttelte den Kopf.

»Du bist doch auch eins ihrer Beiboote geflogen!«

Sein Vater nickte. »Aber das war etwas anderes. Wenn wir erst eine Heilung für dich gefunden haben und du Ambassador geworden bist, werden sie dich bestimmt das eine oder andere Mal auf einen Flug mitnehmen.«

Sven schaute verdrießlich zum Fenster hinaus. Der Köder war so alt, dass er stank.

Jake ergriff sein Datcom. »Ich werde gleich einen Termin für dich ausmachen.«

»Da war ich doch schon hundert Mal«, protestierte Sven. Von diesem Spezialisten für parapsychische Gehirnleistungen wollte er sich nicht schon wieder untersuchen lassen. Das letzte Mal war es ihm so vorgekommen, als hätte ihm der blasse Squid mit Glubschaugen tausend glühende Nadeln ins Gehirn getrieben und Sven war das Gefühl nicht losgeworden, dass es ihm der abartige Kerl am liebsten aus dem Schädel geschnitten hätte! Er warf seiner Mutter einen flehenden Blick zu.

Sie lächelte, wischte sich eine Strähne ihres mahagonifarbenen Haars aus dem Gesicht und wandte sich an Jake. »Liebster, wenn du heute bei deinem Meeting im Kathedom Wate'medaludes triffst, richte ihm und seiner Frau bitte einen schönen Gruß von mir aus.«

Sven kannte die Ablenkungsstrategie seiner Mutter. Aber oft funktionierte sie nicht. Dann passierte genau das Gegenteil und sein Vater bekam noch dümmere Ideen. Als Sven sah, wie sich Jakes Miene verfinsterte, ließ er die Schultern sinken.

»Den hat man aus Verhandlungen herausgenommen, Myriam. Dabei war er der einzig Vernünftige in der ganzen Blase! Wie soll man ...«

Ein Fünkchen Hoffnung erwachte in Sven. Wenn sein Vater über Politik schimpfte, steigerte er sich manchmal so weit hinein, dass er alles andere vergaß. Sven beobachtete ihn aus dem Augenwinkel.

Myriam stand auf. Der leichte Stoff ihres türkisgrünen Wickelgewands rauschte bei jedem Schritt wie sanfte Wellen am Strand. Sie legte Jake eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß, dass es schwierig ist. Aber wir haben uns nach Svens Geburt entschieden, die Erde zu verlassen, um am Aufbau Nitsituaans mitzuwirken.« Sie gab ihrem Mann einen Kuss auf die Wange. »Und wir werden es schaffen.« Sie warf einen bedeutungsvollen Blick auf das Baby in der Wiege, die neben ihrem Stuhl am anderen Ende des Esstischs stand. »Für unsere Zukunft.«

Jake atmete tief, erhob sich und ging zu dem Kleinen. Er nahm ihn behutsam aus seinem Bettchen. »Für dich und alle Kinder werden wir eine bessere Welt schaffen«, flüsterte er liebevoll in das winzige Ohr.

Hosenscheißer - so nannte Sven den kleinen Hosbert, wenn es keiner hörte - strampelte und gluckste fröhlich. Er machte ein Bäuerchen und kotzte mit strahlenden Augen über seinen Vater.

»Iggigg«, lallte das Baby und machte ein zufriedenes Gesicht.

Jake fluchte.

Myriam nahm ihm das Baby ab.

Sven konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Besser hätte das Ablenkungsmanöver nicht ablaufen können! Jetzt musste sich sein Vater noch einmal waschen und umziehen.

Myriam zwinkerte Sven zu. Er wollte sich schon verdrücken, da fiel ihm noch etwas ein: »Er hat heute ein Treffen mit den Squids?«

Myriam nickte.

Sven bekam ein ungutes Gefühl. »Das hat doch bestimmt mit dem zu tun, was ich gesehen habe?«

Sie legte das Baby in die Wiege. »Wenn du es wissen willst, frag ihn selbst. Aber jetzt ist keine Zeit dafür, ihr müsst in die Schule. Und pass auf deine Geschwister auf!« Sie öffnete die Haustür und ließ die schulpflichtigen Kinder hinaus. »Bis heute Abend, ihr Süßen.«

Sven rührte sich nicht. »Du kannst mir's ruhig sagen!«

Myriam drückte ihm den Rucksack in die Hand. »Politischer Kram hat dich doch noch nie interessiert.«

Betse, Svens stämmige Schwester, die einen Zyklus jünger war als er, drängte sich heran. »Mach zu, Alter, sonst muss das Matro wieder wegen dir warten.«

 

Die kräftige Meeresbrise schob Sven voran und ließ seine Hosenbeine flattern. Sie trug das Geräusch brandender Wogen und den Geruch von Salz und Tang mit sich. Eine Rampe aus armstarken Knüppeln führte die Sanddüne hinunter. Das Seegras zu beiden Seiten wiegte sich im Wind und raschelte leise. Sven dachte an die stickigen Klassenzimmer und seufzte. Viel lieber würde er mit Grimper und seinen Leuten die Dorngrasebene durchkämmen. Bestimmt hatten sie mit der Suche bereits begonnen.

»Ich hoffe, du hast heute nicht wieder einen von deinen Ausrastern!«, rief ihm Betse missmutig zu. »Ich muss es jedes Mal ausbaden: Auf die Kleinen aufpassen, Essen machen - als ob ich kein eigenes Leben hätte!«

»Du kannst sie ja zu Großvater Björn bringen. Der freut sich immer.«

»Träum weiter! Der hat schon lange keine Zeit mehr«, fuhr sie ihn an. »Ständig ist er unterwegs und hilft Leuten, irgendetwas zu bauen.«

Sven senkte den Kopf. Daran hatte er nicht gedacht. Dass andere für seine Versäumnisse aufkommen mussten, beschämte ihn. Er ging zu Betse hinüber und nahm ihre Hand. »Es tut mir echt leid. Ich gebe mir ja alle Mühe, aber dann kommt was dazwischen und ...«, Sven ließ die Arme sinken.

Betse sah ihn von der Seite an. »Du bist einfach ein Freak, Sven.«

 

Am Fuß der Düne trafen sie auf die alte Straße. Links, hinter einem Zaun aus Ästen, befand sich Myriams Gemüsegarten und rechts wucherte Gestrüpp, dessen Zweige der Wind schüttelte. Betse stapfte zielstrebig voran und kurze Zeit später erreichten die Geschwister den Ort Lundsiel. Sie passierten die quadratischen Gebäude mit ihren glänzenden Kuppeldächern und näherten sich dem Dorfplatz. Die gegenüberliegende Seite wurde vom Gemeinschaftsgebäude dominiert. Bis auf den schlanken Turm an der linken Gebäudeecke, an dessen Spitze Lautsprecher bei Bedarf die Anwohner zusammenriefen, war es einstöckig und zog sich fast über die gesamte Breite des Platzes. Neben dem Haupteingang scharte sich bereits eine Horde Kinder und Jugendliche im Schatten der rotbraunen Wand, auf die mit grellgelber Farbe ein großes H gemalt war, die Haltestelle.

Sven schaute die Straße nach Nelantis hinunter und entdeckte in der Ferne eine Staubwolke, die sich rasend schnell näherte. Der kleine glänzende Punkt davor wuchs rasch an und wenig später schwebte ein etwa 20 Spannen langes Fahrzeug mit umlaufender Fensterzeile auf den Dorfplatz. Es öffnete geräuschlos seine sechs Türen. Sven drängte sich durch die Menge, um einen der begehrten Sitzplätze an der vorderen Fensterreihe zu ergattern. Da das Matro ganz ohne Fahrer steuerte, gab es 8 davon.

»Sven Jake Forrester!«, ertönte eine weibliche Stimme hinter ihm. Ihr folgte der Duft der süßen Wamlomar-Frucht und hüllte ihn ein: Cilja.

Sie ließ sich geschmeidig neben ihm nieder, wobei ihre langen hellblonden Haare seinen nackten Oberarm streiften. Sven durchlief ein Schauer. Während sie sich zurechtsetzte, rutschte - wie zufällig - ihr Wickelgewand und gab ihr Bein bis zum Oberschenkel frei. Sven starrte auf ihr Knie und spürte, wie sein Blut in Wallung geriet.

Cilja grinste.

Er räusperte sich und riss seinen Blick von ihrem Bein, nur um festzustellen, dass der dünne Stoff ihre straffen Brüste kaum verhüllte und ihre Brustwarzen deutlich hindurchschimmern ließ.

»Warum hast du gestern Abend aufgehört, als es gerade am schönsten wurde?«, flüsterte sie ihm zu.

»Es ... es lag nicht an dir. Ich wollte schon ...«

Sie hob eine Augenbraue. »Aber?«

»Wenn du nun ... Du weißt schon ... dann muss ich ...«

»Dann musst du zusammen mit den anderen, mit denen ich geschnubbelt habe, das Kind versorgen. Das ist nun mal so.« Cilja sah ihn misstrauisch an. »Du willst dich wohl vor der Verantwortung drücken?«

Sven sah zu Boden. »Das ist es nicht, aber ich habe keine Lust mich an eine Sippe zu binden - schon gar nicht an eine Jugendsippe.«

Cilja sah ihn verständnislos an. »Aber alle machen es so!»

Sven schüttelte den Kopf. »Nein. Schau, mein Vater und meine Mutter ... die bleiben unter sich. Ich meine, für immer. Wenn du nun nur mit mir ...«

Cilja schaute ihn an wie einen Irren. »Und mit keinem anderen mehr? Alter, bist du völlig durchgedreht?!« Sie sprang auf und schritt erhobenen Hauptes zum hinteren Teil des Matros.

Sven sah ihren schwingenden Hüften hinterher und seufzte. In einer Sippe würden auch die anderen Mädchen mit ihm schnubbeln wollen. Das hatte schon seinen Reiz, aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an, obwohl es den traditionellen Gepflogenheiten Njaminglohs entsprach.

Sven zog sein Datcom aus dem Rucksack. Er musste es zwei Mal einschalten, bis es endlich hochfuhr. Dann loggte er sich in die Frequenz der Suchmannschaft ein und folgte dem Kommunikationsablauf der Männer: »Alpha Neuner Neuner. Erreiche Planquadrat QZ297 ... Auswertung ... negativ ... keine Spuren.« Sven lehnte sich in das Polster. Er war sich sicher, sie würden das Raumschiff finden.

Er schaltete das Gerät erst ab, als vor dem Matro Nelantis auftauchte. Obwohl er sie schon tausend Mal gesehen hatte, brachten die Hochhausruinen des Kathedoms, die das Stadtzentrum überschatteten, ein merkwürdiges Gruseln in ihm hervor. Wie Tropfkerzen aus angeschmolzenem, schwarzem Glas beugten sie sich über den großen Platz und das Amphitheater mit der muschelförmigen Architektur, bizarre Zeugen jener Schlacht vor 17 Zyklen, als sich die Menschen gegen die Ausbeutung durch die Squids aufgelehnt hatten. Nur noch ein Turm stand hoch und pfeilgerade - der Verwaltungstower, Sitz der Kleristen und der Obersten Administratorin.

 

7. Kapitel

Wie jeden Morgen sprach Guretta Estelle bei ihrer Mutter vor.

Im roten Wickelgewand, das sich hauteng an ihren Körper schmiegte, sah Gura Limka mit ihrem Alter von 45 Zyklen immer noch jung aus, sie wirkte dynamisch und sprungbereit. Die goldene Spange in Form eines aufsteigenden Pfeils an ihrer linken Brust zeichnete ihre hohe Position aus, aber am meisten faszinierte Shimamota ihr ebenmäßiger Kopf, der bis auf ein kleines Haarbüschel an der Seite kahlgeschoren war: das Zeichen der Kleristen. Schon immer hatten sie die führende Kaste gebildet. Mit ihrem 18. Geburtstag würde Shimamota formell aufgenommen werden und bekäme bei ihrer Initiierung ihr prächtiges Haar abgeschnitten. Das tat ihr ein bisschen Leid, aber sie sah es praktisch: Es würde ihr Ankleidezeremoniell erheblich verkürzen. Was Shimamota auch heute an ihrer Mutter störte, war dieses Lächeln, das immergleiche, das nie ihre Augen erreichte, als wäre es auf das Gesicht einer Kunststoffpuppe gemalt.

»Mom ...«

»Nenn mich Mutter, wenn du musst.« Gura Limka schob ihren schwebenden Schreibtisch zur Seite, erhob sich geschmeidig von dem weißgepolsterten Ledersessel und begutachtete ihre Tochter.

