Schnell rannte ich durch den Wald, sodass ich die Bäume nur noch verschwommen wahrnehmen konnte. Heute hatte ich eigentlich gar keine Zeit um die Schönheit um mich herum zu bewundern, doch ich liebte dieses intensive grün des Waldes einfach. Vereinzelt bahnten sich goldene Lichtstrahlen einen Weg durch das Dickicht und erhellten den Weg.
Aufmerksam schaute ich wieder auf den Boden, da ich nach essbaren Pflanzen und Früchten Ausschau hielt. Bald stand ein harter Winter bevor und ich hatte noch nicht genug Vorräte gesammelt. Das war der erste Winter an dem ich allein für mich sorgen musste, da Sina nicht mehr da war. Trocken schluckte ich und versuchte die traurige Erinnerung zu verdrängen.
Auf einmal entdeckte ich einen Beerenbusch und machte mich sofort daran die saftigen, roten Beeren zu pflücken. Zwischendurch steckte ich mir auch welche in den Mund, da ich heute noch nichts gegessen hatte und ließ die Frucht zwischen meinen Zähnen zerplatzen. Sie schmeckten einfach köstlich und ich musste mich wirklich beherrschen nicht alle auf einmal zu essen.
Als ich über mir ein Rascheln hörte, blickte ich auf und sah erst nur dickes Geäst. Doch nach kurzer Zeit konnte ich ein braunes Eichhörnchen entdecken. Fasziniert schaute ich ihm dabei zu, wie es geschickt von einem Baum zum anderen kletterte und seinen langen, rotbraunen Schwanz hinter sich her zog. Ich hätte es gerne noch weiter betrachtet, aber leider musste ich weiter pflücken.
Plötzlich zuckte ich erschrocken zusammen und durch die Bewegung bohrte sich ein Dorn tief in meine Fingerkuppe, sodass mehrere Tropfen Blut heraustraten. Doch das bemerkte ich gar nicht, denn ich hatte Kampfgeschrei wahrgenommen, das war eindeutig das Geräusch, das entstand, wenn Schwerter aufeinander prallten.
Kurz überlegte ich, es einfach zu ignorieren, doch ich musste wissen, was in meinem Wald vor sich ging. Vorsichtig ging ich in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Sie führten mich zu der großen Lichtung im Norden des Waldes, einen Ort, an den ich eher selten kam. Eigentlich war sie wunderschön, denn sie war kreisrund, von großen, prächtigen Eichen umgeben und überall blühten Blumen in den prächtigsten Farben. Im Frühling roch es hier immer herrlich. Doch heute wurde die Schönheit durch das brutale Schauspiel vor mir zerstört.
Entsetzt sah ich, wie drei Soldaten des Königs, die ich an der typischen weißen Leinenhose und dem blutroten Hemd, an den mehrere Abzeichen angenäht waren, erkannte, mit einem weiteren Mann kämpften, der seltsame grüne Kleidung trug. Mehr konnte sie von ihm nicht erkennen, da er mit dem Rücken zu mir kämpfte. Der Fremde wurde immer weiter zurück gedrängt und so kamen sie näher zu mir.
Schnell versteckte ich mich hinter einer gewaltigen Eiche und lugte um sie herum. Der Mann war ein hervorragender Kämpfer, er war ziemlich schnell, doch er konnte einfach nicht gegen drei gleichzeitig ankommen. Außerdem sah es so aus, als hätte er schon mehrere Schläge abbekommen und er nicht mehr lange durchhalten würde. Er holte noch mal mit dem Mut eines Verzweifelten zu einem Schlag aus, doch er traf nicht und stolperte. Rechtzeitig konnte er sich noch fangen und dadurch, dass er seine Position geändert hatte, konnte ich ihn jetzt auch direkt sehen. Mir stockte der Atem, denn der Mann war einfach nur wunderschön. Er hatte tiefschwarze, verwuschelte Haare, makellose, blasse Haut und hatte einen, vermutlich vom Kampf gestählten, muskelösen Körper.
Doch das auffälligste an ihm war seinen strahlend, smaragdgrünen Augen. Solche Augen hatte ich noch nie gesehen, fasziniert starrte ich ihn an und vergaß dabei meine Deckung und beugte mich zuweit vor.
