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Freiheit für den Tanzbären


Seufzend strich ich mir meine schweißnassen Haare aus dem Gesicht.
„Wie lange müssen wir denn noch hier rum latschen? Das ist doch alles nur das gleiche!“ jammerte mein großer Bruder. Ausnahmsweise musste ich ihm mal recht geben. Anders sah das wohl meine Mutter.
Jetzt sind wir schon mal hier, dann müssen wir dieses Flair auch nutzen!
>Flair? < dass ich nicht lache! Mit „Flair“ meinte meine Mutter wohl die kleinen Stände am Rand der staubigen Straßen, an denen Händler schon fast hysterisch ihre Ware anpriesen…in einer Sprache, die die Touristen eh nicht verstanden. Wer sprach auch schon bulgarisch?
Warum hätten wir diesen Tag wie jeden anderen nicht am Pool unseres Ferienhauses verbringen können? Es war doch viel zu heiß, um über einen der zahlreichen Märkte in den kleinen Dörfern zu bummeln.
Aber was sollte ich schon machen? Seufzend ergab ich mich also meinem Schicksal.
Eine Weile später fiel mir eine Menschenmenge ins Auge. Dort musste etwas passiert sein!
Ich zog meine Mum in die Richtung. „Leo? Was ist denn los?“
„Guck mal. Ich möchte wissen, was da los ist!“
„Immer deine Neugierde.“ Gab sie seufzend nach und wir eilten zu dem Tumult.
Ich drängelte mich nach vorne und was ich dort sah, ließ mich erstarren.
Mir schossen die Tränen in die Augen. Wie konnte es so etwas noch geben?
Dort stand ein Bär umzingelt von 3 Männern. Einer hielt eine Eisenkette in der Hand…das andere Ende war mit dem Nasenring des armen Tieres verbunden. Die anderen beiden hielten spitze Stöcke in der Hand. Zu blecherner Musik die aus einer verbeulten Anlage daneben schallte hob das arme Tier abwechselnd die Beine.
Meine Mutter hatte sich zu mir durchgekämpft und starrte nun ebenfalls auf diese grausige Szene. Sie legte mir eine Hand auf die Schulter, wohl wissend, wie sehr mich das Geschehen mitnahm. „Hey Süße, komm’! Da können wir nichts machen.“ Flüsterte sie mir leise zu und zog mich fort. Stumm stolperte ich neben ihr her und wandte immer wieder den Kopf.
>Die Augen des Bären! < Sie schienen mich angefleht zu haben, da war ich mir sicher. Mich angefleht ihn da raus zu holen.
„Mama! Wie müssen etwas tun. Wir können doch nicht…können doch nicht…“
„Spatz, es tut mir leid! Ich finde das doch auch schlimm, aber das liegt nicht in unseren Möglichkeiten da etwas zu machen.“
„Wir müssen aber. Wir können doch nicht wegsehen…der arme Bär. Nein!“
„Es tut mir leid. Wir fahren jetzt nach Hause und dann kannst du dich im Pool abkühlen und ich spendiere dir ein großes Eis.“
>Was?! Ich bin doch keine 3 Jahre alt und lass mich durch so was bestechen! < dachte ich wütend >Irgendetwas musste ich doch tun können…nur was? <
Diese Frage beschäftigte mich den ganzen Abend lang. Meine Familie ließ mich in Ruhe. Selbst Jascha, mein Bruder, verkniff sich seine dummen Sprüche.
Ich ging früh schlafen, nur um dann wach im Bett zu liegen und weiter zu grübeln.
Ich seufzte. Meine Eltern warfen mir immer vor, dass ich viel zu emotional wäre, wenn es um Tiere ginge. Zu Hause hatte ich davon viele. Jetzt in der Urlaubszeit kümmerte sich Opa um unseren kleinen Hof. Dort liefen alle möglichen Viecher rum, die ich irgendwo aufgegabelt hatte. Katzen, eine Herde alterschwacher Gänse, mein Pferd Luke (wohl das einzige Tier, dass ich vom Züchter hatte), die beiden Schafsdamen Elisabeth und Hedwig und nicht zu vergessen Alf, unser Maskottchen: ein wohlgenährtes Hängebauchschwein.