Die verzog den Mund.

»Haltung, Estelle!«, mahnte Gura Limka.

Shimamota straffte die Schultern. »Mutter, ich mag Estelle nicht. Ich möchte lieber Shimamota genannt werden.«

Gura Limkas Augen zeigten keine Gefühlsregung. »Der Name Shimamota wurde nach deiner Geburt vom Volk aufgegriffen und erlangte damit eine ordinäre Popularität. Du bist nicht wie sie. ›Estelle‹ ist elegant - und wenn dich auch nur eine Person Shimamota nennt, lasse ich ihr die Zunge herausreißen.«

Gura Limkas Stimme klang freundlich, aber Shimamota wusste, dass ihre Mutter nicht zögern würde, die Drohung wahrzumachen. Sie biss sich auf die Lippe. Wenn sie erst einmal Oberste Administratorin war, würde sie alles anders machen, besser, menschlicher. Bis dahin musste sie es einfach nur aussitzen.

»Und nun lass uns die heutigen Termine durchgehen«, fuhr Gura Limka fort.

Es war der Fünftag vor der Sonnenwende - bald würde die Sonne Irm hinter Aro hervortreten und einen neuen Zyklus einleiten - und am Abend gab es den Sonnwendball. Darauf freute sich Shimamota schon seit Wochen. »Darf ich diesmal etwas auf meiner Kristallflöte vorspielen? Das Stück, das Harfnermeister Domitan extra für mich komponiert hat?«

Gura Limka lächelte. »Du bist kein Komödiantin, Estelle, die sich zur Belustigung des Pöbels zur Schau stellt!«

»Musik ist etwas anderes«, beharrte Shimamota.

Ihre Mutter winkte ab. »Man lässt für sich spielen, Guretta.«

»Bitte! Ich habe so lange geübt.«

»Hör auf zu nörgeln! Du wirst deinen standesgemäßen Auftritt bekommen - in Form einer Ansprache. Den Text werde ich dir auf dein Datcom schicken.«

Wieder so ein langweiliges Gesülze, vermutete Shimamota. Vielleicht könnte sie es etwas aufpeppen ...

Gura Limka sah ihr scharf in die Augen. »Und keine Abweichungen!«

»Aber ...«

»Du wirst gehorchen, denn von Politik verstehst du nichts.«

Shimamota machte einen Schritt auf ihre Mutter zu. »Dann bring es mir bei!«

Gura Limka schüttelte den Kopf. »Dein fotografisches Gedächtnis allein reicht nicht aus.« Ihr Blick wurde hart. »Es gehören noch andere Dinge dazu und dafür bist du noch nicht reif.«

»Doch«, platzte Shimamota heraus. »Ich werde bald 17!«

Gura Limka sah sie von oben herab an. »Soeben hast du durch dein Fehlverhalten bewiesen, dass du es nicht bist. Lass mich jetzt arbeiten! Es geht im Moment drunter und drüber. Schon wieder ist ein Klanführer ermordet worden. Das waren diese verfluchten Unsichtbaren!« Sie wandte sich ab. »Und dann macht diese Rodhana die Leute mit einer Raumschifflandung verrückt ...«

Shimamota hatte Mühe, Haltung zu bewahren. »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest. Irgendwann soll ich doch deinen Platz einnehmen.«

Gura Limka drehte sich um und ging langsam auf ihre Tochter zu. »Bis dahin ist es noch lange hin. Du hast noch einen weiten Weg vor dir.« Sie blieb dicht vor Shimamota stehen und sah sie durchdringend an. »Und wenn du dich weiterhin so ungebührlich aufführst, werde ich dir den Konverter wegnehmen, den Jake dir gegeben hat!«

Shimamota spürte einen Stich im Herzen. Nicht nur, dass sie sich mit dem Gerät die Albträume vertrieb: Jedes Mal, wenn sie es in die Hände nahm, erinnerte sie sich an den Moment, als der Ambassador es ihr überreicht hatte. Damals hatte er so viel väterliche Güte ausgestrahlt. Sie hatte in seiner Nähe eine Geborgenheit gespürt, die sie bis dahin nicht gekannt hatte, und sie war von dem Bedürfnis übermannt worden, sich auf seinen Schoß zu setzen und seine schützenden Arme um sich zu spüren. Sie hatte eine Sehnsucht kennengelernt, die sie seither begleitete - die nach einem Vater. Tränen stiegen ihr in die Augen und sie blinzelte schnell, damit ihre Mutter es nicht bemerkte. Aber die schien an etwas anderes zu denken und Shimamota wurde bewusst, dass ihre Mutter den Ambassador unprotokollmäßig Jake genannt hatte. Sie schaute ihr prüfend in die Augen und meinte, hinter all der Kälte noch etwas anderes zu sehen.

 

8. Kapitel

In der Basis des Kathedoms am Ostende des großen Platzes befand sich der Schultrakt. Hunderte von Matros brachten jeden Werktagmorgen die Schüler aus ganz Njamingloh hierher.

Als Sven aus dem Lundsiel-Matro ausstieg, sah er Ciljas blonde Mähne in der Menge verschwinden. So verführerisch sie auch aussah, in eine Jugendsippe ließ er sich nicht locken - selbst wenn Ciljas Sippe zu den Shabraaken, dem einflussreichsten Klan Njaminglohs gehörte.

Sven sammelte seine Geschwister ein und bahnte sich einen Weg zum Eingang, da hörte er den unterdrückten Schrei eines Mädchens hinter einem der Matros. Dann vernahm er eine männliche Stimme: »Halt still, ich will mir doch nur mal deine Titten ansehen.«

Er erkannte sie sofort: Sie gehörte Ruban Skarabäus aus der Parallelklasse. Der Mistkerl! Sven spurtete los. Er ignorierte Betses Rufe und hielt auf das Matro zu. Er umrundete das Heck und erblickte Ruban, der mit einer Hand einem braunhaarigen Mädchen den Mund zuhielt und mit der anderen ihr Gewand herunterzog.

»Lass sie gehn!«, brüllte Sven.

Ruban fuhr herum, das Mädchen riss sich los, warf Sven einen dankbaren Blick zu und rannte davon. Dabei brachte sie hastig ihre Garderobe in Ordnung. Sie war mindestens zwei Zyklen jünger als Ruban. Gegen den athletischen Kerl, der auch noch gut einen Kopf größer als Sven war, hatte sie keine Chance gehabt. Was dachte sich der Idiot dabei, sie praktisch in aller Öffentlichkeit zu begrapschen?

Ruban trat einen Schritt auf Sven zu und sah ihn hasserfüllt an. »Was hast du dich da einzumischen, Psycho? Du glaubst wohl, nur weil du der Sohn vom ach so großartigen Jake Forrester bist, kannst du dir alles herausnehmen?!«

Sven straffte die Schultern. »Für dich immer noch Ambassador Forrester!«

Ruban grinste herausfordernd. »Ein erbärmlicher Spitzel und Verräter ist er und du bist eine miese Missgeburt! Was habe ich gehört? Du hattest Halluzinationen? Aliens aus dem All?« Er lachte und sah sich kurz um. Auf dem Platz war kein Mensch mehr zu sehen. Er hob die Fäuste. »Ich sollte dir deine Optik wieder einrenken!«

Svens Herz begann zu rasen. Am liebsten wäre er fortgelaufen.

Ruban grinste breit, dann schoss seine Rechte vor. Der Schlag erwischte Sven am Kopf und schleuderte ihn gegen die Seitenwand des Matros. Er rappelte sich auf, und schon traf ihn eine Ohrfeige. Sven ging zu Boden. Sein Gehirn schaltete ab. Mit gefletschten Zähnen sprang er auf und stürzte sich brüllend auf den Gegner. Der fing ihn mit einem Faustschlag ab. Sven spürte Blut über Lippen und Kinn laufen, dafür fehlte jegliches Gefühl in seiner Nase. Dann legten sich kräftige Finger um seinen Hals. Sven rang nach Luft, Rubans Gesicht verschwamm vor seinen Augen, die Stimme des Gegners wirkte fern: »Ich könnte dir den Arm brechen - oder die Finger - oder soll ich dir lieber die Eier zertreten? Hmm, so eine kranke Genetik wie deine sollte nicht weitervererbt werden ...«

Sven spürte, wie sich Rubans Muskeln spannten - da klatschte es und Rubans Gesicht wurde aus Svens Sichtfeld geschleudert. Dafür tauchte das von Miguel auf. Sven taumelte. Er lehnte sich an die Seitenwand des Matros und holte tief Luft. Derweil drehte der muskelbepackte Miguel Ruban den Arm auf den Rücken.

»Lass mich sofort los. Ihr könnt mir gar nichts tun!«, schrie Ruban mit überschnappender Stimme.

»Das werden wir ja sehen!« Miguel zwang seinen Gegner zu Boden. Grinsend setzte er sich mit seinem breiten Hintern auf Rubans Rücken. Der schnappte nach Luft und ruderte mit Armen und Beinen.

Sven betastete seine Nase, die jetzt zwar höllisch schmerzte, aber nicht gebrochen schien. Er warf Miguel einen erleichterten Blick zu. »Danke, dass du mich rausgehauen hast.«

»Kein Problem, Amigo. Aber musstest du dich ausgerechnet mit Ruban anlegen, wenn ich nicht dabei bin?«

Sven gelang ein schiefes Lächeln. »Du warst doch da.«

»Weil ich dich in der Klasse nicht gesehen habe.«

Sven klopfte Miguel freundschaftlich auf die Schulter. »Auf dich kann ich mich doch immer hundertprozentig verlassen.«

Miguel grunzte verlegen und richtete seinen Blick auf den unter seinem Gewicht stöhnenden Ruban. »Der führt sich seit Neuestem wie ein Klerist auf!«

»Ich bekomme keine Luft mehr«, keuchte Ruban.

Sven warf ihm einen misstrauischen Blick zu. »Vielleicht haben sie ihn als Anwärter akzeptiert.«

»Das geht euch gar nichts an!«, stieß Ruban hervor.

Sven sah ihn verächtlich an. »Hab ich mir's doch gedacht! Bist wohl scharf auf die Immunität? Die gilt aber erst nach der Initiation.«

»Dann sollten wir es ihm vorher nochmal tüchtig geben!«, schlug Miguel vor.

Ruban bäumte sich auf und versuchte, Miguel von sich abzuschütteln. »Nimm endlich deinen fetten Arsch von mir runter!«

»Halt's Maul!« Miguel hob ruckartig die mächtige Faust.

Ruban wich reflexartig zurück und knallte mit der Schläfe auf das harte Pflaster. Er schrie auf.

Sven betrachtete ihn. Sicher hätte er eine Abreibung verdient - aber wehrlos am Boden liegend? »Lass ihn gehen.«

Miguel verzog den Mund. »Du machst einen Fehler. Der will's wissen.«

»Nicht so! Wenn er wiederkommt, kannst du ihm eine verpassen, dass ihm Hören und Sehen vergeht«, entschied Sven.

Miguel erhob sich gemächlich von Ruban. Der sprang auf und lief ein Stück weit davon, dann drehte er sich um. Blut lief aus einer Platzwunde an der Schläfe. »Ihr verdammten Drecksäcke«, schrie er. »Wenn ich euch das nächste Mal erwische ...«

Miguel hob herausfordernd das Kinn. »Was dann?!«

»Ihr seid bei mir vorgemerkt! Ich mach euch fertig!«

Miguel machte einen Schritt auf Ruban zu, der wandte sich eilig ab und nahm die Beine in die Hand. »Ich sage es meiner Sippe. Sie werden die Squids auf euch hetzen!«, rief er ohne sich umzusehen. »Die Squids, sie werden euch ...«

Miguel sah ihm kopfschüttelnd nach. »So eine Pfeife. Ich wette, der und seine Sippe haben im Leben noch keinen einzigen Squid zu Gesicht bekommen.« Er sah Sven wehmütig an. »Ich leider auch nicht.«

Sven angelte nach seinem Rucksack und zog ein Tuch hervor. Während er sich das Blut von Nase und Kinn wischte, ertönte ein scharfer Pfiff. Dann drang Rubans Stimme vom Schuleingang herüber: »Die feigen Säcke müssen hier noch irgendwo stecken! Wenn ihr diesen Sven seht, tretet ihm ein paarmal kräftig in die Eier!«

Sven schaute vorsichtig hinter dem Matro hervor. »Scheiße, das sind mindestens zwanzig Kerle!«

»Ist Ruban dabei?«, fragte Miguel.

