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Tochter von Kaspar, Katharina Auer (1865 – 1956), verh. Fritzer, vlg. Hoanza, mit ihrer Tochter Barbara (links), einer Verwandten,7 von ihren 13 Enkelkindern und deren Mutter, Anna Fitzer, geb, Obrist;

Zum Titelbild: Sohn Kaspar Auer (1857 – 1933) mit den Kindern Lois, Maria und Anna;

Vorwort von Volksschuldirektor i. R. Hans Auer



Die „Lebensgeschichte des Lehrers Kaspar Auer“, die ich am Anfang meiner Lehrerlaufbahn aus dem Original seiner Schreibschrift, der sogenannten „deutschen“ Schrift, in Handschrift abschrieb und die mir mein Bruder Kaspar übermittelte, faszinierte mich damals derart, dass ich sie ähnlich einem spannenden Roman zu entziffern bzw. zu enträtseln versuchte. Die alten Wörter und im besonderen die Bezeichnung für Gulden und Kreuzer waren mir damals noch nicht geläufig und auch die Namen, die darin vorkamen, wusste ich nicht recht zuzuordnen. Die lateinischen Ausdrücke hingegen konnte ich gut übersetzen. Erst durch die Arbeit in der Ahnenforschung bezüglich der Familie Auer, die hauptsächlich von Pfarrer Aßmair aus Obertillach erfolgte, konnte ich mich langsam in die Zeit des 19. Jahrhunderts einfinden. Ich schrieb diese Lebensgeschichte später nochmals mit der Schreibmaschine. Aber durch das öftere Kopieren wurde die Schrift teilweise oft fast unleserlich, sodass ich jetzt in meiner Pension mich aufraffte und die Geschichte nochmals, also zum dritten Mal, mit dem Computer schrieb. Kaspar Auer, mein im Jahre 1814 geborener Urgroßvater, wurde mir auf diese Weise zum großen Vorbild in der Lebensbewältigung und im Fleiß. Wenn man bedenkt, dass im 19. Jh. die ärztliche Betreuung und die Rechtsvertretung praktisch bei Null anfing, so muss man den Geist unserer Vorfahren nur bewundern. Das Leiden war für sie ein Weg in der Nachfolge Christi. Das Ertragen von Feindseligkeit, von Verleumdung und Ehrabschneidung war ebenso mit großen seelischen Qualen verbunden. Als Lehrer und Gemeindeschreiber, als Bauer und teilweise auch Seelenhirte seiner Schüler war er ein großes Vorbild für die damalige wie auch für unsere Zeit. Dass den Urgroßvater viele wegen seines ordentlichen Lebenswandels beneideten, ist leicht verständlich, wo es zu jener Zeit doch so viele „Scheinchristen“ gab. Zweimal trug er den Wunsch, Priester werden zu können, seinem Vater vor, aber zu jener Zeit war die Pflege der alten Eltern sowie die Weiterführung der Landwirtschaft für die Existenz äußerst wichtig. Bewundernswert ist auch sein Altern und Kränkeln und der Wunsch, einmal in einem besseren Jenseits all der Feindseligkeit entledigt zu sein. Viele Schicksalsschläge, wie z. B. das Sterben seiner kleinen Tochter Theresia Katharina oder seiner Eltern, trug er mit Heroismus, indem er selbst noch den Sarg verfertigen und sie in St. Jenewein begraben musste. Alle Benachteiligungen seiner näheren und ferneren Umgebung trug er ebenso aufopfernd und ohne lautes Murren. Immer musste er selbst der Arbeit vorangehen. Die Dienstboten entsprachen nicht der Belohnung, die sie erhielten. Das Missverständnis mit seiner Frau Maria Pranter ist leicht zu verstehen, wenn man die Umstände bedenkt, die zur Verehelichung geführt hatten. Auffallend ist auch seine Schilderung, wie er in vielen Schicksalsschlägen auch ein Eingreifen Gottes bemerkte, und dass die vom Vater erlebten Ereignisse sich auch in seinem Leben auf ähnliche Weise wiederholten.
Insoferne gebührt unserem Urgroßvater Kaspar ein „Vergelt’s Gott!“, dass er uns, also seinen Nachkommen, ein so schönes christliches Zeugnis seines Lebens hinterlassen hat und nicht müde wurde, sogar bis zum Todesjahr 1880, wichtige Informationen und Überlegungen an seine Nachwelt zu überliefern. Ich wünschte, dass viele Leser der näheren Verwandtschaft dieses Lebenswerk schätzen lernten.

Heinfels, am 17. Oktober 2010

Lebensgeschichte des Lehrers Kaspar Auer (1814 - 1880)



