Am 17.09. um 3.39 Uhr wurde er das erste Mal gesichtet, von einer älteren Dame, die mit ihrem Hund Gassi ging. Als der Pudel Anstalten machte, sich in der kleinen Parkanlage mitten in Bad Harzburg zu erleichtern, entdeckte sein Frauchen das würfelförmige Gebilde. Es gab keine Berichte über auffällige Ereignisse, wie etwa ungewöhnliche Himmelslichter, oder undefinierbare Geräusche. Der Kubus schien aus dem Nichts heraus entstanden zu sein. Das Material, aus dem er bestand, hatte große Ähnlichkeit mit Glas, genau genommen Milchglas, denn es war weiß eingefärbt, sodass nicht zu erkennen war, was sich in dem Gebilde verbarg. Auffällig war allerdings das Licht. Der fremde Kubus leuchtete von Innen heraus, als wäre er mit Hunderten von Glühbirnen bestückt. Der älteren Dame war die Angelegenheit unheimlich, doch der Hund scheute nicht davor zurück, sein Bein zu heben und das eigenartige Gebilde zu markieren.
Bald bildete sich eine Traube von Frühaufstehern vor der merkwürdigen Erscheinung. Einige mutige Kurgäste klopften dagegen. Ein älterer Herr benutzte dafür sogar seine Gehhilfe. Die Polizei riegelte den Platz knapp eine Stunde später ab. Bundeswehrsoldaten gingen mit gepanzerten Fahrzeugen, Helmen, Splitterschutzwesten und Nachtsichtgeräten in Stellung.
Bald waren die ersten Journalisten vor Ort und starteten mit Übertragungen in die ganze Welt. Im Kurhaus und im Rathaus wurden Sendezentren eingerichtet. Übertragungswagen verstopften die Innenstadt. Das Bild, das die Welt von Deutschland hatte, änderte sich in diesen Stunden erheblich. Auf Milliarden von Bildschirmen war nun der Jungbrunnen zu sehen, mit seinen schelmischen, nackten Figuren und die unbekleideten Narren von Bad Harzburg verschmolzen in wenigen Tagen mit Goethe und Hitler zu einem neuen Deutschlandbild.
Dem Bürgermeister von Bad Harzburg war dieser Umstand allerdings gleichgültig. Er musste alle zehn Minuten erklären, dass er nicht wisse, woher das Ding kam, was es war und weshalb es plötzlich in seiner Stadt stand. Während er seine Interviews gab, leerten im Hintergrund die fetten Engel mit den goldenen Flügeln, die oben auf dem Brunnen standen, ununterbrochen ihre Weinflaschen. Nur wenige Meter davon entfernt stand der merkwürdige Kubus. Gegen Abend dieses ersten Tages reagierte der Bürgermeister zusehends patzig auf die vielen Fragen, was die Journalisten verärgerte und die Bürger stutzig machte. Sie kannten ihren Bürgermeister nur als ausgeglichenen, fröhlichen Menschen. Es schien also tatsächlich ein Problem zu geben, das über die Lokalpolitik, die der Bürgermeister in- und auswendig kannte, hinausging.
Der fremde Kubus, der über Nacht aufgetaucht war, hatte eine Abmessung von exakt 1,5 Kubikmetern und bestand allem Anschein nach aus Glas. So wurde es am folgenden Tag gegen 7.43 MEZ offiziell mitgeteilt. Zu dieser Zeit vernahm man auch erste Geräusche, die aus dem Inneren des würfelförmigen Gebildes nach draußen
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Jan David Clavijus
Bildmaterialien: Jan David Clavijus
Cover: Jan David Clavijus
Tag der Veröffentlichung: 24.01.2017
ISBN: 978-3-7396-9453-5
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