»Der geht weg.«

Miguel ballte die Fäuste. »Die andern schaffen wir!«

»Sie haben Messer.«

»Scheiße«, raunte Miguel. »Was machen wir jetzt?«

Sven dachte einen Moment nach. Dann kam ihm eine Idee. »Wir lassen die erste Stunde ausfallen, danach ist die Luft bestimmt wieder rein. In der Zwischenzeit ...« Er senkte die Stimme. »Du hast gesagt, du hast noch nie Squids gesehen.«

»Das schon.« Miguel warf einen unsicheren Blick auf den Schultrakt. »Aber ich denke es ist besser, wir warten hier.«

Sven sah sich verstohlen um. »Ich weiß, wo heute ein Meeting mit ihnen ist.«

Miguel schürzte die Lippen.

»Komm schon, Amigo.« Sven setzte sich in Trab. »Ich wette, mein Alter redet dort auch über uns.«

»Wenn das mal gut geht«, stöhnte Miguel.

 

9. Kapitel

Fanli erwachte am späten Vormittag mit einem Matschkopf. Sie stöhnte. Wer war eigentlich dieser Marti? Er hatte sich noch nicht einmal mit vollem Namen vorgestellt. Vielleicht schämte er sich seiner Herkunft? Wenigstens hatte er gestern Nacht vor der Tür kein großes Theater gemacht. Wenn sie da an andere dachte, deren grabschende Tentakel sie kaum hatte zurückhalten können!

Sie quälte sich aus ihrer Schlafnische. Sport würde ihren Kopf wieder klar bekommen. Sie warf einen Blick auf die Zeitanemone, dann sah sie auf die Klimaanzeigen. Draußen war es ihr schon zu heiß. Die Trainingshöhle lockte sie. Im klimatisierten Jetstream könnte sie sich austoben, danach ein Sprudelbad und anschließend etwas essen. Sie dachte an das schattige Restaurant am Kombupark. Dort gab es die besten Algenkekse. Sie schnappte sich ihre kleine Umhängetasche und glitt über den mit schillernden Fischschuppenteppichen ausgelegten Boden zur Tür.

Im Korridor war es still. Die Geschwister waren bereits auf dem Weg zum Unterricht in der Educatia und ihre Mutter, Tenka'kulinassa, werkelte in der Küche. »Bis zum Nachmittag bin ich wieder zurück«, rief Fanli ihr zu.

Sofort schoss Tenka zur Tür heraus. »Vergiss bloß nicht den Brautkampf heute Abend!«

»Ich denke ununterbrochen daran«, erwiderte Fanli und schillerte im dunkelgelben Farbton des Sarkasmus. Sie konnte es nicht ändern, dass sich die Männlinge um sie prügelten. Aber heiraten und sich einem dieser selbstgefälligen Spritzer unterzuordnen, wäre das Letzte! Wenn wenigstens der elegante Zera unter den Bewerbern wäre ... aber so? »Als ob ich nicht das Recht zu wählen hätte!«

Tenka ordnete hoheitsvoll ihre Tentakel. »Mein Kind, Tradition ist nun mal Tradition.«

Fanli verdrehte die Augen. Diesen Spruch hatte sie schon tausenddreihundertvierundachtzigmal gehört. »Ich bin doch keine Ware oder gar Trophäe!«

»Nun übertreibe nicht, die erlesensten Kandidaten kämpfen um dich.«

»Sie können mich ...« Fanli schillerte rot und drehte ab. Sie aktivierte den Sensor, die runde Eingangstür schob sich zur Seite, und Fanli schlüpfte nach draußen.

 

10. Kapitel

Shimamota fuhr zusammen, als es an der Tür ihres Empfangsraums klopfte. Sie hatte die Zeit ganz vergessen. Eilig schaltete sie das Datcom aus und steckte es zwischen die Rückenkissen ihres erhöht stehenden Stuhls. In den Datenbanken der Kleristen fand sie keine Hinweise, dass die Oktoftewiltabinen lebende Gehirne aus Menschen herausschnitten.

Sie atmete noch einmal tief durch und nahm eine hoheitsvolle Haltung ein. »Bitte«, rief sie.

Ein kahlgeschorener Diener mit tiefgelbem Wickelgewand und bordeauxfarbener Schärpe öffnete. Er verbeugte sich. »Ihre Tagesgefährten, Guretta.«

In zwei Reihen traten sie ein. Links die Mädchen, rechts die jungen Männer. Alle etwa in Shimamotas Alter. Mit ihnen kam ein Duft erlesener Parfüms und löste bei Shimamota eine Welle freudiger Erwartung aus. Nach Besuchen bei ihrer Mutter fühlte sie sich oft klein und unwillkommen, aber die Tagesgefährten gaben ihr jedes Mal das Gefühl, etwas Besonderes zu sein, geschätzt, ja angebetet. Sie ließ einen raschen Blick über die Mädchen schweifen. Alle trugen die gleichen, rosaroten Wickelgewänder, aber es waren ihre Frisuren und Accessoires, mit denen sie sich von den anderen hervorzuheben suchten. Dabei achteten sie sorgsam darauf, dass ihre Haartürme nicht höher und ihre Schmuckstücke nicht extravaganter waren als die der Guretta.

Shimamota wusste, dass es immer ein großes Gerangel darum gab, wer sie besuchen durfte. Sicher hatte sie als Guretta das Recht, ihre Tagesgefährten selbst auszuwählen, aber sie ließ sich gerne überraschen, wer es von den vielen Bewerbern schaffte, denn nur zwölf wurden für jeden Tag zugelassen.

Shimamota fiel auf, dass ein Mädchen etwas abgerückt von den anderen stand, die Letzte in der Reihe. Sie erinnerte sich, sie bereits bei drei früheren Besuchen gesehen zu haben, Marlandra hieß sie. Mit ehrfürchtig gesenktem Kopf stand sie da und Shimamota las in ihrem Gesicht eine Mischung aus Freude und ... Furcht? Sie schien die Rangniedrigste der sechs Mädchen zu sein und ihre Ohrringe, Armreifen und Schmuckketten drückten nicht unbedingt Reichtum aus. Ihre Sippe konnte jedenfalls keine der Führenden sein. Shimamota ahnte etwas Ungewöhnliches.

Die sechs Jungen präsentierten sich in dunkelblauen Tunikas, alle gleich geschnitten und ohne Verzierungen. Shimamota war neugierig, wer diesmal bei ihr antreten durfte. Wie sie das Privileg eines Besuchs erwarben, wusste sie nicht, vermutete aber, dass ihre Sippen Geld und Beziehungen spielen ließen.

Sie fasste einen nach dem anderen ins Auge. Der erste trug sein Haar zu kurz, was seine etwas abstehenden Ohren unvorteilhaft betonte. Die hellblauen Augen in dem dunklen Gesicht seines Nachbarn wirkten unwiderstehlich exotisch, aber auch der Schwarzäugige mit seinem kantigen Kinn gefiel Shimamota.

Die jungen Frauen traten vor. »Guretta sehen heute bezaubernd aus«, »Gurettas Frisur ist absolut atemberaubend«, »Oh, Ihr Kleid!«, »So viel Anmut«, grüßten sie, stellten sich mit Namen vor und knicksten. Shimamota lächelte hoheitsvoll von ihrem Podest herab. Obwohl sich die Komplimente jeden Tag ähnelten, tat ihr die Aufmerksamkeit gut - und sie hatte sich nicht getäuscht, die Kleine war Marlandra.

Dann schlossen sich die Jungen an und der Reihe nach küsste jeder sanft ihre Hand. In ihren Augen las sie Bewunderung, Anbetung, Ehrfurcht. Allesamt hatten sie sich im Griff. Keiner zeigte sinnliches Interesse und Shimamota vermutete, dass das eines der Auswahlkriterien war.

Wenn sie den einen oder anderen abends in ihr Schlafgemach bestellte, erfüllten sie erfahrungsgemäß alle ihre Wünsche mit großer Fertigkeit, aber Emotionen zeigten sie nie. Sicher wurde auch ihnen eingedrillt, sie zu unterdrücken.

»Nehmt doch Platz.« Mit graziöser Armbewegung deutete sie auf die Sitzmöbel vor ihr. »Ich freue mich, dass ihr zu meinem Plauderstündchen gekommen seid und heute hätte ich gleich eine Frage: Wer kennt sich mit der Geschichte Nitsituaans vor der Erneuerung aus?«

Sofort schoss ein Arm in die Luft. Streber, dachte Shimamota. Sie lächelte den großen, athletisch gebauten jungen Mann an. »Sie sind neu, Ruban?«

»Ich fühle mich geehrt, Guretta endlich persönlich begegnen zu dürfen.«

»Nun?«

Er holte tief Luft, als ob er zu einem Dauerlauf starten wollte. »In der Zeit vor der Erneuerung zwangen die Oktoftewiltabinen die Menschen unter ihre mentale Kontrolle und versklavten sie ... uns. Ihre Mutter, Guretta, unsere hochverehrte Oberste Administratorin Gura Limka konnte sich aus der Hypnose befreien und führte die kampfgeschulten Kleristen gegen die Unterdrücker«, ratterte er herunter.

Hypnotische Kontrolle. Aber hatten die Oktoftewiltabinen auch Experimente an isolierten Gehirnen durchgeführt? Shimamota sah den jungen Mann befremdet an. Hinter seinen Worten schien noch etwas anderes zu stecken. »Eine einseitige Darstellung«, erwiderte sie.

Ruban verzog das Gesicht. »Die Ehren, mit denen Rodhana und Jake Forrester überschüttet werden, halte ich für geschönt. Wahrscheinlich hat jeder mit jedem geschnubbelt, wie das damals so üblich war, und deshalb ...«

Die Mädchen hielten sich entsetzt die Hände vor den Mund. Ruban zuckte mit keiner Wimper und hob das Kinn noch etwas höher: »Die beiden haben uns verraten! Die Oktoftewiltabinen verweigern uns Zugang zu ihrer Technologie, sodass wir uns mit primitivsten Mitteln helfen müssen. Das ist menschenverachtend, arrogant! Ich stehe daher voll und ganz auf der Seite der Kleristen.« Er warf sich in die Brust. »Ich bin auch schon im Training.« Dabei fasste er betont lässig an eine Blessur auf seiner Stirn. Es musste eine frische Wunde gewesen sein, war aber so gut versorgt, dass sie kaum auffiel. »Ich habe mir nichts sehnlicher gewünscht, als dort verehrte Guretta einmal zu sehen. Ihr Kampfstil soll überragend sein.«

Shimamota unterdrückte den Impuls aufzuspringen. Das war plumpe Anbiederung! Der ungehobelte Kerl hatte es sicher ausschließlich dem Einfluss einer mächtigen Sippe zu verdanken, dass er es in ihre Plauderstunde geschafft hatte. Ein karrieristischer Emporkömmling.

Die anderen Besucher versuchten sichtlich, ihre Fassung zu wahren.

Shimamota zwang sich zu einem freundlichen Tonfall. »Ich bekomme persönliches Kampftraining von Guru Zatkan. Daher werden Sie wohl weiterhin auf meine Anwesenheit verzichten müssen.«

Ruban nickte neidisch. »Vom Großmeister würde ich mich auch gerne coachen lassen!«

Sie schenkte ihm ein Lächeln und bemerkte, wie sich ihre anderen Besucher diskret entspannten. In Marlandras Gesicht glaubte sie sogar, eine gewisse Befriedigung ausmachen zu können. Shimamota lächelte in sich hinein. Alle, außer Ruban, hatten es verstanden: Für ihn war es fortan unmöglich, noch einmal eine Audienz bei ihr zu bekommen.

Sie erhob sich und die anderen folgten ihrem Beispiel. Auf einen unsichtbaren Befehl öffnete sich die Tür zum Korridor. »Ihr dürft jetzt gehen«, sagte die Guretta huldvoll. »Alle - bis auf ...«

Die Köpfe flogen herum. Ruban grinste triumphierend.

»... Marlandra«, beendete Shimamota ihren Satz.

In Rubans Augen flackerte etwas, das Shimamota nicht gefiel.

Marlandra strich sich nervös mit der Hand übers Gewand.

Shimamota wartete, bis die anderen Besucher den Raum verlassen hatten und die Tür ins Schloss fiel. Dann setzte sie sich und lud Marlandra mit einer Handbewegung ein, auf dem weißgepolsterten Sessel ihr gegenüber Platz zu nehmen. Das Mädchen folgte zögernd der Aufforderung.

Shimamota beobachtete sie schweigend.