Seine Augen huschten zu mir und weiteten sich überrascht. Für einen kurzen Moment war er abgelenkt, aber das reichte dem mittleren Soldaten schon. Mit einer ruckartigen Bewegung stieß er ihm das Schwert tief in den Bauch. Sofort quoll Blut aus der Wunde und der Mann zuckte schmerzerfüllt zusammen, doch er hielt sich noch auf den Beinen und kämpfte sogar noch weiter.
Erst jetzt fiel mir auf, dass er bereits aus mehreren Wunden am ganzen Körper blutete.
Wut auf die Soldaten, die es nötig hatten zu dritt auf einen verletzten Mann loszugehen, durchströmte mich. Jeder wusste, dass sie immer wieder ungerechte Entscheidungen trafen und oft sogar Unschuldigen Leid zufügten. In meinem Dorf hatten sich früher immer alle jüngeren Frauen versteckt, wenn Soldaten kamen, da sie dafür bekannt waren, dass sie häufig Frauen vergewaltigten. Und sie blieben immer ungestraft.
Innerhalb eines Sekundenbruchteils fällte ich die Entscheidung, dem Mann zu helfen, denn ich konnte einfach nicht zulassen, dass er stirbt. Ohne wirklich drüber nachzudenken, was ich da tat, zog ich einen Pfeil aus meinem Köcher, spannte meinen Bogen, der mir sonst immer locker um die Schulter hing und schoss auf einen großen Soldaten, der gerade erneut sein Schwert schwang.
Der Pfeil surrte durch die Luft und wie in Zeitlupe sah ich, wie er sich in den Hals des Soldaten bohrte.
Seine Hand zuckte zu seinem Hals, er drehte sich um und betrachtete ungläubig das Blut auf seiner Hand. Sein Gesicht verzerrte sich und mit einem schmerzerfüllten Laut brach er zusammen.
Erschrocken drehten sich die anderen beiden um und diesmal nutzte der Mann die Gelegenheit und stieß dem einen das blutbesudelte Schwert in den Bauch, zog es wieder raus und streckte auch den anderen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit nieder. Eher ich mich versehen konnte, lagen beide tot auf dem Boden. Im ersten Moment war ich erleichtert, doch als er auf mich zu torkelte, entgleisten mir alle Gesichtszüge. Die spitzen Ohren und die seltsamen, verschnörkelten Tätowierungen, die sich um seinen Hals schlangen konnten nur eins bedeuten – er war ein Elf!
Zu Tode erschrocken stolperte ich zurück. Wie blöd konnte ich auch sein und Soldaten des Königs umzubringen, um einen Elf zu retten. Jedem Kind wurde eingeprägt, dass sie grausame Wesen waren und man sich nicht durch ihr Äußeres täuschen lassen soll.
Sie versuchten mit den Ausständigen des Reiches, den König zu stürzen um selbst an die Macht über Alandé zu kommen. Nicht, dass der König beliebt war, nein. Er war ein grausamer Herrscher, der oft ganze Dörfer abschlachten ließ, nur, weil sie ihre Steuern nicht pünktlich bezahlt hatten. Aber alle hatten Angst vor den Elfen und wollten dann doch lieber einen grausamen Menschen, als einen furchterregenden Elf auf dem Thron sitzen haben.
Als er noch weiter auf mich zukam, wich ich einen weiteren Schritt zurück.
Kurz huschte ein trauriger Ausdruck über sein Gesicht, doch dann verzerrte es sich und er brach zusammen. Ich entdeckte die Blutspur, die er gezogen hatte. Er hatte schon zu viel Blut verloren!
Eigentlich müsste mich das freuen, doch er sah so gar nicht böse aus. Deswegen überwand ich schnell die letzten Meter zwischen uns und fiel dann neben ihm auf die Knie.
„Wo bist du am Stärksten verletzt?“, fragte ich und suchte seinen Körper mit geübten Augen nach Wunden ab.
Ich war erschrocken über die große Anzahl von ihnen, es würde lange dauern, sie alle zu heilen.
Erstaunt und dankbar sah er mich an und deutete dann auf seine Brust.
„D..Da“, hauchte er schwach und dann fielen seine zu Schlitzen verzogenen Augen zu.
Der Blutverlust hatte sein Tribut gefordert und er war bewusstlos geworden.
Ich musste ihn unbedingt in meine Hütte bringen, hier konnte ich ihn nicht vernünftig behandeln.
