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Die Mutprobe

"Hinfort mit dir, du Dämon!", rief der kleine Mann und streute mir Salz - Salz! - ins Gesicht. Ich grinste und zog eine Augenbraue in die Höhe. In welchem Jahrhundert lebten wir denn bitte? Dachte er etwa, er könnte mich mit Salz verscheuchen? Im 21. Jahrhundert? Knoblauch hatte er auch schon versucht, Weihwasser verunstaltete mein schönes schwarzes Haar, das mir platt an der Kopfhaut klebte, das Kreuz Jesus wurde mir auch schon auf die Brust gepresst und jetzt wurde ich mit Salz bestreut.

"Ich will eure schöne Vorstellung ja nicht zunichte machen, aber Salz richtet nichts gegen mich aus. Absolut gar nichts."

Verängstigt presste er seinen pummeligen Körper noch mehr in die Ecke und beobachtete mich mit großen Augen. Seine Hände zitterten und er gab auf, mich zu bestreuen.

"W-was w-w-wollt Ihr?", erkundigte er sich endlich mal nach dem Grund meines plötzlichen Auftauchens.

Wenn ich einfach normal durch die Tür marschiert wäre, hätte ich dieses Problem wahrscheinlich gar nicht, aber dass ich mich unbedingt genau neben ihm materialisieren musste, half da nicht wirklich. Sein Gesicht war aber auch zu lustig gewesen! Sämtliches Blut war daraus gewichen, seine Lippen fest zusammengepresst.

Ich seufzte und tätschelte seinen kahlen Schädel. "Na endlich. Hab mich schon gefragt, wann Ihr fragen würdet. Jedenfalls bräuchte ich mal Eure Bibel."

"M-meine Bi-bibel?" Er stieß einen hohen Laut aus, als ich mich näher beugte und nickte.

"Ganz genau. Eure Bibel."

Zögernd und immer noch verschreckt und eingeschüchtert fummelte er in den Taschen seines Gewandes herum und reichte mir die Bibel.

Ich nahm sie ihm ungeduldig ab, drehte mich um und wedelte mit der Hand, um sein Gedächtnis zu manipulieren. Morgen würde er sich nicht mehr erinnern können. "Besten Dank auch." Damit verließ ich die Kirche und stapfte zu meinem Wagen.

Angewidert strich ich mein Haar nach hinten und band es schließlich zu einem Knoten an meinem Hinterkopf. Also wirklich, behandelte man so etwa eine Frau?

Bestimmt fragten sich einige jetzt, warum ich nicht einfach eine Bibel gekauft hatte. Der Grund nannte sich Satan und war mein Vater. Er meinte, dass ich - sein eigen Fleisch und Blut - mich nicht trauen würde in eine Kirche zu gehen und die Bibel des Pfarrers mitzubringen. Ich hatte natürlich dagegen gewettet. Von so einem alten Sack wie ihm ließ ich mir doch nichts anhängen. Gut, ganz so alt war er jetzt nicht. Immerhin war er trotz seines hohen Alters noch sehr attraktiv. Die Frauen lagen ihm zu Füßen und nicht nur die. Er konnte haben, was er wollte.

Außerdem wäre es sonst nicht so spannend gewesen. In ein Geschäft gehen und ein Buch kaufen konnte jeder und schließlich wollte ich meinem Vater etwas beweisen und nicht als Memme gelten.

Ich schloss meine Viper - ein todschicker Sportwagen und natürlich schwarz - auf und ließ mich auf den Fahrersitz gleiten. Ach ja, und nur weil ich Satans Tochter, eine Dämonin und eine echt heiße Frau war, hieß das noch lange nicht, dass ich mich immer von einem Ort zum anderen materialisierte. Zum einen, weil das auch an den Kräften zerrte und zum anderen, weil ich Auto fahren mochte. Zumindest mit diesem Wagen.