Vor unserem Urlaub hatte Papa schon gestöhnt und zu Mum gesagt „Bestimmt liest sie einen Köter auf der Straße dort auf. Ich hab gehört, es soll dort viele geben.“
„Dann lass sie doch. Wir haben doch Platz genug für Hunde.“
„Hunde? Mehrer? Um Gottes Willen!“ hatte er gerufen.
Vielleicht könnte ich den Bären ja freikaufen? Aber was dann? Bären waren Wildtiere…was sollte ich dann tun?
Plötzlich klopfte es leise an die Türe „Schwesterchen?“
„Was willst du?!“ fauchte ich.
Jascha trat ein und schloss die Türe leise.
„Und schon einen Plan wie du den Bären rettest?“
„Spar dir deinen dummen Kommentare!“
„Hey, das war ernst gemeint. Du weist, dass ich Tierquälerei ebenso verabscheue wie du.“
Ich seufzte. Schon zum 2. Mal an diesem Tag musste ich ihm zustimmen. Das war ja schon fast rekordverdächtig!
„Jaja. Aber ich hab keine Ahnung, was ich tun kann? Aber ihn da lassen? Das ist so grausam. Wie im Mittelalter. Hast du seine Augen gesehen?“ Ich fing an zu schluchzen.
„Hey, ganz ruhig.“ Sanft strich er mir durch die Haare. „Wir finden eine Lösung. Und ich hab da schon nen Plan.“
„Was, echt? Raus damit! Bitte!“
„Denk doch mal nach. Was ist bei uns in der Nähe?“
„In der Nähe? Wir leben in einem Kaff!“
Zislow. Ein Dorf in Mecklenburg-Vorpommern war unsere Heimat. Eigentlich mochte ich es ja so ländlich zu leben, aber „in der Nähe“ war da bis auf Natur wirklich gar nichts.
„Und das ist ausnahmsweise mal ein Vorteil, Dummerchen!“
Ich ignorierte seine Beleidigung. „Los sag schon!“
„Der Bärenwald Müritz! Liegt ganz in der Nähe. Der nimmt Bären aus schlechten Verhältnissen auf.“
„Das ist die Idee! Wir müssen sofort…“
„Ganz langsam, Schwesterchen. Das ist von hier aus alles etwas schwieriger. Ich meine es liegen schließlich um die 1400 Kilometer zwischen hier und Zuhause.“
„Hmm…aber immerhin ist es ein Anfang.“
„Ja. Wir werden morgen weitersehen. Es ist jetzt spät. Schlaf gut, damit du fit bist.“
Er ließ mich alleine.
Da mein Gewissen nun etwas ruhiger war, konnte ich tatsächlich einschlafen.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen setzten wir uns mit Laptop und Telefon unter die schattenspendenden Bäume neben dem Pool.
Unsere Eltern hatten wir noch nicht eingeweiht. Zunächst wollten wir eine bessere Ausarbeitung des Plans erstellen.
Nachdem wir fast den ganzen Nachmittag rumtelefoniert hatten, konnten sich unsere Fortschritte sehen lassen. Ich war Feuer und Flamme. Die Mitarbeiter des Bärenparks hatten uns zugesichert, dass sie noch Platz für einen Bären hätten. Außerdem hatten sie einen Bärenschutzclub eingeschaltet, der mit uns gesprochen hatte und sich um den Transport des Tieres kümmern würde. Dazu wollten sie zwei erfahrene Helfer, eine Tierärztin und eine Tierschützerin, zu uns schicken, um den Bären zu verladen.
Beim Abendbrot weihten wir unsere Eltern ein. „Oh Gott! Warum immer unsere Tochter?“ seufzte mein Vater.
„Hey, diesmal hat Jascha mit an einem Strang gezogen!“ verteidigte ich mich.
„Sei doch froh, dass wir so couragierte Kinder haben.“ Verteidigte meine Mutter uns.
Wir grinsten uns an. Manchmal hatte Papa einfach nichts zu sagen!
„Klar unterstützen wir euch. Wir warten auf diese Helfer und fahren dann gemeinsam noch mal da hin.“ Bestärkte sie uns weiter.
„Jaja, alles was die Familie will.“ Lenkte schließlich auch mein Vater ein.