Marlandra schaute auf ihre Hände, die sie in ihrem Schoß knetete. »Ich ... ich bitte aufrichtig um Verzeihung, Guretta, weil ich vorhin meine Miene nicht im Griff hatte.«

Shimamota lächelte. Seit vielen Zyklen schien das der erste wirkliche Gefühlsausdruck gewesen zu sein, den jemand vor ihr gezeigt hatte. »Viermal hast du es geschafft, einen Besuch bei mir zu bekommen.«

Marlandra wurde rot.

»Das muss deine Sippe doch ein Vermögen gekostet haben«, sagte Shimamota.

Marlandra presste die Lippen aufeinander.

»Sprich«, drängte Shimamota.

Marlandra schluckte.

Shimamota wusste nicht, was sie davon halten sollte.

»Nun rede schon!«

Marlandras Lippen zitterten. »Wenn ... wenn ich bei Guretta bin, dann ... dann fühle ich mich so glücklich«, stotterte sie, ohne aufzusehen.

»Sieh mich an.«

Zögernd hob Marlandra den Kopf. Tränen standen in ihren Augen.

Shimamota starrte das Mädchen entgeistert an. »Du ... du magst mich?« Sie ließ sich schwer in die Kissen sinken.

Marlandra schüttelte entsetzt den Kopf. »Nein. Nicht so. Ich bin nur gerne in Ihrer Nähe.«

»Und dafür müssen deine Leute bezahlen?«

Wieder schüttelte sie den Kopf. »Ich komme aus einer kleinen Sippe. Aber ich bestehe alle Tests, und wenn dann die Großen nicht alle Plätze aufkaufen ...«

Shimamota sah dem Mädchen in die Augen und las darin Wärme und Menschlichkeit. Eine alte Sehnsucht stieg in ihr auf: Sie hatte sich immer eine Schwester gewünscht, eine, mit der sie ihre Sorgen und geheimsten Wünsche teilen, mit der sie weinen und mit der sie herumalbern konnte. Shimamota seufzte, aber dann lächelte sie: »Magst du noch etwas hierbleiben?«

Marlandra sah sie mit großen Augen an. »Ich will mich nicht aufdrängen.«

Das hörte sich aufrichtig an. Shimamota wagte kaum zu glauben, was hinter diesen Worten steckte: Ehrlichkeit. Ihr wurde ganz leicht ums Herz. Sie sprang auf. »Komm, wir machen ein Spiel. Solange niemand hereinkommt, tun wir so, als ob es die Protokolle nicht gibt.«

Marlandra hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund.

»Es ist nur ein Spiel, verstehst du. Und in dem Spiel nennst du mich Shima.«

»Aber es ist strafbar.«

»Mich Shimamota zu heißen, ist verboten. Shima aber nicht.«

Marlandra atmete tief. »Shima«, sagte sie zögernd.

Noch nie war Shimamota bei ihrem richtigen Namen genannt worden. Wie sehr hatte sie sich das gewünscht! Wärme breitete sich in ihrer Brust aus, es war, als hätte sich eine Klammer gelöst und sie atmete endlich frei.

»Was ist mit Ihnen?«

»Sag's nochmal«, bat Shimamota. »Meinen richtigen Namen.«

»Shima«, sagte Marlandra jetzt etwas mutiger.

Shimamota umarmte das Mädchen. »Das ist so schön!«, jubelte sie, ließ Marla wieder los und drehte sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis herum. In ihrem Herzen formte sich eine neue Melodie und wollte hinaus. Und endlich hatte sie einen Zuhörer! Begeistert zog sie ihre winzige Kristallflöte aus dem Band, das ihr Wickelgewand um die Hüften zusammenhielt, und blies erst einige fröhliche Triller. Dann ließ sie die Flöte in einer Symphonie aus Licht und Wind erklingen und tanzte dazu.

Sie wandte sich erwartungsvoll Marlandra zu, die sie mit hölzernem Gesichtsausdruck ansah.

Shimamota zog die Brauen hoch. »Dir gefällt meine Musik nicht?«

Marlandra druckste herum.

»Sag schon!«

»Na ja, ein bisschen ungewohnt«, antwortete die kleinlaut.

»Also echt Scheiße«, platzte Shimamota heraus, und als ihr bewusst wurde, was sie gerade gesagt hatte, begann sie zu kichern. Ordinäre Sprache vor Untergebenen! Mutter würde sie grillen, hätte sie es gehört. Marlandra wirkte nicht geschockt - unterdrückte sie vielleicht sogar ein Grinsen?

»Du lachst mich aus!«, empörte sich Shimamota.

Marlandras Augen weiteten sich vor Schreck. »Nein, nein. Das würde ich nie wagen«, beeilte sie sich zu sagen. »Aber Sie wirken auf einmal so ... menschlich.«

Shimamota traute ihren Ohren nicht. Wie absurd. Aber Marlandras Offenheit gefiel ihr. Sie trat auf das zierliche Mädchen zu und streckte die Hand aus: »Lass uns Freunde sein.«

Diesmal strahlte Marlandra übers ganze Gesicht. Zögernd, so als ob sie es nicht glauben konnte, tastete sie nach der dargebotenen Hand.

So hatte Shimamota noch nie eine Hand in der ihren gespürt. Da waren Wärme und Leben und Kraft und Weichheit, als ob Marlandras Seele darin wohnte. Tränen traten ihr in die Augen und diesmal hielt sie sie nicht zurück. »Danke«, hauchte sie.

Auch Marlandra weinte und beide fielen sich in die Arme. So glücklich hatte sich Shimamota noch nie gefühlt. Zum ersten Mal, seit ihre Nanny gestorben war, fühlte sie sich gehalten und geborgen, eine Nähe, die sie nie wieder verlieren wollte. So musste es sich anfühlen, eine Schwester zu haben. »Darf ich dich Marla nennen?«

»Oh«, antwortete Marlandra und ihr Gesicht wirkte erfreut und traurig zugleich. »So hat mich mein Großvater immer genannt.«

»Er muss furchtbar nett sein. Ich wünschte, ich würde meinen kennen.« Ihr Großvater väterlicherseits war schon lange tot. Er war ein unbedeutender Klerist gewesen, ein Name in langen Listen anderer. Aber wer ihre Großeltern mütterlicherseits waren, konnte sie nicht herausfinden. Keine Eintragungen in den Datenbanken und das Schweigen ihrer Mutter. Shimamota fühlte sich beraubt.

Marla senkte den Kopf. »Er ist im letzten Zyklus gestorben. Aber schaut ...«

»Sag du«, forderte Shimamota. »Solange keiner dabei ist.«

Marla errötete. »Schau«, korrigierte sie sich dann und zog einen silbrigen Gegenstand an einer Kette aus den Falten ihres Wickelgewands. »Das hat er mir gegeben, damit ich immer an ihn denke.« Sie drückte auf einen kleinen Knopf, woraufhin ein Deckel aufsprang und leise eine zarte Melodie ertönte.

Shimamota schaute fasziniert auf die zwei Pfeile, die auf Zahlen am Rand der Apparatur deuteten.

»Das ist eine Sprungdeckeluhr«, flüsterte Marla andächtig. »Mein Großvater sagte, dass sie von Ährdhe ist.«

»Wie der Ambassador«, hauchte Shimamota. Und da schoss ihr plötzlich ein Gedanke in den Kopf: Ihre Mutter war vor der Erneuerung für die Eingliederung der Neuzugänge auf Nitsituaan zuständig gewesen und Jake war einer der letzten Menschen, die die Squids von der Erde entführt hatten. Daher kannte sie ihn also. Ob sie sich damals in ihn ... Nein. Gefühle konnte sie sich bei ihrer Mutter nicht vorstellen. Aber Gura Limka hatte ein Geheimnis ...

Marla klappte den Deckel zu. Die Melodie verstummte.

Shimamota richtete den Blick wieder auf ihre neue Freundin. »Du hast deinen Großvater sehr gerne gehabt?«

Marla nickte traurig. »Wenn ich nachts nicht schlafen kann, spricht er zu mir.«

Shimamota schaute erstaunt auf. »Mein Vater ist auch bei der Mutter des Alls, aber gehört habe ich ihn noch nie.«

Marla blickte versonnen auf die Uhr. »Wenn ich sie nachts in den Händen halte und auf die Melodie lausche, ist er mir ganz nah.«

Shimamota ließ ihren Blick aus dem Fenster schweifen. Vielleicht waren die Albträume schuld. Wie sollte sie über die gequälten Schreie der Gehirne ihren Vater hören? Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Sie nahm einen tiefen Atemzug und straffte sich wieder. Sie hatte kein Andenken an ihn. Überhaupt nichts. Jedenfalls nichts Persönliches. Nur sein Abbild in der Grabkammer. Bisher war sie immer allein dorthin gegangen. Keinen schien er zu interessieren - am wenigsten ihre Mutter. Aber jetzt hatte sie eine Freundin. »Komm mich morgen wieder besuchen. Dann gehen wir zu meinem Vater.«

»Ich ... ich weiß nicht. Ich mag all die Toten in der Gruft nicht.«

 

11. Kapitel

Sven presste sich an eine kleine Seitentür des Kathedoms. Etwa 30 Matros standen auf dem großen Platz und schützten die beiden Jungen vor neugierigen Augen.

»Heute ist absolut die Gelegenheit«, flüsterte er Miguel zu und schaute sich verstohlen nach allen Seiten um.

»Und wenn sie uns erwischen?« Miguel drückte sich so fest an die Tür, als wollte er damit verschmelzen.

»Quatsch!« Sven klopfte ihm auf die Schulter.

»Und wenn sie Wachen aufgestellt haben?«

Sven grinste von einem Ohr zum anderen. »Ich kenne einen Geheimgang.«

Miguel schien das nicht zu beruhigen. »Aber wenn du in ihrer Nähe Kopfschmerzen bekommst?«

Sven winkte ab und wandte sich der Tür zu. Sie bewegte sich keinen Millimeter.

Miguel atmete auf. »Das ist ein Zeichen. Lass uns verschwinden.«

»Hast du etwa Muffe?« Sven zog sein Datcom hervor und schaltete es ein. »Paps hat mir ein paar nützliche Tricks beigebracht. Er ist zwar ein verdammter Rechthaber, aber manchmal hat das auch seine Vorteile.« Sven kannte sich inzwischen mit der biokybernetischen Funktionsweise der Rechner und der Programmierungslogik der Squids fast so gut aus wie sein Vater. Auf dem fünften Programmlevel gab es einen Schwachpunkt, der die Umgehung von Sicherungscodes ermöglichte. Sven fand ihn auch im Computer des Kathedoms. Er schüttelte den Kopf. Die Squids hatten die Lücke immer noch nicht geschlossen. Diese arroganten Fische trauten den Menschen überhaupt nichts zu! Sven grinste und legte die Sicherung des Schlosses lahm.

»Bist du verrückt?!«, fuhr ihn Miguel an.

»Ich hab meine Identität verborgen«, sagte Sven leichthin. »Schieb die Tür auf.«

»Und die Überwachungsanlage?«

Sven zwinkerte Miguel zu. »Hat plötzlich einen blinden Fleck bekommen.«

Gemeinsam schlüpften sie durch den Spalt und Sven reaktivierte das Türschloss.

 

Im Gang war es dunkel. Ein ferner Lichtpunkt zeigte das Ende. Sven tastete sich an der metallisch glatten Wand entlang, die für Notausgänge typisch war. Warmer Atem in seinem Nacken verriet, dass ihm Miguel auf dem Fuß folgte.

Fast hatten sie das Ende erreicht, da sah Sven Gestalten im beleuchteten Korridor. Instinktiv presste er sich mit dem Rücken flach gegen die Wand.

»Stell dir doch mal vor, da würde Guretta Estelle vorbeigehen«, hauchte Miguel und reckte den Kopf. »Du, mit der würde ich gern mal schnubbeln.«

»Jeder will das«, erwiderte Sven ungerührt.

»Du etwa nicht? Mann, die hat eine Figur - und ihr Gesicht!«

»Du hast sie bisher doch nur von weitem gesehen!«

»Aber sie sieht spitze aus!«, beharrte Miguel.

»Eine Vorzeigepuppe ist sie. Wahrscheinlich ist ihr Kopf auch genau so hohl. Hast du jemals eine ihrer Ansprachen gehört? Lauter auswendig gelernter Mist!«

Sven wandte sich ab und lauschte auf die verhallenden Schrittgeräusche. »Ich denke, sie sind weg.«

Die beiden schlichen vorsichtig weiter, huschten über den Korridor und in den nächsten Seitengang, dann in noch einen schmaleren Gang, an dessen Wänden lebensgroße Porträts längst vergessener Hohepriester hingen. Alle in weißen, goldbestickten Roben, kahlgeschorenen Schädeln und entrücktem Blick.