Konzentriert suchte ich nach der Magie in meinem Inneren, fesselte sie und ließ uns beiden von der Lichtung verschwinden und vor meiner Hütte wieder auftauchen.
Das kleine, von Efeu bewachsene Hüttchen war etwas windschief, doch ich liebte es trotzdem.
Die letzten Meter schleifte ich ihn hinter mir her, sodass sein Körper eine Spur in dem erdigen Boden hinterließ. Ich stemmte die Tür auf, die etwas klemmte und zog ihn zu meinem Bett. Mühsam hievte ich ihn hoch und legte ihn ab. Dann ließ ich meinen Blick durch die Hütte schweifen, auf der Suche nach einem kleinen Messer. Leider herrschte ziemliches Durcheinander in dem spärlich beleuchteten Raum. Überall stapelten sich alte, dicke Bücher und das Geschirr von heute Morgen stand auch noch auf dem Tisch.
Doch zwischen dem alten Kerzenständer und dem Tintenfass lag das Messer und ich schnappte mir es. Dann setzte ich es vorsichtig an seiner Brust an und durchtrennte das verdreckte Hemd, das durch das ganze Blut mit der Wunde verklebt war. Als ich die Hemdfetzten entfernt hatte, wusch ich erstmal vorsichtig das ganze Blut weg und legte dann sanft meine Hände auf seinen Bauch. Ich ließ die Magie durch meine Hände strömen und fühlte das altbekannte Kitzeln. Langsam schloss sich die Wunde und eine dünne Hautschicht bildete sich. Fasziniert schaute ich dabei zu, immer wieder begeistert was meine Magie alles machen konnte.
Schließlich machte ich mich daran die anderen, kleineren Wunden zu heilen. Dafür musste ich ihn auch von seiner Hose befreien, was mich leicht erröten ließ.
Endlich hatte ich es geschafft und setzte mich ausgelaugt auf den harten Stuhl. Soviel Magie hatte ich schon lange nicht mehr gewirkt und ich merkte wie sie ihren Tribut forderte. Schnell kochte ich eine warme Suppe um wieder Kraft zu schöpfen. Heißhungrig schaufelte ich sie ich mich rein und holte mir dann ein paar dicke Decken aus dem großen Eckschrank, die ich dann auf den Boden legte um mir einen einigermaßen bequemen Schlafplatz herzurichten.
Nach dem ich nochmal kurz den Zustand des Mannes überprüft hatte, legte ich mich beruhigt hin und schon bald überkam mich ein tiefer, traumloser Schlaf.
Als Auréus aufwachte, befand er sich in einem weichen Bett. Verwirrt setzte er sich auf. Wo war er? Er schaute sich in einem stilvoll eingerichteten Schlafzimmer um.
Auf dem Boden lag schlafend die atemberaubend schöne Frau von gestern. Er kannte viele schöne Frauen, alle Elfen waren von Natur aus bezaubernde Wesen, doch ein so vollkommenes Geschöpf hatte er noch nie gesehen. Sie hatte langes, schwarzes, glänzendes Haar, das ihr fein geschnittenes Gesicht umrahmte. Ihr schmaler perfekter Mund war zu einem Lächeln verzogen, was sie noch bezaubernder erschienen ließ. Auréus Blick wanderte an ihrem Körper hinab. Oh man was für eine perfekte Figur. Lange schöne Beine,… .
Plötzlich öffnete sie die Augen und erwischte ihn beim Anstarren. Sie wurde rot, senkte den Blick aber nicht. Fest bohrten sich ihre dunkelgrünen Augen in seine und Auréus konnte sich nicht mehr von ihnen lösen. Elegant stand sie von ihrem Schlafplatz, der nicht sehr bequem aussah, auf und kam auf ihn zu. Er bekam ein schlechtes Gewissen, weil sie wegen ihm auf den Boden schlafen musste.
„Guten Morgen. Hast du noch Schmerzen?“ Fragend sah sie ihn an. Auréus schlug die Bettdecke zurück und blickte auf seinen fast nackten Körper. Sie musste ihn ausgezogen haben und irgendwie gefiel ihm die Vorstellung.
Er bemerkte, dass ihr schon wieder das Blut in die Wangen schoss, als ihr Blick über seinen Körper huschte. Erstaunt stellt er fest, dass seine Wunden fast alle verheilt waren und nur noch hauchdünne Narben zurück geblieben sind. Wie hatte sie das gemacht? Sie war ein Mensch und konnte also keine besonderen Heilkräfte, wie manche aus seinem Volk haben.
