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Letzte Wunschreise meines Lebens

Als kulturell interessierte Bürgerin liest man nicht nur seine tägliche Zeitung und hin und wieder ein Buch. Journale bringen einen auf den aktuellsten Stand des öffentlichen Lebens und Ratgeber sind das A und O für Familie und Gesundheit. 

In diesem Bewusstsein habe ich bei einem Verlag den entsprechenden Ratgeber für mich gefunden und abonniert. Und das schon seit einigen Jahren. Der Verlag ist darüber hoch erfreut: Jede Leserin bringt ihm Geld und jedes Abonnement sichert seinen Fortbestand. Also sucht er das Wohlwollen dieser Leserin durch Zuwendung und Aufmerksamkeiten verschiedenster Art zu erhalten und zu erhöhen. Daher wird sie - in diesem Falle ich - zur Bestkundin und zur VIP.

Als solche erhalte ich eines Tages als entsprechendes Geschenk einen Reisegutschein über 400 € für acht Tage und das passende Reiseziel – Zypern – gleich dazu. Eine Woche, genau die richtige Zeitspanne für mich!

Mehrere Wochen könnte ich in meinem Alter von achtzig Jahren, mit meiner abnehmenden Gesundheit nicht mehr durchhalten. Acht Tage sind genau richtig!

 

Ich liebe keinen Massentourismus, keine Riesenschiffe und keine überlaufenen Strände. 

Dieses hier, kombinierte Flug- und Busreise, entspricht mir genau! Und mit vierhundert Euro Nachlass könnte ich es fast aus der Portokasse zahlen. Diese Gelegenheit darf ich mir nicht entgehen lassen! Also gebucht!

Ein wenig Sorgen macht mir nur meine linksseitige Arthrose. Aber ich muss ja nicht überall mitgehen; ich kann ja auch mal in der Nähe des Busses bleiben.

Die Buchungsbestätigung: Charterflug mit renommierter Fluggesellschaft von Frankfurt nach Ercan (Nordzypern) und zurück, inklusive aller Flughafensteuern und -gebühren, Transfer Flughafen – Hotel – Flughafen > null – 0,00 € Euro. Wunderbar!

Aber: 7 Übernachtungen im Einzelzimmer inkl. Frühstück > 149,00 € 

Einzelzimmerzuschlag > 249,00 € !

Saisonzuschlag 50,00 € 

RSD-Premiumschutz 46,00 €

Gesamt also 494,00 - fast fünfhundert Euro! Welch ein Schock! Aber da ist ja noch der Reisegutschein. Also auf nach Frankfurt/Airport!

 

Diese Fülle! Wo ist der verdammte Schalter? Zum Glück bin ich rechtzeitig zwei Stunden vor Abflug am Terminal. 10.35 Uhr soll die Maschine starten.

Es ist 10. 35 Uhr- Abflugszeit: Noch steht kein Flugzeug bereit, auch 12.00 Uhr kein Flieger. Wir werden auf 15.00 Uhr verwiesen. 

Als die Maschine endlich abhebt, ist es 16.15 Uhr! Aktuelle Verspätung: 5 Stunden und 50 Minuten, zugebracht abwechselnd schwitzend und frierend in Zugluft und Aircondition! 

Landung in Ercan gegen Mitternacht, Eintreffen im Hotel etwa ein Uhr dreißig!

Für Flugverspätungen über vier Stunden soll es laut EU-Richtlinie eine Entschädigung geben. Mal sehen; das muss ich auf jeden Fall angehen!

Am übernächsten Tag Bronchialkhatharr und Fieber. In der Folge kann ich an zwei Tagen nicht am geplanten Programm teilnehmen, da ich ans Bett gefesselt bin.

Der Rest des Urlaubs wird dank des exzellenten Reiseleiters zu einer Bereicherung: Antike Hochkultur, heilige Apostel, Kreuzritter. Auf einem Gebirgsgipfel befindet sich eines der ältesten und bedeutendsten Klöster. Hier kann ich jedoch mit meinen Beschwerden nicht hinauf, sagt auch der Reiseleiter.

Ich erfreue mich an wilden Eseln auf weiter talwärts gelegenen Hängen rund um ein Kloster. Die Tiere haben sehr zum Ärger der Mönche längst ihre Vorteile in den Touristenbesuchen erkannt. Sie erwarten die Busse schon immer sehnsüchtig.