1) Franz Auer, geboren am 11. November 1747, war Besitzer der Geberschen Realität zu Untertilliach und zeugte aus der Ehe mit Ursula Goller vier Söhne und drei Töchter; aus diesen Kindern ging wie einst aus Abrahams Samen eine große Nachkommenschaft hervor.
2) Simon, der zweite Sohn des oben genannten kam nach manch herben Prüfungen und Verdrängungen als provisorischer Lehrer nach Eggen; er war geboren am 24. Oktober 1768 und zeugte aus der Ehe mit Ursula Moser einen Sohn und drei Töchter.
3) Kaspar, der Sohn des genannten Simon Auer, wurde am 6. Jänner 1814, und zwar an einem Donnerstag geboren. Merkwürdig ist es, dass es gerade immer Donnerstage sein mussten, welche bei seinem Schicksale Epoche machten.
4) Ich ward geboren, als mein Vater noch Bestandner am Obererschbaumer Gute war, und da er aus Mangel an Dienstboten mit zeitlichen Sorgen und Geschäften sehr überhäuft war, konnte meine körperliche Erziehung nicht anders als eine äußerst dürftige genannt werden.
5) Allein je unbeachteter der Körper blieb, desto größere Sorgfalt wurde der Seele zugewendet, jeder Eigensinn, jeder Ungehorsam wurde scharf gezüchtigt und strenge auf Ordnung, Genügsamkeit und Stillschweigen hingearbeitet; froh konnte ich sein, wenn ich mit einer kargen Hausmannskost spärlich abgespeist wurde.
6) Ein Jahr verging, und auch das zweite war schon zur Hälfte vorbei, wo ich meiner Mutter unmöglich auf das Feld nachfolgen konnte. Ich ward daher in die einsame Kammer des alten Hauses gesperrt, damit ich nicht mit den anderen Kindern ein Gassentreter würde.
7) Sehr früh wurde ich zum Beten angehalten und konnte wirklich in meinem dritten Lebensjahr recht viele Gebete auswendig, wofür ich manchmal auch einen Brocken schwarzen Brotes bekam, was ich für keine Kleinigkeit ansah.
8) Ich wurde schon früh zur Kirche geführt. Obgleich meine schlummernden Gefühle den überirdischen Trost nicht fassen konnten, so hatten doch Kirche, Altäre und Priester für mich etwas Anziehendes, sodass ich bis zu meinem zehnten Lebensjahr dreizehn Plätze zählen konnte, wo ich Altärlein aufgerichtet hatte.
9) Im November des Jahres 1818 besuchte ich die Schule und lernte schon geläufig Druck lesen, ehe ich das fünfte Lebensjahr zurückgelegt hatte.
10) Mit meinem fünften Lebensjahr begann für mich eine neue Epoche; es trat nämlich mein Vater seiner Nichte zuliebe den Bestand drei Jahre vor der Pachtzeit ab. Diese heiratete einen gewissen Thomas Obererlacher. Thomas war ein Verschwender, dabei auch zugleich neidisch, schadenfroh, ehrabschneiderisch und stolz. Mein Inneres wurde heftig verwundet, wenn in jeder seiner Gesellschaften nur über meinen abwesenden Vater spöttisch losgezogen wurde.
11) Vermög Bestandeskontrakt hatte mein Vater auf seine Lebensdauer die Kälberleite und das Holzwiesele zum Genusse, im Hause eine Kammer zum alleinigen, Küche und Stube zum gemeinschaftlichen Gebrauche; allein wie klar und kränkend mussten wir es in Wort und Tat fühlen, dass wir die überzähligen Geschöpfe seien, und dass man keinen dringenderen Wunsch fühle, als nur unser bald loszuwerden.
12) Unter diesem Drucke verfloss mein sechstes und siebentes und achtes Lebensjahr. Dazu kam noch mein heißer Wunsch, dass ich doch manchmal einen Brocken schwarzen Brotes erhalten möchte, um meinen Hunger zu stillen.
13) Ich war klein und schwach, und obgleich ich von meinen Eltern mit Arbeiten, die über meine Kräfte gingen, angestrengt wurde, gönnte ich mir in meinen freien Stunden selbst keine Ruhe. Ich stand früh auf, trug Holz und Bretter zusammen und baute Hütten, Mühlen und dergleichen.
14) Zudem mein Vater seit dem Jahre 1816 provisorischer Lehrer in Eggen war, hatte ich Gelegenheit genug, unterrichtet zu werden. Doch der Gedanke, dass ich auf Erden das Ziel des Widerspruch sein müsse, versengte alle Blüten meiner Talente.
15) Im Jahre 1821 wurde das Schulhaus gebaut. Ich hatte damals einige freudige Empfindungen, weil ich wusste, dass es zu unserer künftigen Wohnung bestimmt sei. Doch die schadenfrohe Bemerkung der Feindseligen, dass man uns auch daraus nach Gefallen vertreiben könne, empörte mein Inneres wieder auf ein neues.
16) Am 23. April 1822 war der letzte Tag, da ich in meiner alten und mir wegen meiner Geburt und Zubringung meiner unschuldigen Kinderjahre ehrwürdig gewordenen Wohnung die letzte Nacht zubringen sollte; das Haus wurde zusammengerissen und an dessen in etwas veränderter Stellung ein neues aufgebaut.
17) Infolge der Abtragung des alten Hauses am Obererschbaum bezogen wir das Schulhaus, was auch für mich einen sehr erschütternden Eindruck machte. Dieser ersten Erschütterung im neuen Hause aber sollte bald eine zweite und heftigere folgen; in der „Aussteckung“ des Schulgrundes war noch ein Abgang von 40 Klaftern. Die Nachbarschaft wollte sich nicht herbeilassen, das Mangelnde zu ersetzen, und die Schuldistrikts-Inspektion bestand darauf, dass es geschehen müsse. Die Folge davon war, dass bei einer Gemeindeversammlung neben der alten Kapelle von Georg Goller, Engeler, mit Beistimmung mehrerer anderer der Ausspruch gemacht wurde, dass mein Vater, wenn er so nicht zufrieden sein wolle, sich schnell vom Schuldienste entfernen solle. Zum größeren Ärger wurde noch von der Nachbarschaft ein Ross auf dem Lotter geweidet, damit mein Vater nichts zu mähen bekäme. Ich war empfindlich und zartfühlend. Was daher diese beiden Auftritte, wovon ich Augenzeuge war, für mein ganzes Leben für einen unaustilgbaren, betrübenden Eindruck in mir zurückließen, kann sich jeder leicht denken.
18) Da in dieser Zeit die Forstwirtschaft nicht strenge war, so wurde es mir auch möglich, durch Pechklauben einige Kreuzer zu verdienen, was bei meinem Kälberhüten mir ein sehr liebes Nebengeschäft war.
19) Im Jahre 1825 gab mich mein Vater unserm ehemaligen Hausherrn Thomas Obererlacher zum Halter; da dessen Hauswirtschaft schon sehr am Krebsgange litt, musste ich oft Hunger und große Entbehrungen erdulden. Dabei war ich äußerst sorgsam beim Hüten und weinte mir gleichsam die Augen aus. Ich konnte froh sein, wenn ich bei meinem Aufstehen ungenießbare „Pfarfl“ und bei meiner Nachhausekunft eine saure Milch bekam, wo sodann schon eine Beschäftigung auf mich wartete.
20) Im Jahre 1826 und im Winter des Jahres 1827 nahm mich unser damaliger Hochw. Herr Kurat Franz Aichner in die Instruktion als Vorbereitung zum Eintritte in den Präparanden-Kurs; ich machte in allen Lehrgegenständen ungemeine Fortschritte. Ich danke ihm gegenwärtig noch für seine heilsame Strenge. Denn er war ein echter Priester und daher nicht zufrieden, wenn ich ihm bei der hl. Messe nur pro Forma diente, sondern ich musste die Worte klar und deutlich aussprechen und mich auch äußerlich so zeigen, wie es einem so heiligen Opfer gebührte.
21) Im Sommer des Jahres 1827 kam ich wieder als Halter nach Obererschbaum. Ich wurde nebst dem Hüten sklavenmäßig abgemattet, musste oft Hunger leiden und war nebstbei Zeuge eines trunksüchtigen Hausvaters, der zu Hause seine Familie am Hungertuche nagen lässt, während er im Wirtshause räsoniert und mit Zechbrüdern politisiert.
22) Im Jahre 1828 kam ich als Halter in die Riepe. Ich musste daselbst in der Frühe die Kühe an der jenseitigen Gegend des Gailflusses zur Weide treiben, sodann nach Hause zurückkehren, um sowohl Feldarbeiten als auch häusliche Geschäfte zu verrichten. Am Abend musste ich die Kühe aufsuchen, und wenn sie untertags irgendwo Schaden anrichteten, wurde ich von den Leuten derb zur Rede gestellt. Ich hatte daselbst eine hinreichende Kost, allein die Überspannung mit Arbeiten etc. machten auch diesen Dienst nicht zu den glänzendsten.
23) Um Lichtmess 1829 kehrte ich zu meinen Eltern zurück, allein da die Erschbaumer Häuser abgebrannt waren, musste ich es mir gefallen lassen, an der Herbeischaffung der Baumaterialien nach meinen Kräften mitzuhelfen; damals war es auch, wo ich der Anstrengung beinahe erlag.
24) Mit Beistimmung des Hw. Probstes Pungg von Innichen drang mein Hochw. Kurat Aichner mit Nachdruck darauf, dass ich mich für dieses Jahr dem Präperanden-Kurse widmen sollte. Ich machte mich dazu unter Begleitung meines Vetters Franz Auer und unter dem Segenswunsch meines Vaters am 23. April auf die Reise, meldete mich am 25. April beim damaligen Schuldirektor Johann Lechtaler in Brixen an, der aber meiner unbedeutenden Persönlichkeit keine Rechnung tragen wollte, doch unter der Bedingung einer äußerst musterhaften Verwendung unter seine 34 Zöglinge aufnahm.
25) Mein Quartier war im Hause Nr. 220 in der Schlossergasse gleich oberhalb der bischöflichen Residenz, wo neben den pfarrlichen auch der häusliche Rosenkranz unausbleiblich täglich gebetet werden musste. Für die Kost wurde täglich 10 fl. Und für Bett und Wäsche 2 fl., zusammen täglich 12 fl. verrechnet.
26) Ich hatte das Glück, von dem damaligen Diözesan-Schulenoberaufseher Hw. Georg Prinster wöchentlich mit zweitägiger Verköstigung betreut zu werden. Dieser populäre und milde Mann wurde wegen seiner Verdienste in der Folge zum Weihbischof von Vorarlberg gewählt. Er gab mir ein hübsches Reisegeld mit.
27) Im Verlaufe des Präparandenkurses machte ich Bekanntschaft mit den größten Männern, die damals in Brixen wohnten. Meine Ausflüge bestanden nur im Besuche des Gnadenortes in Zinggen oder des Kreuzganges in Brixen und einige Male in der Ergötzung im bischöflichen Garten.
28) Da ich durch meinen Hw. Herrn Kuraten eine ausgezeichnete Vorbereitung genossen hatte, durfte es mir von den abzuhandelnden Gegenständen während des Kurses nicht bange werden. Ich hatte mich daher nur mit der Gabe der Mitteilung, was man Methode nannte, befasst zu machen, nahm dafür einen der ersten Plätze ein und wurde weit entschieden der Liebling unseres Lehrers.
29) Vom Herrn Direktor aufgefordert, machten wir sämtlich an einem schönen Nachmittag eine Rundreise von Brixen nach Elvas, Natz, Rodnungg, Mühlbach und Schabs und von dort nach Brixen zurück.
30) Im Kreuzgang zu Brixen und in den einsamen Schlosshalden zu Rodnungg wurden meine Gefühle am heftigsten ergriffen. Mit Bedauern lernte ich daselbst die Hinfälligkeit und die Nichtigkeit jeglicher irdischen Größe genau kennen und fühlte mich heftig hingezogen, während meiner Reise durch das Erdenleben meine Augen weder nach rechts noch nach links zu wenden, sondern mein ewiges Ziel beständig im Auge zu behalten.
31) Unter dem Segenswunsche des Wohltäters Georg Prinster, des K. K. Schulendirektors, des Hw. Katecheten, meiner Haus- und Kostfrau sowie auch mehrerer anderer kehrte ich nach abgestatteter Danksagung mit glänzenden Zeugnissen zu meinem alten, vielgeprüften Vater zurück.
32) Als ich zwei Tage vor Laurenzi, das ist vor dem 10. August, nach Hause kam, musste ich meine vorigen Geschäfte wieder von neuem in Angriff nehmen. Mähen, schneiden, dreschen, Garben tragen, Holz tragen und von anderen mit Luchsaugen beobachtet werden, war meine Aufgabe. Ich hatte einen leeren Geldbeutel und sollte mir, dessen ungeachtet, für den bevorstehenden Winter, wo ich gleichsam als Lehrer auftreten sollte, die notwendigen Schulerfordernisse herbeischaffen. Doch Gott, der dem Arbeitsamen immer das Notwendigste beschert, gab mir Gelegenheit, mit Abschreiben alter Akten und dergleichen soviel zu verdienen, dass ich mich zum Auftritte meines Berufes notdürftig ausrüsten konnte.
33) Der Winter kam, die Schule begann, und in den ersten Tagen erteilten der Vater und ich gemeinschaftlich den Unterricht. Allein da er sah, dass zwei Lehrerindividuen überflüssig seien, zog er sich vom Lehrerfache zurück und überließ mir allein dieses Geschäft in seiner ganzen Tragweite.
34) Ich hatte in der Schule ein „Feld“ zu bearbeiten, welches zwar nicht mit Unkraut bewachsen war, jedoch ließ die dicke, feste und von vielen Eltern mit Fleiß abgehärtete Kruste meinen wohlgemeinten Unterricht nicht durchdringen. Ich hatte es nicht mit Kindern zu tun, sondern mit Eltern, die in einem gewissen Stolze mit einer unbeugsamen Zähigkeit an einem durch Jahrzehnte lang genährten und daher zur zweiten Natur gewordenen Schlendrian festhielten.
35) Ganz roh erschienen anfangs die Wiederholungsschüler mit bedecktem Haupte und robuster Gebärde, doch meine Geduld besiegte endlich diese Naturmenschen und schuf sie doch wenigstens zu scheinbaren Christenseelen um. Die Religion, an die ich mich fest anklammerte, und die Erfüllung der Religionspflichten verschafften mir endlich den Sieg und die Achtung von den meisten meiner Nachbarsleute; doch die Wahrheit zu bekennen, muss ich sagen, dass der Brotneid und die Missgunst der einzelnen gegen mich so lange nie aufgehört hatten, so lange sie einen Funken Lebensgeist in sich hatten.
36) Der Winter verstrich, ich brachte es nicht weit, obgleich ich mich mit den Kindern ganz gemein machte; doch am Ende desselben konnte ich sagen, dass der Herr meine redlichen Bemühungen mit seinem Segen gekrönt habe.
37) Im Sommer darauf, das ist im Jahre 1830, kam ich als Halter zu Jakob Schneider, Oberegger; er und sein Weib waren gut gesinnt gegen mich. Allein sein Vater, ein schadenfroher, tückischer und abgefeimter Bösewicht, suchte immer Gelegenheit, wie er zwischen uns Misshelligkeit erregen konnte. Er lebte mit den Jungen in Zwietracht und stieß gegen dieselben die schrecklichsten Flüche aus, was mich ganz erschaudern machte, so zwar, dass ich oft vor Verdruss nicht essen und schlafen konnte. Ich musste großteils auch Knechtesstelle vertreten, was meinen schwachen und jungen Kräften ungemeinen Nachteil brachte.
38) Obgleich dieser eine Dienst an der Oberegge in mancher Beziehung schwer ward, so hatte er für mich doch manche heilsame Folgen: Ich lernte dabei nämlich, gegen andere ein behutsames Vertrauen zu haben, und erkannte es, wie verschieden die Menschen in ihrem Dichten und Trachten seien, und dass man dafür eine große Klugheit besitzen müsse, wenn man den schlau gelegten „Fallstricken“ entgehen wolle.
39) Mit Sehnsucht erwartete ich die Ankunft des Winters; ich widmete mich meinem Amte mit allem Eifer, wenngleich nicht allezeit mit gutem Erfolge; mein Hw. Seelsorger ging mit mir Hand in Hand, um nur aus den Kleinen echte Christen zu bilden. Ich war feurigen Naturells und glaubte daher, dass jedem Überstand schnell abgeholfen werden müsse. Allein Leute, die jeder Warnung leidenschaftlich entgegenzutreten pflegen, steckten mir durch Wort und Taten ein entferntes Ziel. Daher erkannte ich gleich vor Weihnachten noch die Erfahrung des alten Sprichwortes „Eile mit Weile“.
40) Die Zahl der ganz feindselig gesinnten Egger, denen ich bereits für jedes meiner Worte verantwortlich zu sein mich gefasst halten musste, belief sich in dieser Zeit auf acht Individuen; obgleich die Zahl klein war, so lag doch in dieser Waagschale ein großes Gewicht, zumal da die meisten aus diesen in der Kunst des „Ohrenblasens“ sehr bewandert waren.
41) Die Hausarbeiten für mein Hauswesen lasteten nun größtenteils auf meinen Schultern, indem mein Vater schon einige 60 Jahre zählte. Ich musste gewöhnlich in der Frühe um vier Uhr auf die Arbeit gehen, Heu, Holz und Streu nach Hause ziehen und manche anderen Hausbedürfnisse versorgen. Diese meine knechtlichen Arbeiten waren zur unvermeidlichen Aufgabe für mich bis zu meinem Ankaufe in Zimmerschach anno 1856.
42) Das vorzüglichste, was ich durch den Verlauf dieses Winters in der Schule leistete, war das Schreiben neuer und lehrreicher Wortschriften zum Schönschreiben. Im Sommer des Jahres 1831 musste ich Knecht machen, und zwar bei dem mehrgenannten Thomas Obererlacher, Erschbaumer. Zu den früheren Misslichkeiten dieses Hauswesens war im Laufe der Zeiten auch der eheliche Unfrieden dazugekommen. Ich kann also meinen Dienst daselbst einen Vorgeschmack des Verdammungsortes nennen.
43) Der Winter darauf verfloss ohne besonderen Ereignisse, denn ich fing an zu erstarken. Es wagte sich daher nicht mehr jedes alte Weib mich wegen meines Schulunterrichtes zur Rede zu stellen. Auch hatte ich schon manche brave Familie an mich gefesselt.
44) Im Sommer des Jahres 1832 und 1833 war ich Knecht bei Martin Klammer, Meßner. Obgleich ich in diesem Hause Mangel litt, so würzten mir doch des Bauern unschuldige Witze, die Einfachheit des Hausvaters und die Genügsamkeit der Kinder meine Verrichtungen. Ich hatte die Aufforderung, am 20. und 21. Juli 1833 vor dem K. K. Schuldistrikts-Inspektor Seb. Pungg in Innichen die Lehrerprüfung zu machen. Ich entsprach der Aufgabe und kehrte in meinen Dienst zurück.
45) Zum Troste in diesem meinen Dienste hatte ich in der Jeneweiner Nachbarschaft zwei charakterfeste Männer zu Freunden, welche mütterlicherseits meine Verwandten waren und denen ich eine gewisse praktische Lebensweisheit ablernte. Es waren Ingenuin Klammer, Meßner, und Johann Moser, Kreiner.
46) In diese Jahre gehört mein goldenes Zeitalter. Die Schule bekam wenigstens ein gefälligeres Ansehen. Die Kinder schlossen sich fest an mich an, und ich hatte sogar einige Heroen im Christentum an ihnen aufzuweisen. Die Nahrungssorgen quälten mich nicht, und die Sinnlichkeit wagte es nicht, mich stark zu belästigen.
47) Im Sommer des Jahres 1834 kam ich zu Georg Goller, Engeler, als Knecht. In diesem Hause war kein Mangel, aber es war auch wenig Ordnung. Doch es ging alles gut ab.
48) Mit einem gewissen Starkmut harrte ich dem Winter entgegen und widmete mich mit gewöhnlichem Eifer meinem Berufe. Außer den Schulstunden übte ich mich in Verfertigung mancher Geräte, welche sowohl zu unserem als auch zu fremden Bedarfe notwendig waren. Ich liebte dieses Geschäft so leidenschaftlich, dass ich bereits auf die Fortbildung im Lehrfache vergaß. In diesem Winter war es auch, wo mich der Herr schon einige Tropfen aus dem Leidenskelche verkosten ließ. Ich war damals der Kämpfe noch ungewohnt und wurde deswegen, weil ich den Blick zu wenig aufwärts richtete, sehr traurig und mutlos.
