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01. Tag eins: Die Flucht

»Der Hindu kommt!«

Seine Stimme vibrierte. Irgendwer schlug hektisch ans Eisenrohr vor dem kleinen Schulgebäude. Das Warnsignal schepperte durchs Tal.

Sareesha presste ihren kleinen Babu fest an sich, so als müsse sie ihn schützen. Wie von unsichtbaren, aus Angst gesponnenen Fäden gezogen, eilte sie mit den anderen zur Dorfmitte. Unter den weit ausladenden Ästen der Tamarinde hatten sich schnell fünfzig oder sechzig Erwachsene versammelt. Als Sareesha sich mit ihrem Baby zu den anderen auf den Boden hockte, stand Pastor Isaak bereits auf dem gemauerten Betonsockel am Stamm des mächtigen Baumes. Der weiße, leichte Stoff seines Dothies flatterte nervös im Wind, der vom Fluss herauf stieg. Sareesha spürte, dass ihr Anführer gerne sachlich bleiben und die Leute beruhigen wollte. Vielleicht wäre dies dem sonst besonnenen Isaak auch gelungen, wäre da nicht dieses leichte Vibrieren in seiner Stimme gewesen. Es verriet die Angst des Mannes.

 

»Der Hindu kommt! Er hat zehn Leute bei sich, wahrscheinlich mehr. Sie sind schwer bewaffnet!«

Viele der am Boden sitzenden Männer sprangen auf. Sie redeten durcheinander. Babu begann zu weinen. Sareesha barg ihr Baby tief im Schleier ihres Sari.

»Hab keine Angst!« flüsterte sie. »Wir sind in Gottes Hand!» Das Kind beruhigte sich. Bald schluchzte es nur noch ein wenig. Sareesha wiegte es sanft in ihrem Schoß. Hoffentlich merkte der Kleine nicht, dass auch sie sich fürchtete - trotz ihres Glaubens.

 

»Bist du sicher, dass sie kommen? Wo sind sie jetzt? Wie lange brauchen sie noch? Was sollen wir tun?«

Es blieb jetzt keine Zeit, alle anstehenden Fragen zu beantworten.

»Nehmt sofort eure Sachen!« Pastor Isaak klang bestimmt und entschieden. »Wir brechen auf. Jetzt sofort!«

 

Jung und Alt, Männer und Frauen, sie alle liefen zu ihren Häusern, verschwanden darin und kamen kurz darauf wieder heraus.

Sareesha sicherte den Eingang ihrer Hütte mit einem Stück Bambusschnur. Für eine massive Holztür mit Schloss hatte ihr Geld nie gereicht. Sie trug ihr Kind in einem Tuch vor der Brust, hatte ein dickes Bündel mit Kleidung und Decken auf den Rücken geschnallt und trug einen Korb mit Reis und Linsen und auf Vorrat gebackene Chappati auf dem Kopf.

 

Nach wenigen Minuten sammelten sich die Menschen wieder unter der Tamarinde. Dieser prächtige Baum mit seinen filigranen Blättern und samtigen Schoten hatte sie stets beschattet und geschützt, wie eine Glucke ihre Küken. Wie oft hatten sie hier gesessen, gemeinsam gelacht, gefeiert oder beratschlagt, was zu tun sei, in Zeiten voller Dank und Frieden.

Genau hier hatte Naveen sie vor etwas mehr als einem Jahr gefragt, ob sie ihn heiraten wolle. Das war ein Tag! Dummerweise hatte die alte Banu zumindest teilweise gehört, was Naveen gesagt hatte und die Neuigkeit natürlich sofort im Dorf verbreitet. Die Abreibung durch die Eltern war entsprechend krass ausgefallen! »Ihr könnt euch gerne lieben!« hatte ihr Vater gebrüllt. »Ihr könnt euch heimlich treffen und meinetwegen sogar schmusen! Aber ob ihr einander heiratet, bestimmen immer noch wir, eure Eltern!« Ihre wunderbare Mutter hatte dann aber leise gemeint: »Jedenfalls sollte es im Dorf so aussehen!«.

Während Sareesha unter der Tamarinde auf die Nachzügler wartete, musste sie an die glücklichen Zeiten unter diesem Baum denken. Wie oft in den letzten Jahren hatten sie ihre Reissäcke und die Körbe mit Linsen oder im Wald gesammelten Beeren auf dem Zement-Podest unter dem Baum abgestellt. Manches davon boten sie Händlern an, die mit Booten über den Fluss kamen. Sie verkauften es, tauschten es gegen Gebrauchsgegenstände ein – und manches wurde auch verschenkt. Banu, die alte Kräuterfrau, hatten sie im Gegenzug zu deren Heilkunst mit Reis versorgt. Einige der anderen Witwen im Dorf bekamen ganz ohne Gegenleistung Reis, Früchte und Gemüse – ganz genauso, wie die Bibel es forderte. Der alte Chandran, seit Jahren durch die Lepra verkrüppelt und unfähig zu arbeiten, erhielt seinen Teil und Pandina, mit ihren vier kleinen Kindern und dem Mann im Gefängnis, wurde ebenso unterstützt. Wenn dieser alte Baum hätte reden können: Er würde gerade aus den letzten Jahren rührende Geschichten erzählen.