Sven lief von einem zum anderen. »Ich suche einen mit supergrimmiger Miene, angewachsenen Ohrläppchen und einem Muttermal am linken Nasenflügel.«

Miguel sah ihn zuerst. »Dem hängen die Mundwinkel ja bis zum Kinn runter!«

Sven kam herbei und blickte sich verstohlen um. Im Gang war niemand zu sehen. Nur in der Ferne hallten Schritte. Er fasste das Porträt am Rahmen und schob es behutsam zur Seite - dahinter zeigte sich ein quadratisches Loch in der Wand. »Ist das nicht geil? Hab ich gefunden, als ich mal mit Paps hier war.«

Miguel starrte in die dunkle Röhre.

»Da müssen wir rein«, flüsterte Sven. »Ich mach dir 'ne Baumleiter.«

Sven klemmte das Bild mit einer Schulter an der Wand fest, verschränkte die Hände und bot sie Miguel als Tritt an.

Miguel atmete schwer, als er sich in den Geheimgang zwängte. Bei seinen Bemühungen stieß er Sven mit dem Knie vor den Kopf.

»Pass doch auf!«, fluchte Sven leise.

»Sorry. Hab's gleich.« Miguels Beine verschwanden langsam in dem Loch. Ein Fuß blieb am Bildrahmen hängen. Der knallte gegen die Wand. Sven hielt den Atem an. Hektisch sah er sich nach allen Seiten um, dann schlüpfte er lautlos hinter Miguel her und ließ das Bild vor den Einstieg gleiten. Es wurde stockdunkel. Sven lauschte. Draußen hörte er Schrittgeräusche. Sie wurden lauter. Sven hielt den Atem an, bis sie verhallten. Als sich sein Puls beruhigte, kramte er in seinem Rucksack, bis er die Taschenlampe fand. Er knipste sie an und ihr scharfer Strahl traf Miguels schuldbewusstes Gesicht. Sven schluckte den Tadel hinunter, der ihm auf der Zunge lag. Miguel bekam von seiner Mutter ständig Verweise wegen seiner Unbeholfenheit. »Ist ja nichts passiert«, flüsterte Sven, quetschte sich an seinem Freund vorbei und leuchtete in den niedrigen Tunnel. »Bleib dicht hinter mir.«

Die Taschenlampe zwischen den Zähnen kroch Sven auf allen vieren vorwärts. Schon nach wenigen Spannen endete der Gang. Sven ließ den Lichtstrahl umherwandern. Vor ihm lag eine quadratische Kammer mit drei Ausgängen und einer Treppe. »Wir müssen nach unten.«

Er half Miguel aus dem Gang, dann schaltete er die Taschenlampe aus. Er tastete sich an der glatten Wand entlang. Nur Miguels Schnaufen war zu hören, als sie Stufe für Stufe hinunterschlichen.

»Wie weit geht's denn noch runter«, flüsterte Miguel.

»Der ›Raum der Begegnung‹ ist unterhalb des Meeresspiegels.«

Miguel stöhnte leise.

Die Treppe endete in einem schmalen Korridor. Nach gut 100 Spannen mündete er in einen Saal, den auf der anderen Seite eine gewölbte Scheibe begrenzte, hinter der etliche Squids im türkisschimmernden Wasser schwebten. Davor standen einige Menschen in Amtskleidung: Rodhana trug einen enganliegenden Hosenanzug aus feingegerbtem Leder, sein Vater eine schwarze Robe und Gura Limka ein rotes Wickelgewand.

Auf Zehenspitzen schlich Sven näher. Mit jedem Schritt verdichtete sich das Gedankengewirr der Squids in seinem Kopf und legte sich wie ein ätzender Nebel um sein Bewusstsein. Er konnte eine mentale Stimme heraushören, die simultan von einem Audiokonverter im Saal in die Sprache der Menschen übersetzt wurde: »In besagter Nacht gab es bei uns keine Raumschiffaktivitäten.«

»Und wenn Ihr Bericht ... lückenhaft ist?«, fragte Rodhana.

Sven hörte sie wie aus weiter Ferne. Vor seine Augen schien sich ein Schleier zu legen.

»Wollen Sie damit sagen, dass ich lüge?«, brauste ein Squid auf.

»Nein. Aber dass es etwas anderes sein könnte.« Der ruhige Unterton in der Stimme von Svens Vater wirkte hypnotisch.

»Auf Ihren Wunsch hin haben wir die Daten der Überwachungssatelliten auswerten lassen, hochverehrter Ambassador. Negativ. Ihre Anfrage wurde als Schikane bezeichnet, Sie strapazieren schon wieder unsere Beziehung, hieß es.«

»Misstrauen belastet unser Verhältnis, nicht der Austausch von Daten!«

»Ich habe sie jetzt gesehen«, wisperte Miguel.

Sven legte ihm die Hand auf den Unterarm. Wenn sein Vater bei den Squids dermaßen nachbohrte, vermutete er mehr hinter ihren Worten. Sven wusste aus eigener Erfahrung, wie gut er die Wahrheit herauskitzeln konnte. Er ignorierte das Stechen in seinem Schädel und schob sich weiter in den Gang hinein.

»Was machst du da?!«, flüsterte Miguel.

»Die verbergen etwas«, raunte Sven.

»Lass uns verschwinden. Du hast doch schon genug gehört.«

Sven schlich weiter.

Plötzlich flutete Licht den Gang. Sven zuckte zusammen. Aus einem Seitengang näherten sich die Schrittgeräusche schwerer Stiefel. Instinktiv packte er Miguel am Arm und rannte Richtung Treppenhaus.

»Halt!«, tönte eine tiefe Männerstimme.

Sven lief schneller, stürmte die Stufen hinauf und schlüpfte in den Durchgang. Er half Miguel durch das Loch in der Wand und auf Schleichwegen hasteten sie zu ihrem Klassenzimmer. Der Versuch sich hineinzuschmuggeln missglückte. Ihr Lehrer, ein Klerist mit sauertöpfischer Miene zitierte sie vor sich. »Wie immer Forrester und Gonzales«, blies er die beiden an. »Was für eine Ausrede habt ihr diesmal?«

»Ruban Skarabäus«, sagte Sven und deutete auf seine geschwollene Nase. »Er hat uns nicht ins Gebäude gelassen.«

Der Lehrer zog eine Braue hoch. »Soso! Auf eure Plätze, aber ein bisschen flott!«

Kaum saßen sie steckten sie die Köpfe zusammen.

»Dass die Squids lügen, ist megaverdächtig«, flüsterte Miguel.

Sven nickte zufrieden. »Ich habe mir doch nichts eingebildet. Pass auf, Grimper wird ihr Raumschiff finden!«

 

12. Kapitel

Es war schon Nachmittag. Fanli schwamm die Südroute nach Hause, wo höhergelegene Tangwälder kühlen Schatten spendeten. Sonnenlichter tanzten über den Boden. Sie fühlte sich wieder fit, der Ärger über die Absagen verblasste. Es würde andere Gelegenheiten geben ... obwohl ... Raumschiffcommander? Es war eine Schnapsidee! Sie hatte keine Chance. Aber schön war die Vorstellung schon.

Noch ganz in Gedanken erreichte sie die Wohngrotte. Der Sensor erkannte sie und öffnete die Tür. Im Eingangsbereich schoss ihr der freche Wusel'poppelates in freudigen Farben schillernd entgegen. Er war der Zweitjüngste ihrer Geschwister und stand kurz vor seiner Einschulung. »Hast du mir was mitgebracht?«

»Wie kommst du denn darauf, Wusel?«, fragte sie den kleinen Bruder.

Vor Enttäuschung ermattete das bunte Farbspiel auf seiner Haut.

»Warte!« Fanli nahm ihre Umhängetasche ab und zog ein Netz süßer Algenkekse hervor. Sofort streckte Wusel den Primärtentakel danach aus.

»Stopp! Hima'susulina soll sie nachher verteilen, wenn alle zuhause sind.«

Wusel blitzte indigniert in einem leuchtenden Gelbton auf. »Die alte Petze!«

»Sie passt auf, dass sich keiner zu viel nimmt«, erwiderte Fanli.

Ihre Mutter, Tenka'kulinassa, schwamm träge herbei, einen Tentakel um den winzigen Nisse'medaludes geschlungen.

Fanli erfasste jedes Mal Mitleid, wenn sie ihn sah. Ihr jüngster Bruder hatte nur sechs Fangarme, und dabei war er ein so nettes Kerlchen.

Er sah sie aus großen schwarzen Augen an und blubberte vergnügt.

»Es wird wohl unser Letztes sein«, seufzte Tenka. »Ich werde langsam alt und die Genetik meiner Eier vergeht.« Sie fasste ihre Tochter ins Auge. »Es wird Zeit für die nächste Generation.«

»Spielst du wieder darauf an, dass ich endlich heiraten soll?!« Diese ewigen Andeutungen gingen Fanli zunehmend auf die Nerven. Als ob ihre Mutter sie langsam zermürben wollte! »Mama, das ist voll demotivierend, dabei wünsche ich mir so sehr, dass du mich unterstützt!«

Tenka legte sanft einen Tentakel um sie. »Aber Kind, das tue ich doch! Irgendwann musst du aus deinen Fantasieträumen erwachen und dich der Realität stellen.«

»Es sind keine Fantastereien«, beharrte Fanli. Als sie nach Worten suchte, wie sie es ihrer Mutter erklären konnte, öffnete sich die Eingangstür und ihr Vater segelte herein. Fanli atmete auf. Mit seinem Erscheinen hatte er sie vor einer langen und, wie sie befürchtete, fruchtlosen Diskussion bewahrt. »Hallo Papa!«, begrüßte sie ihn und stutzte. An seinem gedämpften Farbton erkannte sie, dass seine Vormittagsaktivitäten keinen angenehmen Ausgang genommen hatten. Auch ihre Mutter bemerkte es, denn sie schnappte sich Wusel und scheuchte ihn in die Spielgrotte.

Fanli und ihr Vater sahen sich kurz in die Augen. »Spuck's aus«, sagten sie dann gleichzeitig und sogleich blitzten belustigte Fünkchen auf ihrer Haut auf.

Wenn doch alle so wären wie Papa, dachte Fanli. Er hatte ihr gegen alle Widerstände zu ihrem ersten Job verholfen und seither hatte sich das vormals angespannte Verhältnis zu ihm komplett geändert. Nun konnte sie mit ihm blödeln, wie mit einem gleichaltrigen Freund. Aber seit ihn die Flottenleitung wegen Stellenabbaus vorzeitig in den Ruhestand geschickt hatte, tat er ihr von Herzen leid. Er war doch erst in seinem mittleren Alter und außerdem der beste Raumschiffcommander Nitsituaans - aber leider nicht immer der gleichen Meinung wie seine Vorgesetzten. Und gerade deshalb liebte sie ihn so sehr. »Fang an«, forderte sie ihn auf.

»Jugend zuerst«, konterte ihr Vater und ließ seine Haut in einem amüsierten Blauton schillern.

Fanli blies Wasser durch ihre Kiemen. »Die üblichen Absagen. Diesmal war ein Posten als Navitroniker auf einem Expeditionskreuzer ausgeschrieben, aber sobald mich der Rekruter zu Gesicht bekam, war schon klar, dass er mich nicht nehmen würde, der alte Sp...«

»Na!«, tadelte Wate.

»Tschuldigung«, sagte Fanli. »Und dann ist da noch der Brautkampf heute Abend. Muss ich da wirklich hin?«

»Es wird von dir erwartet.« Wate zeigte einen verschwörerischen Lilaton. »Du musst den Bewerber ja nicht akzeptieren.«

»Aber Mama tut gerade so, als ob das eine Schande sei!«

»Sie hört oft auf das, was andere sagen.«

»Die Meinung der anderen ist mir egal!«

»Und doch sind wir oft davon abhängig«, philosophierte ihr Vater und ein melancholischer Ockerton zog über seinen Körper. »Ich frage mich nur, wie oft du noch ablehnen kannst, bevor ...«

Auf Fanlis Haut bildete sich ein trotziges Rot. Allerdings konnte ihr Vater nichts für die antiquierte Haltung der Gesellschaft. Sie nahm sich zusammen und wechselte das Thema. »Sag, Paps, was für eine Krabbe hat dir heute ins Tentakel gebissen?«

Wate bekam einen frustrierten Grünstich. »Unsere aufgeblasenen Abgeordneten haben es nicht für nötig befunden, mich zu dem Meeting einzuladen.«

Fanli hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Er steckte seine Fangarme in so viele Projekte, dass sie nicht wusste, welches er meinte. »Um was ging es da?«

»Homiden!«, stöhnte er. »Menschen, meine ich natürlich«, schob er schnell nach.