49) Der Winter verging, und ich musste wieder in Dienste gehen. Ich kam daher zu Ingenuin Schneider, Außerkreiner, und verlebte den Sommer ohne besondere Ereignisse. Jedoch erhielt ich im Herbst aus den Händen meines schon oft genannten Seelsorgers das vom Hw. Fürst-Bischöflichen Consistorium ausgefertigte Anstellungsdekret als definitiver Lehrer in Eggen. Mit einer Begeisterung trat ich im November 1835 die Winterschule an. Ich hatte eine große Freude daran, dass die
Kinder auch in Rechnen einige Fortschritte machten.
50) Da um diese Zeit die Gemeindevorstehung noch sehr unbehilflich war, so musste ich mich schon gefasst machen, manche Akten auszustellen. Meine Schreibart war sehr spröde, jedoch stellte ich bereits jedermann zufrieden.
51) Dieser Winter, also 1835/36, war ein Winter von ungemein vielem Schnee. Er war daher für mich ein sehr leichter Winter, indem ich in demselben von Luggauer Kindern verschont blieb. Ich hatte nämlich vom Antritte des Schuldienstes bis zum Ende desselben immer einige Luggauer Kinder zu unterrichten bekommen, welche sehr schwach an Talenten waren.
52) Im Sommer 1836 kam ich zu Josef Moser, Kreiner, als Knecht. Dieser kränkliche Mann liebte mich, aber er starb auch schon im folgenden Jahre. Damals war es, wo in Obertilliach die Flamme des Unfriedens aufloderte und mich selbst einige Male in Sorgen brachte.
53) Der Winter darauf war für mich einer der umfangreichsten. Nebst den Schulgeschäften widmete ich mich vorzüglich mit Abschreiben beliebter Gebetbücher. Es war ein hübsches Stück Arbeit für mich, so zahlreiche Bestellungen ganz zu befriedigen. Im Frühjahr fing ich an, das Zimmerhandwerk zu betreiben und ging sodann, wo das Mähen begann, als Knecht zu Peter Prinster, Oberegger. Dieser war ein gelassener Mann, den die Leiden nie niedergebeugt hatten. Ich war zufrieden in seinem Dienste und fing an, auf die Zukunft zu schauen.
54) Da im Sommer eine magere Ernte war, hatte auch der Winter auf die Kinder nachteilige Folgen. Die Kinder waren „welk“, der Unterricht wollte nicht die gewünschte Wirkung machen.
55) Nach geendeter Schulzeit trieb ich das Zimmerhandwerk und trat im Sommer als Knecht bei Martin Goller, Engeler, in Dienste. Dieser Dienst war vollkommen „ausgewüstet“, wie er nur bei bloßen Weltmenschen immer sein kann. Er hinterließ in mir Betrübnis des Geistes.
56) Der Winter fing an, die Schule ward geöffnet, allein wer sollte es glauben, dass für mich die Friedenszeiten abgelaufen seien? Das unbestimmte Legat des Johann Moser, Krainer, ward zu Dotierung des Lehrers in St. Florian für Abhaltung der Sommerschule bestimmt. Ich machte keine Einwendung. Aber auch die Eggerkinder sollten zur Sommerschule nach St. Florian gehen, was freilich gegen die Klugheit war. Ich hatte daher die eine Verdrießlichkeit über die andere, obschon ich im ganzen nicht ein einziges Wort über diesen Gegenstand gesprochen hatte.
57) Um mich von der ganzen Geschichte fernzuhalten, ging ich im Sommer als Knecht zu Thomas Tiefenbacher. Ich konnte daselbst meinen Verdruss einigermaßen vergessen; allein der Kummer nagte schon tief im Herzen, als dass er sich noch einmal daraus hätte verdrängen lassen.
58) Da die Hauswirtschaft des Thomas Obererlacher immer schlechter ging, so bot er endlich sein Anwesen zum Verkaufe aus. Am 16. August kaufte ich diese Realität um 2.200fl. Ich, meine Schwester und meine Eltern bearbeiteten das Feld und die Wiesen bis zum 26. August. Da kam das Weib des Verkäufers mit den zwei Männern Georg Obererlacher, Paler, und Martin Goller, Engeler, erweichte mich durch ihre Reden dergestalt, dass ich ihr die Realität gegen einen Schadenersatz von 40 fl, welche sie mir ehestens zu geben versprach, aus gutem Willen abtrat. Zugleich versprach sie mir, das meinem Vater in seinem Bestandkontrakt ausgesetzte Herbergsgeld zu 80 fl pünktlich abtragen zu wollen.
59) Diese Person Agnes starb nach drei Jahren, und ich erhielt von ihrem Ehemann Thomas und von dem Besitzsohne Josef für obige Versprechen für meine Gutmütigkeit zuerst in Gegenwart meiner Eltern, hernach bei öfteren Gelegenheiten in barer Summa: Lästerungen, Verleumdungen, Kränkungen und Anfeindungen verschiedener Art. Ich seufzte daher oft im Stillen und sprach: Du, o Herr, hast mich aufgehoben und wieder niedergeworfen.
60) Der Winter, der sonst immer mein Gemüt heiter gestimmt hatte, erfüllte mich mit Schwermut. Ich lernte es klar einsehen, dass die Kinder dieser Welt in ihrer Art klüger seien als die Kinder des Lichtes, und dass verstellte Freunde heimliche Feinde seien.
61) Es war übrigens sehr heilsam für mich, dass der Herr beizeiten diese Prüfungen über mich kommen ließ. Ich wurde ihm vertrauter, klammerte mich fest an ihn und fing an, das irdische Glück und Unglück gleichgültiger anzuschauen. Das Lob und der Tadel hatte für mich nicht jenes Gewicht mehr wie früher, und ich fing an, schon so früh nach einer „Auflösung“ zu seufzen.
62) Das Labsal, welches mir der Herr als eine Entschädigung für meine herben Leiden darreichte, war die Willfährigkeit der Schulkinder und ihre Eingezogenheit. Im Sommer des Jahres 1840 und 1841 kam ich als Dienstknecht nach Tiefenbach. Ich kam mit einem Servitenpater, namens Georg Priller, in Bekanntschaft. Dieser hatte die Gefälligkeit mir aus der Klosterbibliothek für mein Amt anpassende Bücher zu leihen, mich den verschiedenen Führungen Gottes durch die dunklen Wege dieses Erdenlebens vertrauter zu machen.
63) In diesen zwei Wintern war in meinem Innern eine große Zerrissenheit und Trockenheit. Selbst der Empfang der hl. Kommunion, welcher mich früher immer mit neuer Kraft ausgerüstet hatte, ließ mich leer und ohne Trost. Der Winter des Jahres 1841 neigte sich, und mein Seelsorger Franz Aichner, der mich eineinhalb Jahre unterrichtete, unter dem ich als Lehrer zwölf volle Jahre gestanden war, reiste am 25. März von Untertilliach ab und ging nach Reischach bei Bruneck. Er war das Muster eines echten Priesters, allein, indem er anfing, die Wunden zu berühren und das faule Fleisch von derselben wegzuschneiden, wurde er unbeliebt und musste Reißaus nehmen.
64) Der Anfang des Winters des Jahres 1841 ging so ziemlich gut ein, denn die Kinder lieben die Abwechslung und hatten daher an dem neuen populären Kuraten, der auch mit Loben nicht sparsam war, eine große Freude. Von meiner Jugend an hatte die Liebe zum Priestertum sich meines Geistes bemächtigt, allein mein Vater, der die großen Opfer des Studiums scheute und wohl auch an mir für seine alten Tage eine Stütze hoffen mochte, verhinderte mein Vorhaben. Da aber zu eben dieser Zeit auch das Studium älteren Individuen offenstand, so regte sich in mir aufs Neue der Gedanke, alle gesellschaftlichen Bande zu sprengen und Geistlicher zu werden.
65) Ich las zu dem Ende verschiedene in diesem Fach einschlägige Werke, erlitt in meinem Innern manche heftigen Kämpfe, zumal mein Vater sich immer noch dagegen sträubte, und rieb dadurch völlig meine Gesundheit auf.
66) Im Sommer des Jahres 1842 kam ich als Knecht wieder zu Peter Prinster, Oberegger; dieses war auch der letzte Sommer, wo ich in fremden Diensten stand. Ich zählte 28 volle Jahre, hatte deren vier Sommer vor dem Antritte meines Lehramtes und zwölf während desselben, zusammen also sechzehn Dienstjahre unter fremder Oberherrschaft zugebracht. Es war für mich keine geringe Aufgabe, von der Feder zur Hacke, vom Buche zum Holze und von dem A, B, C zur schweren Heu- oder Garbenbürde zu greifen. Doch Gott sei gedankt, ich habe meinen Fleiß nicht gespart und auch meinen bedungenen Lohn endlich erhalten.
67) Nebst dem Abhalten der Schule befasste ich mich nun häufig mit pädagogischen Werken, Lesen und mit dem Studium der hl. Schrift von Fr. Allioli. Es war auch der Zeitpunkt da, wo ich mich auch dem Geschäfte eines Gemeindeschreibers unterziehen musste. Es war für mich ein Stück Arbeit, wo ich glühende Kohlen berühren sollte und mich nicht brennen durfte.
68) Im Frühjahr 1843 betrieb ich das Zimmerhandwerk. Sowohl die Kost als der Verdienst waren gut. Ich musste um Jakobi mit meiner Schwester Maria eine Reise nach Innsbruck machen. Diese Reise kostete bereits die Aufopferung meiner letzten Kräfte. Ich bekam wunde und schwürige Füße und musste an diesen Nachteilen meine Lebenstage leiden. In den Herbsttagen suchte ich einen Erwerb beim Holztreiben im Paternwalde. Und so machte sich auch der Winter wieder heran. Im Namen des Herrn trat ich wieder in meinen Wirkungskreis und bearbeitete dieses Jahr die Kinderherzen im Schweiße meines Angesichtes.
69) Da im Frühjahr 1844 bedeutende Reparaturen sowohl an der Kirche als auch am Widum zu St. Jenewein vorgenommen wurden, so brachte ich auch die meiste Zeit als Handlanger bei diesen Arbeiten zu. Übrigens bemerkte ich um diese Zeit große Lücken in meiner Seelenwirtschaft. Ich, der ich gewohnt war, vom Hause auf die Arbeit oder in die Kirche zu gehen und von da wieder nach Hause zurückkehrte, verlor mich manchesmal im Wirtshause und blieb bis spät in die Nacht in demselben. Die heftigen Gewissensbisse aber öffneten mir zur rechten Zeit die Augen , wo noch Gottes rettende Vaterhand mich aus dem Bande des Unterganges befreite.
70) Der Sommer verstrich unter den gewöhnlichen Arbeiten. Ich reiste am 26. Oktober noch einmal nach Innsbruck. Die Frucht dieser Reise war, dass mich mein ehemaliger Kurat Aichner, den ich besuchte, mächtig aufrichtete, mir die hehre Bestimmung des Lehrers, des Dulders und des wahren Christen auseinandersetzte und sodann den Tropfen Zeit mit dem Meere der Ewigkeit vor meinen Augen auf die Waagschale legte.
71) Ich fand im Zuspruche Aichners richtig einen mächtigen Hebel für meine Winteraufgabe und legte den Winterkurs nicht mit einer solchen Schwermut wie vorher zurück.
72) Das Jahr 1845 verfloss ohne außerordentliche Ereignisse, doch es war sehr niederschlagend für mich, dass meine Schwester Maria, welche Magd bei den Barmherzigen Schwestern in Innsbruck war, in ihrer Kränklichkeit von denselben verabschiedet wurde.
73) In dieser zweiten Hälfte der Vierziger-Jahre war der Zeitpunkt, wo mehr als ein Drittel der Untertilliacher Insassen ihren Besitztum an die Söhne abtrat. Diese Jungen, welche vom Schwindelgeiste ergriffen wurden, standen mir in allen Dingen schroff entgegen.
74) Da ich sehr sparsam war und durch harte Arbeit mich und meine alten Eltern ehrlich durchzubringen vermochte, wurde ich allseitig beneidet. Es kam auch unter einigen Neidern wirklich die Übereinkunft zustande, mich so lange zu kränken, bis ich des Schuldienstes müde und daher denselben abtreten müsse, wo sodann ein Volksschreier und mein entschiedenster Feind Josef Obererlacher, Erschbaumer, an meiner Statt den Schuldienst antreten sollte.
75) Ich fing an, mich immer mehr von den öffentlichen Gemeindezusammenkünften und Geschäften zurückzuziehen, weil dabei immer etwas vorkam, was zu meiner Beschämung gereichte, und widmete mich mit doppeltem Eifer dem Schulgeschäfte. Allein in jenem Maße, womit ich mich meinem Amte widmete, erstarkten auch meine Neider und leidenschaftlichen Verfolger.
76) Auch fehlte es nicht an feilen und geschwätzigen Zungen, die mein bisschen Ehre so lange begeiferten und zernagten, dass ich in dieser zweiten Hälfte des Jahres 1846, also in meinem 32. Lebensjahre, mehr graue Haare am Haupte hatte als mein Vater, der damals das 72. Lebensjahr zurückgelegt hatte.
77) Im Frühjahr 1847 arbeitete ich am Hausbau und an der Zurichtung desselben bei Franz Oberluggauer. Er schenkte mir ein außerordentliches Zutrauen und lohnte mich reichlicher, als ich es verlangte.
78) Da das alte Dach am Schulhause morsch geworden war und daher neu gedeckt bzw. ausgebessert werden musste, traf mich die Reihe wieder, von Bartlmä Fritzer eine große und unverdiente Beschämung zu verschlucken.
79) Herr Landrichter Hammer, der schon seit dem Jahre 1839 auf meine unbedeutende Person wohlwollende Rücksicht genommen und mir im Jahre 1846 eine Remuneration erwirkt hatte, starb in dieser Zeit, ehe noch sein Vorhaben, mich zu einem löhnefähigen Gemeindenotar zu erheben, ausführen konnte. Bisher hatte ich die Gemeindeschreibereien größtenteils bloß gratis versehen.
80) Vom alten Ochsen lernt der junge auch den Pflug ziehen, sagt ein Sprichwort. Da ich mit meinem Seelsorger, mit meinem Dekan und meinen weltlichen Behörden in bestem Einverständnisse lebte, so war das ein neuer Dorn in den Augen meiner Gegner. Sie suchten mich in die Falle zu locken und legten mir listige Schlingen. Als aber diese Versuche misslungen waren, so begannen sie das Kränkendste, was je einen Lehrer treffen kann, nämlich mir die Herzen der Kinder abgeneigt zu machen, den Unterricht zu verdächtigen und sogar einige Wiederholungsschüler nach Luggau zu schicken.
81) Allen Kränkungen und Erniedrigungen konnte ich nichts anderes entgegensetzen als Stillschweigen und Geduld; was für eine Überwindung mich aber dieses kostete, ist nicht leicht zu begreifen, zumal da ich von Jugend auf zur Heftigkeit, zum Jähzorn und zum Aufbrausen sehr geneigt war.
82) Das Jahr 1848 hatte begonnen, der Drache schien von der Kette losgebunden zu sein, die Bande der menschlichen Gesellschaft wurden gelockert, und das Oberste wurde größtenteils zuunterst gekehrt. Da nach und nach alle durch Jahrhunderte schon bestandenen Untertänigkeitsverbande aufgehoben und auch an dem Lehrfache stark gerüttelt wurde, bekam ich manche blutende Wunde. Da dem Fortbestande des Lehrerstandes ein Ende zu machen, der Beschluss gefasst wurde, den Lehrern die Verehelichung zu verbieten, war dieses meinen lieben Eggern eine ungemein willkommene Sache. Sie, welche schon seit Jahrzehnten diesen Antrag hinter der Maske zum Teile versteckt herumtrugen, wagten es nun öffentlich zu sagen: dass sie mich nicht heiraten ließen, und dass dieses die größte Pein sei, die man mir anzutun vermöge. Auch fehlte es nicht an witzigen, beißenden und spottmäßigen Anspielungen, die ich zu „verschlucken“ bekam.
83) Wer meine Schule vorher kannte und dieselbe im gegenwärtigen Zeitpunkte genau ins Auge fasste, wurde natürlich gedrängt, mit den Worten der Schrift nachzufragen: Wessen ist nun dieses Bild?
84) Obschon die Schule der Gegenwart im Gegensatze mit der früheren keinen Vergleich aushalten konnte, so äußerten doch meine vorgesetzten Schulinspektoren ihre volle Zufriedenheit.
85) Im Laufe des Jahres 1849/50 wurden auch in unserem Dekanate Lehrerkonferenzen gehalten. Sie hatten die Bestimmung, das aus den Fugen gehende Lehrgebäude zusammenzukitten. Allein sie erlitten das Schicksal der Land- und Reichstage, wo man statt zusammenleimen nur noch viel größere Risse macht.
86) Bei unseren Konferenzen, die abwechselnd in Innichen und Sillian abgehalten wurden, wurde geschrien, geschrieben und beraten über Lehrfach, über Besoldung und über Verhältnis der Schule zu Staat und Kirche. Ich will nicht sprechen von dem, wie ich selbst mich dabei geäußert habe. Ich lasse darüber meinen damaligen Probst Franz Jos. Rudigier urteilen, der mir schriftlich bestätigte, dass ich in der ganzen Gehaltsfrage eine höchst würdige Haltung bewiesen habe, und der mir in Erledigung des Final-Schulberichtes pro 1849/50 vom Herrn K. K. Kreispräsidenten zu Brixen, Graf Otto von Fünfkirchen, die Erteilung eines Belobigungsdekretes verwirkte.
87) Im Frühjahr (Karwoche) des Jahres 1851 unternahm ich eine Reise in Familienangelegenheiten nach Brixen. Unser damaliger Hw. Herr Kurat Anton Kofler, der in Ansehung der Ablösung sehr grämlich wurde und dem das Dableiben in Untertilliach eben darum zur Last wurde, betraute mich mit der Aufgabe, beim Hw. F. B. Consistorium die Anfrage zu stellen, ob er keineswegs Aussicht habe, die damals erledigte Kuratie in Strassen zu bekommen.
88) Franz Josef Rudigier, der schon seit einiger Zeit zur Würde eines Regens im F. B. Seminar zu Brixen erhoben ward und der immer noch mein vertrauter Freund blieb und mit mir beständigen Briefwechsel unterhielt, sagte im Vertrauen zu mir: Herr Kofler soll auf die Kuratie Strassen nur anhalten, er wird immer ein sehr starker Kompetent sein, dann kann die Gemeinde, wenn sie nur ablösen will, eine Erfahrung machen; man wird den Posten einstweilen unbesetzt lassen.
89) Die Gemeinde witterte das Übel und begann „zum Kreuze zu kriechen“. Sie bedurfte dazu eines Vermittlers und ersah mich zu diesem Zwecke vollkommen geeignet. Sie schickte mir sogar während des Mähens eine Deputation mit glänzenden Verheißungen auf die Alpe hinauf. Ich, der ich ehemals wohlmeinend zu tauben Ohren gesprochen hatte, ließ mich nun zu keinem Werkzeuge mehr gebrauchen. Dass durch mein abschlägiges Benehmen unsere Gemüter einander noch mehr entfremdet wurden, ist leicht zu begreifen.
90) Herr Kurat Anton Kofler kam weg und dafür kam am 5. September 1851 Joh. Steiner hier an. Er war ein Mann gerade und ohne Falschheit. Allein seine allzu große und unbehutsame Offenherzigkeit und seine Zumutungen verursachten in und an mir vielen Kummer. Erst musste ich mich zum Sammler für eine Schutzengelstatue gebrauchen lassen. In der Folge bediente er sich meiner als eines Werkzeuges, damit in der Egger Kapelle eine Messe gelesen wurde. Ich ersuchte mittelst eines Schreibens den Hw. Weihbischof in Vorarlberg, Georg Prinster, um eine Beihilfe, und er spendete gutmütigst 30 fl.
91) Da man im Verlaufe des Winters 1851/52 mit Eifer an der Vorbereitung zur Benediktion der Kapelle in Eggen arbeitete, fingen die mir abgeneigten Herzen sich wieder an mich zu schließen an, und auch der Unterricht konnte wieder besser gedeihen; allein es war nur von kurzer Dauer: die Gemeinde wollte mir den Mesnerdienst und mit diesem auch das noch nie stattgehabte stundenlange und unbewährte Wetterläuten aufbürden. Als ich ihr aber die Gründe, warum ich solches ablehnen müsse, auseinandersetzte, wurde der Riss zwischen uns wieder aufs Neue gespaltet.
