Diese kleine Story ist ein herzliches Dankeschön an alle Autoren und Autorinnen für den tollen Lesegenuss, der mir hier geboten wird.
Ich verspreche, ich werde nicht mehr – jedenfalls nicht in den nächsten vier Wochen – drängeln und fragen, wo denn der Nachschub bleibt. Ich ziehe meinen imaginären Hut, leider habe ich keinen, vor dem, was ihr euch freiwillig aufhalst. Merci!
Die Personen – bis auf die Einschränkung grober Übereinstimmungen mit einem Buch von Dani Merati – und die Örtlichkeiten in dieser Geschichte sind ausschließlich meiner Fantasie entsprungen. Ähnlichkeiten mit realen Personen, Ereignissen oder Orten wären daher reiner Zufall und sind nicht beabsichtigt.
Die Protagonisten sind mit Zustimmung der Autorin in dieser Geschichte gelandet. Wie sie sich hier verhalten, hat nur in ganz groben Zügen mit dem Auftreten in ihrer wirklichen Story zu tun. Ähnlichkeiten sind allerdings beabsichtigt.
Für Leser, die nicht so mit den Hintergründen vertraut sind: die Protagonisten sind Gestaltenwandler und Gefährten. Durch ihre innere Verbundenheit können sie ohne hörbar zu sprechen miteinander kommunizieren. Diesen privaten Kanal benutzen sie immer dann, wenn niemand mithören soll.
Wer kann angemeldet werden?
Angemeldet werden können Protagonisten, die sich bei ihren Autoren/ Autorinnen nicht anständig benehmen und Sorgen bereiten.
Wo befindet sich das Kurhotel?
Die Koordinaten zum Auffinden dieses Ortes obliegen strikter Geheimhaltung. Zur Beruhigung sei so viel gesagt (ich will ja keine weiteren Sorgenfalten verursachen): die Phantominsel Hawaiki liegt in einem ruhigen Gebiet, wird von sanften Wellen umspült. Naturkatastrophen wie Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunami, Überschwemmungen, Dürre, Wirbelstürme -nur um einige zu nennen- sind nicht zu befürchten.
Wie gelangt man zum Kurhotel?
Das Kurhotel ist weder zu Wasser noch aus der Luft erreichbar. Auch graben bringt nichts. Dank den Kräften einiger übernatürlicher Wesen ist dennoch eine stressfreie An- und Abreise via Teleportation möglich.
Ursprünglich war zwar ein Portal geplant, doch dann machten mir meine Boten kurzfristig einen Strich durch die Rechnung. Durch den Botenjob allein nicht ausgelastet, schrien sie nach einer zusätzlichen Aufgabe. Deshalb sind sie jetzt diejenigen, die für den Transfer zuständig sind. Erst durch ihr Zutun wird eine An- oder Abreise ermöglicht. Eine Aufgabe, die in ihrer Wichtigkeit eine gewisse Bestechungsimmunität erfordert. -Also versucht es gar nicht erst! Sobald ein Zeitraum abgesprochen ist, ist dieser bindend. Überlegt also gut, welcher Zeitraum vereinbart wird.
Wie ist die Unterbringung?
Das Kurhotel befindet sich auf Hawaiki. Neben Gästezimmern, die den Bedürfnissen ihrer Besucher entsprechend angepasst sind, gibt es unterschiedliche Gemeinschaftsräume, die einerseits für Gruppenbesprechungen bereitstehen, anderseits aber auch eine Möglichkeit zur einfachen Zusammenkunft bieten. Zur sportlichen Ertüchtigung hält eine große Halle her, die unter einigen Protagonisten bereits als Folterkammer verpönt wird. Umso beliebter ist daher der Wellnessbereich mit Sauna und heißer Quelle. Für das leibliche Wohl sorgt daneben das Hotelrestaurant Gute Stube, welches die Besucher mit exquisiten Leckerbissen verwöhnt.
Was kostet nun der ganze Spaß?
Das Motto lautet: freie Kost und Logis. Es kommt schließlich allen zugute. Denn ohne Vorankommen der Autoren sitzen wir letztlich auf dem Trockenen. Daher kann man kein Geld für die Unterbringung verlangen.
Anfangs war dieses Anwesen lediglich für die Protagonisten geplant. Als ich schließlich durch die Gegend gesponnen und die ersten Zeilen an jemanden geschickt habe, wurde unter Augenrollen gefragt, warum ich die aufmüpfigen Protas noch belohne und die leidenden Schöpfer nicht. Also habe ich die Einteilung nun etwas abgeändert. Platz genug ist ja vorhanden.
Des Weiteren befindet sich noch ein Gebäude auf der Insel, in dem unter anderem die Hausherren des Kurhotels, der Butler, der Sekretär, der Chauffeur, der Koch und weiteres Personal, untergebracht sind. Gemeinsam sind sie zu einer Art großer Familie zusammengewachsen und stehen wie Pech und Schwefel füreinander ein.
Wie lange können die Protas dort bleiben?
Die maximale Aufenthaltsdauer beträgt 14 Tage.
Was passiert mit den Protas?
Je nach Vergehen wird ihnen im Falle von Burn-out jeder Wunsch von den Augen abgelesen, auf dass sie bei ihrer Rückkehr wieder gut erholt und gesprächiger sind, oder sie werden bei kindischem Trotz und strikter Kommunikationsverweigerung durch Erziehungsmaßnahmen wieder auf den richtigen Weg gebracht. Anhand von Spielen, die sich noch in der Planung befinden, wird geprüft, ob eine Besserung eingetreten ist.
Bei einer feierlichen Zeremonie wird ein Zertifikat überreicht, das die Veränderung dokumentiert.
Gibt es Einschränkungen?
Pro Autor oder Autorin dürfen maximal drei Protas auf einmal angemeldet werden.
Die Vorlieben und Schwächen müssen bekannt sein.
Ob es außer der allgemein üblichen körperlichen Betätigung (lach … nein, das muss nicht DIESE körperliche Betätigung sein, die jeder da gleich im Kopf hat … Ich meinte eher Schwimmen, Joggen, Rad fahren, Tauchen, Wandern, Bergsteigen ...) noch weitere Aktivitäten geben darf (genau hier darf jetzt das Kopfkino anspringen … grins), muss explizit mitgeteilt werden. Diese Wünsche werden selbstverständlich berücksichtigt. Wird nichts angegeben, dann tritt der "Worst Case" ein und die Quertreiber sitzen auf dem "Trockenen". Was auch eine Erziehungsmethode darstellen kann. Die Einhaltung wird von den fähigen Mitarbeitern des Hotels überwacht. Die sind Meister ihres Fachs, auch wenn das nicht ihre Hauptaufgabe ist.
Es dürfen alle Arten von Protas angemeldet werden. Es gibt keine, ich wiederhole: keine Einschränkung der Wesen! Ob die Konstellation, dann im Camp, zu Problemen führt, das lasst mal getrost meine Sorge sein … ich werde schließlich von hoch qualifiziertem, gut ausgebildetem Personal unterstützt.
Wie erfolgt die Bewerbung?
Es gibt ein Formular, mit dem kann der oder die Schützlinge anmelden werden. Angenommen wird jeder, dessen Angaben vollständig sind. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.
Bei besonders gestressten Autoren oder Autorinnen und strenger Deadline wird eine Ausnahme gemacht. Diese dürfen in einem anderen Gebäudetrakt ihr Domizil aufschlagen. Manchmal können, schon allein durch die Veränderung der Umgebung, die bestehenden Probleme gemeinsam gelöst werden.
Gemütlich lassen sich zwei Raben vom Wind durch das Paradise Valley treiben. Die gefiederten Freunde hören auf die klangvollen Namen Hugin und Munin (ich weiß, die Namen sind geklaut und gehören Odin … aber ich habe ihn höflich gefragt und er hat mir seine Erlaubnis gegeben).
Auf einer Wiese aus rötlichem Steppengras räkeln sich zwei Kerle sorglos, von denen einer einen Kopf größer als der andere wirkt. Als sie über sie hinweg fliegen wendet Munin seinen Kopf, deutet mit dem Schnabel dorthin und krächzt hoffnungsvoll: „Schau nur, könnten sie das sein?“ Nun sichtet auch Hugin die beiden Menschen unter ihnen. „Klar! Aber wir können zur Sicherheit ja auch noch mal fragen.“
Genervt schaut einer der Männer nach oben, um zu identifizieren, was für ein Geräusch ihre Idylle stört. „Kusch, haut ab!“, versucht er die Störenfriede zu vertreiben, als sie seine Richtung ansteuern. Unbeeindruckt landen die Raben in unmittelbarer Nähe. „Was sind denn das für Manieren?“, krächzte Munin seinem Freund zu. Ihre Aura kann von den Gestaltenwandlern nicht wahrgenommen werden. Bei ihren Zielpersonen kommt nur „Krah! Krah! Krah!“ an. Hugin hat auch nur ein Kopfschütteln übrig, während der die Distanz trippelnd verringert. Überrascht, von der Aufdringlichkeit des Tieres, erheben sie sich. Jetzt ist der Größenunterschied erkennbar, die Annahme hat sich also bestätigt. Der Größere zieht seinen Partner hinter sich, verdeckt ihn zum Schutz und grollt, versucht so eine Macht einzusetzen, das Ganze ist ihm nicht geheuer. Ungläubig schauen sich die Vögel an, wackeln mit den Köpfen und wechseln in die internationale Protagonistensprache über, damit sie endlich ihren Auftrag erfüllen können.
„Seid ihr Tanner und Layton?“, fragt Hugin plötzlich in verständlichem Jargon. Neugierig und leicht verwirrt lugt der Verdeckte hinter dem anderen hervor. „Wer hat das gesagt? Woher kommt denn jetzt die Stimme?“ Egal wo sein Blick hingeht, er sieht nur die schwarzgefiederten Ruhestörer vor sich. Kann das sein? Tanner kann das wirklich sein, dass die Viecher quatschen? Diese Frage, die er über ihren privaten Kanal stellt, kann auch sein Freund nicht beantworten, zuckt mit den Schultern und schüttelt den Kopf. Zusammen starren sie ihre Gegenüber an, doch von denen kommt keine Reaktion. Hab ich mich doch getäuscht? Versucht uns hier jemand was vorzumachen? Tanner, wen hast du wieder geärgert? Ich bin doch nicht doof! Ich habe eindeutig eine Stimme gehört. Die Leitung glüht und Layton ist schon überzeugt, einer Halluzination aufgesessen zu sein.
„Kommt raus, wir haben euer Spiel durchschaut! Als ob wir darauf hereinfallen würden, es gibt keine sprechenden Vögel!“ Der lauten Aufforderung von Tanner zum Trotz, es bewegt sich nichts. Wie sollte es auch, es ist schließlich niemand sonst anwesend. Ungläubig die Augen rollend erbarmt sich ein Rabe und antwortet: „Wir sind Hugin“, dabei deutet er auch sich „und Munin.“ Diesmal, wenn auch überflüssig, deutet er auf seinen Partner. „Wir sind durchaus in der Lage zu sprechen, genauso, wie ihr eure Gestalt wandeln könnt, tut also nicht so erstaunt.“
Erwartungsvoll blicken sie ihre Gesprächspartner an, doch es wird ihnen schnell klar, dass diese Erklärung nichts gebracht hat. Woher weiß er das? Bevor einer der Männer weitere Unklarheiten anbringen kann, wird die Eingangsfrage nochmals, diesmal etwas energischer, wiederholt: „Seid ihr nun Tanner und Layton?“ Zum Satzende ist sogar ein leichtes Grollen zu hören. Oh ja, gefrustete Raben können grollen, ist ja nicht so, dass sie auf ein Kaffeekränzchen aus sind. Sie haben schließlich eine Aufgabe zu erfüllten. Auch die Männer sind von dem Geräusch überrascht und nicken bestätigend. Eine sehr untypische Situation für Tanner, der es gewohnt ist, dass ihm gehorcht wird, nicht umgekehrt.
Hoch erfreut ihre Zielpersonen gefunden zu haben, checken die Raben noch einmal in Gedanken ihre Informationen: Tanner, Wolfswandler, Sohn des Alpharex, groß, dunkle kurze Haare, silbergraue Augen, muskelbepackt, dominant, Besitzer einer Bar. Gut, die optischen Merkmale passen überein, dann wird das andere auch stimmen und immerhin hat er ja bestätigt, derjenige zu sein. Also weiter: Layton, Hauskatzenwandler, 20 Jahre, kleiner als Tanner, grüngoldene Augen, lässt sich leicht einschüchtern, von Beruf Erzieher. Auch hier müssen sie sich letztendlich auf die Bestätigung verlassen.
Nach einer kurzen Pause, in der sie ihre Gegenüber intensiv mustern, rückt einer mit ihrem Anliegen heraus. „Wir sind Boten. Es gibt da eine vorlaute Leserin, die hat beim Rumblödeln einen Vorschlag gemacht, der bei eurer Autorin auf Anklang gestoßen ist.“ Tanner und Layton tauschen einen aufgewühlten Blick. Das ist ja alles schön und gut, doch was hat das mit uns zu tun?, fragen sie sich stumm. Doch bevor sie überhaupt zum Reden kommen, führt ein Rabe -ich glaube es ist Munin- weiter aus: „Sie hat ein "Kurhotel" für Autoren und Autorinnen geschaffen, in das diese Protagonisten schicken können, die ihnen den letzten Nerv rauben.“ Sich immer noch keiner Schuld bewusst, bleiben sie ruhig stehen und warten auf die nächsten Worte. „Nun, ihr seid doch die Hauptfiguren in einem ihrer Bücher, doch seit Tagen kann sie euch nicht finden. Ihr meldet euch nicht, sagt nicht wo ihr seid und lasst sie einfach im Regen stehen. Findet ihr das gut?“
Betreten schaut Layton zu Boden, während Tanner das wieder einmal ganz anders sieht. Er geht gleich auf Konfrontation und wettert los: „Wie … still? Die soll sich mal nicht so haben! Erst sollen wir die ganze Welt retten und dann kommt da so ein "abgewrackter Polizist" daher mit einer Katze“, in Gedanken schickt er gleich eine Entschuldigung an seinen Liebsten, „und einem Geist. Und jetzt, wo wir auch einmal eine kurze Verschnaufpause einlegen, uns von der ganzen Trauer und den Anfeindungen erholen wollen, da kommt die mit so was? Ne, echt jetzt?“ Völlig untypisch, für den doch sonst so vernünftigen und besonnenen Tanner, platzen ihm diese Worte heraus. Ob das ein Zeichen für Ermüdung ist, fragt sich Layton und schaut seinen Gefährten erstaunt an.