Fanli blubberte vergnügt. Ihr Vater bemühte sich stets respektvoll zu sein, und nun war ihm der herabsetzende Ausdruck ›Homiden‹ herausgerutscht.

»Du wähnst das natürlich lustig!«

»Dafür mag ich dich, Papa. Und Homiden finde ich süß!«

Wate warf ihr einen amüsierten Blick zu, schwamm aber dann nachdenklich auf und ab. »Ich kann mir keinen Reim darauf machen. Die Menschen verdächtigen uns, mit einem getarnten Schiff in ihrem Territorium gelandet zu sein.«

»Das könnte ein Geheimprojekt unseres Militärs gewesen sein. Ich sage nur: Lymelleninterferenzphänomen!«, erwiderte Fanli.

»Du hast einen fixen Kopf«, lobte ihr Vater. »Aber wenn du mich fragst, müssen die gelehrten Wissenschaftler wohl noch viele Zyklen lang daran forschen, bis sie es umsetzen können.«

Fanli ließ einen versonnenen Beigeton auf ihrer Haut schimmern. »Wenn nun etwas anderes gelandet ist?«

Wate sah sie überrascht an. »Wie kommst du auf so eine Idee? Wenn etwas draußen wäre, würden wir doch nicht unsere Raumfahrt abbauen! Außerdem haben die Luftüberwachung und die Weltraumbehörde keine außergewöhnlichen Flugbewegungen aufgezeichnet. Da hat ein Homide Gespenster gesehen - oder sie benutzen einen Vorwand, um uns mehr Privilegien abzufordern!«

Fanli plusterte sich auf und hob ein Tentakel. »Genau! Das würde auch erklären, warum die hohen Oktomajesten befunden haben, dich auszuschließen. Sie möchten nicht auch noch mit dir argumentieren müssen, denn es ist hinreichend bekannt, dass du gerne die Seite der Menschen vertrittst.«

»Ich denke, wir schulden ihnen etwas. Schließlich haben wir sie, zumindest einige von ihnen, damals von ihrem Heimatplaneten verschleppt.«

»Es gibt Regierungsmitglieder, die sie dort gerne wieder aussetzen würden!«, empörte sich Fanli.

»Die sind noch nicht einmal die Schlimmsten!« Wates Haut überzog sich mit einem ärgerlichen Rot. »Manche betrachten die Menschen als nützliche Versuchsobjekte ...«

Die Türüberwachung unterbrach ihr Gespräch und meldete einen Besucher. Der Kopf eines jungen Männlings erschien auf dem Monitor.

»Ein neuer Freund?«, neckte Wate.

Fanli konnte es nicht fassen. Marti! »Den Typ habe ich gestern im Tibulata getroffen. Da fällt mir ein - ich soll Grüße von Lame'linulatus und Maski'lammarubis ausrichten.«

»Vielen Dank. Sag, willst du deinen Verehrer reinlassen oder soll ich ihn zur Mutter des Alls jagen?«

»Papa! Du bist unmöglich!« Fanli knuffte ihn in die Seite. Sie dachte einen Moment nach, ob sie Marti mochte oder nicht, und konnte sich nicht entscheiden. »Ich hör mir mal an, was er will«, entschied sie.

»Dann bin ich ja nur im Weg«, blubberte Wate belustigt und zog sich in seine Arbeitsgrotte zurück.

Sie ließ den Besucher herein.

Der verschmitzte Orangeton auf seiner Haut wollte ihr gar nicht gefallen.

»Was willst du denn hier?«

Er überreichte ihr ein Päckchen in fischseidener Geschenkverpackung mit einem Schleifchen aus roten Tangblättern. »Ich wollte nur mal schauen, wie es dir heute geht.«

»Und deshalb schwimmst du den ganzen Weg von Wellubimarulles bis hier raus?« Sie wollte das Geschenk beiseitelegen, besann sich aber und packte es aus. Sie fand eine Schachtel Algenkekse, die teure Sorte mit erlesenem Sirup von Anemonen aus dem Südmeer. Dafür hatte er wohl sein ganzes Taschengeld ausgegeben. Sie bedankte sich mit gemischten Gefühlen. Wenn er glaubte, sie damit kaufen zu können, hatte er sich geschnitten. Aber immerhin war es eine nette Geste. Trotzdem vermutete sie, dass mehr hinter seinem erwartungsvollem Leuchten lauerte. Er versuchte sichtlich, es zu verschleiern, aber Fanli hatte ein gutes Auge. Wenigstens blitzte er sie mit seinen Gefühlsausdrücken nicht so unverfroren an, wie manche anderen, die sie dann umgehend vor die Tür gesetzt hatte. Sie biss in einen Keks und das süße Aroma verteilte sich auf ihrer Zunge. »Oh, sind die gut!«

»Es freut mich außerordentlich, deinen Geschmack getroffen zu haben!« Da war eine erwartungsvolle Aufregung im dezenten Farbspiel seiner Haut. Er paddelte etwas näher an sie heran. »Wie hast du dich entschieden?«

Fanli ruderte eine Spanne zurück. Sie konnte sich nicht erinnern, irgendwelche Versprechungen gemacht zu haben. So betrunken war sie gestern nicht gewesen. »Was?!«, fragte sie misstrauisch.

Um seine Augen flackerten kurz gelbe Pünktchen der Verwirrung. »Na, deine Weiterbildung. Was denn sonst?«

Sie entspannte sich. »Ich habe Lame'linulatus vorhin wissen lassen, dass er mich anmelden kann.«

Das freudige Orange auf seiner Haut weckte ihren Argwohn. »Du hast dich auch angemeldet?«, vermutete sie.

»Nein«, antwortete er. »Meine Zukunft liegt wohl nicht im Weltraum.« Er sah sie mit tiefschwarzen Augen an. »Jedenfalls nicht so.«

»Du strebst wohl eine Karriere als Keksbäcker an«, scherzte sie.

Er blubberte vergnügt. »Vielleicht sollte ich das in Erwägung ziehen, weil sie dir so gut schmecken. Aber sag, magst du mich heute Abend in die 3-D-Vorstellung begleiten? Es läuft ›Der galaktische Spion‹ mit Brusus'deweberhelt in der Hauptrolle.«

»Das ist sehr nett von dir. Brusus ist megazischig«, schwärmte sie, aber dann verdunkelte sich ihre Stimmung. »Geht aber nicht. Ich werde heute zu einem Brautkampf gehen.«

»So interessant sind die doch nicht.«

»Quallenkopf. Es ist meiner.«

Marti verlor alle Farbe. »Was?!«, stotterte er. »Dann ist es wohl besser, wenn ich jetzt gehe.«

»Warum kommst du nicht einfach mit?«, rief sie ihm nach, aber er drehte sich nicht um.

 

13. Kapitel

Nach dem Schulunterricht checkte Sven noch einmal das Ergebnis der Raumschiffsuche: Sie war abgebrochen worden. Er schaute Miguel fassungslos an. »Die halten mich für einen Lügner!«

Miguel legte ihm eine Hand auf den Unterarm. »Reg dich nicht auf, Amigo.«

Sven schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht auf mir sitzen lassen!« Er straffte die Schultern. »Dann muss ich eben selbst nachsehen!« Er überlegte einen Augenblick. »Ich kann doch heute bei dir übernachten?«

Miguel nickte verwirrt.

»Pass auf, ich texte meiner Mutter, dass ich nicht nachhause komme, sondern mit dem Schulmatro zu dir fahre. Und heute Nacht mache ich mich auf den Weg.«

»Du spinnst!«

Sven sah Miguel fest in die Augen. »Genau das denken sie von mir! Aber ich werde ihnen beweisen, dass die Squids lügen!«

 

Sven ging mit Miguel zur Haltestelle des Südweiler-Matro. Sie stiegen ein und suchten sich Plätze ganz hinten. Bei jedem Halt wurde das Fahrzeug leerer. Sven schaute zum Fenster hinaus. Die im Licht der sinkenden Sonnen leuchtende Bergkette rückte mit jeder Minute näher. Doch seine Gedanken waren ganz woanders. Er überlegte, wie weit er von der Hazienda laufen musste, bis er auf den Landeplatz traf. Die Richtung hatte er zum Glück in sein Datcom programmiert, aber die Entfernung war nicht abzuschätzen. Sven presste die Lippen zusammen. Egal - und wenn er die ganze Woche marschieren müsste!

Miguels Stimme riss ihn aus der Grübelei. »Da! Unser Gleiter ist weg!«

Sven drückte die Stirn an die Scheibe: Am Straßenrand sah er eine Stelle heruntergetrampelten Grases, einen braunen Fleck Erde und Brandspuren, die bei der Geschwindigkeit des Matro rasend schnell zurückfielen. »Den hat bestimmt eine von diesen verdammten Schrottschneider-Banden gestohlen!« Sven ließ die Luft aus den Lungen. Das war jetzt egal. »Dann suchen wir uns eben einen anderen. Es liegen ja noch genug von den kaputten Dingern herum.«

Endlich erreichte das Matro das kleine Dorf Südweiler. Endstation. Die letzten Schüler verließen das Fahrzeug und eilten auf die verstreuten Häuser zu.

Rodhana wartete bereits mit ihrem Gleiter. »Na, ihr Halunken, steigt ein. Was habt ihr heute wieder angestellt?«

Sven setzte eine unschuldige Miene auf. »Nix Besonderes. Aber mich würde interessieren, was die Squids gesagt haben.«

Rodhana warf ihm einen forschenden Blick zu. Dann schüttelte sie den Kopf. »Sie streiten ab, in unserem Territorium gelandet zu sein.«

Das hatte sich Sven schon gedacht. »Vielleicht haben sie einen neuartigen Schutzschirm entwickelt«, schlug er vor.

»Und warum solltest du hindurchsehen können und Miguel nicht?«

Sven zuckte die Achseln. Er verstand es auch nicht.

Es dunkelte bereits, als der Gleiter vor dem zweistöckigen, aus groben Stämmen zusammengefügten Haupthaus der Hazienda hielt.

»Lass uns gleich in dein Zimmer verschwinden, dass ich mich für die Nacht vorbereiten und packen kann«, flüsterte Sven.

»Ich werde mit dir kommen«, antwortete Miguel leise.

»Und deine Mutter?«

Miguel biss sich auf die Unterlippe. »Ich komme trotzdem.«

 

14. Kapitel

Um Fanlis Hals lag das leuchtend rote Brauttuch aus feinsten Tangfasern. Sie kam sich auf der erhöhten Tribüne ausgesprochen albern vor. ›Fanli'belzurili, älteste Tochter von Wate'medaludes, Raumcommander außer Dienst und Retter Nitsituaans.‹ Das machte etwas her. Das Stadion war ausverkauft, das Publikum lärmte in Erwartung des Spektakels. Fanli verschränkte ihre Primärtentakel vor sich. Dass sie damals selbst als Navitronikeranwärter zur Crew des Raumschiffs gehörte, interessierte niemanden.

»Du musst lächeln«, zischte Tenka links neben ihr.

Wate an ihrer rechten Seite schwieg.

In den Plätzen hinter Fanli saßen ihre Freunde Lame und Maski, die ihr wie eine feste Mauer den Rücken stärkten. Vor ihr, auf tiefergelegenen Hockern, tuschelte ihre beste Freundin Gitti'milawepa mit Hima'susulina. Um die etwas jüngere Schwester würden sich nur zu bald eigene Bewerber prügeln.

Fanli sah gelangweilt zum pompösen Baldachin der Tribüne auf. Dunkelrot und mit Gold verziert. Jeder Weibling hatte die Chance wenigstens einmal im Leben hier sitzen zu dürfen und sich wie eine begehrte Prinzessin zu fühlen. Fanli seufzte. Weitaus interessanter als dieser Pomp erschienen ihr die leuchtenden Kontrollanzeigen und flimmernden Monitore in der Kommandozentrale eines Raumschiffs. Wenn sie doch endlich einen Job bekommen könnte! Aber nein, sie musste diesem idiotischen Brautkampf beiwohnen.