92) Ich machte in der Bittwoche 1852 wieder eine Reise nach Brixen, um einen Kelch für die Kapelle weihen zu lassen, hielt eine interessante Unterredung mit meinem lieben Rudigier und kehrte dann sehr besorgt nach Hause zurück, wo mein Vater schon seit einiger Zeit an das Krankenlager geheftet war.- Ein Einsegnung der Kapelle bediente ich den Hw. Herrn Probst bei seinen kirchlichen Funktionen, wo hernach auch die Schulvisitation abgehalten wurde. Diese Ereignisse fielen auf den 25. Mai 1852.
93) Am 6. Juli gingen ich und der Hw. Herr Kurat nach Lienz, um für die Kirche St. Ingenuin eine von den Dominikanerinnen daselbst weggelegte Orgel anzukaufen. Während dem Verlauf dieser Reise offenbarte mir der Herr Kurat seinen Hang, den seelsorglichen Sitz von St. Jenwein nach St. Florian zu übertragen, und dass er zu diesem Ende, um die Egger einigermaßen schadlos zu halten, ihnen zur Einsegnung der Kapelle behilflich gewesen sei. Ich schauderte vor diesem Entschlusse, denn ich kannte die ganze Tragweite dieses Schrittes und mir stotterte die Sprache.
94) In diesem Jahre war mein größtes Leiden, meinen guten Vater krank zu sehen. Ich vergaß alle Mühseligkeiten, Betrübnisse und Verachtungen, wenn ich den Duldermut meines leidenden Vaters am Krankenlage betrachtete. Ich brachte meine Muße, welche ich anderen Geschäften abgewinnen konnte, in der einsamen Kammer und am Krankenlager meines Vaters zu. Ich härmte mich ab, betete und las Erbauungsbücher. Wenn ich alle meine Seelenkräfte in einer strengen Sammlung zu halten mich bestrebte, so verlor ich mich doch bisweilen während des Unterrichtes ganz und träumte nur von meinem kranken Vater.
95) Es kam der 28. April 1853, und ich wurde vom K. K. Steueramte in Sillian aufgefordert, um dort die Behebung einer Remuneration für Abhaltung der Wiederholungsschule zu bewerkstelligen. Mit Bangigkeit trat ich die Reise an, indem ich fürchtete, dass mein Vater der Auflösung nahe sei. Am Abend des 29. April 1853 kehrte ich nach Hause zurück, nachdem mein Vater um die erste Nachmittagsstunde desselben Tages nach einer 355-tägigen Krankheit in einem Alter von 85 Jahren verschieden war. R. i. P.!
96) Bei dringender Feldarbeit blieb mir keine andere Wahl übrig, als den Sarg für die entseelte Hülle meines Vaters mit eigenen Händen zu verfertigen und denselben hineinzulegen, nachdem ich sein Gebetbuch, das während seiner gesunden Tage seine Freude war, unter sein ruhendes Haupt gelegt hatte. Am 1. Mai 1853 nachmittags, bei seinem Leichenbegängnis (es war ein Sonntag) war eine solche Menge Volkes auch von Obertilliach und Luggau gegenwärtig, wie es seit Menschengedenken in St. Jenewein noch nie stattgefunden hatte.
97) In den Jahren 1849/50/51/52 hatte ich mich auf dringendes Bitten der Nachbarn als Sägschneider brauchen lassen. Nachdem aber mein Vater gestorben war, so ekelte mir vor jeder Arbeit, und ich sehnte mich, in die Gesellschaft meines Vaters aufgenommen zu werden. Notgedrungen gewährte ich der Gemeinde noch die Bitte, im Jahre 1853 Sägschneider zu bleiben.
98) Seelsorger und Lehrer stehen in so natürlicher Verbindung miteinander, dass das Wohl des einen ohne Einfluss des anderen schwer bestehen kann. Ich hatte es mir daher zur Aufgabe gemacht, mich immer der Leitung meines Seelsorgers anheimzustellen. Meine Lage wurde daher von Tag zu Tag kritischer, je mehr die Reibungen der zwei, dem Seelsorger sich anschließenden und der ihm entgegenstehenden Parteien, zunahm.
99) Auf meine erste kategorische Aufforderung zur Abstimmung für oder gegen Übersetzung der Kuratie, sagte ich trotzdem, indem ich die Charakterlosigkeit meiner Nachbarn genau kannte, dass sich fünf derselben bestimmt geäußert hatten, sie sähen einen Seelsorger lieber in St. Florian. So fürchtete ich sehr, es möchten bei derlei gemachten Anträgen die Auftritte der 80-er-Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückkehren, wo es an nötigen Geldmitteln und an Gemeinsinn fehle, dass der Platz, worauf die Florianskirche steht, vermög Entscheidung einer stattgehaltenen Kommission an einer sehr der Gefahr ausgesetzten Stelle sei, vom Nieschenbache ruiniert zu werden, und endlich, was man denn mit der St. Jenwein-Kirche, die auf diese Weise herabgewürdigt werde, und mit dem Friedhofe daselbst tun wolle.
100) Meine Einwendungen und Argumente wurden mit religiösen, mit profanen, mit einseitigen und mit ränkesüchtigen Gegenwortstellungen dergestalt über einen Haufen geworfen, dass ich es nie wieder wagte, in die Schranken zu treten.
101) Müde von den scheelen Blicken der Schulbehörde und mancher Geistlicher fing ich an, eine strenge Neutralität zu beobachten, nachdem ich geraume Zeit vorher eine diesen Gegenstand behandelnde Schutzschrift an das F. B. Consistorium abgegeben hatte.
102) Durch dieses Benehmen lud ich mir beide Parteien auf den Rücken, denn jede argwohnte von mir, ich gehöre zur entgegengesetzten Partei. Ja, selbst der Hw. Herr Kurat legte einen Verdacht auf mich und stellte mich auf eine entscheidende Probe, indem er im August 1854 zum kaiserlichen Anlehen aus disponiblem Kirchenvermögen 150 fl Cmze eintragen ließ und die hiefür entfallenen 5/oo Interesse zur Schule in St. Florian resp. für den dortigen Lehrer verordnete. Ein Egger war damals Gemeindevorsteher, sowohl er als der Ortsschulaufseher in Eggen gaben sehr gerne ihre Zustimmung, nur damit ich nicht zu fett würde.
103) Über dieses Vorgehen wurde selbst der damalige Bezirkshauptmann in Lienz mit Namen Resbacher sehr entrüstet.
104) Von dieser Zeit an suchte ich Gelegenheit, mein Dasein auf eine andere Weise als durch das karge und noch dazu allseitig beneidete und lästig gemachte Schulhalten zu fristen. Ich blickte daher seitwärts, ob nicht irgend ein kleines Anwesen zu kaufen sei, worauf ich mich in Zurückgezogenheit ganz meinem Heile widmen konnte. Je mehr ich nach solchen Gelegenheiten mich umsah, desto seltener wurden sie und umso mehr wurde ich mit privaten und Gemeindeangelegenheiten bestürmt.
105) Im November 1855 starb Georg Pranter, Wirt auf der Wacht. Seine unverlässlichen Aufschreibungen wurden mir zur Berichtigung vorgelegt. Froh konnte ich sein, dass ich mit diesem Stück Arbeit und mit den mit den Leuten abzuschließenden Rechnungen nebst meinen Schulgeschäften im Verlaufe dieses Winter fertig wurde.
106) Da ich im Frühjahr 1855 dem Johann Pranter, Zimmerschach, 480 fl lieh, und er mir keine hinreichende Hypothek auszustellen vermochte, sondern nur einen Schuldschein zu Handen stellte, so suchte er, da er ein verschmitzter und lügenhafter Politikus war, mich nach und nach in die Schlinge zu locken, dass ich sein Eidam werden möge: Die Erträgnisse seines Besitztums schlug er zweimal so hoch an, als sie wirklich waren, Schulden verhehlte er. Und sein Erwerbe, seine Tüchtigkeit dazu und seinen regen Eifer in denselben wusste er so zu schildern und allem überhaupt so eine glänzende Außenseite zu geben, dass ein Unbefangener, wie ich es war, wirklich glauben musste, es könne nicht fehlen, wenn ich mit ihm einen Vertrag abschlösse. Bei allen seinen lockenden Vorstellungen gebrauchte er noch diese List, dass er mich zu einer ehelichen Verbindung mit seiner Tochter bewog, ehe wir noch die käuflichen Bedingnisse ins Reine gebracht hatten.
107) Kaum war ich verehelicht, so merkte ich, dass mich der alte Betrüger in die Falle gezogen habe. Ich musste die alten Leute ernähren und kleiden, ihnen zwei Viertel Roggen, zwei Viertel Weizen, vier Viertel Schmalz, täglich ein Seidl Milch und zwei fl als Zehrpfennig nebst drei fl Zins jährlich geben.
108) Nebst diesen kam der Kaufpreis mit Einschluss der Taxen auf 1.400 fl. Die alten Leute sollten zwar zu meinem Nutzen zur Arbeit verbunden sein, allein der Alte keuchte, jammerte, seufzte, krümmte und schonte sich so verstellt, dass seine Arbeit mir mehr eine Last als eine Hilfe war. Ja, er war ein „Ohrenbläser“ und ließ sich sogar zu Sinne kommen, sich zu äußern, wieviel er mir noch geschenkt habe.
109) Nach meiner Verehelichung, Montag, 31. März 1856, wurde unterm 22. April die Schulvisitation wieder mit gewöhnlicher Zufriedenheit abgehalten. Bei dieser Gelegenheit erinnerte Herr Probst Heidegger die Nachbarn an ihre gemachten und noch nicht erfüllten Versprechungen. Sie hatten nämlich unterm 30. April 1850 dem Probst Rudigier versprochen, den Gehalt des Lehrers durch eine neue Aussteckung in etwas zu verbessern. Sie kamen also schnell nach wiederholter Mahnung ihrem Versprechen nach und überließen mir als Lehrer das sogenannte „Mösele“, welches ich sodann in den letzten Tagen des Monats April einzäunte und ausräumte.
110) Kaum war dieses geschehen, so zogen sich schon wieder schwere Gewitterwolken zusammen. Die Niederegger gerieten mit den Obereggern in Streit, und bei diesem Streite drohte Josef Obererlacher, Erschbaumer, die neue „Aussteckung“ wieder zu vernichten und den Zaun niederzureißen.
111) Da sich die Parteien nicht einigen konnten, so machten die Oberegger eine neue „Zusteckung“ mit dem Ansinnen an mich, ich sollte, da der Mesnerdienst gewechselt wurde, wenn die Reihe an sie käme, diesen Dienst versehen. Ich lehnte diesen Antrag entschieden ab, indem ich denselben bevorab des mit Ungestüm verlangte Wetterläuten als mit meiner dermaligen possesionellen Stellung als nicht vereinbar erklärte. Doch gab ich endlich das Wort, dass ich, wenn keine unübersteiglichen Hindernisse eintreten, den Mesnerdienst zu jener Zeit versehen wolle, wenn in der Kapelle eine hl. Messe gelesen würde.
112) In diesem Frühjahr wurden ganz gleichzeitig der Widum in St. Florian und der Turm zu Eggen erbaut. Es war dieses die eigentliche Epoche, wo die Spaltung in den Vordergrund trat und wo ich allseitig zu einer Abstimmung gedrängt wurde. Ich konnte bei allen Vorstellungen des „für und wider“ nie ins Reine kommen, ob und zu welcher Partei ich mich anschließen sollte. Daher blieb ich bei meiner vorgefassten Neutralität und setzte es mir in den Kopf, mich ganz und ohne Ausnahme dem Hw. F. B. Consistorium zur Verfügung zu stellen.
113) Mit diesem meinen Verhalten stellte ich keine Partei zufrieden, sondern entzündete den Hass jeder, vorzüglich der Konservativen noch heftiger. Da ich als Lehrer sehr oft mich mit dem Kuraten in Berührung setzen musste und manchesmal dessen Gesellschaft, da ich überhaupt ein Freund der Geistlichen war, aufsuchte, so war dieses mein Benehmen schon strafwürdig genug, mich zu verdächtigen, mich zu belauern, mir nie gesprochene Worte in den Sack zu schieben, mich zu verleumden und mich zum Auswurfe der Gemeinde zu machen.
114) Ich wurde sehr niedergebeugt, doch nie mutlos, denn der Herr stärkte mich, um mich noch auf Tage größerer Leiden aufzubewahren. Er sah in seiner Allwissenheit meine vielen und noch nicht gebüßten Sünden und meine Anhänglichkeit an das Irdische. Er wollte mich in der Trübsal bewähren, um mich zum Abschiede auf dieser Welt gefasst zu machen.
115) Der Winter jedoch war nicht so sehr betrübend, denn die Kleinen klammerten sich innig an mich an, und ich hütete mich sorgfältigst, ja wohl nie durch eine nur leise Rede die giftige Wunde der Untertilliacher zu berühren. Am 6. Jänner 1957 wurde mir ein Sohn geboren. Ich nannte ihn, weil er mein Erstgeborener war, nach meinem Namen, nämlich Kaspar. Mit Liebe und Wehmut blickte ich auf denselben und hatte seinetwegen große Sorgen.
116) Bei den alljährlich üblichen Anhalten um Forstprodukte würdigte mich mein nächster Verwandter und Nachbar, ein Egger, in meiner Abwesenheit so sehr herunter, dass ich mich nachgehends scheuen musste, in Gegenwart anderer Leute zu erscheinen.
117) Bei Auszeichnung der Sagstöcke durch die Waldhüter bemerkten mir ein Förster und ein Bauer, dass ich kein Recht habe, Holz zu beziehen, und nach meiner Entfernung zogen alle so niederträchtig und beschämend gegen mich los, dass es nicht zu beschreiben ist.
118) Um diese Zeit fanden Parteiversammlungen aller Art statt, Deputationen wurden nach Brixen geschickt, und im Finstern wurden Ränke geschmiedet. Allein alles geschah, um den Unfrieden nicht zu beseitigen, sondern geflissentlich zu nähren und mich immer mehr zu verdächtigen.
119) Am allgemeinen Kirchweihfeste musste ich von meinem Nachbar auf dem Kirchwege in Gegenwart mehrerer den Vorwurf hinnehmen, dass ich von den Ruhestörern einer der ersten sei und dass er mich „schneuzen“ wolle, dass ich es meine Lebtage nie vergessen würde.
120) Am Quatembersonntage begegnete mir ein ähnlicher, aber noch viel beißenderer Vorwurf von Johann Inwinkl, Ebner, indem ich zu seinen an mich gerichteten ungerechten Ansprüchen den Kopf schüttelte.
121) So lernte ich in diesem Jahre Welt und Menschen kennen. Es bewahrheitete sich, was ehemals dem Heiland begegnete, dass auch jene, welche manchesmal „Hosanna!“ rufen, doch auch im verkehrten Falle „Kreuzige ihn!“ zu schreien fähig sind.
122) Der Winter ging gut vorbei bis zum 12. Februar 1858, wo der Hw. Herr Kurat von St. Jenewein nach St. Florian übersiedelte. Von da an war eine Gärung in und außer der Schule, welche mich ehestens zu verderben im Sinne hatte. Alle Bezüge aus der Gemeinde wurden mir ganz verweigert.
123) Am 9. August 1858 wurde mir eine Tochter geboren, welche ich Maria Philomena nannte.
124) Da sich die Zeiten immer trüber gestalteten und ich kein Plätzchen finden konnte, worauf mein Haupt nur ein wenig ausruhen konnte, so fing der Gram an, nach und nach meine Kräfte aufzureiben und meine Gesundheit zu untergraben. Ich dachte: Mensch, du wirst bald zu Staub werden.
125) Schon das Schulhalten, noch mehr aber meine körperlichen Anstrengungen und die Forderungen der Gemeindeschreibereien nahmen mich hart her. Zudem verwundete ich mich im Frühjahr 1959 am linken Bein und ich musste daher durch drei volle Wochen das Bett hüten.
126) Am Herz-Jesu-Sonntag kaufte ich dem Josef Prinster, Ganner, ein Stück Wald ab, welcher am Eggenbach liegt, um 12 fl.
127) Mit Ende Juli 1859 reichte ich ein Bittgesuch an das K. K. Bezirksamt um Entscheidung meines Entforstungsrechtes, das ich zwar durch das Steuerkataster und durch Übergabsurkunden gehörig begründen konnte, welches aber von meinen Vorfahren nicht gehörig ausgeübt wurde. Bezirksvorsteher Klebelsberg forderte mich hiezu auf und versprach mit einen günstigen Erfolg. Allein vom Vorsteher Franz Moser, Felder, und von Josef Obererlacher, Erschbaumer, auf Einsprache der Egger Nachbarn irre geleitet, blieb mein Gesuch ohne Erledigung.
128) Dass die Egger nicht aus Leidenschaft oder Neid, sondern aus Waldmangel mein Gesuch hintertrieben, sieht man aus dem, dass sie mich, nachdem ich von meinem Schwager 40 „Fleggen“ zu schenken bekam, gleich zur Strafe zogen, wo hingegen sie hunderte von Klaftern Wald „ausräuteten“ und urbar machten und jedes Jahr viel Holz und häufig „Fleggen“ an die benachbarten Luggauer heimlich verkauften.
129) Ich war vom höchst weisen Schöpfer mit manchen geistigen Vorzügen ausgestattet, von denen ich nur die Gabe der Menschenkenntnis, welches Zeugnis mir auch mein ehemaliger Kurat Aichner feierlich ausstellte, hier erwähnen will. Allein gerade diese Gabe war es, welche das meiste beitrug, um mir mein Leben zu verbittern. Auch bei den verschlagensten und in allen Verstellungskünsten geübten Menschen wusste mein Scharfblick sehr schnell den Herzensgrund zu erkennen. Man kann es sich leicht denken, wie wehe es oft meinem Herzen tun musste, wenn ich hinter der Schmeichelei und Schöntuerei meiner Nachbarn nichts anderes als innerliche Schadenfreude, Neid, Verleumdung, Neckerei und Beeinträchtigung entdecken musste.
130) Die Oktobertage, welche ich immer in meinem Leben zu den glücklichsten zu rechnen pflege, erregten heuer nicht mehr jene gemütlichen Empfindungen wie ehemals. Mit einer gewissen Ängstlichkeit sah ich jenen Zeitpunkt heranrücken, wo ich gewöhnlich mich in mein Winterquartier in Zimmerschach zurückziehen sollte. Doch der Gedanke, dass wir hier keine bleibende Stätte haben, richtete mich wieder mächtig auf, und ich trat mit männlichem Mute das Schulgeschäft an.
131) Es war von jeher dahier der Missbrauch, Kinder schon vor ihrem bezeichneten Alter in die Schule zu schicken. Diese Kinder gaben mir in ihrer Unbehilflichkeit sehr vieles zu schaffen, und ich konnte nur mit Entrüstung auf Kinder hinblicken, die schon einige Schuljahre zurückgelegt und sich noch sehr wenige Kenntnisse erworben hatten. Ich suchte daher diese unzeitige Gewohnheit außer Übung zu bringen und verweigerte diesen Winter einem vierjährigen äußerst lebhaften Kinde den Schulbesuch und musste dafür Verleumdung und Grobheit ernten.
132) Im Frühjahr 1859 beschäftigte ich mich größtenteils mit Verbesserungen des Feldes in Zimmerschach. Die große Feldmauer ober dem Steig, welche von einem Ende des Feldes bis zum anderen sich erstreckt und welche ich die drei vorhergehenden Jahre mit der größten Anstrengung weggeräumt hatte, musste jetzt einem Acker Platz machen. Hügel grub ich ab, Höhlungen füllte ich an, eine ungeheure Steinmenge grub ich aus und verwendete sie zu Vorbauten sowohl beim Eggenbache wie auch beim Gailfluss.
133) Doch auch dieser Sommer sollte mir eine unerwartete Bescherung bringen. Ich hatte nämlich im Frühjahr 1855 ein im Jahre 1827 zum wüsten Sandboden gemachtes und seit dieser Zeit mit Gebüsch dicht bewachsenes Territorium, das den Serviten gehörte, mit deren Bewilligung unter großem Kraftaufwande urbar gemacht. Der Vertrag lautete, dass ich jene Novalia fünf Jahre nach geendeter Urbarmachung zu „genießen“ hätte. Doch ich weiß nicht, ob im Irrtum oder aus Vorurteil, der Hw. Pater Prior Amideus Grasser bedeutete mir schon in diesem Sommer, wo ich erst beschlossen hatte, im nächsten Herbst die letzte Kultur vorzunehmen, dass er auf nächstes Jahr benanntes Mahdfleck zu sich nehmen werde, was auch getreulich geschehen ist.