Hugin und Munin tauschen ebenfalls einen Blick. Wägen ab, doch sie haben hier kein Mitspracherecht. Ihr Auftrag ist es, die Protas zum Kurhotel zu bringen. Bevor es noch zu einer, weiteren Diskussion kommt, breiten sie ihre Flügel aus, schwingen diese in einer für Außenstehende unübrschaubaren Abfolge, auf und ab. Schneller, als es den Helden lieb ist, finden sie sich auf einer Trauminsel wieder. So, jetzt ist bekannt, wie die Teleportation eingeleitet wird. Kohlraben sind besonders schlaue Vögel und diese hier können sogar ein Portal herbeirufen, welches Reisen durch Zeit und Raum ermöglicht, sowie andere auf diese Reise mitnehmen.
Perplex schauen sich Tanner und Layton um, nehmen aber nicht wirklich etwas wahr. Gerade waren sie doch noch ganz wo anders. Statt Wiese sehen sie jetzt Wasser, das ist das Einzige was ihnen auffällt. Über ihre interne Kommunikation stellen sie sich zeitgleich die Frage, was gerade passiert ist, doch keiner von ihnen weiß eine schlüssige Antwort.
Erwartungsvoll wandern ihre Blicke umher und bleiben schließlich an den Raben haften. „Wo sind wir?“, echauffiert sich Tanner. „Was soll der Schei-!“ Gerade noch rechtzeitig kann Layton ihm den Mund zuhalten. Da sie nicht wissen, was hier los ist, will er Vorsicht walten lassen.
Nach einem Seufzer sieht sich Hugin, der zur Zeit Odins noch den Aufgabenschwerpunkt "Denken" hatte, bemüßigt auf die erste Frage zu antworten. „Ihr befindet euch auf Hawaiki. An keinem, euch bekannten Ort.“ Kurz überlegt er, ob das schon genügt, entscheidet sich dann aber noch eine kleine Erläuterung einfließen zu lassen. „Wie ihr seht, handelt es sich um ein Atoll, das sehr idyllisch, umgeben von lavendelblauem Wasser,“ Hugins Stimme ist seine Begeisterung für diesen Ort richtig anzuhören „im Nirgendwo liegt.“ Dabei deutet er mit seinem Flügel schwungvoll über die Lagune in Richtung Meer, wo das ringförmige Riff zu sehen ist. Die Augen der Besucher folgen der Bewegung. Die ungläubigen Gesichtsausdrücke lassen aber darauf schließen, dass ihnen immer noch schleierhaft ist, was hier vorgeht.
Nach kurzer Redepause beschließt Munin, sie aufzuklären. „Wir haben euch hierhergebracht, damit ihr darüber nachdenken könnt, warum ihr eurer lieben, netten und fürsorglichen Autorin solches Kopfzerbrechen bereitet.“ Tanner wird während dieses Satzes immer roter im Gesicht. Dass er nicht platzt, ist allein Layton geschuldet. Der piekst ihm die ganze Zeit immer wieder mit dem Finger in die Rippen. Damit versucht er, seinen Partner zu beruhigen. Eine sehr unorthodoxe Art jemanden zu besänftigen. Aber wenn es hilft, warum nicht?
Als ob es diese Gefühlsregung nicht gegeben hat, führt Hugin noch weiter aus: „Da dies der erste Versuch ist und keiner weiß, ob das klappt, sollt ihr erst einmal nur vier Tage hier verbringen. Gleich kommt Bado, der Chauffeur, und bringt euch zur Unterkunft.“ Jetzt wird es selbst Layton zu viel. Er schüttelt den Kopf, bekommt Schnappatmung. „Wie? Vier Tage hier verbringen? Das geht doch nicht!“, hier überschlägt sich seine Stimme fast. „Mein bester Freund ist irgendwo schutzlos in der Wildnis, die Existenz unserer Welt ist in Gefahr und wir sollen hier Däumchen drehen?“ Die Worte sprudeln nur so aus ihm raus. Der ausführende Rabe legt den Kopf schräg, wiegt ihn wissend hin und her, gibt den Vorwurf zurück. „Und wieso arbeitet ihr dann nicht mit, wenn alles so kritisch und ernst ist?“
Das ist ein Schlag ins Gesicht. Beschämt schauen sich die Gestaltenwandler an, dann senken sie ihre Köpfe schuldbewusst zu Boden. Oh wir Trottel, wir sind tatsächlich selbst schuld. Als ob ihm gerade die Erleuchtung und der Ausweg aus der Misere gekommen ist, schaut Tanner auf. „So lange können wir überhaupt nicht bleiben. Wir haben ja keine Wechselklamotten dabei!“ Triumphierend bringt er diese Aussage hervor. Erst die mitleidigen Blicke seiner Gegenüber vermitteln ihm den Eindruck, dass er irgendetwas übersehen hat. Die Raben sehen demonstrativ nach links, seitlich von ihm. Langsam wendet er den Kopf zur selben Seite und was müssen seine Augen sehen? Zwei Taschen stehen dort. Groß genug, um Wäsche und einige Hygieneartikel zu enthalten. „Ja glaubst du denn, Dani hat nicht vorausgeplant? Hallo … sie ist Autorin! Die muss doch immer vorausschauend sein, damit die Geschichte einen roten Faden hat und nicht kreuz und quer verläuft.“
Fast zeitgleich mit Beendigung des Satzes, ist ein leises Surren zu hören. Die Protagonisten schauen sich erschrocken um. Erst jetzt nehmen sie ihre Umgebung so richtig wahr und finden sich an einem weitläufigen Traumstrand wieder, wie er oft auf Postkarten abgelichtet ist. Daran angrenzend befinden sich sanft ansteigende Hügel, die von exotischen Pflanzen mit bunter Blütenpracht oder nur leuchtendem Grün im Sonnenlicht schimmernd, die Besucher zum Verweilen einladen. Etwas entfernt steht ein flaches, sonnengelb angestrichenes Gebäude und ein ganzes Stück weiter ein viel größeres, das sich an ein Bergmassiv schmiegt. Diesen Eindruck bekommt man zumindest von ihrer Position aus. Vom tiefer stehenden Haus kommt ihnen gerade ein Auto entgegen, das ungewohnt lautlos an sie heranfährt. Kurz vor ihnen stoppt das Fahrzeug.
Mit einer geschmeidigen Bewegung steigt ein mittelgroßer Mann aus. Das goldgelbe kurze Haar ist von rötlichen und dunkelbraunen Strähnchen durchzogen. Die Augen bernsteinfarbenen, die Haut sonnengebräunt. Der Gang lässt darauf schließen, dass er körperliche Arbeit gewohnt ist. Seine Statur ist zwar kompakt, es ist aber auch deutlich erkennbar, dass das alles Muskeln sein müssen. Sein ganzes Auftreten erweckt den Eindruck, einen Jaguar vor sich zu haben, wenn man denn den Vergleich mit einem Tier anstellt. Mit einem nichts-sagenden Gesichtsausdruck nimmt er wortlos die Gepäckstücke, verlädt sie in den Kofferraum. Für seine ersten Fahrgäste öffnet er die Beifahrertür, danach wird noch der Beifahrersitz nach vorne geklappt, um das Einsteigen zu erleichtern.
Nochmals ergreift Hugin das Wort: „Darf ich vorstellen, dass ist Bado. Er ist für den Transfer zuständig und bringt die Gäste sicher zum Hotel.“ Tanner und Layton geben sich geschlagen und steigen mit einem mulmigen Gefühl ins Auto ein. Nach dem ersten Eindruck, den sie von Bado gewonnen haben, will sich keiner freiwillig mit ihm anlegen. Der unheimliche Fahrer schlägt die Tür mit Schmackes hinter ihnen zu. Noch ein kurzes Nicken in Richtung der Raben und er setzt sich hinter das Steuer. Als sie losfahren, machen sich auch die Raben auf den Weg.
Die Fahrt verläuft mucksmäuschenstill. Die Fahrgäste sind noch zu überrumpelt von der Situation und fühlen sich trotz der schönen Ausblicke, die die Landschaft bietet, wie Gefangene. Bado hingegen ist ohnehin ein schweigsamer Typ, ein Einzelgänger. Von ihm haben sie also keinen Plausch zu erwarten. Der Weg führt sie immer näher an das Bergmassiv heran. Eine breite Zufahrt aus sandfarbenen, feinkörnigem Kies, die von sattem Grün umgeben ist, schlängelt sich den Hügel hinauf zum zweistöckigen Gebäude. Die terracottafarbene Fassade strahlt warm im Sonnenlicht, hebt sich vom weißen Felsmassiv ab, wirkt von außen recht schlicht. Malerische Verzierungen heben einzelne Elemente hervor, wobei das Spiel der Farben das Gesamtbild dominiert.
Die Fahrt endet unter einem, auf Säulen gestützten, Vordach an einer mehrstufigen Treppe aus dunklem Stein, die zu einer massiven Eingangspforte führt. Dort werden sie von einem Mann in einem blauen Frack empfangen. Durch sein Äußeres entsteht der Eindruck, es stünde ein kleiner blauer Pinguin vor ihnen. Die Autotüren werden wortlos von Bado zum Aussteigen geöffnet. Das Gepäck stellt dieser an der Treppe ab. Kaum haben unsere Helden das Auto verlassen, stellt sich der kleine blaue Mann vor. „Ich heiße euch herzlich auf Hawaiki willkommen. Mein Name ist Fastrad, ich bin euer Butler und die rechte Hand der Hausherren.“ Mit freundlichem Gesicht betrachtet er seine ersten Gäste. Bei der Premiere darf schließlich nichts schiefgehen, also geben sich alle besonders viel Mühe.
„Bevor ich euch ins Innere führe, möchte ich noch kurz auf die Besonderheiten von Hawaiki eingehen.“ Wird es jetzt ENDLICH interessant? Dieser Geistesblitz schießt Layton hoffnungsvoll durch den Kopf. Bis jetzt kann nichts seinen Kummer verdrängen. Stetig kreisen seine Gedanken noch um die, mit Fakten belegten, Vorwürfe. Wenn ich mich auf etwas konzentrieren kann, dann bekomme ich vielleicht den Kopf frei. Doch seine Zuversicht kommt verfrüht, denn was jetzt folgt, ist eine Beschreibung der Insel, die ihn nur noch weiter überfordert.
Euphorisch beschreibt Fastrad ihnen den Teil der Insel, der von ihrem Standpunkt aus sichtbar ist. Dabei lässt der alles weg, worüber die Boten schon berichtet haben. „Die Insel hat einen vulkanischen Ursprung. An einigen Ecken blubbert und brodelt es und warme Luft entweicht aus dem Boden. Ähnlich wie in Japan existieren auch hier heiße Quellen zum Baden, allerdings nur tief im Berginneren verborgen. Daneben befinden sich in der Lagune viele kleinere, unberührte Inseln. Im Gegensatz dazu ist die Hauptinsel, auf der wir uns befinden, zum größten Teil erschlossen und bewohnbar.“
Hm … unbewohnte Inseln, warme Quellen … die Aufmerksamkeit der Besucher nimmt mit jedem Wort zu. Hört sich wirklich interessant an und genau das geben sie sich gegenseitig durch ihre Blicke zu verstehen. Ein Austausch, den auch der Butler bemerkt. Freudig, da sie nun an seinen Lippen kleben, führt er weitere Details aus. „Bemerkenswert an unserer Insel ist das Bergmassiv und der üppige Wald. Die Tier- und Pflanzenwelt ist in dieser Idylle sehr vielfältig und bunt. Gefahren an sich sind aber nicht zu erwarten.“ Bla Bla Bla … Layton schaltet jetzt doch auf Durchzug. Soviel zum Thema INTERESSANT. Mir ist das doch völlig schnuppe, was hier für Bäume wachsen und Viecher durch den Wald kriechen. Ich will doch keine Lehrstunde über diese Insel erhalten. Hoffentlich gibt mir Tanner ein Zeichen, wenn der fertig ist, damit ich wenigstens an der richtigen Stelle nicke. Tanner erweckt wenigstens noch den Eindruck von mäßigem Interesse. „Die Lagune darf nur mit Luftkissenbooten befahren werden, da die Natur durch das Vergnügen der Bewohner so wenig wie möglich belastet werden soll und diese Boote mit besonders leisen und effizienten Motoren ausgestattet sind. Dasselbe gilt für die restlichen Beförderungsmittel auf der Insel.“ Tanner erlaubt sich einen Spaß mit Layton, gibt ihm einen versteckten Schubs. Aufgeschreckt kommt von ihm ein bestätigendes Nicken. Der Butler nimmt dies zum Anlass, um auch noch den Rest loszuwerden. „Die Energieerzeugung erfolgt über Wasser-, Wind- und Sonnenkraft. Die Energien sind optimal aufeinander abgestimmt, wodurch die Insel autark ist.“
Standhaft versucht Layton ein Gähnen zu unterdrücken, doch es gelingt ihm nicht. Boah … ist ja noch langweiliger als befürchtet. Wer soll sich das denn merken und vor allem warum? Er will schon den Mund aufmachen und seinen Unmut kundtun, da vernehmen seine Ohren doch noch eine interessante Information. „An einem Ausläufer des Bergmassivs existiert ein Wasserfall mit einem kleinen See, der versteckt in einem Waldstück gelegen ist. Das Bergmassiv liegt zentral auf dem Eiland, durchzogen von Höhlen und Gänge. Die Ausgänge sind oftmals von Efeu und anderen Gewächsen verdeckt und gar nicht so leicht zu finden.“ Hallo? Das nenn ich mal geil! Layton zwinkert seinem Gefährten zu. Der zieht vielsagend eine Augenbraue in die Höhe.
