Prolog
England, 12. Dezember 1530
Die Sonne schien auf den dichten Wald.
Eine schwarze Kutsche, in der ich saß, fuhr auf den unebenen Waldweg.
Meine Freundin saß mir gegenüber und sah mich an.
Ihre Haare hochgesteckt und ein French Hood schmückte ihr wunderbares helles blondes Haar.
Ihre blauen Augen sahen mich an: „ Wie weit ist es noch?“.
Ich zuckte die Schultern und sah meinem Vater an, der neben mir saß.
„ Nicht mehr weit!“, versprach er.
Mary sah aus dem Fenster: „ Ich wusste gar nicht, das so tief im Wald eine Kirche liegt.“.
„ Vater meint, dass es eine unbekannte Kirche sei, sie jedoch wunderbar sein soll.“.
Dabei sah ich meinem Vater lächelnd an.
Mary sah ihn an: „ Wart Ihr schon einmal in dieser Kirche?“.
„ Oh ja, mehrmals!
Ihre traumhaften Fassaden, ihre Höhe, die den Wald jedoch nicht überragt!“.
Wir kamen auf eine weite Lichtung.
Verschiedene Menschen in teuren Kleidern sahen unsere Kutsche und tuschelten hinter ihren Fächern.
Vater lehnte sich vor: „ Meine Damen, wir sind angekommen.“.
Er stieg zuerst aus und half erst Mary und dann mir heraus.
Die reichen Menschen drehten sich von uns weg.
Fragend sah ich Vater an: „ Warum drehen die sich weg?“.
Vater ließ sein Blick über die weite Lichtung schweifen: „ Weil niemand gerne hier gesehen wird.“.
Erschrocken drehte Mary sich zu mir herum: „ Was soll das bedeuten?“.
Vater gab ihr einen Fächer und mir auch: „ Versteckt eure Gesichter dahinter.“.
Ich schlug den Fächer elegant auf und sah zu Mary.
Sie fühlte sich wohl nicht wohl.
Ihr Vater stieg der Kutsche aus.
Die Glocken der Kirche läuteten laut als Marys Vater, Mr. Thomas, bei uns ankam.
Er sah hoch zu der Kirche.
Die Kirche sah wunderbar aus.
Wie ein Schloss was sich aus dem Wasser erhob.
Kleine Brunnen waren neben der großen und weiten Treppe.
Diese Treppe führte weit hinauf.
Kleine Wasserfälle ließen das Wasser von dem einen Brunnen zum anderen fallen.
Weit oben war eine riesige Kirche zu sehen.
Sie war alt und wunderschön.
Wie Vater sie mir beschrieben hatte.
Mary sah mich jedoch schüchtern an als wir vorgingen und unsere Väter hinter uns: „ Was ist das hier?“
Ich zuckte die Schultern und sah zu ihr: „ Ich wüsste es gerne.
Warum verstecken sich alle hier?“.
„ Keine Ahnung“, flüsterte Mary und sah wieder zu den Treppen.
Ich drehte mich herum.
Hinter uns waren noch einige Leute, die in die Kirche wollten, angesehene Leute.
Aber warum versteckten sie sich hinter ihren Fächern oder hinter ihren Hüten und Schals?
Wir betraten die Kirche.
Mary huschte schnell in eine Bankreihe und ich folgte ihr.
Vater setzte sich neben mich und nahm meine Hand: „ Nimm niemals den Fächer hinunter!“.
Ich nickte stumm und starrte nach vorne: „ Auch nicht zum Gebet?“.
„ Unterstehe dich!“, fauchte er.
Mary packte mein Bein.
Etwas schien ihr Angst zu machen.
Ich sah aber nur nach vorne.
Ein Pastor stellte sich nach vorne als alle Anwesende saßen.
Ich schluckte schwer.
Er war auch vermummt.
Selbst ein Bischof trat vermummt nach vorne und hielt in den Armen ein Kind, ein kleines Baby.