„Ich hoffe, sie schmerzen nicht mehr, ich habe lange keine Wunden mehr ma… äh geheilt.“ Erschrocken weiteten sich ihre Augen, als wäre ihr fast etwas rausgerutscht, dass sie nicht erzählen wollte.
Hatte sie magisch sagen wollen, wie konnte das sein?
„Oh, nein sie schmerzen nicht mehr. Du hast ganze Arbeit geleistet. Aber warum? Wie du sicher schon bemerkt hast bin ich ein Elf, und damit ein Feind des Königreiches.“ Sie überlegte und legte dabei ihren Kopf leicht schief. Dann antwortete sie bedacht. „Erst war ich erschrocken, aber dann habe ich gedacht, vielleicht stimmt es ja gar nicht was über euch so gesagt wird. Und ich weiß wie schlimm es ist, ausgegrenzt zu werden, nur weil man anders ist!“
Dann biss sie sich auf die Zunge, als hätte sie schon zu viel gesagt. Kurz sah sie tief traurig aus, doch dann verhärtete sich ihre Mine wieder. Was war ihr wiederfahren, dass sie so sprach? Aber es freute ihn, dass sie ihn nicht bevorurteilte. „Das sind weise Worte“, meinte er lächelnd. Er stemmte sich auf und wollte mit Schwung aufstehen, da er aber noch geschwächt war, taumelte er und wenn sie ihn nicht aufgefangen hätte, wäre er gestützt. Sanft drückte sie ihn wieder ins Bett. „Leg dich wieder hin, ich versorge deine Verletzungen nochmal.“
Brav legte er sich wieder hin. Sie holte eine Schale warmes Wasser und ein Tuch und setzte sich auf die Bettkante. Vorsichtig tupfte sie mit dem nassen Tuch über seine Wunden und strich mit ihren Fingern dabei immer wieder über seinen Körper.
Auréus schloss genießerisch die Augen. Als sie aufhörte, konnte er einen enttäuschten Seufzer nicht unterdrücken. Sie lächelte leicht, dabei verzogen sich ihre wundervollen Lippen und Auréus fragte sich, wie es sich anfühlen musste, sie mit seinen Lippen zu berühren.
„Und jetzt schläfst du am besten erst nochmal ein bisschen, ähh….! Wie heißt du eigentlich?“ „Normalerweise verraten wir unsere wahren Namen nicht, da sie einem eine gewisse Macht über einen schenken. Aber da du mich gerettet hast, denke ich, kann ich dir vertrauen. Mein Name ist Auréus. Und darf ich deinen erfragen?“ Charmant lächelte er sie an. Sie zögerte kurz, doch dann nannte sie ihm ihren Namen. „Elena.“
„Ah, ein schöner Name. Auch eine mächtige Zauberin der alten Zeit hieß so. Damals waren die Menschen und Elfen noch nicht befeindet und es gab einige wenige Menschen, die das Vertrauen der Elfen erlangten und in Magie unterrichtet wurden.“
„Ich weiß, meine…!“ Erschrocken hielt sie inne, ihre Augen weiteten sich, als ihr diese Information rausrutschte. Er kniff verwundert die Augen zusammen, woher wusste sie das? Die Geschichten von damals existierten bei den Menschen gar nicht mehr, da der König Héron alle Schriften vernichtet hatte, in denen eine Verbundenheit zwischen den Elfen und den Menschen bestand. Seltsam! Aber Auréus beschloss, sie nicht danach zu fragen, da er sie nicht bedrängen wollte. „
Ich versuche dann mal noch ein bisschen zu schlafen. Danke, dass du mich gerettet hast. Ich stehe tief in deiner Schuld.“ Dankbar sah er sie an. Sie meinte, dass es nichts gewesen wäre, aber Auréus würgte sie ab. „Jeder andere Mensch hätte mich ohne irgendwelche Gewissensbisse sterben lassen, aber du nicht“, sagte er in einem Ton, der klarstellte, dass er die Diskussion für beendet hielt. Er drehte sich um, kuschelte sein Kopf in das weiche Kissen, das ihren wunderbaren Duft nach Jasmin angenommen hatte, und versuchte einzuschlafen. Er hörte wie sie aufstand, aus dem Zimmer ging und in dem Raum, wahrscheinlich die Küche, rumwerkelte. Dann fiel er in einen tiefen Schlaf.