Während der ganzen Ausführung hat Fastrad immer wieder, unbeeindruckt von versteckten Gesten und Grimassen, in diverse Richtungen gezeigt. Jetzt wendet sich der Butler wieder dem Gebäude zu. „Wie ihr seht, befindet sich das Wohnhaus direkt vor den Felswänden. Ein Teil davon verschwindet sogar im Fels.“
Diese Aussage erstaunt seine Gäste dann doch. Gemeinsam treten sie unter dem Vordach hervor, um das Gebäude mit dem jetzigen Wissen in Augenschein zu nehmen. Dabei stehen sie frontal zum Eingangsbereich und realisieren Details, die sie bis eben nicht interessiert haben. Auf der Ost- und Westseite verlaufen die Fronten senkrecht zum Massiv. An den Ecken können sie sogar die Zinnen auszumachen, die in die Höhe ragen. Von da oben hat man bestimmt eine fantastische Aussicht. Mit dieser Überlegung wendet sich Tanner seinem Freund zu. Das kann interessanter werden, als ich dachte. Diesen Gedanken fängt Layton auf und erwidert: Ja, das Gebäude scheint riesig zu sein.
Die Verwunderung steht seinen Gästen ins Gesicht geschrieben. Stolz lässt auch Fastrad kurz den Blick über den Komplex schweifen, um dann seine Ausführung zu beenden: „Innen ist ein Lichthof. Ihr könnt diesen über einen Durchgang, von der Eingangshalle aus, betreten. Es gibt auch noch die Möglichkeit über eine Treppe, die nach dort führt. Ihr gelangt über den umlaufenden Balkon von jedem Gästezimmer dorthin. Ich bitte um Verzeihung, ich muss mich ein wenig korrigieren. Da der Nordflügel im Fels verschwindet existiert dort logischerweise kein Balkon. Im Innenhof selbst sind ist noch ein kleines Wasserspiel zu finden, umgeben von Sessel, Stühle und Liegen.“
Jetzt sind die beiden vollends überzeugt. Da halten wir es locker vier Tage aus, das ist Urlaub auf höchstem Niveau. (Ob sie da mal nicht ihr blaues Wunder erleben. Und ihre Autorin reibt sich vermutlich auch schon ihre Hände vor Freude.)
Gemeinsam betreten sie das Hotel durch die gewaltige, doppelflüglige Schwingtür aus Massivholz. Mit suchendem Blick schaut sich Fastrad um. Ihm ist eingefallen, dass er noch eine Kleinigkeit kontrollieren muss. Genau in diesem Moment durchquert ein schmächtiger Mann die Halle. Erfreut ihn zu sehen, winkt der Butler ihn zu sich heran. Trotz geringer Körpergröße und Gewicht bleibt er durch seine halblangen, sandfarbenen mit dreifarbigen Strähnchen durchzogenen Haare, seinen ebenfalls bernsteinfarbenen Augen und seinem animalischen Schleichschritt, in Erinnerung. Seiner ganzen Erscheinung haftet etwas Katzenhaftes an, vergleichbar mit einem Luchs. Abwartend schaut der neu Hinzugekommene Fastrad an, während dieser die Bekanntmachung übernimmt. „Darf ich vorstellen? Egilward, der Sekretär des Hausherren.“ Soll ich jetzt Nein sagen, fragt sich Tanner still. Es scheint hier überraschend viel Personal vorhanden zu sein, obwohl wir die einzigen Gäste sind. Dass dies nur eines seiner Aufgabengebiete ist, und er darüber hinaus auch als erfahrener Bodyguard fungiert, bleibt unerwähnt. Weil sich der Butler vorübergehend zurückziehen will, bittet er Egilward den Neuankömmlingen die Hausordnung und die Aufteilung des Hotels zu erklären. Mit einer kurzen Kopfneigung gibt dieser sein Einverständnis. Einen Moment blicken die Freunde dem Butler nach. Anschließend händigt Egilward ihnen bereitliegende Faltbroschüren aus und geht grob auf die wichtigsten Punkte der Hausordnung ein. Schließlich sind die Gäste des Lesens mächtig.
„Zum einen wird darin erwähnt, dass es hier keine "Gleichen" und "Gleicheren" gibt. Es gilt das gleiche Recht für alle. In diesem Sinne sollte sich auch der Lärm im Haus in Grenzen halten. Es gibt feste Essenszeiten, doch auch dazwischen wird niemand verhungern. Per Telefon können Wünsche durchgegeben werden. Das Personal ist rund um die Uhr erreichbar. Die Zimmer werden einmal pro Tag gereinigt, ab der Mittagszeit gibt es keine Schonung für Langschläfer mehr, dann wird jeder aus seinem Zimmer verbannt.“
Das alles hört sich für die Gäste gar nicht so schlecht an. Damit können sie ohne Weiteres leben. „Auf der Rückseite sind dann noch der Lageplan der Räume und der Fluchtweg beschrieben.“ Nach diesen Worten ist Egilward mit seiner übernommenen Aufgabe fertig.
Nachdem weiterhin jede Spur von Fastrad fehlt, entschließt sich der Sekretär schon einmal die Räumlichkeiten im Erdgeschoss grob zu umreißen. Zentral im Eingangsbereich, in dem sie sich befinden, ist es ihm ein Leichtes die Erklärungen weiter auszuführen. Mit dem Arm deutet er zum Westflügel hin. „Diese Seite ist Gästen wie euch, den Protagonisten, vorbehalten. Euer Zimmer befindet sich im ersten Stock. Im Erdgeschoss reihen sich, wenn man dem Gang weiter folgt, Gemeinschaftsräume wie TV-Zimmer, Billardzimmer, Musikzimmer und ein Seminarraum, aneinander.“ Überrascht, dass seine Ausführungen nicht zur erwarteten Euphorie führen, beginnt er sich zu fragen, ob seine Gäste nicht doch zurecht hier waren. Immerhin schien sie der Aufwand, der um sie betrieben wird, ebenso kalt zu lassen, wie die einzigartige Baukunst.
Er hatte, unmittelbar bevor er die Aufgabe übernommen hat, noch ein Gespräch mit Hugin. Darin ging es um die Bedenken der Gäste, ihre Argumente, weshalb sie nicht hierbleiben konnten. Auch ihm sind Bedenken gekommen, ob die Entführung richtig war. Inzwischen ist er sich sicher, dass sie zurecht hier sind.
Nachdem er sein schlechtes Gewissen durch die Beobachtungen beruhigt hat, wendet er sich dem Ostflügel zu. „Hier finden im ersten Stock die Autoren oder Autorinnen ihre Bestimmung, wenn sie denn ihre "Schäfchen" nicht allein lassen wollen. In eurem Fall ist dem ja nicht so“, ließ er mit hochgezogener Augenbraue verlauten. Dann fuhr er fort: „Ein Highlight ist das Hotelrestaurant Gute Stube, das gleich hier an der Ecke im Erdgeschoss zu finden ist. Das Ambiente und die Küche sind exquisit. Wer Gesellschaft haben will, der kann an einer großen Tafel Platz nehmen. Alternativ für die etwas Schüchternen gibt es auch kleinere Separees, in denen man sich etwas zurückziehen kann. Gleich daneben findet ihr die Bibliothek und den IT-Raum.“
So langsam fragt sich Egilward, wem die überhaupt zuhören. Ihm jedenfalls nicht, so sein Eindruck. Eine klitzekleine Reaktion ist beim Restaurant aufgekommen, doch ansonsten schweigen sie sich aus. Allmählich kommen ihm Zweifel, ob es überhaupt Sinn macht die restlichen Räume zu erklären. Er hat seinem Freund aber seine Zusage gegeben und das nimmt er sehr ernst. Wie bekomme ich die Aufmerksamkeit zurück? Da kommt ihm ein fieser Gedanke. „Im Keller findet ihr dann noch das Haifischbecken. Dort können jene, die nicht aufessen, vergnügt mit den zahmen Tierchen im Wasser planschen.“ Die Köpfe seiner Zuhörer schnellen zu ihm herum, beide schauen ihn mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen an. Oh, das hat gut funktioniert. Hüstelnd, um nicht loszulachen, beschwichtigt er schließlich. „Leider wird das Becken gerade repariert. Ihr braucht in diese Richtung also keine Befürchtung zu haben.“ Da sich die Gesichter seine Zuhörer noch nicht entspannt haben, wird er konkreter: „Das war ein Scherz!“ Haha, ich lach mich tot. Wirklich sehr witzig. Grimmig schaut Layton den Sekretär an, während er sich gedanklich mit Tanner austauscht.
Erwartungsvoll sieht der Sekretär seine Gäste an und ist gespannt, wie sie auf seinen Scherz reagieren. Lange lässt die Reaktion aber nicht auf sich warten. „Kann denn hier keiner verstehen, dass wir uns Sorgen machen? Ich weiß nicht, wo mein bester Freund ist, wie es ihm geht und ob er in Gefahr ist. Meine neue Familie wird bedroht. Das ganze Valley wird bedroht. Auch wenn wir im Moment nicht die Gesprächigsten sind, müssen wir deshalb hier vor Sorgen vergehen?“, bringt Layton mit zittriger Stimme hervor. Eine Berührung auf seiner Schulter lässt ihn herumfahren, wo ihn Tanner zärtlich anlächelt. „Ich denke die Auskunft kann ich euch geben“, werden sie von Egilwards Stimmer aus ihrer Versunkenheit gerissen. „Während eures Aufenthaltes hier, wird keinem eurer Freunde etwas passieren.“ Erleichtert atmen die Entführten auf und fallen sich gegenseitig in die Arme. Vielleicht sollten wir dem Hotel doch eine Chance geben?
Nach kurzer Förderung seiner Lachmuskeln und innerer Genugtuung, beschließt der Sekretär fortzufahren: „Gegenüber liegt der Nordflügel und tief im Felsen verborgen der Wellnessbereich, gespeist mit heißen Quellen. Das Wasser ist mit natürlichem, wohlriechenden Schwefel angereichert. Auf unserer Ebene befindet sich der Zugang zur Wellnessoase. Über eine kleine Treppe gelangt man zur "Folterkammer". Die Kammer werde ich euch aber nicht erklären.“ Erschrocken und auch erwartungsvoll sehen sich Layton und Tanner an. Wellness … hurra … aber "Folterkammer" … nein danke. So jedenfalls können die Gesichtsausdrücke interpretiert werden. Beide sind sich einig, dass sie die Kammer nicht brauchen, sondern nur das Vergnügen im Berg. Aber ein Mitspracherecht über die Geschehnisse während ihres Aufenthalts wird ihnen nicht eingeräumt.
Zaghaft versucht Tanner dem Sekretär in puncto "Folterkammer" auf den Zahn zu fühlen: „Handelt es sich wirklich um eine Strafkammer?“ Dass dieser Punkt ihnen so zu schaffen macht, damit hat Egilward nicht gerechnet. Lachend gibt er nur so viel zu, dass hier vermutlich kein Blut fließen wird, zu mehr lässt er sich nicht erweichen.
Über eine Treppe führt er sie in die obere Etage. Auf dem Weg dorthin taucht, wie aus dem Nichts, Fastrad wieder auf. Oben angekommen überlässt er dennoch Egilward die Groberklärung für dieses Geschoss. „Diesmal fange ich mit der Südseite an.“ Verzweifelt raufen sich seine Zuhörer die Haare. Es reicht ihnen eindeutig. Sie wollen jetzt nur noch auf ihr Zimmer und in Ruhe überlegen, wie sie das Beste aus der Situation machen können. Aber Pech für die zwei ihr Erzähler lässt sie nicht vom Haken. „In den Zimmern der "Erschaffer" gibt es einen gemütlichen Schreibtisch mit ergonomischem Stuhl und dem wichtigsten technischen Equipment.“ Hallo, wir werden bestimmt nichts schreiben. Uns ist doch völlig wurscht, was dort ist! Layton muss beinahe laut lachen, als ihm der Gedanke durch den Kopf schießt. „Das Autorenherz wäre hoch erfreut. Somit ist sichergestellt, dass jeder bei Bedarf gleich loslegen kann, sollte sich die Möglichkeit ergeben.“ Da diesmal die Autorin nicht mit dabei ist, geht er nicht weiter ins Detail.
Sich ihrem Schicksal ergebend, hören sie einfach weiter zu. „Seitlich hinter uns gibt es noch diverse andere Zimmer, in die sich jeder zurückziehen darf. Die Ausstattung ist sehr unterschiedlich. In allen sind jedoch Sitzgelegenheiten vorhanden. Manche bieten sogar noch Betten oder andere Liegemöglichkeiten. Zwei von ihnen sind zusätzlich mit den technischen Raffinessen für "Kreative" ausgestattet. Dort kann auch gemeinsam, falls man will, an einem Projekt weitergearbeitet oder sich ausgetauscht werden.“ Geschmeidig wendet sich Egilward nun gegen Westen und somit den scheinbar interessantesten Zimmern für die Besucher zu. Im Westflügel sind ja sie schließlich untergebracht. Erwartungsvoll schauen der Wolf und die Katze in diese Richtung. Da Egilward das Desinteresse seiner Schützlinge nicht entgangen ist, ihm jetzt aber der verheißungsvolle Blick auffällt, beschließt er einfach, dass sein Job nun getan ist. Soll sich doch Fastrad weiter mit denen herumärgern! Ein kurzes verabschiedendes Kopfnicken, rumdrehen und schon führt ihn sein Weg die Treppe wieder hinunter.