134) In diesem Frühjahr und Sommer wurde dahier die Detailvermessung vorgenommen. Aus der Lerchalpe wurde mir der östliche Teil zumappiert, nachdem ich schon im Jahre 1853 von dem eigennützigen Josef Hofer, Hofgartner, einen kränkenden Vorwurf und sehr viele Lästerworte anhören musste. Mein seliger Vater hatte diese Alpe im Jahre 1825 von Josef Hofer, Janser, um 70 fl gekauft und bis zum Jahre 1853 wurde selbe von uns und von unserem westlichen Anrainer wechselweise abgemäht.
135) Der Herbst und Winter war in diesem Jahr nicht so schauerlich, als ich fürchtete. Am 3. November 1859 wurde mir eine Tochter geboren, welche ich Ursula nannte. Ich dachte dadurch den Namen meiner Mutter und unserer Gevatterin zu verewigen.
136) Obgleich die Kinder von manchen Eltern gegen den Hw. Herrn Kurat und gegen mich aufgestachelt wurden, so verhütete es doch der Herr, dass ich in der Schule durchaus nicht Widersetzliches wahrnahm.
137) Das Jahr 1860 war im Anfange für mich voll wehmütiger Erinnerungen. Gleich einem abgelebten Greise schleppte ich meine sterbliche Hülle, nachlässig gekleidet, traurig umher und suchte geflissentlich einsame Orte, die mit meinem düsteren Geiste trefflich harmonierten, begierig auf. Ich, der ich vorher recht gesprächig, ja plauderhaft war und ganze Gesellschaften in heiterer Laune erhielt, fing an, ganz einsilbig und zurückhaltend zu werden. Ja, ich verlor oft am ganzen Wege zur Kirche oder auf dem Kirchplatze nicht ein einziges Wort.
138) Ich war von Jugend auf gewohnt, mich an edle Seelen fest anzuschließen und wählte hiezu immer einen Geistlichen. Aber wie bitter wurden mir diese Besuche in dieser Zeit. Überall lauerten argwöhnische und geschwätzige Menschen auf jeden meiner Besuche, und ich sah mich veranlasst, gleich einem Nikodemus die „Decke der Nacht“ zu gebrauchen, wo ich mich wieder vor meinem Seelsorger ganz „ausschütten“ konnte.
139) Es kam der Monat April 1860. Unser Hw. Herr Kurat erschien in der Schule, nahm rührenden Abschied von den Kindern und reiste am 16. April nach seinem Bestimmungsorte Meransen ab. Ich begleitete ihn bis „Hofgarten“ und empfing daselbst auf dem Wege kniend den priesterlichen Segen für mich, für mein Haus und für alle meine Nachkommen. Zugleich gaben wir einander das Versprechen, füreinander zu beten. Etwas Ähnliches tat schon im Jahre 1850 am 28. August Franz Josef Rudigier, damaliger Probst in Innichen, wo ich ihm, als er im Begriffe war, als Regens nach Brixen übersetzt zu werden, von ihm Abschied nahm und ihm prophetisch die bischöfliche Würde voraussagte, welche er auch wirklich am 19. Juni 1853 erhalten hat.
140) Am 20. April abends ging ich in Beisein des damaligen Vorstehers Franz Moser bis Hofgarten, unserem neu zu erwartenden Kuraten Thomas Gatterer entgegen. Er war sehr teilnehmend und freundlich. Doch dessen ungeachtet, bemerkte ich gleich eine gewisse Einsilbigkeit gegen mich, was wohl hierin seine Erklärung finden kann, weil er schon im Voraus gegen mich von anderen umgestimmt wurde. Allein binnen kurzer Zeit wurde er gegen mich zutraulich, offenherzig und wohlwollend, und ich fing schon an, wieder von einer glücklichen Zeit zu träumen, wo Hirt, Herde und Lehrer nur einen Geist atmen würden. Allein ich täuschte mich.
141) Gatterer war ein Mann von geradem und unerforschlichem Charakter. Er konnte sich daher, um sich nicht in das verderbliche Netz der Zwietracht in Untertilliach zu verstricken, keinem Menschen anvertrauen. Doch wähnten anfänglich die Egger immer, dass er ihnen mit völliger Seele zugetan sei. Sie taten daher wieder alles, um mich zu untergraben. Es war ihnen nicht genug, dass ihre Kühe, Ochsen, Kälber und
Schafe den mir zum Mähen bestimmten Platz am „Lotter“ und an der „Bockrast“ abgrasten. Sie taten für heuer auch zwei Pferde hinein, was sie sonst wohl früher zu meinem Kummer getan hatten.-
Um Laurenzi machte ich einen Ausflug in das Drautal zu meinem Schwager Thomas, wo ich mit viel Teilnahme aufgenommen wurde. Doch ich wäre bald auf dieser Reise einem unvorhergesehenen Zufalle erlegen.
142) Die Herbsttage dieses Jahres verflossen für mich ohne große Enttäuschungen. Ich harrte mit bangen Ahnungen dem Winter entgegen und traf wie gewöhnlich alle mögliche Vorsicht, damit er mich nicht unvorbereitet überfalle. Beten war für mich die einzige Stütze, worauf ich mich verlassen konnte.
143) Der Schulanfang war nicht sehr erfreulich, denn der Schulbesuch wurde sehr nachlässig eingehalten. Ich hatte wohl auch lauter „Eselsköpfe“ zu Zöglingen, an denen kein Unterricht fruchten wollte.
144) Zu diesem meinen Elende gesellte sich noch eine Verleumdung in betreff des Geilergutes, welches zu kaufen ich nie gesonnen und wegen welches ich nie ein Wort gesprochen hatte. Lange ahndete ich es nicht, warum die Leute mit scheelen Augen auf mich stierten. Allein eine aufrichtige Seele entdeckte mir, dass das von den Eggern für mich bereitete Grab schon offen stehe und dass schon ein Individuum bestimmt sei, um meinen Platz einzunehmen.- Also war das Jahr 1861 beschaffen.
145) Am Pfingstsamstage bei Gelegenheit der Forsttagsatzung wurde von Josef Obererlacher und Bartlmä Fritzer in Gegenwart der Gemeinde ganz leidenschaftlich meine Person „durchgezogen“, dass es eine Schande war. Es wurde mir bei dieser Gelegenheit zum wiederholten Male der Bezug der Forstprodukte verweigert.
146) Im Gegenteile aber stellte mir der Hw. Herr Kurat Gatterer schon neun Tage vorher, das ist am Christi Himmelfahrtstage, das ehrenvollste Zeugnis aus, und Probst Heidegger empfahl mich nachdrucksamst bei der geeigneten Behörde einer Remuneration zur Abhaltung der Sonntagsschule.
147) Ein körperliches Leiden, welches wohl die Folge der erlittenen Strapazen und der harten Arbeit war, quälte mich heftig durch den ganzen Verlauf des Sommers, nämlich das Kreuz und Rückenmark; meine einzigen Erholungen waren das Lesen der christlichen Baukunst und der Bücher aus dem katholischen Kirchenleben von Beda Weber, wie auch die Bücher von Galileis Weltkunde.
148) Schon hatte der Monat April geendet, und der 1. September war angebrochen, als Peter Neumair, Lehrer von Oberlienz, aus eigenem Antriebe sich der gedrückten Lage der Lehrer annahm und alle Gauen des Kronlandes Tirol durchlief und Unterschriften sammelte, welche eine Gehaltserhöhung bewirken sollten und welche zu diesem Ende S. K. K. ap. Majestät vorgelegt werden sollten. Er verlangte im Falle des Gelingens den ersten fließenden Gehalterhöhungsbeitrag, widrigenfalls aber nichts.
149) Mit Bangigkeit erwartete ich den Schulanfang und empfahl meine schwere Aufgabe dem lieben Schöpfer. Ich sah mich um einen Menschen um, auf den ich mich stützen konnte. Allein zu dieser Zeit war keiner für mich.
150) Die Schule ist mein von Gott und Natur mir zugewiesener Wirkungskreis. Dieser widme ich mich aus allen Kräften, und der Herr lenkt meine Bemühungen zum Heile für viele. Obgleich Bartlmä Fritzer mir eine arge Falle aufrichtete und mich verschrie, so besaß ich doch großes Zutrauen bei den meisten dergestalt, dass mir sowohl von St. Jenewein als auch von Luggau Zöglinge zugeschickt wurden.
151) Es war dies der dreiunddreißigste Winter, wo ich in der Schule zu Eggen als Lehrer fungierte. Bei diesem Amte gibt es so manche Freuden für den Lehrer, allein die Leiden und Sorgen desselben sind unendlich größer, zumal wenn die Kinder unbiegsam, unaufmerksam und gegen väterliche Ermahnungen gleichgültig sind, wie dieses besonders heuer der Fall ist. Auch der Schulbesuch war nie so nachlässig eingehalten wie heuer.
152) Gedrungen von Hw. Herrn Kuraten musste ich für Franz Moser ein Gesuch um Dispenserwirkung vom apostolischen Stuhle ausstellen. Er wünschte nämlich, seines verstorbenen Weibes Schwester zu ehelichen.- Ich tat es ungerne.
153) In diesem Winter hatte ich bezüglich des nachlässigen Schulbesuches eine schwere Aufgabe, indem es der Hw. Herr Kurat gar nie rügte, wenn auch ein Drittel von Schülern abwesend waren.
154) Die Feiertagsschüler leisten mir, Gott sei Dank, reichlichen Ersatz für alle meine Leiden. Sie sind fleißig, lernbegierig und brav.
155) Am 11. Februar 1862 wurde mir eine Tochter geboren. Ich gab ihr den Namen Theresia Katharina und empfahl dieselbe diesen zwei großen Schutzheiligen.
156) Auf einer Reise nach Winnebach sagte mir ein sehr junger, aber ganz reifer Priester: In unseren Tagen leiden die Vorgesetzten an Menschenfurcht. Ich konnte nicht anders, als aus Überzeugung diesen Ausspruch bestätigen.
157) Die Forsttagsatzung am 22. März brachte für mich die gewöhnlichen Früchte: Verleumdung, Anschuldigung, Beeinträchtigung und Beschädigung an meinem Rechte musste ich erfahren. In der ganzen Gemeindeversammlung war nur ein einziger, der sich meiner Unterdrückung annahm.
158) Von Seite meines Schwiegervaters musste ich nach langen Anspielungen als Folge einer Ohrenbläserei meines Weibes am 30. und 31. März beißende Vorwürfe anhören.
159) Meine Wunden sind faul geworden vor dem Angesichte deines Zornes und deiner Ungnade, o Herr!
160) Mit einer heilsamen Erschütterung habe ich am 13. April die Feiertagsschule beschlossen. Alle waren mir mit ganzer Seele zugetan.
161) Am 17. April, Gründonnerstag, machte ich eine Reise nach Brixen. Ich erhielt bei dem Hochwürdigsten Fürstbischof und bei dem F. B. Schulrat Josef v. Comini eine Audienz, wobei auch die Übelstände in Untertilliach berührt wurden.
162) Auch auf Meransen und Reischach machte ich eine Gelegenheitsreise, wo ich von meinen ehemaligen Seelsorgern sehr freundlich aufgenommen wurde.
163) Auf dieser Reise gelangen alle meine Unternehmungen. Der Segen des Hw. Fürstbischofs und aller vorgenannten Geistlichen begleiteten mich.
164) Doch die Leiden, die den echten Jüngern Jesu bereitet sind, trafen auch mich. Ich musste wegen meiner Reise viele kränkende und höhnische Bemerkungen erfahren, besonders von jenen, die Feinde der Geistlichen waren.
165) In dieser Zeit wurde ich mehr als je von Kleinmut und innerlicher Trockenheit heimgesucht, so zwar, dass ich auch im Gebete keinen Trost empfand.
166) Die Weltliebe, die Pest des gegenwärtigen Zeitalters, bedrängt auch mich bald in dieser, bald in jener Gestalt und Form.- O Herr, gib, dass ich ihr nicht erliege! Mein Vetter Johann Prinster, Schneidergeselle, und dessen Begleiter Karl Guttenberg besuchten mich: Karl regte die Gefühle an, so zwar, dass ich in Ansehung der menschlichen Schicksale ungemeinen Wehmut empfand.
167) Die Schulvisitation durch Hw. Herrn Kurat Josef Jäger, Kurat von Obertilliach, hatte den gewöhnlichen Einfluss auf mich und auf die Schüler. Es war der 18. Juli, der Tag, an welchem ich mit innerlichen Stürmen gequält wurde.
168) Häusliche Zwiste zerreißen mein Inneres, und meine Hausgenossen sind meine Feinde.
169) Ich sah den ersten meiner Feinde zerschmettert auf der Erde kriechen, und Familien, die als Ursupatoren gelten, mit offener Schande bedeckt.
170) Auf alles gefasst und zu allem bereit, was du, o Herr, über mich verhängst, trete ich wieder, einige Schroffheiten erduldend, die Schule an.
171) Das werte Schreiben vom 25. November hat mich heute neu aufgefrischt.- Domscholaster Josef von Comini schreibt mir: Lasst euren Mut nicht sinken, wenn ihr bei Jugendbildung auf manche Dornen stoßt. 27. November.
172) Ich erhielt ein Schreiben von Sr. Bischöflichen Gnaden, dem Hw. F. Bischof von Brixen, Vinzenz Gasser, worin er meine Person rechtfertigt.- Du, o Herr, kennst mein Sitzen und mein Aufstehen. 18. Dezember 1862.
173) Eine Geschäftsreise nach Sillian am 3. Jänner 1863 gewährte mir einen tiefen Einblick in das geheime Treiben meiner Umgebung. Allein sie haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht.
174) Gerade heute lese ich in einem an mich gerichteten Schreiben: Es geschieht häufig, dass man in dem Becher der Mühe auch noch Wermut trinken muss. 8. Februar 1863.
175) Indem ich mich mit größerer Verwendung als je dem Schulfache widme, zerfleischen mich Lästerungen, weil von der H. Statthalterin eine Gehaltserhöhung angestrebt wird. 9. Februar.
176) Die Schulrealitäten werden von 20 fl jährlichen Ertrages auf 68 fl hinaufgeschätzt. Aus Liebe zum Frieden nahm ich diese hohe Schätzung an. Ein trockener Bissen im Frieden ist besser als ein Haus voll Schlachtopfer mit Zank.
177) Der 16. März ist düster in der Natur und auch in der Seele. Auf meinem Herzen liegt’s wie Zentner schwer.
178) Das Verderben macht Riesenschritte und bringt mich bereits zur Kleinmut. 17. April.
179) Am 21. April erhielt ich von Thomas Gatterer den priesterlichen Abschiedsegen und eine Erhärtung meiner Maßregeln.
180) Der 8. Mai ließ mich eine Verleumdung meinerseits hören, aber der Hw. Probst heilte meine Wunden.
181) Die Gewährung meiner Bitten um Beitrag und Remuneration gelangten an, die Schule ward beschlossen und die Schulvisitation am 8. Mai war günstig.
182) Schlaganfälle melden sich, die Gesundheit leidet, und der Körper eilt der Verwelkung entgegen.
183) Wegen eines feindseligen Betragens der Nachtschwärmer musste ich zur Verantwortung gezogen werden.
184) Am 22. Mai, bei Ankunft des Kuraten Georg Schmied fangen die Wunden auf ein Neues zu bluten an. Jeder schreit, weil jeder an dem schandvollen Gefechte Anteil haben will. Ich aber bin einem Pelikan in der Wüste gleich geworden.
185) Eine Reise nach Innichen am 14. Juni und eine zweite nach Lienz gereichten zu meiner Aufrichtung, indem Gesalbte des Herrn zu mir redeten.
186) Durch Verwendung des Hw. F. B. Ordinariates in Brixen erhielt ich eine Remuneration von 15 fl östl. Währung.
187) Ich habe im Monate Juli bedeutende Vorarbeiten für die Winterschule geliefert.
188) Am 13. August habe ich an das F. B. Consistorium eine Schulfassion eingereicht.
189) Josef von Comini, würdigster Domscholaster in Brixen, ehemals Probst in Innichen, schickte mir am 16. August ein Gebetbuch für Schulkinder und ein Aufmunterungsschreiben.
190) Ein Anblick einer zu Staub gewordenen irdischen Größe zermalmt meinen Geist, aber du, o Gott, wirst ein zerknirschtes Herz nicht verachten. 20. September.
191) Einer meiner nächsten Verwandten entwendete vor dem K. K. Bezirksamte eines meiner Schulbeilagen und betrog und verhöhnte mich.
192) Mein eigenes Weib verleumdete und lästerte mich grenzenlos.
193) Meine Familie ist kränklich, nichts Gesundes ist an meinem Fleische und in meiner Beklemmung schrieb ich an den Hw. F. Bischof Vinzenz.
194) Die Verhärtung meiner blinden neun Nachbarn macht mir Kummer, und meine körperlichen Leiden erregen Befürchtungen.
195) Bei den Werktagsschülern fällt mein Wort auf Felsen, hingegen verschlingen die Wiederholungsschüler sehr begierig meine Lehren. 3. Jänner 1864.
196) Am 24. Jänner 1864 erntete ich von meinen Bemühungen in der Schule einige Früchte, die mich jedoch zittern machen.- Einer von meinen und meines Vaters Missgönnern liegt in der Grube.
197) Die austretenden Werktagsschüler sind zügellos, und die einstehenden leichtsinnig. O Herr, lasse doch meinen Unterricht nicht verloren sein!
198) Ich verrichte meine Standespflicht nur mechanisch, ich strebe nach Interesse und nach Belebung von oben, allein die Stunde der Erhörung ist noch nicht gekommen.
199) Ein Kopfweh macht mich zu meinen Standespflichten völlig unfähig. 3. März 1864.
200) Georg Schmied, Kurat von hier, besuchte am 2. April die hiesige Feiertagsschule, belobte mich und die Schüler, zeigte eine außerordentliche Zufriedenheit und sagte, dass er schon in Brixen noch vor seiner Ankunft dahier von dieser Schule viel Rühmliches gehört habe.
201) Mein Gefühlvermögen wird immer zarter, und das eintretende Alter fängt schon manchmal an, hie und da an einem meiner Glieder anzuklopfen.
202) Trübe Aussichten und bange Ahnungen lähmen meine Zunge, und die Blindheit meiner Zeitgenossen geht mir sehr nahe zu Herzen.
203) Der Text: „Redde rationem villicationis tuae!“ tönt ergreifend in meinen Ohren und scheint eine Aufmunterung zur Todesvorbereitung zu sein. 10. Juli 1864.
204) Eine Badekur frischt meine und meines Sohnes Gesundheit wieder ein wenig auf.
205) Am 19. Juli 1864 abends um halb neun Uhr starb nach vierwöchiger geduldiger Krankheit während des Abendrosenkranzes mein liebstes Kind Theresia Katharina. An einem Erchtag (Dienstag), am 11. Februar 1862 abends um halb neun Uhr ward es geboren, auf einen Erchtag fiel ihr Todestag.
206) Mein körperliches Unwohlsein macht mich mürrisch, und die Unachtsamkeit und manche Unarten meiner Kinder machen mich für die Zukunft zittern.
207) Ein großes Stück Arbeit in Abwägung des durch den am 2. August durch Hagel angerichteten Schadens nahm meine Kräfte durch zwei Wochen hindurch bei Tag und Nacht so sehr in Anspruch, dass Kopf- und Brustweh mich schmerzlich plagten.
208) Es kommt Hilfe, doch nur auf kurze Zeit, denn das Andenken an den Tod meines geliebten Kindes durchbohrt immer lebendiger mein Inneres. O liebes Kind, bitte für mich!
209) Der Schulanfang am 14. November brachte meinem Herzen Freude, nachdem mich drei Tage vorher Hw. Probst Brunner, Canonicus Haan und andere zu meinem kraftverzehrenden Berufe durch begeisternde Zusprüche aufgemuntert hatten.
210) Einer meiner gefährlichsten Feinde wurde unvermutet gegen mich wohltätig.
211) Der Fortschritt im Lernen bringt meinem kummervollen Herzen wieder einigen Trost. Todesfall eines Verführers! 11. Dezember 1864.
212) Undankbarkeit meiner Schüler gewährt mir düstere Aussichten. 31. Dezember 1864.