Eine Frau wimmerte auf dem Boden und hatte die Hände zu den beiden kirchlichen Ämtern ausgestreckt.
Vater nahm seine Hand von meiner und lehnte sich entspannt zurück.
Ich drehte meinen Kopf zu ihm.
Er schwitzte.
Dann sah ich wieder nach vorne.
Die meisten hier in der Kirche hatten sich zurück gelehnt, aber wenige schwitzen.
„ Tod!“, sagte der Pastor laut.
Der Bischof ging mit einem Weihrauchbehälter um den Pastor herum.
Die Frau wimmerte und rollte sich zusammen.
Ich sah schockiert zu Mary.
Ihre Augen waren weit aufgerissen.
Das blau in ihnen sah leblos aus.
Ich schüttelte sie: „ Mary!“.
Sie bewegte sich nicht.
Mein Blick ging nach vorne.
Einige hier in der Kirche röchelten, der Pastor ließ das Kind fallen: „ Die Seuche!“.
Ich ließ meinen Fächer sinken und drehte mich zu meinem Vater.
Er hatte die gleichen starren Augen wie Mary!
„ Vater!“, quiekte ich.
Er bewegte sich nicht.
Eine Frau packte mich am Arm: „ Raus!“.
Sie zog mich gegen meinen Willen zur Tür.
An ihrer anderen Hand hielt sie ein Mädchen in meinem Alter.
„ Keiner verlässt die Kirche!“, schrie der Bischof.
Die Frau zog mich weiter.
Wer war sie?
Warum zog sie mich raus?
Das andere Mädchen sah mich schockiert und verängstigt an.
Plötzlich versuchte jeder aus der Kirche zu kommen.
Die Frau packte meine Hand fester und zerrte mich zwischen die Menschenmenge hinaus.
Viele waren jedoch schon bei der Treppe angekommen.
Die Frau schien es nicht zu interessieren, sie steuerte direkt zu den Brunnen.
Ich sah wie einige Menschen verzweifelt von der Erhöhung, auf der wir standen, zu Boden sprangen.
„ In einen Brunnen nach den anderen!“, schrie die Frau.
Sie stieß mich zuerst in einen Brunnen hinein und dann das andere Mädchen.
Das tat sie zehn Mal, bis ich endlich auf dem Boden stand.
Kutscher hielten die Pferde zurück.
Ich sah wie unser Kutscher panisch nach meinem Vater, Mary und ihren Vater und nach mir Ausschau hielt.
Die Frau packte meine Hand wieder: „ Nicht da hin!“.
„ Aber mein Kutscher!“, schrie ich sie an.
Die Frau zog an meinem Arm und ich musste rennen.
Wir rannten in den tiefen Wald hinein.
Irgendwann hielt sie an und ich rang durch das enge Korsett nach Atem.
Sie sah das andere Mädchen an.
Sie war bleich und hatte nasse Augen.
Das Mädchen war viel jünger als ich.
Sie konnte nicht älter als zwölf sein.
Ihre Haare waren offen und fielen in glatten Strähnen über ihre Schulter.
Die Frau sah mich an: „ Wir müssen weiter!“.
„ Ich geh zurück!“, sagte ich fest entschlossen.
„ Wenn du zurück gehst Amnell, dann wird man dich einsperren!“, warnte sie mich.
„ Was?“, fragte ich entsetzt.
„ Die Seuche…diese Kirche, glaub mir mein Kind, da kommst du nicht wieder raus, wenn man dich dort erwischt!“.
Ich sah das andere Mädchen an.
Ich kannte sie nicht.
Dann sah ich die Frau wieder an: „ Und was habt Ihr mit mir vor?“.
Sie ließ mich los: „ Ich nichts!“.
Unverständlich sah ich sie an: „ Wie darf ich das verstehen?“.
Ein Mann kam auf uns zu.
Ich sah ihn an.
Vermummt.
Warum auch nicht anders...
Tag der Veröffentlichung: 14.05.2010
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