Verwirrt blicken ihm beide hinterher. Und was ist jetzt mit unserem Zimmer? Müssen wir auf dem Gang schlafen? Da haut er einfach ab, gerade bei diesem Punkt! Hüstelnd mahnt Fastrad um Aufmerksamkeit, deutet auf die erste Tür und begibt sich dorthin.
Auf dem Weg dorthin macht sich der Butler Gedanken, wie er mit dem offenen Punkt beim Anmeldeformular umgehen soll. Bei der Anmeldung ist nicht angegeben worden, ob Tanner und Layton diese Tage zusammen oder getrennt verbringen sollen. Sich seiner Verantwortung bewusst, wiegt Fastrad die beiden Möglichkeiten ab. Wenn sie sich ein Zimmer teilen, besteht weniger Arbeit für unsere Zimmermäuse. Doch ist das der Autorin auch recht? Und im Moment kann ich niemanden fragen. Meine Hausherren sind auch nicht da. Ruhig bleiben, tief durchatmen … also gut. Die sollen schließlich etwas lernen. Ein verschmitztes Lächeln schleicht sich in sein Gesicht.
Noch bevor sie sich ein erstes Urteil über Zimmer und Ausstattung machen können, folgt der erste Schock. „Die Räume in diesem Gang sind Doppelzimmer, die auch als Einzelzimmer genutzt werden können.“ Vehement schütteln seine Gäste die Köpfe. Völlig unbeeindruckt von deren Reaktion geht der Butler weiter. Bei der ersten Tür bleibt er stehen, lässt Tanner in das Domizil eintreten. „Jedes Zimmer hat selbstverständlich ein eigenes Bad, mit allem, was das Herz begehrt. Fernseher gibt es allerdings keine, dafür steht euch das TV-Zimmer zur Verfügung.“ In Gedanken führt er noch weiter aus: Die sollen sich ja entweder in Stille üben, nachdenken oder ausruhen. Sein Eindruck ist allerdings, dass er dies im Moment noch für sich behalten sollte, um einer Konfrontation aus dem Weg zu gehen.
Bewundernd dreht sich Tanner einmal um die eigene Achse, was er sieht lässt ihn zufrieden lächeln. Das Bett sieht sehr komfortabel aus und steht gegenüber dem Fenster, so kann man von dort aus den Sonnenaufgang genießen. Die Oberbetten und Kopfkissen laden zum Hineinkuscheln ein.
„Zur Ausstattung jedes Zimmers gehört auch eine Ecke zum Chillen oder Lesen.“, ist wieder Fastrads Stimme zu vernehmen. Wenn ihn aber nicht alles täuscht, dann zählt lesen nicht unbedingt zu den Lieblingsbeschäftigungen seiner Gäste. Vermutlich ist für sie die Schlafwiese viel interessanter.
Die erwähnte Sitzecke wird von Tanner in Augenschein genommen. Sie besteht aus gemütlich wirkenden Sesseln und einem niedrigen Beistelltisch. Schnell lässt er sich in einen Sessel fallen und seine Annahme von Gemütlichkeit wird bestätigt.
Als Layton folgen will versperrt ihm der Butler den Weg. Irritiert und leicht genervt versucht sich die Hauskatze dennoch hindurch zu schlängeln. Doch Fastrad gibt keinen Millimeter nach. Auch Schubsen bringt ihn nicht weiter. Entrüstet verlangt er Hilfe von seinem Freund. „Hey Tanner, setzt mal deinen entzückenden Hintern in Bewegung. Es gibt hier ein Hindernis, das mich nicht zu dir lässt.“ Erst jetzt bemerkt der Wolf das Schauspiel an der Tür. Kopfschüttelnd verlangt er nach einer Erklärung. „Was soll der Sch- … Mist? Lass gefälligst meinen Gefährten zu mir. Wir haben ein Recht zusammen zu sein. Wir haben schließlich auch viel dafür riskiert.“ Mit jedem Satz wird Tanner energischer. Doch Eindruck schindet er damit nicht. Der Butler ist ganz andere Kaliber gewohnt. Seine Kämpfe mit den anderen Inselbewohnern haben ihn gestärkt.
Ohne das Gesicht zu verziehen, informiert er sie über das weitere Vorgehen. „Da bei eurer Anmeldung einige Kreuzchen fehlen, bin ich gezwungen, immer vom Negativen auszugehen. Somit werdet ihr die erste Nacht in getrennten Zimmern verbringen.“ Beiden fällt die Kinnlade runter. Das darf doch alles nicht wahr sein! An so einem schönen Ort und dann das? Der Butler führt weiter aus: „Wie ihr den Abend verbringt, das bleibt euch überlassen. Da ist die Zweisamkeit nicht verboten, doch geschlafen wird getrennt. Gleich kommt Bado mit eurem Gepäck.“ Damit wendet er sich ab und geht ein Stück den Gang entlang.
Innerlich brodelt der Unmut in Tanner und Layton. Gemeinsam beschließen sie, sich das nicht bieten zu lassen. Irgendeine Lösung werden sie schon finden. Eine getrennte Nacht ist ein No-Go. Dazu ist ihre Verbindung noch zu frisch. Um den Verursacher in Sicherheit zu wiegen, folgt ihm Layton. Groß umschauen muss er sich nicht, als er das Zimmer betritt, die Einrichtung gleicht der vorherigen.
Beim Verabschieden erinnert der Butler noch an das Abendessen und vereinbart ein Treffen am nächsten Morgen in der Eingangshalle, um die kommenden Aktivitäten festzulegen. Im dem Moment, als das Wort Essen fällt, fängt auch Laytons Magen zu knurren an. Er fasst vorerst den Entschluss sich Tanner zu schnappen und etwas gegen seinen Hunger zu tun, denn mit vollem Bauch kann er sowieso besser denken. Also geht er, seinen Gefährten fest im Griff, flotten Schrittes die Treppe hinunter ins Restaurant. Da sie die einzigen Gäste sind, gibt es keine Reservierungsschilder. Eine kleine Nische, die zum Lichthof zeigt, erweckt Laytons Begeisterung und sogleich begibt er sich dorthin, zieht seinen Wolf einfach mit.
Auf halbem Wege werden sie von einer Stimme gestoppt. „Name? Haben Sie reserviert?“ Verwundert dreht sich Layton um. Gerade eben hat er niemanden gesehen und jetzt steht da auf einmal ein Mann mit blütenweißer Schürze. In der Annahme, dass ja wohl klar ist, wer sie sind, bleibt er stumm. Tanner hält sich komplett raus, schließlich ist sein Kater hungrig, nicht er. Er könnte es schon noch ein bisschen aushalten. Schulterzuckend wendet sich Layton ab, als die nächste Aussage ihn mitten in der Bewegung stoppen lässt. „In meinem Lokal darf nur Platz nehmen, wer reserviert hat. Keine Reservierung, kein Essen. So einfach ist das.“ Nach diesen Worten wendet sich der Koch ab. Da reißt Layton der Geduldsfaden. Aufgebraucht, wild mit den Armen fuchtelnd, stürmt er auf den Koch zu. „Hey, Sie! Was denken Sie denn wen Sie, vor sich haben? Wir sind hierher gebracht worden und sitzen hier einige Tage fest. Meinen Sie wir haben nichts Besseres zu tun als zu reservieren? Vor allem, wann hätten wir das bitte tun sollen? Wir sind gerade erst angekommen.“
Mit Beendigung seiner Rede steht Layton vor der Weißschürze. Besser gesagt vor seinem Rücken, denn trotz der vehement ausgestoßenen Worte hat der sich nicht umgedreht. Das macht er jetzt und der Aufgebrachte kann seinen Augen kaum trauen. Mit einem spöttischen Grinsen wird ihm, mit leicht angehauchtem französischen Akzent, entgegnet: „Isch abe mir un Scherz erlaub.“ Eine Sekunde überlegt der Kater, ob er sich aufregen soll, doch dann siegt sein Humor. Erst verziehen sich seine Mundwinkel, dann verlässt ein Glucksen seine Kehle. Angesteckt davon fällt Tanner mit ein. Die Situation ist vorerst entschärft. Seit der Wiese fällt erstmals die Anspannung etwas von ihnen ab.
Einladend weißt der Koch zum ursprünglich anvisierten Tisch. Mit einer eleganten Drehung nimmt er zwei Speisekarten von der Ablage und folgt ihnen. So nobel es hier auch zugeht, von vorn bis hinten wird keiner bedient, die Stühle müssen sie sich also selbst zurechtrücken. Mit einer Hand auf dem Rücken überreicht er die Karten und stellt sich vor: „Ich bin Tinus, der Koch. Wenn die Bestellung aufgegeben ist, dann müssen Sie sich noch ein bisschen gedulden.“ Jetzt tritt wieder der Schalk in seine Augen. „Euer Essen wird erst noch gejagt.“ Die Köpfe seiner Gäste, die soeben noch die Menüauswahl studiert haben, gehen ruckartig nach oben. Wieder ein lustiger Moment, findet wenigstens Tinus, denn der lacht. Erst da merken sie, dass er sie auf den Arm genommen hat. „Ich begebe mich gleich unverzüglich in meine Küche ins gelben Haus. Das Essen wird Ihnen dann gebracht. Haben Sie schon gewählt?“
Kurz huschen ihre Blicke erneut übers Speisenangebot, während der Koch geduldig wartet. Da Layton sehr hungrig ist, wählt er ein schnelles Gericht. „Für mich bitte den gebackenen Camembert mit einem schönen Salat. Aber bitte ohne Brokkoli oder Blumenkohl. Und zum Trinken hätte ich gerne eine Johannisbeersaft-Schorle.“ Tanner überlegt noch ein Sekündchen länger, doch dann hat auch er seine Wahl getroffen: „Ich hätte gerne die Lachs-Tagliatelle mit Kräuter-Limetten-Rahm, keinen Salat, und zum Trinken ein Apfelsaft-Schorle.“ Hocherfreut, wieder seiner Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu können, verlässt Tinus den Speisesaal. Selbstverständlich hat er vorher noch die Getränke an den Tisch gebracht, was die Gäste nachdenklich macht. Ob er erst den Kellner informieren muss, dass wir da sind, oder warum werden wir von ihm bedient?
Die Gefährten genießen die Ruhe, schauen aus dem Fenster und erfreuen sich an der Idylle. Also hat es uns doch nicht so hart getroffen. Eine Lösung für das Problem mit den Zimmern werden wir auch noch finden. Wie immer erfolgt die Kommunikation unter Ausschluss der Öffentlichkeit, es geht schließlich keinen etwas an.
Die Sonne versinkt schon am Horizont, als sie sich nach dem Essen, das ihre Erwartungen übertroffen hat, vom Tisch erheben und beschließen noch etwas Zeit im Lichthof zu verbringen, um in Ruhe nachzudenken. In einem der Sessel lassen sie sich gemeinsam nieder. Zuerst Tanner, damit sein Freund auf seinem Schoß Platz nehmen kann und sie Zärtlichkeiten austauschen können. Mit zu intimen Berührungen halten sie sich zurück, denn so überraschend, wie das Personal hier immer auftauchen, sind sie sich nie sicher, ob sie wirklich alleine sind und auf Zuschauer bei einem heißen Tête-à-Tête haben sie keinen Bock.
Nach dem Sonnenuntergang leuchten an einigen Ecken Fackeln, die einen warmen Schein erzeugen. Doch so langsam macht sich der Stress des Tages bei ihnen bemerkbar und Layton kann ein Gähnen nicht mehr unterdrücken, während sein Gefährte seine Augen kaum noch offenhalten kann. Der Entschluss ist schnell gefasst, nach oben zu gehen und einfach gemeinsam in einem Zimmer zu übernachten, schließlich haben sie seit einiger Zeit niemanden mehr gesehen. Wer soll also was dagegen unternehmen?
Im ersten Stockwerk, kurz vor den Zimmertüren, stocken ihre Schritte. Da steht ein Bär von einem Mann. Sein rotbraunes Haar fällt wellig bis auf die Schultern. Alles an ihm ist groß, das Sichtbare ohne Frage. Was er unter seiner Kleidung versteckt, ist aber bestimmt auch nicht ohne. Seine braunen Augen fixieren die beiden und seine ersten Worte brummt er mehr, als dass er spricht: „Guten Abend, die Herren. Mir wurde von Fastrad aufgetragen aufzupassen, dass die Regel auch eingehalten wird.“
Seine Müdigkeit abschüttelnd plustert sich Tanner zu seiner vollen Größe auf. Dass er trotzdem noch einen ganzen Kopf kleiner ist, macht die Sache nicht einfacher. „Wir sind Gefährten, unser Band ist noch zu neu, wir lassen uns nicht trennen. Im Moment brauchen wir einander. Ob das nun in jedermanns Köpfe will oder nicht.“ Grollend stößt er die Worte aus, nimmt eine Angriffshaltung ein. Seine Augen erinnern an ein aufgewühltes Meer bei Sturm. Gleichzeitig erweckt er aber auch den Eindruck von Resignation. Er kann die Stärke seines Gegners einschätzen. Sieht, dass seine Chance gleich null ist. Verzweifelt wendet er sich an Layton, erbittet seine Unterstützung. Doch der kämpft mit seinem größten Problem: Dem Vertrauen in seine eigene innere Stärke. Layton zu liebe gibt er seine Kampfhaltung auf. Er erträgt es nicht, seinen Gefährten noch länger leidend zu sehen und versucht nun stattdessen, die Wogen zu glätten. „Wie können wir dich umstimmen?“, fragte er beinahe schon demütig.