Uns so kam es, dass wir 2 Tage später alle Mann wieder in das Dorf fuhren, wo wir den Bären gesehen hatten.
Ich war ganz nervös und zappelte herum, bis wir endlich aus dem Auto steigen konnten.
Die beiden Frauen waren sehr nett und eilten mir hinterher.
„Kommt, kommt!“ rief ich und eilte voraus.
„Ruhig, Süße.“ Mahnte mich meine Mutter und so drosselte ich mein Tempo. Diesmal war der Platz auf dem man das Tier zum Tanzen gezwungen hatte leer. Enttäuscht blickte ich mich um. Keine Spur von dem Bären. Ich ließ die Schultern hängen.
>Verdammt! < ich hatte einfach nicht daran gedacht, dass er wahrscheinlich von Markt zu Markt gebracht wurde um zu tanzen und nicht immer nur an einer Stelle auftreten musste.
„Und was jetzt?“ fragte ich mit Tränen in den Augen.
„Irgendjemand hier wird sicher wissen, wo der Bär jetzt ist.“ Antwortete Frau Dr. Lohe sachlich. Tatsächlich, am Rand standen einige Einheimische, die uns, die Touristen, interessiert beobachteten.
„Fragen wir.“ Meine Mutter steuerte auf sie zu und sprach sie auf Englisch an.
Nach einer ganzen Weile kehrte sie schließlich zurück.
„Oh Gott. Ihr Englisch ist vielleicht eine Katastrophe!“ schimpfte sie.
„Mum!“ riefen Jascha und ich gleichzeitig. >Typisch Lehrerin!

Epilog


Zwei Jahre später im Frühling radelte ich das erste Mal in diesem Jahr wieder zum Bärenwald. Bis vor kurzem hatten die Tiere Winterschlaf gehalten, doch vor ein paar tagen hatte mich Dr. Lohe angerufen, dass sie nun endlich erwacht wären.
„Leo komm’ schnell. Scheint so als wolle Felicitas dich überraschen.“
Ich lief Dr. Lohe hinterher und traute meinen Augen kaum.
Von dem Ausguck aus konnte ich eine Lichtung überblicken und sich sonnend lag auf ihr Felicitas. Aber sie war nicht alleine, nein 2 kleine Bären tollten um sie herum.
„Scheint so, als wäre sie im Winter stolze Mama geworden.“
Ich nickte nur und strahlte sie an. Die Bärin blickte auf und ihre braunen Augen trafen auf meine. Und wie so oft, schienen sie mir etwas sagen zu wollen. Diesmal lag pure Dankbarkeit und Lebensfreude in ihnen.
„Wer ist eigentlich der Vater?“
„Da sind wir und nicht ganz sicher…aber wir würden auf Balu tippen.“ Lachte die Tierärztin.
Und ich blickte wieder herab und sah den kleinen beim Spielen zu…stundenlang

Nachwort


Zunächst einmal möchte ich grinningcat ganz herzlich für ihr tolles Buchcover danken!

Ansonsten hoffe ich nur, dass diese schrecklichen Schandttaten, die Tieren aller Arten angetan werden irgendwann (möglichst bald) ein Ende finden!

Und euch Lesern möchte ich natürlich auch noch für das Lesen des Buches danken!

Impressum

Texte: Leonie
Bildmaterialien: grinningcat
Tag der Veröffentlichung: 22.02.2012

Alle Rechte vorbehalten

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