Einführung in die Geschichte
Auch heute noch gibt es viele Menschen, die auf Kamelen reiten und sich von ihrer Milch ernähren. Hier erzähle ich eine Geschichte, die eigentlich überall in einer Sandwüste spielen könnte, und von einem Jungen berichtet, der einige Probleme seines Dorfes gelöst hat. Wirklich, es ist ein schlauer Junge. Zwar wollten die älteren Männer des Ältestenrates das nicht unbedingt zugeben, aber die Tatsachen sprechen für sich. Der Junge hieß Hassan und war unsterblich verliebt in ein Ailla. Die beiden Kinder durften das natürlich auf keinen Fall zeigen, weil Ailla ja ein Mädchen und Hassan ein Junge war. Die beiden Kinder wurden gemäß dem Islam erzogen und dieser sieht eine gewisse Rollenverteilung vor. Demnach übernehmen Jungen und Männer stets Führungsverantwortung: für Kamele, für die Routen, für die geladenen und verkauften Handelswaren und für den Tagesablauf. Das wird auch schon beim Gruß deutlich: jeder Besucher fragt zuerst nach dem Befinden des Familienoberhaupts, dann der Söhne, schließlich nach dessen Kamelen, und dann aller übrigen Frauen und Mädchen. Hassan wusste sehr wohl, dass er hart bestraft werden würde, wenn er sich mit Ailla auf dem Wüstenplateau zeigte. Hassan hatte einen großen Vorteil gegenüber der kleinen Ailla, weil er in die Koranschule gehen durfte. Sie hingegen musste sich um den Dung der Kamele, aus dem Feuer bereitet wurde, und um die Mahlzeiten kümmern. Jeden Morgen backte sie also das Fladenbrot für ungefähr 30 Leute. Sie lief über 2 km mit einem leeren Wasserbeutel zur Oase, füllte ihn mit Wasser auf und trug diesen sehr schweren Wasserbalg wieder zurück zur Karawane. Während dessen saß Hassan im Gebetszelt und lernte die Suren des Koran lesen. Er war ein sehr eifriger Junge, was sich daran zeigte, dass er die Inhalte des Koran oft als Lösung für alltägliche Probleme zu nutzen wusste.
Der Ältestenrat und viele schreckliche Probleme
Damit beginnt eine uralte Geschichte, die teils von mir erfunden ist, jedoch auch wahr gewesen sein könnte:
Eines Tages versammelte sich der Ältestenrat und erlaubte Hassan, diesem beizuwohnen. Hassan freute sich sehr darüber, denn es ist die höchste Ehre eines Jungen, im Rat dabei sein zu dürfen. Zuerst wurde über die knappe Nahrung gesprochen: „Oh, ihr Gläubigen und Brüder! In diesem Jahr ist das Wasser knapp und der Boden verdorrt. Wenn wir gegen Westen ziehen, erwarten uns leere Brunnen und ziehen wir gegen Osten, dann erwartet uns nur heißer Sand. Wohin sollen wir fliehen?“ „Bei Allah, dem Allmächtigen, das ist doch wahrlich einfach!“ „So sprich“, forderte der alte und versierte Kaufmann Omar den kleinen vorlauten Hassan auf. „Jedoch bedenke, dass du deine Worte wohl wählst, denn du hast Allah in den Mund genommen und bekommst zehn Peitschenhiebe, wenn du uns dem Wüstensande preis gibst.“ Von den Worten des Kaufmanns war Hassan keineswegs irritiert und sprach: „Hoher Omar, gnädigster Ältestenrat! In der Oase wächst ein Kaktus, so schnell wie der Wind und trägt süße Früchte, die selbst unsere Kamele begeistern. Abends habe ich nämlich gesehen, wie alle unsere Kamele Richtung Oase gestapft sind, um sich an diesen Kaktusfrüchten zu laben. Baut doch um unser Dorf herum einen dicken Wall und pflanzt dicht dran diese Kakteen. Sie kommen mit wenig Wasser aus und schützen unsere Tiere vor Schlangen und Schakalen.“ Es wurde sehr Still im Zelt und man konnte den Wind der Wüste hören. Die Zeit verging und allmählich erhob sich ein Murmeln in der Runde. „Nun, probieren wir es aus! Doch - wie bekommen wir den Samen der Kaktusfeige in den Sand?“ Hassan antwortete mit einer ehrerbietigen Verneigung: „Wenn die Kamele am Morgen wieder zurück kommen, dann lasst sie doch einfach außerhalb des Krals kacken. Darin sind schon alle Samen der Pflanze enthalten und ideale Wachstumsbedingungen für die Kakteen geschaffen. Flugs wachsen sie heran, bilden Früchte aus, die wir dann essen werden. Und noch ein Vorteil hat das Ganze: unsere Kamele bleiben im Dorf, weil sie die Feigen ja hier essen können.“ Die Versammlung war einverstanden und Omar lobte die Weisheit von Hassan. Ein Tee wurde dem Kind gereicht und die Versammlung löste sich allmählich auf.
Wie sich zeigte, gesellten sich noch andere wichtige Pflanzen zu den Kakteen. Die Stachelpflanzen boten Schutz und hielten die Erde zusammen. In den nächsten Jahren wuchsen prächtige Früchte heran, die die Frauen sogar in die Fladen mit einarbeiten konnten. Weithin hörte man das Schmatzen der Kamele und, ab und zu, einen kleinen Rölpser. Obwohl die Nacht kalt und ruhig dahin glitt, nahmen die Beduinen keinen Anstoß an den Lauten ihrer Tiere.
Kriegsgefahr
In der Wüste gab es viele Beduinen - Stämme, die sich bekriegten. Hinter der hohen Düne lagerte ein Beduinen - Stamm, der unglaublich neidisch auf den tollen Fruchtgarten von Hassans Sippe war. Also rüsteten sie zum Kampf, kletterten auf ihre Kamele, um das Dorf anzugreifen. Hassan und seine Leute hatten jedoch Glück, denn die Sonne senkte sich schnell in den Sand und bei Dunkelheit griffen die feindlichen Muslime niemals an. Somit hatte Hassan Zeit, sich einen Plan auszudenken und es zeigte sich, wie vorteilhaft es doch war, dass ihre Kamele verfügbar waren, denn sie waren ja nicht in die Oase gelaufen.
Alle Menschen im Dorf hatten
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Roland Jalowietzki
Bildmaterialien: Roland Jalowietzki / Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 30.09.2015
ISBN: 978-3-7396-1608-7
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