Etwas freundlicher, so weit es bei der tiefen Stimme möglich ist, stellt der Koloss sich vor: „Mein Name ist Wilhelm. Tagsüber, wenn ich keine Sonderaufgabe übernehmen muss, massiere ich die Gäste. Nachts werde ich dort eingesetzt, wo ich gebraucht werde.“
„Heute werdet ihr die Nacht jedenfalls in getrennten Zimmern verbringen, das ist beschlossen“, grollt er in einem Ton, der keinen Widerspruch zulässt. Dennoch versucht Tanner erneut etwas einzuwenden. Mit einem Handzeichen hält sein Freund ihn zurück, schüttelt den Kopf. Ich bin müde. Bitte lass es gut sein. Wir werden mental Verbindung halten. Verzweifelte Worte, die nur der Wolf vernehmen kann. Mit einem Nicken in Richtung des Masseurs gibt er sein Einverständnis, dass sie die Anweisungen befolgen werden.
„Gut, wenn das jetzt geklärt ist, dann lasst euch Morgen in der Früh von Fastrad den weiteren Ablauf erläutern.“ Mit diesen Worten wendet sich Wilhelm ab, seine Arbeit ist hiermit getan.
Die Sehnsucht nach dem anderen hat keinen tiefen Schlaf zugelassen. Mit Ringen unter den Augen schleichen sie die Treppe hinunter, wo sie schon vom Butler erwartet werden. „Ich brauche euch wohl nicht zu fragen, ob ihr gut geschlafen habt.“, begrüßt er sie. „Ich glaube, ihr braucht erst einen sehr starken Kaffee, sonst versteht ihr nicht, was ich euch zum weiteren Verlauf des heutigen Tages erzählen werde.“ Mit diesen Worten watschelt er zum Restaurant, wo Tinus bereits am Werkeln ist. Ein Grund, warum er alle Tische eindeckt, ist nicht erkennbar. Werden weitere Gäste erwartet? „Würdest du den Gästen bitte zwei extra starke Kaffee und mir bitte ein Glas Wasser bringen?“ Der Koch verzieht das Gesicht, sagt aber nichts und bleibt abwartend stehen. „Es werden Kellner eingestellt, sobald es hier voller wird, ich werde dein Anliegen an die Hausherren herantragen.“, gibt Fastrad dem stillen Protest nach.
Zufrieden mit diesem Zugeständnis wendet sich Tinus in Richtung des supermodernen Kaffeeautomaten, führt die Bitte des Butlers augenblicklich aus. Mit einem Tablett bewaffnet, bringt er das Gewünschte an den Platz, den die drei sich ausgesucht haben. Vorsichtig stellt er erst die Kaffee, dann das Glas Wasser auf den Tisch und begibt sich wieder zu seiner unterbrochenen Arbeit.
„Nach langem Überlegen und Rücksprache mit den Hausherren, bin ich zu folgendem Entschluss gekommen: Ihr werdet eine Aufgabe von mir bekommen. Wenn ihr sie erfolgreich absolviert, dann verbringt ihr die nächste Nacht zusammen in einem Zimmer.“ Hocherfreut schauen sich die Gefährten an. Super, das schaffen wir bestimmt mit Links. Wir sind doch beide nicht auf den Kopf gefallen. Egal was, wir packen das. „Die Aufgabe wird euch in ungefähr einer Stunde ausgehändigt. Bitte findet euch zu diesem Zeitpunkt bei der Folterkammer ein.“ Das siegessichere Lächeln ist wie fortgewischt.
Während Layton die Angst ins Gesicht geschrieben steht, schaut Tanner konsterniert. Folterkammer, was meint er damit? Wo haben wir uns hier nur hineinmanövriert? Ich bin gegen Gewalt, ich kann das nicht. Durch diese Gedanken wird Laytons Atmung immer hektischer, ist er kurz vorm Hyperventilieren. Am Nacken zieht Tanner ihn zu sich heran, neigt den Kopf, sieht ihm tief in die Augen. Beruhigend streicht er ihm über die Arme und gibt ihm gedanklich zu verstehen, das alles gut wird. Die Fürsorge seines Gefährten beruhigt Layton etwas.
Damit hat der Butler jetzt nicht gerechnet und fragt vorsichtshalber nach: „Ist alles okay?“ Woraufhin ihm vom Beschützenden knurrend entgegengeschleudert wird: „Hau bloß ab, das bekomme ich schon alleine hin und kein Wort mehr.“ In Folge dieser Aussage hält er kurz inne und lässt sie, nach einem kurzen Gruß, allein.
Beim Hinausgehen zwinkert er Tinus zu. Der Koch schaut erst etwas überrascht, blickt dann zu den beiden. Durch die geschockten Gesichter reimt er sich seinen Teil zusammen und kommt nicht umhin zu schmunzeln. Als er seine Gesichtszüge wieder im Griff hat, begibt er sich zum Tisch. „Was darf ich Ihnen zum Frühstück bringen? Kontinental, Englisch, Amerikanisch oder Französisch?“ Wow, was für eine Auswahl. Doch beinahe ist, Tanner aus Sorge und Layton aus Angst, der Appetit vergangen. Der dominante Wolf fällt schließlich eine Entscheidung: „Bitte zweimal Amerikanisch mit extra viel Ahornsirup.“ Da wissen wir wenigstens, was kommt. Auf noch eine Überraschung am Morgen kann ich gut verzichten.
Von Genießen kann beim Frühstück nicht die Rede sein, dafür hat die Anspannung sie viel zu sehr im Griff. Der sonst so redselige Layton ist völlig verstummt. Einzig, um etwas im Magen zu haben, wird ein Bissen nach dem anderen in den Mund geschoben. Nach dreißig Minuten beenden sie ihr Mahl und verabschieden sich vom Koch, der wartend an der Kaffeemaschine steht.
Der Lichthof ist ihr Aufenthaltsort für die verbleibende Zeit, um noch etwas Sonne und Ruhe zu tanken. Die Idylle beruhigt auch Laytons angespannte Nerven. Mit frischem Mut, dass es schon nicht so schlimm wird, geht es schließlich zur Folterkammer. Davor wartet schon der Sekretär, der Tanner freundlich lächelnd einen Umschlag übergibt und anschließend auf die Tür deutet. „Alles was ihr braucht, befindet sich dahinter. Ein Schließmechanismus verhindert ein Öffnen von innen, sobald sie sich hinter euch schließt. Die Aufgabe befindet sich im Brief, der erst drinnen geöffnet werden darf.“ Damit verabschiedet sich Egiward auch schon wieder.
Noch immer von Zweifeln geplagt, tauschen beide einen aufgewühlten Blick. Überraschenderweise ist es Layton, der sich ein Herz fasst und die Tür öffnet, als erster den Raum betritt, gefolgt von seinem Gefährten. Hinter ihnen fällt sofort die Tür ins Schloss und ist augenblicklich verschlossen. Tanner überprüft es zur Sicherheit, muss aber feststellen, dass es tatsächlich kein Entkommen gibt. Den Kater scheint es jedoch völlig kalt zu lassen. Dieser hat sich bereits umgeschaut und zu ihrer beider Erleichterung festgestellt, dass es hier keine schrecklichen Folterinstrumente gibt.
Eine Seite des riesigen Raumes, es ist schon eher eine Halle, wird vom Felsen eingenommen. In sehr unregelmäßigen Abständen sind bunte Klötze angebracht und zwar immer da, wo keine natürlichen Haltemöglichkeiten im Gestein vorhanden sind. In einer anderen Ecke stehen einige Fitnessgeräte. Daneben liegen weitere Matten, nicht ganz so dick wie die vor der Felswand. Das ganze Ausmaß der Halle erstreckt sich über beide Stockwerke. Im oberen Drittel hat der Fels einen Vorsprung, in dessen Verlängerung ein Ausgang erkennbar ist.
Aufatmend öffnet Tanner den Umschlag, holt einen Zettel heraus und liest vor: „Ihr müsst die Felswand, wie beim Freeclimbing, hinaufklettern. Auf dem Vorsprung gibt es einen Auslösemechanismus, der ein Verlassen der Halle ermöglicht. Es gibt keine Sicherung, allein eure Hände verhindern einen Absturz.“ An dieser Stelle sind viele Ausrufezeichen gesetzt. „Einer muss die Aufgabe mit verbundenen Augen absolvieren -hier steht in Großbuchstaben TANNER-, der andere muss mit seiner Stimme den Partner leiten -hier steht in Großbuchstaben LAYTON-. Ihr findet Sportklamotten im Schrank direkt neben der Felswand. Nehmt euch, was ihr braucht.“ Sich seiner Aufgabe bewusstwerdend, fängt Layton schon wieder an zu zittern. Ich soll die Verantwortung für Tanners Leben übernehmen! Ein gruseliger Gedanke, denn ihm fällt es schon schwer, sein eigenes Leben richtig auf die Reihe zu bekommen. Erst seitdem er mit Tanner zusammen ist, hat sich einiges gebessert.
Felsenfest davon überzeugt, dass Layton ihn sicher nach oben bringen wird, nimmt er seine Aufgabe an. Was seine körperliche Verfassung angeht, da ist er sich allerdings nicht so sicher. Er hat schon lange keinen wirklichen Sport mehr gemacht, aber jetzt ist es zu spät. Entschlossen geht er zum Schrank, sucht sich eine passende Hose, Schuhe und ein Shirt heraus, die Augenbinde für seinen Blindflug findet er ebenfalls dort. Nach dem Umziehen schaut er abwartend zu seinem Partner, der sich noch nicht vom Fleck gerührt hat, die Ängste haben ihn voll im Griff.
Während Layton versucht seine Angst in den Griff zu bekommen, spürt er das Vertrauen von Tanner und Wärme durchströmt ihn. Er merkt, dass es ihre natürlichen Gefühle füreinander sind, die alle Zweifel verdrängen. Mit festem Schritt geht er zum Spind, um sich ebenfalls umzuziehen. Gemeinsam stehen sie nun vor der Wand und betrachten den Weg, wägen die Möglichkeiten ab, welcher wohl der sinnvollste Pfad nach oben ist. Als dieser ausgemacht ist, werden noch die Kommandos abgesprochen. „Arm, dann ist der nächste Griff in Armlänge. Schwung, dann musst du schwingen, um den nächsten Haltepunkt zu erreichen. Links oder rechts, dann liegt er seitlich von dir. Höher oder tiefer.“ Verstehend nickt Tanner, stellt sich direkt vor den Einstieg an die Gesteinswand und legt sich die Augenbinde an.
Den ersten Haltepunkt hat Tanner sich merken können. Zielsicher greift er danach und stemmt sich hoch, kann seinen Fuß an einem Vorsprung platzieren und so zusätzlich Halt finden. „Links Arm hoch“, kann er Laytons Stimme vernehmen. Die nächste Station ist erreicht, jedoch entweicht ihm schon jetzt ein Ächzen. Doch die Belohnung, die in Aussicht steht, lässt ihn alles ertragen. „Rechts Schwung hoch“, ertönt das nächste Kommando. Der Schwung sieht von unten gut aus, doch dann bleibt Layton beinahe das Herz stehen. Vor Schreck entschlüpft ihm ein panischer Laut. Es sieht aus, als ob Tanner danebengreift. Er sieht ihn schon fallen, positioniert sich um ihn aufzufangen. In letzter Sekunde finden seine Finger an einer Kante halt und er zieht sich an den Wand heran. Schon jetzt ist Layton nervlich am Ende und fragst sich, wie er das nur die nächsten Meter aushalten soll. Nach tiefem Durchatmen macht er die nächste Ansage: „Rechts Arm“. Dieser Griff war einfach, das gibt auch ihm Vertrauen zurück. Er sieht, wie die Arme von Tanner langsam zu zittern beginnen und sucht nach einem Punkt, wo er die Füße als Stabilisierung hinsetzen kann. Eine entsprechende Stelle liegt allerdings nicht in unmittelbarer Reichweite. Dennoch ist sie besser als nichts, denn es sieht nicht so aus, als könne sich der Wolf noch lange festhalten.
„Rechts Schwung … viel Schwung hoch“. Tanner verharrt kurz, traut seinen Ohren kaum. Den Weg, den sie von unten angeschaut haben, ging nicht so oft rechts. Was hat er vor? Ihm bleibt nichts Anderes übrig als der Ansage zu vertrauen. Während er Schwung holt, merkt er wie müde er ist. Hat er das schon gemerkt? Kennt er mich schon so gut? Er erhöhte den Schwung, lässt los, streckte den Arm aus und merkt, dass auch ein Fuß Halt findet. Oh, dieser schlaue Kerl. Jetzt kann ich mich kurz ausruhen. Von unten beobachtet Layton die gewagte Aktion.
Derweil Tanner kurz verschnauft, suchen seine Augen die nächsten Möglichkeiten. Da, noch einmal Links, anschließend seitlich und noch einmal mit etwas Schwung und das Ziel ist erreicht. Es scheint einfach zu sein, doch die Verfassung seine Gefährten ist auch nicht mehr die Beste. Einer Eingebung folgend, spornt er ihn, über ihre Verbindung, an. Du hast es fast geschafft. Halt nur noch ein bisschen durch und du bist am Ziel. Ich glaub an dich. Die Aufmunterung zeigt Wirkung.
Die nächsten Handgriffe werden zwar jedes Mal von einem Stöhnen begleitet, doch es gibt keine gefährliche Situation mehr. Die Ruhepause und das Verstehen haben sie vereint. Oben auf dem Vorsprung fällt Tanner einfach auf den Rücken und pumpt wie ein Maikäfer. In der Zwischenzeit begibt sich Layton an die Wand, durch seine innere Katzengestalt ist ihm das Klettern in die Wiege gelegt. Er wählt den gleichen Weg wie sein Freund und erreicht ebenfalls außer Atem und schweißgebadet sein Ziel.