Sanft wurde er von einer lieblichen Stimme geweckt. „Ich glaube du hast genug geschlafen. Jetzt solltest du erstmal was essen.“ Er setzte sich auf und blickte Elena an. Sie hielt ihm eine Suppe mit Fleisch hin und lächelte ihn an. Während er aß, erzählte sie ihm ein bisschen von ihrem Leben im Wald, doch er hatte das Gefühl, dass sie ihm manches verschwieg. Nachher erzählte er ihr etwas über sein Leben, von seinen unzähligen Reisen und seinem Heimatort De Fábula. Aber auch er verschwieg ihr manches. „Wenn im Frühling alles anfängt zu blühen, bekommt man seinen Mund vor Erstaunen gar nicht mehr zu. Ich kann die Schönheit gar nicht wirklich in Worte fassen.
Überall fliegen wunderschöne Schmetterlinge über die prachtvollen Blumenwiesen, die in allen Farben blühen. Rot, orange, blau, lila, gelb, weiß und alle anderen Farben. Meine Lieblingsblumen sind Orchideen, die dort haufenweise blühen. Es riecht wunderbar und man fühlt sich richtig frei.“ Während er ihr so von seinem Zuhause erzählte, überkam ihn ein bisschen Heimweh. Er war schon so lange fort.
Nach einiger Zeit meinte sie, dass sie sich jetzt erst mal noch um etwas anderes kümmern müsse. Als sie rausging, fühlte er einen kleinen Stich in der Brust, mit ihr hier zu sitzen, ließ ihn alles andere vergessen. Es fühlte sich so vollkommen an. Er stand auf und zog sich an. Vielleicht brauchte sie ja Hilfe, so könnte er sich wenigstens nützlich machen, wenn er sich schon von ihr verpflegen lassen musste. Draußen blieb er stehen und guckte sich ratlos um. Wo war sie? Da hörte er von hinter der Hütte ein Scheppern, er ging um die Ecke und erstarrte. Das konnte nicht sein! Elena schwebte einen halben Meter in der Luft, um besser ans Dach zukommen. Sie muss Magie beherrschen, aber woher konnte sie das?
Kein Elf hatte seit Hunderten von Jahren, einem Menschen Zaubern beigebracht. „
Wie kann es sein, dass du Magie beherrscht?“ fragte er fassungslos. Erschrocken fuhr sie herum und fiel auf den Boden, da sie die Kontrolle über die Magie verloren hatte. Auréus eilte zu ihr, dass hatte er nicht gewollt. Hoffentlich war sie nicht verletzt. „Hast du dir was getan?“, fragte er, als sie sich wieder aufrappelte. „ Nein, alles okay!“ antwortete sie. Doch ganze Zeit sah er die Panik in ihren grünen Augen und sie zuckte zusammen als er sie anfasste. Es machte ihn traurig, dass er das wenige Vertrauen, das sie zu ihm gefasst hatte, verloren hatte.
„Wovor hast du Angst. Ich würde dir niemals etwas tun! Es ist doch nicht schlimm, dass du magisch begabt bist, auch wenn es mich wundert.“ Sie sah etwas erleichterter aus, doch ihre Angst war immer noch nicht verschwunden. „Was hältst du davon, wenn wir reingehen, und du mir alles erzählst.“ Sofort flackerten ihre Augen wieder beunruhigt und sie spannte sich noch mehr an.
„Hey, du musst es mir nicht erzählen. Aber ich denke das würde dir guttun.“ Er versuchte seine Stimme beruhigend klingen zu lassen. Scheinbar funktionierte es auch, denn Elena nickte zögerlich. „Du hast Recht, vielleicht sollte ich dir es wirklich erzählen. Wahrscheinlich bist du sogar am besten dafür geeignet, da du mich hoffentlich nicht für abnormal hältst, so wie alle anderen.“
Auréus brach es das Herz, als er sie so traurig sah. Er musste sie einfach trösten, deshalb machte er vorsichtig einen Schritt auf sie zu und zog sie in seine Arme. Erst zuckte sie wieder ein bisschen, aber dann schmiegte sie sich an ihn. „
Ich würde dich niemals für abnormal halten, egal was du bist.“
Und dann, ohne zu wissen, was er tat, legte er seine Lippen auf ihre samtigen, weichen. Ohne zu zögern küsste sie ihn heftig zurück. Ihre Lippen schmiegten sich wundervoll an seine, so als wären sie nur für ihn geschaffen worden. Er verlor sich in dem leidenschaftlichen Rausch und zog sie noch fester an sich. Doch gerade als er die Augen schließen wollte, fing die Luft um sie plötzlich an zu schimmern und zu flirren. Erschrocken weiteten sich seine Augen und plötzlich, wie aus dem Nichts, bildete sich aus der Luft ein glänzendes, goldenes Band, das sich um sie schlängelte und sie eng miteinander verband. Doch so schnell es gekommen war, desto schnell verblasste es wieder, und nach wenigen Sekunden konnte man von dem seltsamen Schauspiel nichts mehr erahnen.