Hier, wo sich auch ein kleiner Souvenirmarkt befindet, erwerbe ich, meinem dringenden Bedarf entsprechend, meinen ersten eigenen, sehr schön von Hand geschnitzten, Gehstock. 

Wie wichtig er für mich später sein wird, kann ich im Moment noch gar nicht ermessen.

Unsere Fahrt führt parallel zur Nordküste von Osten nach Westen, direkt am Wasser oder am Fuß der Berge, wie dem bekannten Fünffingergebirge, entlang.

Eine Besonderheit dieser Nordküste beeindruckt mich stark: die Schildkrötenbucht, die einzige Stelle in Europa, wo im Sommer junge Meeresschildkröten schlüpfen. Zum Schutz dieser gefärdeten Art zelten hier Jahr für Jahr in der Saison Studentengruppen als Wachen gegen tierische und menschliche Räuber.

Der Besuch der Hauptstadt Nikosia weckt schlagartig Erinnerungen an die eigene Geschichte. Pass- und sonstige Kontrolle versetzt mich kurzzeitig einige Jahrzehnte zurück.

 

Berlin, hier im Mittelmeer lebt als einzige in Europa noch geteilte Hauptstadt deine Zwillingsschwester Nikosia! Mögen sich doch wie einst Ost und West in Deutschland hier der Norden und Süden friedlich einigen zum Wohle ihrer Menschen!

Unterkunft und Versorgung entsprechen und übertreffen die Erwartungen. Wunderschöne Arrangemets überquellender Köstlichkeiten. Ein Schlaraffenland! Freundliche, aufgeschlossene Atmosphäre zwischen Servicepersonal und Gästen. 

 

Nur im Restaurant Riverside stört mich die kalte geschäftliche, unpersönliche, ja unfreundliche Art.

Ich hatte zum Abendessen 1 Glas Rotwein bestellt.

Anstatt mir mitzuteilen, dass keine Einzelgläser (Schoppen) serviert werden, bringt mir der Kellner eine geöffnete Flasche plus Glas. Trotz meines Protestes, dass das zu viel für mich sei, wird die Sache nicht zurück genommen.

Mit dem Hinweis, ich könne doch morgen weiter davon trinken, muss ich für die Flasche 12,00 € zahlen.

Ich lade meine beiden Tischnachbarn zu je einem Glas ein und bitte den Ober, die Flasche mit dem halben verbliebenen Inhalt für den nächsten Abend an der Rezeption aufzubewahren. Das wird abgelehnt. Der Angestellte erlaubt mir, die Flasche zum nächsten Abendessen wieder mitzubringen.

Am nächsten Tag, als ich dies wahrnehmen will, wird mir die Flasche weggenommen und an der Rezeption deponiert. Erst nach dem Abendessen darf ich sie dort abholen und wieder mit aufs Zimmer nehmen. 

Glaube nur keiner, es handelte sich dabei um Sprachschwierigkeiten! 

Auf solche Reiseerlebnisse würde ich gern verzichten! Sie vergällen jegliche Freude.

 

Es verbleiben noch zwei Urlaubstage. Die Anstrengungen dieser Woche haben meine körperlichen Funktionen merklich geschwächt. Ohne Hilfe meiner Reisefreundin, bei der ich mich unterhaken kann, käme ich kaum über die Runden. Ihr Mann trägt meine Tasche. So überstehe ich ohne Schaden die restliche Zeit.

Doch auf dem Frankfurter Fernbahnhof bin ich dem Zusammenbruch nahe. Die Sitzplatzreservierung zahlt sich aus. Während der Zugfahrt kann ich mich erholen.

Zuhause ist es mir kaum noch möglich aufzutreten, geschweige ohne Stock, das einzige Souvenir von der Insel Zypern, zu gehen.

Arthrose, Osteoporose, Rundumschmerzen und die Enttäuschung über fälschlich geweckte Hoffnungen haben von mir Besitz ergriffen. Eine Entschädigung ist nicht in Sicht.

Ich weiß, in diesem Leben war das meine letzte Fernreise.

Was bleibt von diesem Ereignis? Eine Fülle bunter neuer Eindrücke und Erfahrungen, die bis zum Lebensende reichen, Fotos, neue Freunde, der Blick nach vorn und ein wunderschöner Gehstock, um den mich alle beneiden!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 06.06.2017

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