Erleichtert seinen Liebsten wieder bei sich zu haben wird er in die Arme genommen und einmal kräftig durchgeknutscht. Der anfänglich stürmische Kuss wird immer intensiver und steigert sich zu einem Zungenduell. Luftschnappend lassen sie schließlich voneinander ab. Aufeinanderliegend und glücklich sehen sie sich tief in die Augen und kommen stumm überein, dass sie weiteres lieber auf den gemeinsamen Abend verlagern, jetzt wo sie nicht mehr in getrennten Zimmern nächtigen müssen. Gemeinsam betätigen sie den Schalter. Der Ausgang öffnet sich, gibt einen Weg auf den Balkon frei. Einen Augenblick lang genießen beide die Aussicht, dann krabbeln sie hinaus.
Gegen das Geländer gelehnt, den Arm auf dem Holm gestützt, steht Wilhelm keine zehn Schritte von ihnen entfernt auf dem Balkon. Sorgsam mustert er sie und meint trocken: „Sobald ihr geduscht habt, stehe ich euch zur Verfügung.“
Misstrauisch beäugen die Angesprochenen den Masseur, wissen nicht, was sie davon halten sollen. Für was zur Verfügung? Was hat er mit uns vor? Wilhelm entgehen die fragenden Blicke nicht. Schließlich hat er ein Einsehen und klärt sie auf: „Bei der Kletterpartie habt ihr Muskeln stark beansprucht oder sogar überstrapaziert. Daher werde ich die Muskulatur erst auf Verletzungen untersuchen und anschließend massieren. Sinnvoll ist eine Ganzkörpermassage, um die Durchblutung zu steigern.“ Glucksend boxt Layton seinem Freund in die Seite -Durchblutung … steigern … uh- und muss sich in die Zunge beißen, damit er nicht laut loslacht. Ebenfalls amüsiert führt er weiter aus: „Derweil ich einen durchknete, kann der andere ein Aroma-Bad genießen.“ Mit Blick auf die Uhr unterbreitet er folgenden Vorschlag: „Wenn ihr es einrichten könnt, dann erwarte ich euch in einer Stunde im Wellnessbereich, bis dahin habe ich alles so weit vorbereitet.“
Erwartungsvoll schaut er die Erschöpften an, wartet noch ihr bestätigendes Nicken ab und tapst davon. Beim Vorbeigehen klopft er ihnen als Lob auf die Schulter. Die Anerkennung tut gut, stärkt das Selbstvertrauen und frohen Mutes geht es zum Duschen. Zuerst kommen sie an Laytons Balkontür vorbei. Fragend schaut er seinen Freund an. Die Zeit ist nicht gerade üppig und wenn sie gemeinsam ins Badezimmer verschwinden, artet es immer aus, dann wird es knapp. Seufzend fällen sie die Entscheidung getrennt die Nasszelle zu benutzen, jeder in seinem bisherigen Zimmer.
Beim Betreten des Gemachs fällt Layton sofort auf, dass es schon gereinigt ist. Wie lange hat denn diese Aufgabe gedauert? Auf dem Nachttisch steht ein Wecker und der zeigt frühen Nachmittag an. Woah … haben wir viel Zeit dort verbracht! Kein Wunder, dass ich müde bin. Doch jetzt aufs Bett legen ist falsch, dann schlafe ich nur ein. Er begibt sich ins Badezimmer, entledigt sich seiner verschwitzten Klamotten und steigt unter die Regenwalddusche, wo er sich wohlig unter dem sanften Strahl räkelt und das wohltemperierte Nass genießt.
Der Schock kommt nach dem Abtrocknen, seine Tasche ist nicht mehr da. Er sucht alle Ecken im Raum aus, doch das Teil bleibt verschwunden. Es bleibt ihm nichts Anderes übrig, als sich Sachen bei Tanner zu borgen, die Idee nach einem Bademantel zu schauen, kommt ihm nicht. Im Wellnessbereich braucht es nicht mehr. Mit dem Handtuch um die Hüften eilt er über den Balkon zur nächsten Tür und betritt das Zimmer.
Sein Freund verlässt gerade das Bad, ebenfalls nur in ein Laken gewickelt. In der Ecke stehen zwei Taschen und es ist offensichtlich, warum sein Gefährte ihn gedanklich nicht informiert hat, der genießt den Anblick. Viel Zeit zum Anschmachten bleibt ihm nicht, denn der Termin rückt unaufhaltsam näher. Seufzend verschieben sie alles Weitere auf später.
Nur mit einem um die Hüfte geschlungenen Badelaken machen sie sich auf den Weg. Nach wenigen Schritten stoppt Tanner und sieht seinen Freund ernst an. „Ganzkörpermassage! Du willst dich aber nicht überall berühren lassen oder?“ Er gehört mir, ist mein Seelenpartner, keiner darf ihn mir wegnehmen. Eine zarte Berührung reißt ihn aus seinen Überlegungen und erst jetzt nimmt er das lächelnde Gesicht seine Freundes wieder wahr. „Nein, gewissen Stellen gehören nur dir!“, kommt die tiefgründige Antwort und dann mahnt er zur Eile.
Beide schnappen sich einen der Bademäntel am Eingangsbereich der Wellnessoase, wo sie von wohltuender Wärme und sanftem Lavendelduft empfangen werden. Die Liege und das Erholungsbad befinden sich laut den Beschilderungen in den angrenzenden Räumen. Durch die geöffnete Flügeltür dazwischen können sie sich unterhalten oder sich wenigstens sehen, während sie sich verwöhnen lassen.
Die Reihenfolge, wer zuerst zu Wilhelm darf, ist schnell bestimmt, denn Tanner will zuerst das Bad genießen. Somit bekommt Layton als erster seine Massage. Er streift das Frottee ab und legt sich mit dem Bauch auf die gemütlich aussehende Liege. In der Zwischenzeit streift auch Tanner seinen Bademantel ab und lässt sich in das wohlriechende Becken sinken. Erschöpft steckt er seine müden Beine aus. Das Wasser reicht ihm bis zum Hals und sein Kopf lehnt gegen ein weiches Kissen. Für einen Augenblick schließt er die Augen und lauscht den Geräuschen, die Wilhelm im Nebenraum verursacht.
Damit sie nicht stören, trägt Wilhelm seine Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Dann beginnt er mit dem Verwöhnprogramm. Zuerst streichen seine Hände alle Körperregionen ab. Durch gezieltes Abtasten erfühlt er, ob bei der Aktion in der Felswand Muskeln geschädigt worden sind. Erfreut stellt er fest, dass keine Verletzungen zu spüren sind. Folglich fängt er mit dem Durchkneten der Muskeln an. Lauwarmes Öl wird auf Laytons rechtem Bein verteilt und mit sanften Bewegungen streicht er erst nur von der Fußsohle bis zum Knie. Bei den Waden muss er etwas mehr Kraft aufwenden, so löst er nach und nach die Verspannungen. Allmählich geht er dazu über, das ganze Bein zu verwöhnen. Nach einiger Zeit wechselt er vom Rechten zum Linken und wiederholt den Ablauf. Immer tiefer sinkt Layton in die Liege, je mehr er sich entspannt. Nachdem die Beine durchgeknetet sind, nimmt sich Wilhelm des Rückens und der Schultern an. Da sind wesentlich mehr Knoten zu spüren. Mühsam geht er jeden einzeln an und verbindet dann den kompletten Bereich. Als er mit dem Rücken fertig ist und sich der Arme annimmt, ist Layton eingeschlafen.
Schlafende soll man nicht wecken, unter diesem Gesichtspunkt richtet Wilhelm eine weitere Liege her. Als er sich nach Tanner umschaut, muss er feststellen, dass dieser ebenfalls mit der Müdigkeit kämpft. Bevor der Wolf noch einzuschlafen droht, holt ihn der Masseur aus dem Wasser und lässt ihn sich auf der freien Liege ausstrecken. Anschließend wird ihm das gleiche Programm zuteil wie Layton.
Verschlafen, aus einem schönen Traum gerissen, schreckt Layton auf. Was hat ihn geweckt? Unterbewusst hat er einen Schmerzschrei vernommen und realisiert erst in diesem Moment die wüste Beschimpfung, die Tanner ausstößt. Im Schulterbereich ist eine sehr harte Stelle, die Wilhelm mit dem notwendigen Druck bearbeitet. Die wehrhafte Stelle leistet langen Widerstand, doch diesen starken Händen kann nichts Paroli bieten. Irgendwann gibt die Stelle nach und als der Schmerz endlich nachlässt, sinkt auch Tanner wohlig seufzend in die Liege zurück. Der Rest der Massage verläuft wieder wohltuend.
Bis zum Abendessen widmen sie ihr ganzes Sein dem Nichtstun, da ein bisschen chillen, dann ein schöner Saunagang mit anschließendem Abkühlen. Beide schalten völlig ab in dieser abgeschiedenen Umgebung und sind sehr erstaunt, als der Masseur sie plötzlich zum Aufbruch drängt.
Zum zweiten Mal frisch geduscht, geht es zum Restaurant. Heute wissen sie schon, was ihnen geboten wird und genießen das Essen. Anschließend ziehen sie sich auf ihr Zimmer zurück. Kaum fällt die Tür hinter ihnen ins Schloss, umschlingt Tanner seinen Freund. Er ist so stolz auf ihn, dass er seine Angst besiegt hat. Zärtlich küsst er ihn auf den Mund. Derweil schlüpfen seine Hände unter die Kleidung, um nackte Haut berühren zu können. Sanft streicht er an der Taille auf und ab.
Die Liebkosungen genießend, überlässt Layton seinem Partner die Führung. Langsam entkleidet Tanner seinen Freund und überprüft akribisch jede freigelegte Stelle. Nicht, dass dem Masseur eine Verletzung entgangen ist. Genüsslich knabbert er sich vom Kinn, über den Hals und das Schlüsselbein bis zu einer Brustwarze hinab. Eine Gänsehaut überzieht Laytons Körper.
Um nichts zu überstürzen, bittet der dominante Wolf seinen Freund, es sich im Bett gemütlich zu machen. Enttäuscht zieht der eine Schnute, fügt sich aber der Aufforderung. In der Zwischenzeit entledigt Tanner sich seiner Kleidung. Als er sich wieder umdreht sieht er, dass sein Freund eingeschlafen ist, der kraftraubende Akt und die Wärme haben ihn geschafft. Friedlich lächeln liegt er im Bett, kuschelt mit der Decke. Grummelnd muss Tanner einsehen, dass das Wohl des Liebsten über die eigenen Bedürfnisse hinaus geht. Und wenn er ehrlich zu sich selbst ist, dann ist er auch müde. Die letzte Nacht und der heutige Tag haben auch ihm zugesetzt. Zufrieden legt er sich zu ihm unter die Bettdecke. Es tut gut, Laytons Wärme zu spüren. Ein Gefühl, dass er nie wieder missen will. Glücklich legt er den Arm um ihn und haucht einen sanften Kuss aufs Schulterblatt seines Freundes, eher er selbst die Augen zumacht, um in den Schlaf zu finden.
Viel zu früh werden sie vom Klingeln aus dem Schlaf gerissen. Noch im Halbschlaf tastet Tanner nach dem Störenfried. Nach einigen Versuchen kann er endlich den Hörer greifen. Auf sein freundliches "Hmmmm" vernimmt er eine ihm unbekannte tiefe Stimme: „Morgen! In einer halben Stunde wünscht Fastrad euch in der Halle zu sehen.“ Dann folgt nur noch ein Tuten. Verwundert dreht er den Hörer hin und her, das Kabel ist noch dran. Einfach aufgelegt! So eine Unverschämtheit! In der Zwischenzeit hat sich auch sein Freund aufgesetzt und mustert sein entrüstetes Gesicht. „Was ist denn? Wer hat uns denn zu so nächtlicher Zeit gestört?“ Nach diesen Fragen muss Tanner schmunzeln. Die Sonne scheint direkt aufs Bett. So viel zu nächtlicher Zeit. Ich würde meinen, es ist schon Vormittag. „Einer vom Hotel hat uns eine Nachricht vom Butler übermittelt. Wir müssen uns sputen, man erwartet uns in Kürze in der Halle.“ Das kommt jetzt Layton sehr ungelegen, er hat etwas ganz Anderes im Sinn. Einfach an nichts denken, sich keine Sorgen machen, nicht an jeder Ecke einen Verräter vermuten. Er zieht seinen Gefährten wieder aufs Bett, umschlingt dessen Oberkörper fest mit seinen Armen und stiehlt sich einen Kuss. Die Aktion ist so stürmisch, dass ihre Köpfe leicht zusammenprallen. Kommt nicht oft vor, dass er die Initiative ergreift. Hat die gestrige Kletterpartie doch etwas gebracht? Der Gedanke an das Ereignis lässt Tanner dann auch gleich seinen Muskelkater spüren. Die ruckartige Bewegung durch das Ziehen von Layton hat seinen malträtierten Muskeln auch nicht gut getan, aber er verkneift sich jeden Schmerzlaut.
Ein paar Minuten bleiben sie noch liegen, dann klatscht Tanner seinem Katerchen zärtlich auf den Hintern, rollt sich vom Bett, stellt seine Füße auf den Boden und erhebt sich. Jetzt eine warme Dusche zum Muskeln lockern. Mit einem kurzen Blick auf den Wecker überzeugt er sich, dass die Zeit noch drin ist. Er reicht Layton die Hand, zieht ihn hoch. Der kann gerade noch rechtzeitig seine Beine ausstrecken, sonst würde er jetzt neben dem Bett auf der Nase liegen. Dann geht es gleich weiter ins Badezimmer.