Sie warf einen Blick zur Tribüne der Ehrengäste, die die andere Seite der Arena überragte. Der zentrale Sitz war dem Obersten Primisten vorbehalten. Derzeit hielt das Amt der dicke Jota'kumulkappur. Er winkte herüber. Fanli erwiderte den Gruß, kam sich dabei aber ziemlich bescheuert vor - wahrscheinlich meinte er nicht sie, sondern ihren Vater.

Neben dem beleibten Staatsoberhaupt erkannte sie die imposante Gestalt des Leiters der Raumflotte, General Swallu'ketallantes. Dort saß er, nur durch die Breite der Arena von ihr getrennt, er, der die Macht hatte, ihr einen Arbeitsplatz auf einem Raumschiff zu verschaffen - und doch war er unerreichbar für sie.

Die Musik wurde unterbrochen. Ansagen erklangen aus Lautsprechern, denn bei dem Durcheinander der telepathischen Stimmen drangen mentale Ankündigungen einfach nicht zu den Zuschauern durch.

Neun Bewerber hatten sich in den Vorausscheidungen qualifiziert. Fanli kannte keinen von ihnen. Warum wurde sie eigentlich nicht gefragt? Jeder Spritzer konnte sich melden und Ihre Mutter hatte ihr voller Stolz gesteckt, dass es weit über hundert gewesen wären. Unter ihren Bekannten wusste sie einige, die ein Auge auf sie geworfen hatten. Sie waren schon in den Vorrunden aus dem Wettbewerb geflogen. Marti, ihren jüngsten Verehrer, fand sie unterhalb der Ehrentribüne im Publikum. Er wirkte deprimiert. Wahrscheinlich hätte er sich auch gerne beworben. Vielleicht hatte er es sogar getan und war ausgeschieden.

Der Brautkampf begann mit einer Vorführung. Die Schülerinnen der ersten Educatia-Klasse präsentierten rasante Figuren des Synchronschwimmens. Das Publikum quietschte begeistert.

Dann wurden die Kampfplätze verteilt. Die ersten Runden liefen im K.O. System. Die Bewerber beschimpften sich, sie bissen sich gegenseitig in die Tentakel, sie ergingen sich in Schaukämpfen, spritzten jede Menge Tinte und die Richter bewerteten ihre Leistung mit Punkten.

»Darf ich kotzen?«, stöhnte Fanli.

»Du benimmst dich!«, erwiderte ihre Mutter scharf.

Wate legte sanft einen Tentakel um Fanli. Sie zwang sich zur Geduld. Irgendwann würde auch diese Farce vorübergehen.

 

Vor der Endrunde gab es eine Pause. Fanli war nach einer großen Trinkblase Annelysirak. »Ich hole mir ein paar Kekse«, gab sie bekannt und erhob sich von ihrem Hocker.

Ihre Mutter richtete sich gravitätisch auf ihrem Hocker auf. »Kind! In deiner Position lässt man sich das bringen.«

»Ich muss meinen Arsch auslüften!«, fauchte Fanli.

Tenka klappte schockiert die Kiemendeckel zu. Lame und Maski blubberten vor Lachen.

Fanli warf ihrem Vater, der sie streng ansah, einen entschuldigenden Blick zu. »Wenn ich mich nicht bewege, platze ich!«

»Schon gut«, sagte er. »Aber vergiss nicht, dass die Kämpfe erst weitergehen, wenn du zurück bist.«

»Keine Angst, Papa. Ich werde diese Veranstaltung um keine unnötige Minute verlängern!«

Gitti'milawepa schoss von ihrem Sitz hoch. »Ich komme mit.«

»Prima, Gitti!« Fanli ließ das Brauttuch mit spitzem Tentakel auf ihren Hocker sinken. »Damit sich nicht versehentlich jemand anderes auf meinen Platz setzt«, sagte sie und tauchte zum Foyer hinunter.

Gitti folgte ihr kichernd. »Du willst dir doch nicht etwa wirklich Kekse holen?«

»Ich halt das nicht mehr aus. Was für langweilige Spritzer!«

»Deiner Schwester gefällt Tuku'ezadiebur.«

»Tuku ist eine hirnlose Muskelmaschine! Sie kann ihn haben«, sagte Fanli und suchte den Eingang zur Bar. Drinnen war es gesteckt voll. Fanli drängte sich bis zum Tresen vor und stieß auf ... »Marti!«

Er stellte seinen Annelysirak ab und wandte sich ihr zu. »Ein schönes Spektakel«, sagte er mit flacher Stimme.

Fanli spürte Gittis Tentakelspitze in ihrer Seite. »Was?«, fragte sie irritiert.

Gitti warf einen auffordernden Blick auf Marti.

»Ach so!« Fanli kicherte. »Okay. Gitti, das ist Marti. Marti, das ist Gitti.«

»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Marti höflich.«

»Ganz meinerseits«, antwortete Gitti und Fanli traute ihren Augen nicht, als die Freundin einen leicht rosa Farbton annahm. Fanli schnappte sie beim Primärtentakel und zog sie Richtung Ausgang. »Wir müssen wieder«, rief sie rückwärts schwimmend Marti zu.

»Was ist denn mit dir los?«, beschwerte sich Gitti. »Ich dachte, du wolltest einen trinken?!«

»Ich hab's mir anders überlegt. Ich will das Ganze so schnell wie möglich hinter mich bringen.«

»Kann ich verstehen«, räumte Gitti ein. »Aber dieser Marti ist ein ganz Süßer!«

»Er ist ein Niemand«, erwiderte Fanli.

 

In den Endkampf schaffte es ein Fatzke aus dem Palast des Obersten Primisten. Fanli konnte sich seinen Namen ums Verrecken nicht merken, irgendetwas Belangloses wie Blubbblubb oder so. Der andere war Tuku'ezadiebur. Kantig, muskulös - ein Protz eben. Fanli fand, dass das der frustrierendste Brautkampf aller Zeiten war, aber das Publikum tobte vor Begeisterung.

In der Mitte der Arena traten sich die Finalisten gegenüber, knicksten kurz zum Gruß und wandten sich dann Fanli'belzurili zu. Blubbblubb, Fanli nannte ihn der Einfachheit halber weiterhin so, deutete mit vornehmer Bewegung auf sie.

Sie erhob sich, wie es die Tradition erforderte.

»Fanli'belzurili«, sagte er mit schmachtender Stimme. »Du bist die erlesenste Oktoftewiltabine auf ganz Nitsituaan und über die Grenzen der Sterne hinaus. Du bist die leuchtendste Perle unter allen Perlen ...«

So ein Idiot! Fanli spürte alle Augen im Stadion auf sich gerichtet und bemühte sich, ihre Gefühlsregung nicht durch eine verräterische Farbreaktion ihrer Haut preiszugeben. Das Gelaber war ja nur peinlich.

»... und du hast es verdient, in den erlesenen Gemächern des Palastes unter den angesehensten Oktomajesten, wie ich einer bin, verweilen zu dürfen.«

Fanli verdrehte die Augen: Tagsüber mit den Höflingen durch die Säle flanieren und der Obrigkeit die Saugnäpfe schlecken und nachts in einer winzigen Kammer des Palastes die Zuwendungen dieses schlappen Schleimers über sich ergehen lassen. Vielen Dank!

Sie wahrte, wenn auch nur mit Mühe, ihre Haltung. Aber wenn sie den Fatzke nachher allein erwischen sollte, würde sie ihm ein paar deftige Worte zuteilwerden lassen! Die Vorfreude darauf ließ sie als helle Fünkchen über ihre Haut blitzen.

Das Publikum tobte.

Er knickste formvollendet, blähte sich auf und ließ sich von allen Seiten bewundern.

Die Jury gab ihm 87 von 88 Punkten.

Tuku'ezadiebur hob mit gebieterischer Pose einen muskelbepackten Fangarm.

Es wurde still.

»Unter den Schönen ist Fanli'belzurili die schönste. Die Form ihres Körpers, diese Geschmeidigkeit ihrer Tentakel ...«

Von allen Köpfen hat Tuku den hohlsten, dachte Fanli. Ihre Schwester Hima schien das anders zu sehen, denn sie rückte auf ihrem Hocker ganz nach vorne und nahm kein Auge von dem Protz.

»... meine starken Tentakel werden dich vor allem Unheil beschützen«, beendete Tuku seine Ansprache.

Wirklich geistreich und inspiriert, dachte Fanli zynisch.

Die Jury gab ihm 82 Punkte.

Sie durfte sich wieder setzen.

 

Während sich die Finalisten in ihre Ecken zurückzogen, um sich auf den letzten Kampf vorzubereiten, verteilten sich die Zuschauer in den Rängen neu. Die Fans nahmen die Plätze in der Hälfte ihres Favoriten ein. Eine Sicherheitsmaßnahme, denn in der Vergangenheit war es vorgekommen, dass Fans im Eifer anders Gesinnte erwürgt hatten.

Dann kam der Startpfiff. Blubbblubb und Tuku schwammen aus ihren Ecken langsam aufeinander zu. Keiner ließ den anderen aus den Augen. Als sie sich bis auf drei Spannen angenähert hatten, hielten sie an. Auf der Stelle schwebend, starrten sie sich minutenlang in die Augen.

»So einen blöden Kerl wie dich hat Fanli'belzurili nicht verdient«, sagte Blubbblubb und die Lautsprecher verstärkten seine Worte.

»Ich hau dir aufs Maul!«, entgegnete Tuku.

»Du Qualle bist ja zu doof zum Kacken«, spottete Blubbblubb.

»Ich hau dir aufs Maul!«, sagte Tuku.

»Mann, jetzt hab ich aber richtig Angst!«, lachte Blubbblubb. »Kannst du vielleicht noch was anderes sagen als: Ich hau dir aufs Maul?«

»Ich hau dir aufs Maul«, erwiderte Tuku. Das Publikum quiekte begeistert und die Richter vergaben ihre Punkte.

Blubbblubb bekam 88, Tuku'ezadiebur 73. Seine Fans pfiffen verärgert.

Gitti wandte sich an Fanli. »Marti würde sich sicher nicht so idiotisch anstellen«, flüsterte sie.

»Wie kommst du denn jetzt auf den?«, fragte Fanli. Sie hielt nach ihm Ausschau. Aber statt im Fanlager eines Kandidaten fand sie ihn auf seinem alten Platz unter der Ehrentribüne. Das war der neutrale Bereich. Offensichtlich interessierte ihn der Kampf nicht. Er sah griesgrämig aus.

»Ach. Nur so«, sagte Gitti und richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Brautkämpfer.

»Ich bin viel eleganter als du!« Blubbblubb schlängelte seine Tentakel.

»Ich bin viel kräftiger als du«, erwiderte Tuku.

»Ich bin aber viel schlauer als du.«

»Und ich bin stärker als alle«, brüllte Tuku in die Ränge und spannte seine Muskeln.

Seine Fans grölten und die Jury vergab die Punkte: 88 für Tuku und 68 für Blubbblubb.

»So eine kindische Scheiße«, stöhnte Fanli.

»Männlinge«, kommentierte Gitti resigniert.

»Hier hast du den Beweis: Das hier ist eine reine Matcho-Show! Und damit demonstrieren sie, dass sie Weiblinge nicht ernst nehmen. Sie machen sich über uns lustig, erniedrigen uns!«

»Schätzchen, lass Dampf ab. Mit uns hat das gar nichts zu tun. Sie entblößen nur ihre eigene Beschränktheit.«

»Und wir lassen sie!«, grollte Fanli.

»Ich lass sie vieles tun«, schnurrte Gitti. Sie blickte zu Marti und winkte ihm zu.

»Verguck dich nicht in noch so einen Versager«, warnte Fanli.

»Der ist schnuckeliger, als die zwei Clownfische dort unten!«

Die beiden Finalisten umlauerten sich. Plötzlich schnellte Tuku vorwärts. Blubbblubb wich blitzschnell aus, sein Gegner schoss an ihm vorbei. Tuku wendete. »Ich werde dich würgen!«, brüllte er und nahm einen neuen Anlauf. Blubbblubb spritze Tinte und katapultierte sich in die Höhe. Tukus Tentakel griffen ins Leere.

»Dazu musst du mich erst einmal bekommen!«, höhnte Blubbblubb.

Tuku setzte sofort nach und bekam seinen Gegner an einem Fangarm zu fassen. Der wand sich wie eine Seeschlange und biss Tuku so fest in die Tentakelspitze, dass er sie ruckartig zurückzog.

»Du gemeine Krabbe!«, schimpfte Tuku und saugte an der blutenden Stelle.