Anno 1865

213) Schlagwörter der Zeit, glaubenslose Grundsätze, Lüsternheit der Weltmenschen belehren mich, mein Leben nach den strengsten Grundsätzen der christlichen Moral einzurichten.
214) Herr, rette uns, wir gehen zugrunde, weil unsere Gläubiger uns Fallstricke legen!
215) Mein Jugendlehrer, Fr. Aichner, scheidet von dieser Erde am 14. Februar abends. O Herr, gib ihm die ewige Ruhe!
216) Wetterwenderische Menschen bereiten mir Fallstricke.
217) Brustbeklemmungen, gefährliche Katarrhe, Kopfschmerzen und Seitenstechen plagen mich schon seit mehr als einem Jahr. Ich ahne einen – o Herr, stehe mir zur Seite!
218) Am 16. März kaufte ich Untererschbaum und verkaufte zugleich den Zimmerschach. Mein Käufer, Andrä Prinster, stand im Handel zweimal zurück und trieb mich so in die Enge, dass ich ihm 200 fl östl. Währung nachlassen musste. Er verleumdete mich überall und drohte mir sogar, noch eine „Fallstricke“ zu legen.
219) Am 18. April bezog ich das Wohnhaus am Untererschbaum, und am 19. April ließ ich es durch Hw. Seelsorger einsegnen.
220) Thomas Tiefenbacher, der das Vieh am Untererschbaum unter der Bedingung kaufte, es am Erschbaumerhofe aufzufüttern, um den Dünger in das benannte Gut zu bringen, führte in meiner Abwesenheit sieben Fuder Futter und eine Menge „Blissen“ fort.
221) Johann Pranter, Thomas und Andrä Pranter suchen mit allem Eifer, mich um mein Vermögen und meine Freiheit zu bringen.
222) O Herr! Du bist gerecht, und gerecht ist dein Urteil, weil du meinen Sünden deine Strafe auf den Fuß nachfolgen lässt und micht mit Gewalt an dich reißen willst.
223) Zerwürfnisse meiner Dienstboten machen meine Kinder unempfindlich und mich niedergeschlagen.
224) Der erkaltete Eifer der Christen und die Vermissung des Gemeinsinnes erzeugen den Ruin der menschlichen Gesellschaft.
225) Nach vielen vergnügten Tagen kommt ein nasskalter Herbstabend über mich und macht mich frösteln.- Am 23. September 1865 wurde mir eine Tochter geboren. Ich nannte sie Katharina .
226) Trockene Dezembertage und teilnahmslose Herzen; jedoch auch diese werden in der meisterhaften Hand Gottes zum Arzneimittel für mich.

Anno 1866

227) Mens sana in corpore sano; aber bei mir geschieht das Gegenteil.
228) Der 15. Jänner gab der Schule neue Hoffnungen, indem die Einzäunung des „Lotters“ vor Gericht protokolliert wurde.
229) Zwei dreiste und trotzige Rindviehhalter hintertrieben aus Neid die Einzäunung des „Lotters“ und läuten über mich die „Schmähglocken“.
230) Die auf mich gefallene Ausschusswahl habe ich am 4. Mai aus wichtigen Gründen abgelehnt.
231) Der Fortgenuss eines Schulfondbeitrages wurde mir bewilligt und die Abhaltung einer Sommerschule gewünscht.
232) Zwei Kollegen wurden zu den Vätern versammelt, und ich muss ihre Hefe ausschlürfen.
233) Ein Kind wurde mir geboren, und das böse Weib übersättiget mich mit Schmähungen.
234) Ich werde von Brustbeklemmung hart mitgenommen. Meine von Gott gesegneten Geschäfte werden beneidet.
235) Ich habe die nächsten Verwandten zu Dienstboten, und gerade diese sinnen auf mein Verderben und verleumden mich. Sie sind untüchtig zur Arbeit und lachen sich in die Faust, wenn ich über meine Kräfte arbeiten muss.
236) Der Untererschbaumerhof, welcher am 16. März 1865 von mir um einen Preis von 4.700 fl und 10 Napoleontaler gekauft wurde, wurde auch von mir bis Laurenzi 1866 bar bezahlt, was wohl meinen Neidern und besonders meinem Weibe ein Dorn im Auge war.

Anno 1867

237) Ich bin gewohnt, die Freuden der Erde, die mich zuweilen ziemlich in Anspruch nahmen, als sichere Vorboten nahe bevorstehender Seelenleiden anzusehen, und das traf gerade jetzt ein.- Das Gedeihen eines Kindes gewährte mir einen lieblichen Anblick – aber kurz darauf schlug die Krankheit und das Hinwelken eines anderen meiner Seele eine brennende Wunde.
238) Die Schulkinder zeigen gegen den Religionsunterricht geringe Empfänglichkeit.
239) Mein nächster Nachbar, der „mel in ore und fel in corde“ hat, suchte mich im Viehhandel von den zeitlichen Gütern zu befreien.
240) Ein Beitrag aus dem tirol. Unterstützungsfonds für karg dotierte Lehrer beehrte mich am 10. Juni mit 18 fl öst. Währung und frischte mich zu neuem Berufseifer auf.
241) Hände, die mich unsanft berührten, oder vielmehr unbezähmte Zungen heilten meine allzu große Aufrichtigkeit.
242) Auf der Wallfahrt nach Hollbruck quälte mich eine Brustbeklemmung, und eine ungekannte Ohnmacht ließ mich die nahe Auflösung ahnen.
243) Schulangelegenheiten erfreuen und martern meine Seele.
244) Eine gesegnete Ernte muntert mich zur Dankbarkeit auf, und die Gesundheit meiner Kinder macht mir Freude.
245) Unpässlichkeiten, widrige Zufälle und eine nachteilige Witterung machen mich mürrisch und unzufrieden. Dazu gesellte sich noch ein ganzer Berg von aufgetürmten Arbeiten, die getan werden mussten.
246) Ein schon seit Anfang Juni „verharrter“ Knecht schickt mir die „Harre“ auf eine höhnische Weise zurück und spottet meiner im Einklange mit seiner törichten Geliebten.
247) Das von mir gekaufte Gut wird mir zur Last, und die Kinderzucht gewährt mir düstere Aussichten. Die Religionsübungen kommen abhanden, und die Kraft des Gebetes wird angefochten.