Gemeinsam begeben sie sich unter die Dusche. Die Wärme lässt Tanner wohlig seufzen. Er merkt, wie die Lockerung eintritt. Zärtlich waschen sie sich gegenseitig, wobei jeder darauf achtet, den anderen nicht sexuell zu stimulieren. Beide sind neugierig, was der Butler von ihnen will. Gleichzeitig skeptisch, was passiert, wenn sie dem Wunsch nicht entsprechen. Dennoch genießen sie die Dusche, fühlen sich danach überraschend ausgeruht und erholt.
Als sie die Nasszelle wieder verlassen, liegen frische Kleidungsstücke auf dem Bett bereit. „Täusche ich mich? Aber das sind keine von uns, oder?“ Fragt der Kater seinen Gefährten. Der schüttelt nur den Kopf. Beim Näherkommen bemerkt Tanner einen Zettel, faltet ihn auseinander und liest vor: „Bitte entschuldigt mein unerlaubtes Betreten des Zimmers. Damit keine Zeit verloren geht, habe ich euch schon einmal die passende Kleidung für später herausgelegt. Die Größen sollten passen. Ich treffe euch dann in Kürze an der Treppe. Mit freundlichem Gruß … Fastrad.“ Derweil hat Layton die Anziehsachen in Augenschein genommen. Die Hosen sind aus weichem Leder. Die Hemden scheinen aus Baumwolle zu sein. Alles fühlt sich nach sehr guter Qualität an. Beim Anziehen bestätigt sich sein Eindruck. Wie eine zweite Haut, schmiegt das Material sich an seine Beine. Ganz ohne beengendes Gefühl. Das Hemd fällt luftig, genau richtig für dieses Klima. Tanner kleidet sich ebenfalls an.
Am Treppenaufgang werden sie bereits von Fastrad erwartet. „Ich hoffe, ihr habt euch von den gestrigen Strapazen gut erholt. Heute habe ich eine andere Aufgabe für euch. Wenn ihr diese meistert, dann dürft ihr die kommende Nacht auf einer der kleinen Inseln verbringen. Störungen sind dort ausgeschlossen. Das Abendessen bekommt ihr von uns in Warmhalteboxen mit.“ Sein Gefährte knufft Tanner in die Rippen, zieht erwartungsvoll eine Augenbraue in die Höhe, steckt seine Zunge in die Backe. Tanner kann sich gerade noch ein Lachen verkneifen. So ein Kindskopf! Gleichzeitig freut er sich, seinen Partner so gelöst zu sehen. Gemeinsam folgen sie dem Butler in die Gute Stube. Wieder sind alle Tische eingedeckt. Diesmal steht auf ihrem Tisch sogar schon der Kaffee bereit. „Frühstückt erst mal in Ruhe. In, sagen wir, einer Stunde treffen wir uns im ersten Gemeinschaftsraum, dort bekommt ihr das nächste Spiel erklärt. Bado wird euch diesmal zur Seite stehen.“
Kurz sehen sie Fastrad nach. Wie Partner? Ich habe doch schon einen, den einzig wahren! Layton ist skeptisch, was da kommt. Offenheit gegenüber Fremden zählt nicht gerade zu seinen Stärken. Er hat einen besten Freund und jetzt seinen Liebsten und dessen Familie. Mehr braucht er nicht. Beruhigend legt Tanner seine Hand auf Laytons, zieht zarte Kreise auf dem Handrücken. Diese Berührung lässt ihn aufsehen und er versinkt im silbernen Schimmer der zärtlich dreinblickenden Augen.Doch die Zweisamkeit wird von Tinus gestört, der das Frühstück bringt.
Die erste Mahlzeit am Tag, das schöne Wetter und die Aussicht auf einen aufregenden Abend, lassen sie frohen Mutes sein. Noch ein kurzer Spaziergang im Lichthof und schon müssen sie sich auf den Weg machen. Als sie den Gemeinschaftsraum betreten, ist Bado schon da. Das Zimmer ist mit vier Sesseln, einem niedrigen Tisch, einer schönen Stehlampe und einem Sofa ausgestattet, auf dem locker vier Personen Platz finden. Ein deckenhohes Regal verdeckt die komplette Seitenwand. Darin stapeln sich Bücher, Spiele und, verwundert reibt sich Tanner die Augen, Seile und Bänder. Was wird das? Die Frage gibt er dann auch gleich laut wieder. Bado bleibt ruhig sitzen, deutet auf die Sessel und wartet, bis die beiden sich gesetzt haben. Dann beginnt er mit der Erläuterung: „Wir haben gesagt bekommen, dass Layton ein Problem mit der Dominanz hat. Er kann sich ihr nicht erwehren, obwohl er standhalten könnte. In diesem Spiel muss er sich beweisen. Ich werde Stärke spielen lassen. Damit du, Tanner, nicht eingreifen kannst, werde ich dich an einen Sessel fesseln, dir die Augen verbinden. Layton muss sich allein beweisen.“
Das Tier in Layton faucht los., will seinen Gefährten beschützen. Layton bekommt die erste Kostprobe der Stärke von Bado sofort zu spüren. Das ihm entgegen gebrachte Knurren lässt ihn zusammenfahren. Tanner versucht einzugreifen und will sich erheben. Blitzschnell ist Bado zur Stelle, drückt ihn mit seiner Kraft in den Sessel. Layton ist zu geschockt, um zu reagieren. Woher jetzt auch schon die Fesseln und die Binde kommen, bleibt Bados Geheimnis. Jedenfalls findet sich Tanner in Sekundenschnelle verschnürt, ohne Augenlicht und mit verbundenem Mund wieder. Bado wendet sich ab.
Geruhsam geht er auf Layton zu. Der Eindruck eines, sich auf der Lauer befindlichen, Tieres wird immer deutlicher. Ich habe doch überhaupt keine Chance. Ich bin eine kleine Hauskatze und das ist ein ausgewachsener Jaguar. Resigniert will sich Layton schon ergeben. Er möchte nicht an seine Vergangenheit erinnert werden. Wenn er sich wehrt, dann könnten Erinnerungen wachgerüttelt werden. Er muss sein Wesen unter Kontrolle halten. Dies wird jedoch immer wilder., bemerkt seine Zweifel und versucht die Oberhand zu gewinnen. Je mehr er kämpft, desto störrischer und kratzbürstiger wird es. Der innere Kampf ist seinem Gesicht abzulesen. Seine Augen wandern hektisch umher, finden keine Fixierung. Sein Atem geht stoßweise, Schweiß läuft ihm von der Schweiß.
Kurzfristig sucht er die Verbindung zu Tanner, borgt sich mental etwas Stärke von ihm. Wieso er so ruhig am Sessel sitzt, obwohl der fast einen Herzkasper bekommt, ist ihm unverständlich. Doch die Ruhe dringt auch ein bisschen in ihn ein. Seine Atmung beruhigt sich geringfügig. Nun ist er auch wieder in der Lage, einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Ich muss mich wehren. Darf die Dominanz nicht siegen lassen. Doch wie? Wie schaffe ich es nur, mir treu zu bleiben und trotzdem nicht klein beizugeben? Ich bin nicht aggressiv. Verflucht, denk nach! Es gibt bestimmt einen Weg.
Ein kurzer Gedankenaustausch zeigt ihm, dass Tanner bei ihm ist. Du bist stark. Du hast eine enorme innere Stärke. Das hast du mir in den letzten Tagen gezeigt. Nutze sie. Layton lässt Tanner einen imaginären Luftkuss zukommen. Das war die Lösung. Er musste nicht unbedingt kämpfen. Stärke zeigen die, die nicht immer gewinnen müssen. Nachgeben ist keine Niederlage. Mit dieser Erkenntnis legt er sich seinen Plan zurecht.
Bado sieht ihn abwartend an, gibt hier und da ein Fauchen oder Knurren von sich. Seine Haltung ist lauernd, sobald er eine Schwäche erkennen kann, wird er zuschlagen. Layton besinnt sich, dass sie beide Katzen sind. Gut, seine hat nicht so spitze Zähne, keinen so starken Kiefer und auch die Größe ist nicht vergleichbar. Aber Katze bleibt Katze und diese spielen bekanntlich gerne. Zwar kennt er sich nicht mit dem Spieltrieb eines Jaguars aus, aber was hat er schon zu verlieren? Er begibt sich direkt in die Reichweite seines Widersachers und stupst ihn an. Als keine Reaktion erfolgt, beißt er ihm ins Ohr. Das Knurren wird lauter.
Stolz darauf, dem anderen eine Reaktion abgetrotzt zu haben, wird Layton mutiger und leckt ihm über die Nase, zwickt kurz in die Spitze. Mit einer einfachen Bewegung wischt Bado den Störenfried weg. Seine Haltung verändert er nicht. Jetzt will es Layton wissen. Sein inneres Wesen findet gefallen an dem Spiel. Vergessen ist die Dominanz, er spürt sie nicht mehr. Mit schnellen Schritten umkreist er seinen Gegner, kitzelt ihn mal hier und da. Als er eine besonders empfindliche Stelle des Chauffeurs erwischt, kann der sich ein Lachen nicht mehr verkneifen.
„Sehr gut. Du hast deine innere Blockade überwunden. Dominanz kann einem nur etwas anhaben, wenn man nicht an sich selbst glaubt. Heute hast du bewiesen, dass du es kannst. Dominanz ist nichts Schlechtes. Sie ist notwendig, um ein geregeltes Zusammenleben möglich zu machen. Ab heute kannst du selbst entscheiden, ob du sie akzeptieren willst oder nicht. In jeder Situation kannst du von Neuem abwägen.“ Diese Worte dringen aus der anderen Seite des Raumes. Nicht von Bado. Es hätte ihn auch gewundert, wenn der schweigsame Chauffeur eine so lange Rede hält. Layton wendet sich der Stimme zu. Vor ihm steht ein Mann mit einem spitzen Gesicht, weißgrau mellierten Haaren und schwarzen Augen, umgeben von einer Aura aus Harmonie. „Ich bin Miguel. Mein Spezialgebiet ist es, Körper und Geist in Einklang zu bringen. Bado hat deinem Gefährten zugeflüstert, dass ich im Hintergrund bin. Falls Probleme aufgetreten wären, hätte ich eingegriffen. Aber du hast das allein gemeistert.“ Jetzt versteht auch Layton, warum Tanner so gelassen blieb. Bei der letzten Aussage schwillt seine Brust an vor Stolz. Tschakka, ich habe mich gewehrt und keiner ist verletzt, alles ist gut.
Plötzlich fühlt er, wie sich ein Gewicht auf seine rechte Schulter niederlegt. Ein Kinn ruht auf einmal dort. Arme umschlingen ihn und am Rücken spürt er einen wohlbekannten Körper. Er lässt sich nach hinten in die Umarmung fallen, genießt jetzt die Zärtlichkeit und atmet den Duft seines Freundes ein. Während Miguel ihn aufgeklärt hat, hat Bado diesen von den Fesseln und Bändern losgemacht.
Erwartungsvoll schauen beide Gestaltenwandler zu den anderen. Miguel nickt bestätigend, der Abend auf der einsamen Insel ist somit gebongt.
Ausgestattet mit ausreichend Proviant, Decken und Kissen, setzen sie am späten Nachmittag mit einem Luftkissenboot zur Insel über. Frei nach dem Motto, wer die Wahl hat, hat die Qual … fiel die Entscheidung, auf welcher sie übernachten wollen, nicht leicht. Letztendlich haben sie sich für eine entschieden, die die Form eines Fußes aufweist. Weißer Strand, unterbrochen von einer schwarzen Steinzunge, welche in die Lagune ragt, hat ihre Neugier erregt.
Die Fahrt über Wasser dauert nicht lange. Auch diesmal ist Bado ihr Chauffeur. Sie verabreden noch, wann sie wieder abgeholt werden, dann laden sie noch ihre Sachen aus und schon sind sie allein. An einem schattigen Plätzchen bereiten sie ihr Nachtlager vor. Aus Kissen und Decken ist schnell ein gemütliches Nest hergerichtet. Anschließend gehen sie erst einmal schwimmen. Vorsichtig steckt Layton einen Zeh ins seichte Wasser. Die Wassertemperatur ist angenehm. Mutig geht er tiefer in die Lagune, bis seine Hüfte umspült wird. Erwartungsvoll dreht er sich zu Tanner um. Der ist ihm sofort gefolgt, nimmt ihn in die Arme und schmeißt sich mit ihm in die Fluten. Prustend tauchen sie wieder auf. Viele kleine bunte Fische umschwärmen sie. Langsam versenkt Tanner eine Hand und versucht einen Fisch zu fangen. Die sind aber schneller und weichen immer wieder geschickt aus. Als er endlich einen zu fassen bekommt, glitscht diese rasch noch aus seinem Griff. Lachend wendet sich sein Gefährte ab und watet wieder zum Strand, um sich im warmen Sand niederzulassen. Ihm ist egal, dass er gleich wie ein Schmirgelpapier aussieht und sich vielleicht auch so anfühlt.
Tanner vergnügt sich noch ein bisschen mit den Fischen, bevor er ihm nachfolgt. Direkt neben Layton lässt er sich mit dem Hintern in den Sand plumpsen, dreht sich schnell auf den Bauch und robbt das letzte Stückchen zu ihm hin, um ihn zu küssen. Layton schnurrt zufrieden, fühlt sich gut und losgelöst von allen Sorgen und Ängsten. Alles was zählt ist das hier und jetzt, er und Tanner.