Keuchend löste ich mich von Auréus und rang nach Luft. Er stand erstarrt da und blickte mich fassungslos an.
„Was war das denn?“ Fragend sah ich ihn an, doch er antwortete nicht und starrte immer noch wie hypnotisiert vor sich hin. Ich wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, doch er reagierte immer noch nicht.
Nach einiger Zeit fing er dann doch an zu erzählen, erst so leise, dass ich ihn kaum verstehen konnte.
„Vor langer Zeit, als ich noch ein Kind war, erzählte meine Mutter mir, von einer Prophezeiung einer uralten Elfin, die voraussagte:
Eine Liebe zwischen einem Elf und einem Menschen,
in einem Kuss verbunden durch ein goldenes Band,
so stark,
dass sie die den uralten Zwist zwischen ihrer beiden Völker
für immer beenden,
und den grausamen König ins Land der Schatten verbannen,
wo er kein Unheil mehr bringen kann.“
Dann schwieg er wieder und starrte mich mit einem merkwürdigen Blick an, fast so, als…
Ich brauchte ein paar Sekunden, um mir den Inhalt, dessen, was er erzählt hatte, richtig bewusst zu machen, doch auf einmal verstand ich.
„Was? Du meinst, dass wären wir? Da muss ich dich aber leider enttäuschen, aber ich werde mich nie wieder auf einen Mann einlassen, egal ob Mensch oder Elf! Such die jemand Anderes, mit dem du die Welt befreist, lass mich bloß in Ruhe mit dieser Sache. Und jetzt, wo du wieder gesund bist, kannst du ja verschwinden!“ Wütend schrie ich ihm meinem ganzen Frust entgegen, auch wenn ich eigentlich nicht wollte, dass er ging. Ich mochte ihn, seltsamerweise genoss ich seine Nähe.
Aber ich konnte mich einfach nicht wieder auf jemanden einlassen. Ich hatte ihm so sehr vertraut und er hatte mich einfach im Stich gelassen, als er bemerkte, dass ich nicht normal war!
Und er war immer mein engster Vertrauter, Freund gewesen.
Ohne es zu wollen, fing ich an zu weinen. Alles was ich seit so langer Zeit versucht hatte zu verdrängen, kam wieder an die Oberfläche.
Durch den Tränenschleier nahm ich war, dass Auréus mich bestürzt und fragend ansah. Vorsichtig nahm er mich in den Arm, um mich zu trösten. Erst wehrte ich mich und hämmerte mit meinen Fäusten gegen seine Brust, doch er ließ mich nicht los und nach einer Weile gab ich den Wiederstand auf und weinte mich ungehemmt an seiner Brust aus.
Sanft streichelte er ihr über ihre glatten Haare und atmete ihren wundervollen Duft ein, der wie eine Droge für ihn war. Tief in ihm erwachte der Drang, sie zu beschützen und nie wieder los zu lassen. Er wusste nicht was das für ein Gefühl war und was an dieser Prophezeiung dran war, aber wusste, dass er nicht gehen und sie alleine lassen würde.
„Sch, es ist alles gut, ich bin bei dir. Und niemand zwingt dich dazu, dich auf mich einzulassen, auch wenn ich mir das wünsche und wenn du das nicht willst, erfüllt sich die Prophezeiung, wenn da überhaupt von uns die Rede ist, halt nicht. Und ich wollte dir nochmal sagen, dass du mir vertrauen und alles erzählen kannst, wenn du willst. Ich werde dich niemals verraten.“
Sie schluckte mehrmals, verkrampfte ihre Hände zu Fäusten und strich sich fahrig durchs Haar. Doch dann richtete sie sich entschlossen ein Stücken auf und fing mit zittriger Stimme an zu erzählen.