Anno 1868

248) Der Eingang dieses Jahres entlockte mir eine süße Wehmut, denn es ist das Säkularjahr von dem Geburtsjahre meines sel. Vaters . Requiescat in pace!
249) Kaum ist der erste Monat des Jahres vorüber, als schon neue Leiden zum Vorschein kommen, denn zwei Dienstboten dingen unerhörte Löhnung und richten mich aus, leisten sehr wenig und suchen bei jedem müßigen Augenblicke fremde Häuser auf; jede Feierabendarbeit ist ihnen schon lange abhanden gekommen, weil sie den Liebschaften nachjagen.
250) Die Arbeiten lasten weit drückender auf meinen Schultern als ehemals, da ich keine Dienstboten hatte. Denn jetzt klagen diese über häufige Arbeit, und ich will doch für so „schreiende“ Löhnung etwas getan wissen, und somit muss ich immer zuerst zugreifen und auf die Spitze stellen.
251) In einer Schule von 24 Köpfen hatte ich unter den größeren Schülern acht Dummköpfe, die noch von einer unbeweglichen Trägheit zusammengepfercht wurden, so zwar, dass alle meine Kräfte und Bemühungen und Anstrengungen keinen einzigen Funken Eifer herauslocken konnten.
252) Meine zunehmende Kränklichkeit und Körperschwäche, die Folge früherer und allzu großer Anstrengungen, machen mich lethargisch und misslaunig.
253) Ein Rückenleiden, das mich am Ostersamstag befiel, quälte mich bis Dezember. Ich fing an zu altern, und die Geldnot plagte mich.
254) Die Schule, mein Element, war mir heuer etwas günstiger. Der Unterricht fand Eingang, allein das Augenlicht wurde allmählich düsterer und erregte große Befürchtungen.
255) Das Jahr war ein gesegnetes: mit allem hinlänglich ausgerüstet und mit hinreichender Gesundheit begabt, näherte sich das Jahresende.

1869

256) Das Jahr nahm einen erfreulichen Anfang, und ich wähnte selbst, goldene Zeiten zu erleben und von meinen Lebensmühen auszuruhen.
257) Die unerhörten Reibungen der Staatsgewalt an den Kirchenrechten erregen Misstrauen, Zaghaftigkeit und Furcht in meinem Gemüte, allein die Aussicht auf Sittenverbesserung durch ein Konzilium richten mich auf.- Am 22. Februar wurde Schulvisitation gehalten von Hw. Probst Johann Brunner, um dem Staatseingriffe, der auf den 1. März festgesetzt ist, zuvorzukommen.
258) Von allen meinen Geschäften, die ich gegenwärtig betreibe, gewährt mir für heuer die Schule allein die größte Freude, während mir hingegen die Erziehung meiner eigenen Kinder herben Kummer macht.
259) Eine Magd, die die Kunst versteht, sich bei anderen einzuschmeicheln, wirft durch ihr „Klaffen“ mein bisschen Ansehen in den Kot.
260) Am 8. August machte ich eine Reise nach Brixen. Ein kurzer Besuch auf Meransen brachte mich zu einer Unterredung mit dem dortigen Kuraten Steiner, der mich zum bevorstehenden Kampfe ermunterte. Allein den rechten Mut flößte mir erst der Zuspruch unseres Hw. F. Bischofes Vinzenz ein.
261) Der Mensch ist zur Arbeit geboren wie der Vogel zum Fliegen, aber die übermäßige Arbeit erschöpft meine Kräfte.
262) Die Schwermut nagt an meinem Lebensfaden.

Anno 1870

263) Alle Bemühungen unter Gottes schirmender Hand verwandeln sich in Segen.
264) O Gott, hilf mir aus allen meinen Nöten heute und so lange ich lebe, weil ich sehr in der Klemme bin!
265) Ein religiöser Lehrer zu St. Florian gewährt mir manche Aufheiterung. Er macht mich auf passende Methoden aufmerksam.
266) Der Todesfall meiner Schwester erschüttert mein Innerstes, und der allgemeine Beifall der Konziliumsväter gegen unseren Bischof Vinzenz richten mich auf.
267) Eine unverdiente Zurücksetzung durch unseren Hw. Herrn Kuraten hätten mich beinahe zu einem voreiligen Schritte verleitet.
268) Die Versuchung zur Abdankung der Schule zehrt mich beinahe auf.
269) Der Wechsel der Seelsorge hatte für mich eine erfreuliche Wendung. Am 14. Mai stand Johann Kofler als Kurat hier ein; er ist ein würdiger Priester.
270) Man staunt über mein Hinaltern und über mein Kränkeln, allein wenn man erwägt, was ich dulde und unter welchen Umständen ich zermalmet werde, kann mein weißes Haupt wohl kein Rätsel mehr sein.


Anno 1871

271) Um mich wegen meines geringen „Erhausens“ bei der Nachwelt wenigstens einigermaßen zu rechtfertigen, sage ich: dass ich bei verschiedenen Gelegenheiten zu frommen Zwecken und Kirchenzierde in barem Gelde 517 fl hergegeben habe.
272) Trotz meiner Abnahme der Kräfte (57 Jahre alt) gingen unsere Frühlingsarbeiten rasch und flink vonstatten. Wir bauten im Rain die Schupfe, am Lotter den Stall und die Alpenhütte, machten drei „Taßlegen“, schlugen Sagstöcke und richteten Brennholz.
273) In diesem Jahre nehmen meine körperlichen Kräfte sichtlich ab, und die Krankheit meiner Mutter Ursula, geb. Moser, wurde zu meinem eigenen Leiden. Endlich am 24. Juli 1871 abends um halb 6 Uhr, da ich noch am Wiesenrain mähte, verschied sie im Beisein meiner Schwester mit vollem Verstande und gänzlicher Ergebung nach einer Krankheit von sieben Jahren, neun Wochen und achtzehn Tagen in einem Alter von 85 Jahren.
Ihre Hülle wurde in die Gruft meines Vaters und meines Kindes gelegt, von deren Hülle keine Überreste außer dem Schädel meines Vaters mehr unverwesen waren.
274) Wenn ich mich durch meinen Kaltsinn schon oft des göttlichen Beistandes unwürdig gemacht hatte, so segnete doch der Herr die Werke meiner Hände dergestalt, dass ich mit meinen Arbeiten im Verhältnisse zu meinen Nachbarn in diesem Herbste weit voraus war.
275) Mit dem Schulanfange beginnen auch meine Leidenstage wieder aufs Neue. Der Unterricht nahm von jeher meine Gesundheit und meine körperlichen Kräfte so sehr in Anspruch, dass ich größtenteils nur notgedrungen und appetitlos mich zu Tische setzen musste und von demselben unerquikt aufstehen musste. Jedes Frühjahr aber erstarkten meine Glieder, und eine gesunde Esslust kehrte wieder zurück. Jedoch in diesem Frühjahr kam mein geschwächter Körper zu keiner Kraft mehr, und mit Beginn des Schuljahres gesellen sich zur Kraftlosigkeit noch neue Unpässlichkeiten hinzu. Was werde ich im Laufe des Schuljahres mit meinen halberstorbenen Kräften bei der größtenteils blöden und dem Mechanismus fröhnenden Schuljugend wohl zu wirken vermögen, wo außerordentliche Riesenkräfte Genügendes zu leisten nicht imstande sind?

Anno 1872

276) Mit wehmütiger Freude sehe ich die nachbarliche durch mich in einem Zeitraum von 43 Jahren herangebildete Generation; die zweifelhafte Schwebe unseres entkräfteten Zeitalters lässt das Schlimmste ahnen. Die tolerante Gesinnung des Volkes artete anfangs in Gleichgültigkeit, in der Folge aber in Unglauben aus. Was kann ich also wohl in einer solchen Umgebung Gutes wirken?
277) Am 7. April (Sonntag) während der Feiertagsschule befiel mich eine Ohnmacht, die sich in den darauf folgenden Tagen wiederholte. Die Unbehilflichkeit des rechten Armes, der mich schon durch zwei Jahre schmerzte, machte mich bereits krüppelhaft. Jedoch alles wurde mir von meinem Weibe wohl gegönnt.
278) Mein Gesundheitszustand bessert sich, aber die Arme bleiben kraftlos.
279) Ahnungen von zu gewärtigenden Strafgerichten Gottes machen tagtäglich mein Gemüt ganz mürbe. Jeder Jahreswechsel und jede religiöse Feierlichkeit, mit Geläute verbunden, künden mir die Zerschellung und Verwerfung der gegenwärtigen Generation mit erschütternden Mahnrufen an..... et non voluisti (und du hast nicht gewollt).
280) Eine im Posthause zu Sillian abgehaltene Schullehrerkonferenz unter dem Vorsitze des Schulinspektors und Bezirkskommisars ebnet noch durchaus keine Wege, sondern macht vielmehr neue Lücken im Schulwesen. 27. September.

Anno 1873

281) Zwei talentvolle, aber flatterhafte Mädchen erregen meinen Unwillen; darum wird mir die Schule sauer.
282) Kleine Kinder, kleine Mühe; große Kinder, große Mühe.
283) Am 23. Februar erhielt ich ein B.-H.-Dekret, in welchem der Wunsch ausgedrückt war, dass mir die nötigen Mittel und Unterstützungen angeboten würden, wenn ich mich herbeiließe, nach neuärarischen (konfessionslosen) Grundsätzen um- oder fortzubilden; allein aus zwei triftigen Gründen lehnte ich diese reizbaren Lockungen ab. Senectute dignus apperebo (Ich werde mich des Alters würdig erweisen).
284) Der jähe Todesfall eines Weltmenschen regt mich auf und bestätigt den Ausspruch: Alles ist eitel.
285) Die Aufforderung, meinen 16-jährigen Sohn dem Lehrfache zu widmen, machte mich stutzig, zumal in diesen Tagen der Gärung und Ungebundenheit.
286) Wenn im Jahre 1656 bei der allgemeinen Überschwemmung nur bloß acht Personen dem Tode des Ertrinkens entgingen – wie wenige werden denn jetzt in den Tagen der allgemeinen Gottvergessenheit gewürdigt werden? O Herr, kürze ab die Tage der Gottlosigkeit und lasse mich nicht mit meinen eigenen Augen den Untergang meines Volkes schauen!
287) Was hätte ich meinem Weinberge mehr tun sollen, das ich ihm nicht getan habe? Ich suchte Trauben und fand Giftbeeren....
288) Zum Erstaunen ist es, dass meine Rührigkeit und Tätigkeit trotz der widrigen Zufälle noch nicht lahm gelegt worden sind.
289) Meine Umgebung ist mir zum Überdruss geworden, und meine Amtstage werden mir lästig, indem der Ruf der Weltkinder das kleinlaute Gähnen der fromm sein wollenden weit übersteigt.
290) Alles rennt und läuft sich müde, reibt die körperlichen Kräfte auf und hängt die Sorge für das Seelenheil an den Nagel. Man tut dies, nicht um reich zu werden oder auf das unbehilfliche Alter einen Notpfennig zu hinterlegen, sondern um die Genusssucht zu befriedigen und vor der Welt groß zu tun.
291) Der Vorwurf, dass ich geizig sei, ist ein unbegründeter und ein unverdienter, denn wieviel leiste ich unentgeltlich, und wie viele Beeinträchtigungen dulde ich.

Anno 1874

292) Der Typhus haust fürchterlich und hält Ernte, aber mein Leben bleibt bis zur Stunde unangetastet.
293) Sterbefälle erschüttern mich, und meine in die Welt hinausgestöhnten, aber verachteten Mahnrufe machen mich lautlos, indem ich vielen nur zum Hohngelächter dienen muss. O Herr, du bist mein Helfer und Erlöser, verweile nicht mehr lange!
294) Ein von der Vorsehung verhängtes Zusammentreffen? Im einundsechzigsten Lebensjahre meines Vaters brannte Erschbaum ab, und im einundsechzigsten Lebensjahre meiner irdischen Pilgerfahrt brennt Niedereggen ab. Der öftere und vertrautere häusliche Verkehr mit den unglücklichen Familien lässt mich klar und deutlich in die qualmenden Falten ihres schwarzen Herzens blicken.
295) Am 1. April unternahm ich eine Reise nach Brixen. Meine erschöpften Kräfte fanden dabei keineswegs ihre Rechnung. Mit manchen bitteren Erfahrungen beladen, kehrte ich am 7. April bereits abgeschwächt nach Hause zurück.
296) Die Wahrheit des Ausspruchs, dass die Hölle, die Fleischeslust und der Geiz unersättlich seien, bewährte sich in höchst auffallender Weise an den von der Feuersbrunst betroffenen Niedereggern.
297) Die im Winter mit zugestoßene Unpässlichkeit nimmt einen bedenklichen Charakter an, lähmt meine Sprache und macht mich mürrisch, sodass ich bereits in der Gefahr schwebe, meinen Hausgenossen lästig zu fallen.
298) Meine eigenen Kinder setzen meinen väterlichen Ermahnungen eine gleichgültige Kaltblütigkeit entgegen.
299) Es ist doch sonderbar, dass man ein Leben so kindisch lieben kann, welches mit so vielen Bitterkeiten erfüllt ist.

Anno 1875

300) Auf das Jahr 1875 habe ich schon seit längerer Zeit in meiner Berechnung den Scheidepunkt der Geschicke und Ereignisse angesetzt, denn ich glaube sicher, dass es für die Weltliebe, für die Genusssucht und den Unglauben ganz gewiss die elfte Stunde geschlagen habe. Die Blindheit und Verstockung der Tier- und Naturmenschen ist so handgreiflich, dass einem Vernunftmenschen beim Anblick dieser Ausgeburten bereits die Besinnung ins Stocken gerät.
301) Erst am Thomastage wollte ich mein Hausgesinde noch ganz solide von diesen Krebsgeschwüren heilen. Allein was musste ich nicht alles von meinem eigenen Weibe und von zwei eigensinnigen und rechthaberischen Herbergspersonen anhören?
302) Ich kann mich unmöglich in die Lage versetzen, in welcher sich gegenwärtig die Mitwelt so behaglich fühlt. Ich besitze zwar so viel Einsicht, um vor Gott, vor meinem Gewissen, vor der menschlichen Gesellschaft und vor der Nachwelt zu bestehen. Aber die Praxis meines Verstandes steht nicht im Einklange mit der Anschauungsweise jener Mitmenschen. Und deren Zahl ist eine Legion, die dem Bauch zu ihrem Gott und das materielle Interesse zum Zwecke haben, von denen der Buchstabe verdreht und das Gesetz selbst aber genotzüchtigt wird.
303) Der plötzliche Todesfall meines nächsten Nachbarn und meines ehemaligen F......... ergreifet mich und bringet mich gewaltig in Aufregung. Er bestätiget mir die Wahrheit des Textes: Vigilate (Wachet), denn ihr wisset weder den Tag noch die Stunde!
304) Der 3. Mai ist jener Tag, an dem die gannerische Familie von unserem Hause aus und in das ihrige neu gebaute Haus einzieht. Die Leere in unserem Hause erregt in mir Langeweile. Zum Ruhme muss ich ihnen nachsagen, dass sie ein keusches Geschlecht sind. Ihr Aufenthalt in unserem Hause dauerte vom 8. März 1874 bis zum 3. Mai 1875.
305) Aus Liebe zu meiner Familie ließ ich die Kammer ober der Stube austäfeln und hernach den Getreidekasten bauen. Auf erstere Arbeit kamen 18 Tischlerschichten, die nebst Leim, Eisennägel und Kaffee auf 14 fl und einige Kreuzer zu stehen kamen, letztere Arbeit nahm mit Abreißen des alten Kastens 75 Maurerschichten in Anspruch. Diese mit Eisenzeug und Branntwein kamen auf 98 fl.
306) In der Fraktion Eggen habe ich im Zeitraum von 46 Jahren mehr als bloß eine einzige Generation herangebildet. Ich erlebte an derselben, wie es das menschliche Schicksal mit sich bringt: viele Freuden und vielen Verdruss. Aber gerade jetzt muss ich zu meinem größten Kummer die Wahrnehmung machen, dass bereits alle Stammhalter oder Besitzer Lüstlinge und Bauchliebhaber sind. O Herr, öffne ihre Augen!
307) Während meiner ganzen irdischen Laufbahn habe ich es mir zu meiner ersten und dringendsten Aufgabe gemacht, meine Kinder sorgfältigst zu erziehen und zu unterrichten. Ich habe ihnen durch mein Beispiel so vorgeleuchtet, dass ich mich deswegen vor Gott, vor meinem Gewissen und vor der Nachwelt verantworten kann. Sind nun meine erdlichen Bemühungen fruchtlos, so ist es einzig und allein ihre Schuld.