Der Sand ist schon ein leicht angetrocknet und bröckelt von ihnen ab, als sie sich zu ihrem Proviant begeben. Bevor sie die Decke einsanden, streichen sie sich gegenseitig das Gröbste ab. Die beiden können wirklich keine fünf Minuten die Finger voneinander lassen. Ein energisches Magenknurren unterbricht die Zärtlichkeit. Belustigt schaut Layton seinen Liebsten an, denn diesmal war er es. Wenn er ehrlich ist, könnte sein Magen aber auch etwas vertragen. Gemeinsam räumen sie die Box aus, verteilen das Essen auf der Decke. Ein Augenschmaus, der ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Um sich gegenseitig mit den Köstlichkeiten zu füttern, setzen sie sich einander gegenüber. Das Schlemmen kann beginnen. Gegenseitig schieben sie sich die Häppchen in den Mund, genießen das spielerische Erhaschen, bei dem auch mancher Kuss entflammt. Am Ende sind sie wohl gesättigt und glücklich, diese Zeit miteinander teilen zu können.
Ein kleiner Verdauungsspaziergang wäre jetzt nicht schlecht. Gedacht, getan. Layton rappelt sich auf, streckt seine Hand aus und zieht seinen Freund hoch. Händchen haltend geht es am Stand entlang. Viel haben sie bisher noch nicht von der Insel gesehen. Ihr Weg wird von Sand, Meer und Palmen gesäumt, so weit das Auge reicht. Nur ein sanftes Wellenrauschen durchdringt die Stille. Eine Ruhe, die auch den aufgewühlten Nerven gut tut, sie innerlich abschalten lässt. Gemeinsam umrunden sie einmal die Insel, ohne ein Tier zu sichten. Wieder am Ausgangspunkt angekommen, blicken sie auf die Lagune hinaus. Die Sonne verschwindet allmählich am Horizont, färbt das Wasser wie einen bunten Regenbogen, dem das Grün ausgegangen ist.
Nachdem die Sonne komplett verschwunden ist, machen sie es sich zwischen ihren Decken gemütlich. Ausgestreckt liegen sie da, können den Blick nicht voneinander lassen, berühren sich gegenseitig mit den Händen, liebkosen einander. Inzwischen erhellt der Mond ihr Lager, taucht alles in silbernes Licht. Immer mehr Haut wird frei, Lippen berühren sich erst zärtlich, dann mit anwachsender Leidenschaft. Ihr Atem wird knapp, die Trennung ihrer Lippen bereitet fast schon Schmerzen. Mit sanften Strichen über den Rücken versucht Tanner seinen Gefährten zu beruhigen, er will es langsamer angehen, mehr genießen. Bei ihrer letzten Vereinigung haben sie das Band geknüpft, jetzt möchte er, dass sie ihre innere Verbindung mit jeder Faser auskosten. Durch zärtlichen Berührungen wird auch Layton gemächlicher, ohne die Intensität zu wechseln. Alles was er will, ist, seinen Partner glücklich zu machen.
Beide können die Gefühle des anderen deutlich spüren, bei keinem ist Platz für Sorgen, da sind nur Glück und viel Erregung. Zärtlich drückt Layton seinen Partner auf den Rücken und beginnt sich küssend vom Kinn abwärts zu bewegen. Am Schlüsselbein kann er sich nicht beherrschen, beißt leicht zu. Tanners Erregung spürt er sofort. Beruhigend leckt er über die gereizte Stelle und bekommt ein zufriedenes Stöhnen als Antwort. Es hat den Anschein, als ob sein Sprachzentrum lahmgelegt ist. Layton saugt sich fest, will sein Revier markieren. Derweil macht sich seine Hand selbstständig, zwirbelt die linke Brustwarze. Kreisend umstreicht er diese, bevor er leicht zukneift. Die Stimulation lässt sie erhärten. Noch etwas Anderes fängt an sich zu regen, verlangt nach Aufmerksamkeit. Laytons Hand wandert tiefer, stoppt an jeder Stelle, an der Tanner besonders empfindlich ist, bis sie endlich an der Hüfte angelangt ist.
Mit langsamen Bewegungen fährt er erst außen die Oberschenkel nach, um dann auf die Innenseite zu wechseln. Gerade als er sich dem Zentrum der Lust nähert, entfährt Tanner ein schmerzvoller Schrei. „Ah! Das tut so weh! -Mach, dass es aufhört!“ Erschrocken fährt Layton hoch. Hab ich ihm wehgetan? Sonst hat es ihm doch auch immer Freude bereitet und ich habe ihm noch nicht einmal in den Innenschenkel gebissen. Verwirrt schaut er Tanner an. Der wimmert immer noch vor Schmerz und deutet mit der Hand zu seinen Füßen. Layton folgt der Bewegung und erkennt, was gerade passiert ist. Er hält sich die Hand vor den Mund, nur ein leises Glucksen ist zu hören, den Rest schluckt die Hand. „Verflucht, befrei mich endlich!“, kommt es energisch von Tanner. Verzweifelt versucht Layton das Lachen zu unterdrücken, greift zum Fuß und bringt einen kleinen roten Krebs zum Vorschein. Das Lösen der Scheren hat nochmals einen Aufschrei von Tanner bewirkt. Der liegt jetzt auf der Seite, hält sich den leicht geröteten Zeh und betrachtet den Übeltäter in der Hand seines Partners. Das Tier klappert empört mit den Scheren und sucht den Weg zum Wasser, als er auf den Boden abgesetzt ist.
Entrüstet sieht der Verletzte seinen Partner an. Jetzt sieht er auch noch diesem Vieh nach! Als wäre das wichtig! Hallo? Ich bin hier vor deiner Nase! Halt du doch mal deinen Zeh zwischen die Scheren, wenn du es so lustig findest! Schmollend dreht es sich zur Seite und ignoriert Layton, der versucht seine Gesichtszüge wieder in den Griff zu bekommen. Oh Mann, dass er aber auch immer gleich so eine Diva sein muss. Laut spricht er diesen Gedanken jedoch nicht aus. Er sieht sich das malträtierte Glied an, steht auf und geht zur Proviantbox. Von dort holt einen kleinen Kühlakku heraus und nimmt noch ein Handtuch mit. Behutsam legt er den eingewickelten Akku auf den Fuß und fixiert ihn mit seinem Shirt.
Anschließend setzt er sich in der Nähe von Tanners Brust auf die Decke und sieht ihn an. „Was?“, kommt die zickige Antwort. „Es tut mir leid. Das wollte ich nicht. Nachdem sich meine Angst, dass dir was Schlimmes passiert ist, verflüchtigt hat, konnte ich mich einfach nicht beherrschen.“ Entschuldigend streicht er über Tanners Arm und ist froh, dass dieser ihn nicht wegzieht. Es kommt keine Antwort, damit hat er auch nicht gerechnet. Er kennt seinen dominanten Partner gut genug. Einige Zeit verstreicht, bis er ein Glucksen von der Seite vernimmt. „Muss ja schon lustig ausgesehen haben, oder?“, fragt er kichernd. Aufatmend, dass die Krise überstanden ist, kommt die lapidare Feststellung: „Schon.“ Damit ist alles gesagt.
Im Moment ist das Bedürfnis nach Zärtlichkeit größer als das nach Sex. Eng umschlungen liegen sie auf der Decke, schauen noch ein bisschen auf die Lagune und schließen langsam die Augen. In der Nacht kommt auch kein bösartiger Besucher mehr.
Am nächsten Morgen legt das Boot zur vereinbarten Zeit am Ufer an. Humpelnd schleppt sich Tanner dem Chauffeur entgegen. „Guten Morgen“, begrüßt dieser ihn mit besorgtem Blick. „Was ist denn mir dir passiert?“ Tanner hüllt sich zunächst in Schweigen, doch sein Gegenüber bleibt auffordernd vor ihm stehen. „Krebs ... Zeh ... verbissen“, kommt von ihm die genuschelte Antwort, mehr will er zu dieser Sache nicht sagen. Erstaunt zieht der Chauffeur eine Augenbraue in die Höhe, ansonsten bleibt sein Gesichtsausdruck neutral. Scheinbar hat er sich das Erlebnis am Abend durch die Wortfetzen zusammenreimen können.
Nun erreicht auch Layton voll beladen das Ufer und bekommt ebenfalls einen Morgengruß, den er seinerseits erwidert. Gemeinsam mit Bado belädt er das Boot und anschließend geht es zurück zur Hauptinsel.
Bei ihrer Ankunft im Hotel sind auf einmal viele Personen, von denen sie einige noch nie gesehen haben, an der Treppe. Neben dem Butler stehen zwei elegant gekleidete Männer, die sich wie Zwillinge gleichen. Sandfarbene Haare mit schwarzen Strähnchen, schlanker Figur und bernsteinfarbenen Augen. Diese Farbe scheint auf der Insel häufiger vorzukommen. Fastrad ergreift das Wort: „Zur Feier des Tages haben wir uns hier alle zusammengefunden, um euch ein paar Worte mit auf den Weg zu geben. Selbst die viel beschäftigten Hausherren, Aron und Dakil, erweisen euch die Ehre mit ihrer Anwesenheit.“ Oh nein, nicht schon wieder! Wird das jetzt wieder so eine langweilige Erklärung wie am Anfang? Den Gefährten entweicht ein schicksalergebenes Seufzen. Sie rechnen schon mit dem Schlimmsten, als ein Lachen erklingt und verwirrt sehen sie zu Miguel, der verschmitzt lächeln bei den anderen steht. „Nein, keine Sorge, wir haben Fastrad verboten länger als eine Minute zu sprechen.“
In seiner Funktion als Sekretär tritt nun Egilward nach vorn. In seiner Hand hält er einen Block, von dem er nun abliest. „Während des Aufenthaltes sind euch einige Aufgaben gestellt worden. Was euch vielleicht interessiert ist der Gedanke, der hinter diesen Hürden steht. Bei der ersten Herausforderung ging es um Vertrauen und Abgabe von Verantwortung. Nicht immer muss der Dominante das Sagen haben. Jedes Glied in der Kette kann Verantwortung tragen und ist wichtig für den Erfolg. Die zweite hatte mit innerer Stärke zu tun. Stärke hat nichts mit draufschlagen oder Gewalt zu tun. Es geht darum, nie aufzugeben, nach dem Motto: never give up (gib niemals auf).“ Alle Blicke sind erwartungsvoll auf die Gestaltwandler gerichtet und versuchen zu ergründen, ob diese den Sinn begriffen haben. Es ist schon etwas beängstigend, wenn auf einmal dreizehn Augenpaare auf einen gerichtet sind,. Sie begreifen den Sinn hinter dem Getrieze und auch, dass sie einiges falsch gemacht haben. Welche Auswirkungen dies auf die Zusammenarbeit mit ihrer Autorin hat, wird sich noch ziegen.
Von allen Seiten werden sie umringt, ihre Hände geschüttelt. Ein schönes Gefühl. Beide sind Stolz, etwas geleistet, sich bewährt zu haben. In dem Chaos geht die Ankunft der Raben völlig unter. Mit einem lautstarken „Krah! Krah!“ verschaffen sie sich Gehör. Es wird ein Halbkreis um Layton und Tanner gebildet, an dessen offener Seite Hugin und Munin landen. Auch sie wünschen den Besuchern Glück und Erfolg.
Als alle Grüße ausgesprochen sind, beginnt die Teleportation. „HALT“, erschallt es laut. Die Raben hören sofort auf mit den Flügeln zu schlagen und wenden sich an den Übeltäter. „Was ist denn los, Egilward?“ Der steht mit weißem Gesicht da, schaut auf seinen Block. „Die müssen noch die Geheimhaltungserklärung unterschreiben!“, bringt er kleinlaut hervor. „Das habe ich versäumt, wie konnte mir das nur passieren.“ Geknickt und entschuldigend schaut er seine Vorgesetzten an. Doch die machen ihm keinen Vorwurf, schließlich ist dies für alle eine Premiere. Mit schnellem Schritt geht er zu Tanner und Layton, hält ihnen den Block mit dem Schriftstück hin und deutet auf die beiden Linien. „Ihr verpflichtet euch hiermit, Stillschweigen zu bewahren und nichts über euren Aufenthalt zu erzählen, jedenfalls nicht gegenüber anderen Protagonisten. Eurer Autorin gegenüber dürft ihr offen sein.“ Beide nicken ihm kurz zu und setzen ihre Namenszüge an die gewünschten Stellen. Erleichtert, den Fehler noch korrigiert zu haben, tritt Egilward zur Seite und die abgebrochene Prozedur wird wieder aufgenommen. Abermals winken alle und einen Augenblick später sind die Gestaltenwandler wieder in ihrer gewohnten Umgebung. Dort sieht es aus, als wären sie nie fort gewesen.
ENDE
Ob es weitere Besucher geben wird, das steht noch in den Sternen. ;-)
Die Welt der Protagonisten ist in Aufruhr, ein Gerücht macht die Runde. Unkooperative oder aufmüpfige Hauptdarsteller verschwinden auf einmal von der Bildfläche, tauchen nach Tagen wieder auf und verhalten sich plötzlich ganz anders.
Alle Recherchen, was da passiert sein könnte, sind bis jetzt ins Leere gelaufen und die Betroffenen halten Stillschweigen. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass sie gefoltert wurden, um gefügig zu werden, doch die sehen nicht ängstlich aus, eher sehr zufrieden.
Bleibt vorerst unter Verschluss!
Ohne Dani Merati, die mir selbstlos zwei ihrer Jungs anvertraut hat, gäbe es diese Geschichte nicht.
Wenn mich Dani, Marie und Kaiden nach den ersten Zeilen nicht ermutigt hätten, hier weiter zu machen, weiß ich nicht, ob diese Buchstaben je das Licht der Welt erblickt hätten.
Und ganz besonders möchte ich Kaiden danken, der trotz seiner wenigen Zeit sich todesmutig auf meine Texte gestürzt hat. Falls hier doch noch Fehler sind, habe ich die anschließend wieder reingebracht.
Das Cover hat er mir auch erstellt … und ich liebe es.
Tag der Veröffentlichung: 03.02.2017
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Der Fantasie, damit sie nie versiegen wird. Und nicht zu vergessen, den Protas, auch wenn diese nicht immer so wollen wie man es gerne hätte.