»Selber Schuld!« Blubbblubb spuckte in angewidertem Gelb schillernd die dem Gegner abgebissenen Saugnäpfe aus. »Kannst es ja nochmal probieren, wenn du dich traust!«

Tuku erglühte in wütendem Rot, schnellte vor und warf dabei alle Tentakel nach vorne. Er packte Blubbblubb an den Kiemen und drückte zu. Der schlängelte wie ein Aal, spritze Tuku Tinte ins Gesicht und schaffte es freizukommen. Tuku jagte hinter ihm her. Blubbblubb schlug einen flinken Haken und katapultierte sich in den Rücken seines Gegners. Blitzschnell legte er Tuku die Tentakel um die Kiemen. Tuku packte die würgenden Fangarme und zog sie mit stählerner Kraft auseinander. Blubbblubb flüchtete, bevor Tuku ihn ergreifen konnte.

Neben Fanli seufzte ihr Vater. Sein Blick ruhte auf Tenka und seine Haut nahm einen melancholischen Beigeton an. »Als ich um dich warb, war es noch anders. Damals kämpften wir noch mit Perlmuttmessern.«

Tenka sortierte gedankenverloren ihre Tentakel. »Ich kann mich noch ganz genau erinnern. Klabu'teranuster hätte dich fast aufgeschlitzt. Ich hatte solche Angst um dich.« Sie leuchtete in dem Blau, dass sie nur für Wate auflegte.

In Fanli breitete sich eine Wehmut aus: Die zwei passten zueinander. Es musste ein aufregender Brautkampf gewesen sein. Und was bekam sie ab? Sie seufzte.

»Unentschieden! Unentschieden!«, dröhnte es aus den Lautsprechern.

Tuku'ezadiebur und Blubbblubb hingen kraftlos im Wasser, ihre Kiemendeckel pumpten wild. Der Stärkere konnte den Flinkeren nicht erwischen und dem fehlte die Kraft, den anderen zu besiegen.

»Sowas ist ja noch nie vorgekommen!«, hörte sie Maski'lammarubis' empörte Stimme hinter sich.

»Und was geschieht nun?«, fragte Lame ratlos.

»Brautentscheidung«, raunte Wate.

»OH NEIN!«, stöhnte Fanli und erhob sich für das Zeremoniell.

Musik, Palaver, Trara. Sie hörte nicht hin. Was sollte sie tun? Einer war so doof wie der andere. Ein Fatzke und ein Protz - und nun hing es an ihr. Sie wusste, dass sie keinen davon heiraten musste, aber der Gewinner bildete sich am Ende etwas ein und sie hätte Mühe, ihn wieder loszuwerden. Ein Muskelprotz, der sie überwältigen konnte oder ein Weichei, das wahrscheinlich weitreichenden politischen Einfluss besaß. Er könnte ihr und ihrer ganzen Familie die Zukunft ruinieren.

Vor ihrer Tribüne stellte sich der eine rechts, der andere links auf. Protokollgemäß hob sie ihre beiden vorderen Fangarme und streckte sie in die Höhe. Es wurde still im Stadion. Die Spannung stieg mit jeder Sekunde. Einen musste sie wählen. So verlangte es die Tradition. Fanli blickte von einem Kandidaten zum anderen. Die schwebten ganz still eine Spanne über dem Grund und sahen sie erwartungsvoll an.

Scheiß auf die Tradition!, dachte Fanli'belzurili und zeigte mit den Spitzen beider Tentakel zu Boden.

Während sie im aufwallenden Sturm der allgemeinen Empörung über diese Unverschämtheit unterzugehen drohte, sah sie Marti im Meer zorniger Zuschauer freudig leuchtend einen Salto schlagen.

»Bist du verrückt geworden?!«, schrie Tenka'kulinassa über den Lärm hinweg.

»Das war nicht klug!«, raunte ihr Vater. »Am besten, wir verschwinden.« Er ergriff Fanlis Primärtentakel. »Schnell!«

»Zu spät!«, quiekte Lame und deutete zum Tribünenaufgang, wo ein Schwarm Fans in wütendem Rot blitzend heranbrauste und das Sicherheitspersonal überwältigte.

Maski'lammarubis baute sich schützend vor Fanli auf und wurde augenblicklich von den Heranstürmenden beiseitegedrückt. Fanli spürte Dutzende von Tentakeln um ihre Kiemen. Sie konnte nicht mehr atmen. Sie wehrte sich mit aller Kraft. Panik stieg in ihr auf. Verzweifelt rief sie um Hilfe. Ihr Vater, ihre Mutter, Maski, Lame und sogar Gitti und Hima schlugen beim Versuch sie zu erreichen wild um sich. Allein es nützte nichts. Es waren zu viele Gegner.

Fanlis Tentakel wurden schwer, sie konnte sie kaum noch heben, dafür fühlte sich ihr Kopf vom Sauerstoffmangel ganz leicht an.

»Nein! Mein Kind!«, schrie Tenka.

Ihre Stimme kam wie aus weiter Ferne und langsam verschwamm die Welt vor Fanlis Augen.

 

15. Kapitel

Als es auf der Hazienda und im Haus ruhig wurde, schlichen sich Sven und Miguel davon. Beide trugen breitrandige Sombreros, die Miguels Vater aus Grashalmen zu flechten wusste. In der Hand hielt jeder einen Speer und in ihren Rucksäcken schleppten sie neben Proviant und Wasser Dinge zum Überleben in der Wildnis mit, darunter Svens Lieblingszwille. Obendrein hatte Sven darauf bestanden, zwei Dosen Kulimanpulver einzustecken, falls sie wieder auf Sandstecher trafen. Das grüne, stinkende und beißende Pulver wurde aus getrockneten Blättern der Kulimanpflanze gewonnen, die in den südlichen Sümpfen wuchs. Sandstecher flohen, wenn sie es nur rochen.

Sven navigierte mit seinem Datcom, bis zu dem Punkt, an dem Rodhana sie vor zwei Tagen abgefangen hatte.

»Was immer gelandet ist, könnte inzwischen abgeflogen sein«, gab Miguel zu bedenken.

»Dann hat es Spuren hinterlassen«, entgegnete Sven. »Abgebrochene Zweige, niedergedrücktes Gras, Landetellerspuren im Staub. Grimper und seine Leute haben bestimmt nicht richtig geschaut. Ich wette, sie haben lediglich auf ihre Instrumente geglotzt. Und wenn nichts gezuckt oder gepiept hat, sind sie einfach weitergeflogen.«

Leichten Fußes liefen sie durch die mondhelle Nacht, doch noch bevor es tagte streikte Svens Datcom. »Jetzt hat es endgültig den Geist aufgegeben!«, schimpfte er.

»Was machen wir jetzt?«, fragte Miguel.

Sven steckte das Gerät in seinen Rucksack und zog den Kompass hervor. »Marschrichtung 183 Grad«, antwortete er und stapfte unbeirrt weiter. Wie gut, dass ihnen Rodhana das Navigieren mit Kompass und anhand der Himmelskörper beigebracht hatte.

 

Südlich der Dorngrasebene lag ein heißer Sandstreifen zwischen dem Gebirge im Osten und den tiefergelegenen Wäldern im Westen: die Blazzjoren-Wüste. Sven und Miguel erreichten sie am frühen Vormittag.

Sven stützte sich auf seinen Speer und schaute über die schier endlosen Dünen nach Süden. Der Sand schien sich zu bewegen. Hier gab es Zillionen von Sandstechern. Aber zurück wollte er nicht. Aufgeben kam nicht in Frage! Er machte einen vorsichtigen Schritt in den Sand. »Ich weiß, durch die Stiefel können sie nicht stechen, aber wenn sie meine Beine hochlaufen?«

»Das tun sie nicht«, antwortete Miguel.

Sven nickte. Im Allgemeinen taten sie das nicht. Aber wenn sich der eine oder andere Sandstecher nicht daran hielt? Sicherheitshalber band er sich die Hosenbeine unten zu. Dabei zog er die Riemen so fest um seine Knöchel, dass sie fast das Blut abschnürten. Jedenfalls konnte da nichts mehr reinkriechen. Dann schob er sich den Sombrero tiefer ins Gesicht und schulterte seinen Rucksack.

Miguel hielt ihn am Arm zurück. »Amigo, wenn wir da reingehen, sind wir verratzt!« Er warf einen Blick auf die Sonnen. »Besonders in dieser Scheißhitze.«

Sven legte seine Hand auf Miguels. »Ich muss. Verstehst du das nicht?«

 

16. Kapitel

Shimamota konnte es kaum erwarten, bis Marla endlich kam. Sie hielt sich nicht lange mit der Begrüßung auf, sondern zog das Mädchen einfach hinter sich her. Als sie die Gemächer verließen, folgten ihnen zwei Wachen in respektvollem Abstand. Der Antigravitationslift brachte sie ins Erdgeschoss. Shimamota deutete auf eins der runden Ornamente im Boden. »Früher konnte man auf denen herumfahren. Aber sie funktionieren nicht mehr.«

»Mein Großvater hat mir davon erzählt.« Marla zuckte die Achseln. »Auf die kann man verzichten, solange die Nahrungsmittelmaschinen und Antigravitationslifte noch laufen. Sie machte ein ernstes Gesicht. »Draußen sieht es anders aus. Da ist fast alles kaputt. Deshalb wollen ja so viele Leute hier im Kathedom arbeiten.«

Eine Verknappung der Ressourcen ließ sich immer leicht ausnutzen, um ein Volk zu manipulieren. Shimamota presste die Lippen aufeinander. Da steckte mit Sicherheit ihre Mutter dahinter. Die konnte nie genug bekommen! Ihr Vater war bestimmt nicht so ein machtbesessener Despot gewesen. Shimamota seufzte. Sie stellte ihn sich warmherzig vor, verständnisvoll, liebevoll. So wollte sie als Oberste Administratorin sein - nicht wie ihre Mutter.

Shimamota riss sich aus ihren Gedanken. »Lass uns weitergehen!«

Mit den marmorvertäfelten Wänden, den schlanken Säulen und der gewölbten Decke gehörte der weite Korridor zu den prächtigsten des Kathedoms. Shimamotas und Marlas Schritte hallten, als sie etliche kleinere Seitengänge passierten, die meisten davon unbeleuchtet.

Marla warf ängstliche Blicke hinein.

»Da ist niemand«, beruhigte sie Shimamota.

»Ich dachte, ich hätte etwas gehört.«

»Manchmal verirren sich die Stimmen aus der großen Halle bis hierher.« Shimamota ging unbekümmert weiter. An Wochentagen kamen selten Leute in diesen Teil des Kathedoms. Seit der alte Glaube als ein Manipulationsinstrument der Squids enttarnt worden war, interessierte sich kaum noch jemand für die Religion. Nur die Sterberituale zogen die Menschen noch in den Sakralsaal, dessen Westpforte hohe, schwarzlackierte Flügeltüren verschloss.

Shimamota blieb davor stehen. Einer ihrer Wachmänner eilte herbei und schob die schwere Tür auf. Shimamota trat ein. Herbwürziger Duft erlesener Kräuter entstieg den Räucherschalen entlang der Wände und durchzog die heilige Stille des Saals. Gedämpftes Licht drang durch die aus zahllosen Glassplittern zusammengefügten hohen Fenster, Mahnmale an den schrecklichen Krieg vor 17 Zyklen. Shimamota kannte die Geschichten und irgendwie hatte sie es ja selbst miterlebt, wenn auch unbewusst, denn damals war sie noch im Bauch ihrer Mutter gewesen.

Sie nahm Marlas Hand und schritt langsam durch den Mittelgang an endlosen Reihen grobgefügter Holzbänke vorbei. Nur ganz vorne standen einige Sitzbänke aus einem mattglänzenden Material, das keiner mehr herstellen konnte. Diese Plätze waren den hochrangigen Kleristen vorbehalten.

Shimamota ging um den Altar herum, der aus dem Bruchstück eines gewaltigen Meteoriten bestand. Die Mutter des Alls hatte ihn aus der Mitte der Milchstraße auf Kollisionskurs mit Nitsituaan geschickt, und wenn die Raumschiffe der Oktoftewiltabinen ihn nicht rechtzeitig abgefangen hätten, wäre von ihrem Planeten nicht mehr viel

Impressum

Verlag: Elaria

Texte: Leo Aldan
Bildmaterialien: Fotos von iStockphoto und Pixabay
Cover: Leo Aldan
Tag der Veröffentlichung: 20.08.2018
ISBN: 978-3-96465-017-7

Alle Rechte vorbehalten

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