Das Radio knipste ich auch mal an. Mal sehen, was die zu berichten hatten. "Und schon wieder hat die Aldi-Kette ein neues Produkt in ihr Sortiment aufgenommen. Nun können Sie...", tönte die Stimme der Sprecherin mir entgegen und sofort legte ich eine von meinen CDs mit der Rockmusik ein.

Seit ungefähr zwei Wochen lief nur so ein langweiliger Mist in den Nachrichten. Das nannte man dann wohl Sommerloch. Die Ferien waren angebrochen und es gab absolut nichts spannendes, über das die Nachrichtensender berichten konnten. Also füllten sie sie mit irgendwelchen uninteressanten Themen.

"Solche Idioten", murmelte ich und schaltete in den nächsten Gang. Die mussten einfach nur mal einen Tag bei mir Zuhause verbringen. Da wurde es nie langweilig und es gab immer etwas zu sehen.

Als auf einmal 'Bad Girl' von M.I.A. ertönte, kramte ich mein Handy aus der Tasche und machte die Musik aus. Manche mochten jetzt vielleicht schmunzeln, aber ich fand, dass die Ironie einfach passend war. Immerhin war ich ja ein böses Mädchen.

"Mania, mein Kind", schnurrte mein Vater in den Hörer und ich verdrehte nur die Augen.

"Dad. Was willst du?" Ein klein wenig genervt gab ich nochmal Gas, da ich kurz vor meiner Wohnung war. Ich klemmte das Handy zwischen Schulter und Ohr ein und driftete um die Kurve, bevor ich scharf abbremste. Mit der Bibel in der Hand betrat ich meine Wohnung und trat gleich aufs Portal zu, das sich direkt in meinem Schlafzimmer hinter einem Vorhang befand. Die Wohnung diente eigentlich nur als Zierde und die wenigen Tage, die ich in der Menschenwelt verbrachte. Schlafen tat ich nur in der Hölle, in meinem wunderschönen und großen Schlafzimmer im Palast meines Vaters. Ansonsten war ich schon sehr oft hier oben gewesen, legte mir neue Klamotten zu oder besuchte mal einen Menschen, wenn ich Lust hatte. Ein paar Mal wurde ich auch 'beschworen'. Das war wirklich lustig gewesen. Die dachten dann immer, dass sie mir Befehle erteilen konnten, doch die nahm ich nur von meinem Vater und Gott entgegen. Ja, ich hatte Gott gesehen und jedesmal bekam ich eine Gänsehaut. Reine Liebenswürdigkeit und Wärme. Er war umgeben von Licht und erinnerte mich immer an einen super lieben Opa, von dem die Menschen immer schwärmten. Ich durfte dann immer zusehen, wie die beiden ihre komischen Verträge abschlossen und über Unstimmigkeiten debattierten. Natürlich waren auch ein paar Engel - oder waren das seine Söhne? - dabei. Zum Glück dauerten diese Treffen in der Regel nicht lange und sie waren sich schnell einig, wer in den Himmel und wer in die Hölle kam. Dann gingen wir wieder.

"Ach, ich wollte nur wissen, wie es so bei dir läuft", meinte er leichthin. Ich konnte mir vorstellen, wie er es sich lässig auf seiner Liege gemütlich gemacht hatte und leicht lächelte.

"Du meinst, du wolltest nur sichergehen, dass ich nicht kneife." Es klang mehr wie eine Feststellung, als eine Frage und mein Vater lachte kurz, aber herzlich.

"Du hast Recht. Und?", gab er unumwunden zu.

Mit einem Grinsen trat ich durchs Portal. "Das war ein Kinderspiel."

Impressum

Texte: Der Text ist von mir
Bildmaterialien: Das Cover ist von irishxcoffee. Vielen Dank an sie. :)
Tag der Veröffentlichung: 04.08.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Diese Geschichte ist für den Newbie Schreibwettbewerb.

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