Der Prinz von Torrent

Ein Spalt in der Felswand, kaum einen halben Meter über dem Boden. Die Ränder sind glatt geschliffen, so als wäre Jahrtausende lang Wasser durch die Öffnung geströmt. Auf der Schwelle befindet sich ein Fußabdruck im Gestein. Es sieht aus, als hätte ein Mensch dort seinen Fuß hingesetzt, vor Jahrmillionen, als das Gestein noch heiß und weich war wie Lava.

Fast alles ist so, wie es ihm in seinem Traum erschienen ist. Was fehlt, ist das Licht, das er im Traum gesehen hat. Ein gleißender Sonnenstrahl, der weit in die Höhle hineinreicht. Stattdessen liegt ein schattiger Eingang vor ihm. Dunkel und kühl.

Savius' rechter Fuß passt genau in den Abdruck. Er ist nicht überrascht, denn so ist es überliefert: Für jeden Suchenden gibt es einen eigenen Eingang in den Berg, heißt es in der Sage vom Bettlerkönig.

Er, Savius, Sohn des Königs von Torrent, hat seinen Eingang gefunden. Seinen Weg in das Reich des Bettlerkönigs. Seinen Weg zu Reichtum und Ruhm an der Seite der schönsten Frau, die je ein Mensch erblickt hat. Tagelang war er durch das Gebirge geirrt, hatte von Beeren und Quellwasser gelebt, um diesen Eingang zu finden. Bald würde er vor ihm stehen, vor dem mächtigsten König aller Zeiten und dieser würde ihn herausfordern. Hier begann es also, an dieser öden Stelle in einer Schlucht voller Dornensträucher.

Savius zwängt sich durch den Spalt, dann greift er nach seinem Schwert und seinem Schild und zieht beides durch den Spalt in die Höhle. Das geriffelte Eisen des Schaftes liegt fest in seiner Hand. Die Parierstange ist an den Enden mit kleinen Löwenköpfen verziert, dem Wappentier seines Geschlechts. Eine Weile kauert er auf dem harten Grund, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Draußen sieht er einen Adler. Kurz taucht er im Licht des Spaltes auf und ist dann verschwunden. Frei. Vor ihm, Savius, liegt der dunkle Weg durch den Berg, an dessen Ende der Thron des mächtigsten Königs der Sagenwelt liegt. Zum Greifen nah. Der Thron des Bettlerkönigs.

Savius erhebt sich, dringt tiefer in den Berg vor. Der eiserne Rahmen des Schildes kratz an den felsigen Wänden, sein Schwert klirrt an das harten Gestein. Dunkelheit umgibt ihn. Savius sieht die Hand vor Augen nicht. Er tastet sich schwer atmend durch die Welt des Berges. Seine Muskeln sind angespannt. Seine Sinne hellwach. Welche Sagenwesen schützen den Bettlerkönig? Was gilt es zu überweinden? Lauert dort in der Finsternis ein Ungeheuer? Ein Monster mit scharfen Zähnen und wilden Pranken? Eine vielköpfige Schlange? Gleichgültig, was das Schicksal dort für ihn bereit hält - er wird der Sieger sein und die Tochter des Bettlerkönigs zur Frau nehmen. Daran besteht kein Zweifel. Er hat den Mut und

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jan David Clavijus
Tag der Veröffentlichung: 03.09.2019
ISBN: 978-3-7487-1643-3

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