Anno 1876

308) Die Erteilung des Schulunterrichtes ist zwar mein natürlicher Beruf und mein angenehmes Element; allein heuer entfällt mir nicht selten das Konzept und der Faden des Stoffes, und ich verliere die Geistesgegenwart.
309) Durch 41 Jahre versah ich größtenteils das Amt eines Gemeindeschreibers, anfangs um ein „Vergelt’s Gott!“, nachher um einen Jahreslohn von 5 fl , 50 kr. Ach, ich bin doch nichts anderes mehr als eine alte Ruine! Ich habe alles getan, was ich glaubte, dass es zum zeitlichen oder geistlichen Wohle meiner Gemeindeangehörigen frommen (dienen) sollte. Allein, wie muss ich mich jetzt grämen, da durch den jähen Todesfall meines Nachbars Josef Obererlacher und durch seine nichtssagende Rechnungsführung das bei ihm anliegende und auch das durch ihn in Empfang genommene Gemeindevermögen von 307 fl, 7 kr nicht nur mehr in Frage gestellt, sondern sogar allen Verlustsbefürchtungen bloßgestellt wurde.- Was hätte mit diesem Gelde nicht bloß zum Gemeinwohl, sondern auch zum Fortbestande der Schule getan werden können?
310) Der eigentliche Grund, warum ich von meinem nächsten Nachbarn Josef Obererlacher und dessen gleichnamigen seligen Vater der öffentlichen Verachtung so oft bloßgestellt wurde, liegt darin, dass ich erstens: trotz aller seiner angewandten Kunstgriffe mich doch stets beim Schuldienste erhalten habe, den er so lüstern anfangs an sich selbst und in der Folge an seinen zweitgeborenen Sohn Johann übertragen gesehen hätte; zweitens: weil ich beim Ankaufe des Untererschbaumer Gütls ihm zuvorgekommen bin. Indessen habe ich doch eine Entschädigung laut Bestandkontrakt vom Jahre 1813 – bestehend in 80 fl und eine Kaufentschädigung vom Jahre 1839 40 fl – in Summe also 120 fl samt den hiefür entfallenen Interessen zu seinen Gunsten, von ihm nicht „eingetrieben“. Undank ist der Weltlohn.
311) Nun stehe ich bereits am Rande des Grabes. Daher überblicke ich noch einmal alle meine Schicksale des verflossenen Lebens und freue mich, dass sie vorüber sind. Zugleich aber bedauere und bemitleide ich alle jene meiner Zeitgenossen, die auf dem breiten Wege wandeln und doch auch einmal mit Christus herrschen und an seiner Rechten stehen wollen, ohne mit ihm den Kelch der Leiden zu trinken.
312) Nochmals gesagt: Von meinem Weinberg erwartete ich Trauben und erntete davon Giftbeeren.
313) Gott prüft durchschnittlich nur jene, die probehaltig sind; ein Zahnschmerz, der mich Tag und Nacht ununterbrochen quälte, macht mich in Erfüllung meiner Standespflichten sehr schlaff.
314) O Herr, zeige mir den rechten Weg, damit ich nicht strauchle!
315) In allen widrigen Ereignissen gibt es doch auch manche Pausen, wo man Kräfte sammeln kann; eine solche Pause ist eingetreten am 13. Mai, wo bei einer Gemeindeversammlung der Antrag und der Beschluss gefasst wurde, zu St. Florian einen Turm zu bauen – dieser Beschluss fand allgemeinen Beifall.
316) Ein an die K. K. Bezirkshauptmannschaft abgesandtes Gesuch wurde freundlich aufgenommen, unterstützt und mit einer Remuneration betreuet.
317) Ich klebe nur mehr zum Teil an der Erde, denn meine Altersgenossen sind entweder in der Ferne oder schon „heimgegangen“. Träume beunruhigen mich und ein Sehnen nach dem besseren Jenseits macht mich auf Erden zum Fremdling.
318) Seit Jahrzehnten ist in moralischer Beziehung das Menschengeschlecht sehr im Rückgange, denn die allzu sorgfältige Pflege des Bauches und des Gaumens wirkt sich überaus nachteilig auf das Geschäft des Seelenheils. Mich selbst zieht bisweilen eine unbezähmte Neigung in das Gasthaus hinein.
319) In einer Predigt am Allerheiligenfeste rügt unser Hw. Herr Kurat einige Fälle von Undankbarkeit gegen Gott, die besonders im heurigen Jahre in unserer Gemeinde Platz gegriffen haben.
320) Von meinem nächsten Nachbarn in meinem Besitztum gestört, will ich schweigen und sagen: O Herr, du hast mich aufgehoben und darauf mich wieder niedergestoßen!
321) Am 13. Dezember morgens bei aperem Boden unternahm ich und mein vorgenannter Nachbar eine Waldreise, um die alten „Marchungen“ (Grenzen) aufzusuchen oder nötigenfalls zu erneuern. Unter gemütlichen Unterredungen schritten wir von Ort zu Ort, fanden größtenteils die alten, gekennzeichneten „Marchbäume“, bezeichneten an einigen Stellen der Deutlichkeit wegen noch neue und kehrten sodann friedlich nach Hause zurück.
322) Am 16. Dezember wurde ich von Josef Obererlacher bei einer Gemeindearbeit im „Lababach“, wo ich anwesend war, unerhört verleumdet und entehrt. Aber Gott hat sich meiner erbarmt und mir diese Beschimpfung erst am 31. Dezember zu Ohren kommen lassen. Ich leide viel von diesem Menschen, aber du, o Herr, gib, dass ich der Prüfung nicht erliege!

Anno 1877

323) Ich weiß nicht, ob nicht vielleicht meine körperlichen Krankheiten auf meine Seele nachteilig einwirken. Mein Gemütszustand wird herbe, und die Lage meiner Mitwelt scheint mir im höchsten Grade eine sehr bedauernsunwürdige: Ihre Schlagwörter sind Habsucht und Genusssucht.
324) Auch mein erstgeborener Sohn Kaspar ist für heuer losungspflichtig. Trotz meines Alters und meiner Kränklichkeit habe ich wenig Hoffnung, ihn davon zu befreien, obschon ich unterm 17. Jänner bei der Löbl. K. K. Bezirkshauptmannschaft in dieser Angelegenheit ein Bittgesuch eingereicht habe.- Auch ekelt mir ob keinem Stande mehr als an dem Militärstande.- Die Jugend ist ungebunden, leichtsinnig und leidenschaftlich. Was kann und was wird wohl aus ihr werden? Gerade in diesen Zeiten geschieht es so, wo die oberen Schargen und die Militärärzte durchaus von freimaurerischen und liberalistischen Ideen ganz durchdrungen sind, und daher nicht nur zu Lastern raten, sondern sogar die Schandtaten als Naturpflicht auflegen. Ach, wie viele Opfer hat diese „Pest“ auch selbst schon in unserer Gemeinde gefordert, und zwar besonders von solchen Personen, die ehemals unter dem Militär gestanden und dann angesteckt mit einem siechen Körper dahier in ihrer Heimat ihr Grab fanden.
325) Am 15. Februar bei Gelegenheit der Losungslistenprüfung habe ich einen Gang nach Sillian wie schon zuvor unterm 17. Jänner einen ähnlichen nach Lienz gemacht, um meinen Sohn Kaspar von der Losziehung zu befreien. Allein welche Zurücksetzung von seiten der Familienväter musste ich daselbst erfahren!
326) Tagesblätter aus der Kaiserstadt bestätigen es, dass die Wahlen zu den Tirolischen Landtagsvertretern bereits im ganzen Kronlande alttirolisch, das heißt konservativ, vor sich gegangen seien. Am 19. März wurde in dieser Beziehung das Sanctissimum zur Anbetung ausgesetzt. Ist vielleicht eine Besserung zu hoffen? Gott gebe es!
327) Seit einiger Zeit habe ich mich in allen widrigen Ereignissen ohne Vorbehalt in den heiligen Willen Gottes ergeben.
328) Am 16. April fand im Posthause zu Sillian die Militärlosung statt. Trotz meiner Reklamation musste sich mein Sohn der Losung unterziehen. Er griff das Los 48 hervor und wurde wegen seiner weichen Füße für heuer als untauglich erklärt.
329) Es ist zu bedauern, dass Menschen, wie es die Tilliacher sind, wo die Natur mit ihren Gaben so karg haushält, sich in das Irdische so vergraben, dass in der Früh der erste und am Abend der letzte Gedanke sich nur bloß mit Eroberungen beschäftigt, und dass selbst hinwelkende Greise ihre letzten Kräfte dem Irdischen ganz zuwenden.
330) Ich fühle Ekel an den irdischen Größen, die am Ende eine solche Bitterkeit verursachen.
331) Gerade heute lese ich in einem aus Brixen an mich gerichteten Schreiben die Trostworte, dass der Sieg der heiligen, katholischen Kirche bereits begonnen habe und dass Gott die Bäume (Weltmenschen) gewiss nicht bis an den Himmel werden wachsen lassen. Also neue Hoffnung...
332) Nachdem ich sogar von Rom aus durch einen echten Priester einen Gruß von dem Hw. F. Bischof in Linz, meinem ehemaligen geistlichen Vorsteher als Probst in Innichen in Empfang genommen hatte, sendete ich am 24. August an Hochdenselben eine Ergebenheitsadresse ab.
333) Am 8. September erhielt ich vom Hw. Fürstbischof Franz Josef ein Antwortschreiben, in welchem er seine Hoffnung auf baldige Besserung der Zeitverhältnisse kundgibt und mich des Segens und seiner fortwährenden Freundschaft versichert. Ich werde es als teure Reliquie unter meinem Nachlasse aufzubewahren streben.
334) Die jungen „Pflänzchen“ in meiner Schule zeigen zwar kein üppiges „Wachstum“, indessen kann ich doch mit ihren „Sprossen“ zufrieden sein. Sie lassen bloß in der Religionslehre so manches zu wünschen übrig.

Anno 1878

335) Ein altes Sprichwort sagt: Qui accendit sine labore, decendit sine honore (wer ohne Arbeit emporkommt, fällt ohne Ehre herunter) – darum habe ich auch in Ansehung dieses Sprichwortes immer ein sehr geringes Gewicht auf das Handlungsglück gelegt und nur jene Einnahmen hochgeschätzt, die durch Anstrengungen erworben wurden. Diese allein gewähren einen nachhaltigen Nutzen.
336) Eine Prüfung durch Hinsiechen zweier Rindstücke und einiger Lämmer beugen mich, aber die Hand Gottes hält mich aufrecht.
337) Am 4. März bestürmten mich zwei Briefe und tief in der Nacht ein Eilbote, durch deren ungestümes Drängen ich zu einem Fußmarsch nach St. Florian bewogen wurde, wo ich am 5. Meine Schulkinder der Religionsprüfung unterziehen musste. Sie fiel sehr gut aus. Mir wurde die schon so oft angeregte schmeichelhafte Hoffnung einer Pension oder wenigstens eines Verdienstkreuzes erneuert.
338) Durch Rechtsverdrehung und tückische Schadenfreude muss mein Sohn trotz seiner hochgezogenen Losnummer 48 noch einen Militärreserven abgeben, wo hingegen jene frei blieben, die Nr. 11 gezogen hatten.
339) Der Ausspruch des alten Patriarchen Jakob „Meine Pilgerfahrt hat die Jahre meiner Väter nicht erreicht...“ lässt mir meine baldige Auflösung ankündigen.
340) Ich kann mich der alten und mir ehrwürdig gewordenen Erinnerungen nicht erwehren. Die Genusssucht, die Mode und die Spielsucht, die Großtuerei und der unberechnete Aufwand, zuvorderst die Religionslosigkeit meiner Zeitgenossen machen mich zaghaft, besonders aber in jenen Augenblicken, wo ich an die Kindlichkeit, an die Einfalt, an die Zufriedenheit und das Gottvertrauen meiner Vorfahren denke.
341) Am 11. November verehelichte sich meine Tochter Philomena mit dem zwar verschuldeten, jedoch aber gut beleumundeten Josef Hofer, Hofgartner. Da mich diese Ehe unversehens überraschte, weinte ich Tag und Nacht in der Beklemmung meines Herzens sehr bittere Zehren. Ich war dem Tode nahe und litt nebst körperlicher Schwäche auch noch eine unaussprechlichen Durst.
342) In der Schule, wo ich eigentlich in meinem Wirkungskreise stehe, finde ich gegenwärtig empfänglichere Herzen als wie schon seit einigen Jahren. Allein meine Kränklichkeit und meine Kraftlosigkeit kann den Kleinen nicht den gehörigen „Nahrungsstoff“ darreichen.

Anno 1879

343) Mit Riesenschritten rückt meine Kränklichkeit vorwärts. Ich wurde bettlägerig, stand an der Schwebe und musste sogar 18 Tage lang das Bett hüten. Meine Körperkräfte mit meinem Fleische waren ganz dahingeschwunden.
344) Mein erstgeborener Sohn musste die Schule versehen. Halb ausgekrankt, am Stabe gestützt und in einen Mantel gehüllt, fing ich an, die Schule zu besuchen. Mit der größten Anstrengung und Aufopferung meiner noch ganz geschwächten Kräfte erteilte ich den Unterricht.
345) Obgleich mich der Arzt von Klebelsberg beinahe gut kurierte, konnte er doch trotz meiner sechsmaligen Beschickung für meinen quälenden Durst keine Gegenwirkung finden, und ich musste trotz des vielen Trinkens beinahe verschmachten.
346) Um meinem Nachfolger das Hausen doch wenigstens in etwas zu erleichtern, ließ ich ein Kalkofen abbrennen und den Kalk heimliefern. Ferner baute ich „Grantl“ auf neuer Stelle eine „Fleggenhütte“, wobei nebst Ausgraben 25 Schichten aufgingen.
347) Im Verlaufe des ganzen Sommers musste ich daheim kränkeln.
348) Zwei Wege hast du, o Herr, mir vorgezeigt, wovon der eine schmerzhafter als der andere ist. Darum will ich nicht wählen, sondern von deiner Hand annehmen.


Anno 1880

349) Unter Freuden und Leiden verflossen Stunden, Tage, Wochen und Monate. Mein trockener Geist und mein hinwelkender Körper kennen keine Erquickung, und was mich am meisten quält, ist das, dass mich das Gebet und die Andachtsübungen nicht freuen und dass ich in eine Menge von kleinen Fehlern falle. O Herr, gib mir Eifer, damit ich mit Werken der Gerechtigkeit vor deinem Angesichte erscheine!
350) Ein Gemeindeauftrag zur Eintreibung des Gemeindegeldes bei meinen nächsten Nachbarn verursachen in mir unsäglichen Kummer und schlaflose Nächte. Denn er ist ein Trunkenbold, ein Verschwender, ein Verleumder und ein Rachesüchtiger. Er hat mir schon sehr viel Gram bereitet und drohet uns, wenn möglich, noch ganz zu verderben.
351) Mit zunehmender Kränklichkeit wurde ich auch noch mitunter von einer ungewöhnlichen Geistestrockenheit gequält, sodass ich an guten Werken keinen „Geschmack“ mehr fand und oft von Ungeduld niedergerissen wurde.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 17.10.2010

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