„Vor ein paar Jahren habe ich noch in einem kleinen Dorf gelebt, ich war glücklich, den wir hatten keine Geldprobleme, ich war mit meinem Freund, David, verlobt, den ich schon ewig kannte und dem ich vertraute, ich liebte ihn nicht, aber ich wusste, dass er ein guter Mann werden würde. Doch irgendwann merkte ich, dass ich anderes war, in meiner Nähe geschahen seltsame Dinge, wenn ich sauer oder besonderes glücklich war. Langsam wurden die anderen Dorfbewohner misstrauisch, denn nicht selten ging ein Gegenstand in meiner Nähe in Flammen auf. Ich wusste nicht, was mit mir passierte, es war so schrecklich. Am Anfang hielt David noch zu mir, doch so mehr Unruhen es im Dorf gab, desto mehr zog er sich von mir zurück. Und irgendwann löste er unsere Verlobung einfach auf und ein paar Tage später erfuhr ich, dass er eine andere Frau gefunden hat. Und auch meine anderen Freunde wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Als es immer schlimmer wurde, bin ich dann abgehauen. Nach dem ich eine ganze Zeit lang durch die Gegend geirrt bin, kam ich an eine Hütte, in der Sina wohnte. Ich war halb am verhungern und Sina nahm mich einfach so auf ohne Fragen zu stellen. Ich glaube, sie hat gespürt, dass ich besonders bin. Zwei Jahre lang habe ich bei ihr gewohnt und sie hat mir viel über Magie und Elfen erzählt, keine Ahnung woher sie das alles wusste. So lernte ich meine Kräfte unter Kontrolle zu halten. Doch dann starb sie, und ich war so unendlich traurig, dass das ganze Haus in Flammen aufging. Und so verlor ich zum zweiten Mal alles, was ich besaß und alles was ich liebte. Also beschloss ich mir hier im Wald eine Hütte zu bauen und mich nie mehr auf jemanden einzulassen.“
Eine Weile sagte keiner von den beiden etwas. Auréus hielt sie einfach nur tröstend in den Armen, und Elena war dafür sehr dankbar. Er konnte es gar nicht fassen, wie dieser David so eine wunderbare Frau einfach fallen lassen konnte. Sie war doch einfach bezaubernd und wert, beschützt und verteidigt zu werden.
Irgendwann meinte Auréus leise. „Das tut mir sehr leid für dich. Und ich kann nicht verstehen, wie man so dumm sein kann und eine Verlobung mit einer so fantastischen Frau, wie dir auflöst. Aber ich verspreche dir, dass ich dich niemals verlassen werde, egal was passiert. Und ich hoffe, irgendwann kannst du mir so vertrauen, dass du dich auf mich einlässt.“
Schüchtern blickte sie ihn an. „Und du wirst mich nie im Stich lassen?“
„Niemals.“ versprach er erneut.
Glücklich schmiegte sie sich noch näher an ihn.
„Gut“, meinte sie. „
Aber würde es dir etwas ausmachen, wenn wir das ganze langsam angehen lassen, und uns erstmal richtig kennenlernen?“
Auréus lächelte sie an. „Nein, natürlich nicht, ich bin schon froh, wenn du mich nicht wegschickst, und mir eine Chance gibst, dir zu beweisen, dass nicht alle Männer so wie David sind. Und vergiss die Prophezeiung einfach, sie stimmt ja wahrscheinlich eh nicht.“
Elena spürte, wie sie anfing ihm zu vertrauen. Er war so anders als David, und alle anderen Männer die sie bis jetzt kannte. Auréus versuchte nicht sie zu etwas zu drängen und er war sogar besorgt um sie.
„Komm mal mit, da wir uns ja besser kennenlernen wollen, will ich dir mal was zeigen.“,
rief sie glücklich und zog ihn mit sich.
Vielleicht, vielleicht könnte aus ihnen beiden wirklich was werden. Das wünschte er sich zumindest. Und vielleicht könnten sie beide, wirklich etwas in dieser Welt verändern.
Ende
Tag der Veröffentlichung: 15.07.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Danke an teetrinkerin, die mir das super tolle Cover gemacht hat :)