 

Auch Jesuratnam, mit dem Naveen und Sareesha befreundet waren, käme darin als jemand vor, der von den Dorfbewohnern versorgt wurde, wenn auch erst seit einer knappen Woche. Allerdings war der junge Mann weder krank noch sonst irgendwie erwerbsunfähig. Er war vielmehr gewissermaßen Angestellter der Gemeinde. Die Kinder im Dorf nannten ihn schlicht aber verständlich: »Unser Spion«. Er war, mit einem der wenigen Mobiltelefone aus dem Dorf bewaffnet, vom Ältestenrat nach Kukunuru geschickt worden. Er sollte sie warnen. Vor dem Hindu.

 

Nur etwa dreißig Minuten nach dem Anruf ihres ‚Spions’ bei Pastor G.Isaak versammelten sie sich nun zum zweiten Mal unter der Tamarinde. Fast alle Dorfbewohner waren da, bepackt mit Bündeln, Körben und Krügen. Einige zogen ihre Ziegen an Leinen hinter sich her und mühten sich, die Tiere zu beruhigen. Die Aufregung der Menschen übertrug sich auch auf die Tiere. Selbst die braunen, kurzhaarigen Hunde wirkten nervös und unruhig.

 

»Büffel und Rinder bleiben hier! Sie sind zu langsam, zu störrisch und zu laut!«

Dass G.Isaak die Rolle des Anführers übernommen hatte, hinterfragte niemand. Er hatte die christliche Gemeinde des Dorfes vorbildlich geführt, das Vertrauen aller Dorfbewohner gewonnen und viel für Tekupalli getan. Der Brunnen, die Elektrizität, die mobile Anbindung durch Airtel, die Unterbringung der Kinder im Kinderheim von Koyda und vieles andere hatten sie ihm zu verdanken. Dass sie bis jetzt noch keine Straße bekommen hatten, ja nicht einmal einen Sandweg, war nicht seine Schuld. Er hatte diverse Eingaben gemacht, hatte auch den Dorfrat für derartige Vorstöße bei den Regierungsstellen gewonnen – aber bisher war eine Straße immer abgeschmettert worden. Der Stausee würde ohnehin alles überschwemmen, hatten sie ihnen gesagt. Und natürlich Recht gehabt. Allerdings gab es den Stausee immer noch nicht, obwohl der Damm bei Polavaram schon vor Jahren gebaut werden sollte und die wenigen Regierungsvertreter, die deswegen in ihr Dorf gekommen waren, so getan hatten, als stünde das Wasser bereits morgen vor ihren Hütten.

Doch nun war die fehlende Straße ihr Glück. Der Hindu und seine Leute mussten von Koyda aus entweder zwei Stunden zu Fuß durch den Dschungel marschieren oder eines der Fischerboote benutzen, um das Dorf zu erreichen. Auch die mächtigsten Feinde konnten nicht fliegen.

»Überlasst die Tiere den Nachbarn! Wie verabredet!« Isaak trieb sie zur Eile. Man sah es vor allem den älteren Leuten an, dass sie sich von ihrem Vieh nur schwer trennen konnten. Manche hatten Jahrzehnte als Kulis für ein Zeburind oder einen Wasserbüffel geschuftet. Die Tiere hatten sie dann zuverlässig mit Milch und Dung versorgt und schwerste Arbeit auf dem Feld, im Wald oder vor dem Karren geleistet. Ein Rind aufzugeben war, wie auf Lebens- und Alterssicherung gleichzeitig zu verzichten. Kein Wunder, dass Sareesha bei einigen der alten Männer Tränen in den Augen sah. Aber es blieb ihnen nun keine andere Wahl. Die Tiere konnten nicht mit ihnen durch Dschungel und Gebirge ziehen.

Sie brachen auf.

Sareesha war froh, dass Babu wieder eingeschlafen

war. Nur sechs oder sieben Familien blieben im Dorf. Es waren drei Hindu-Familien und Stammesmitglieder, die nicht zur christlichen Gemeinde gewechselt waren. Alle im Dorf waren sich einig: Was hier geschah, richtete sich nur und ausschließlich gegen die Christen. Und es war tödlich.

02. Tag sechs: Ramas Geburtstag

Es waren mindestens dreihundert Paare, alle in Weiß: Die Frauen in Saris, die Männer in Dothies. Es sah prächtig aus, wie sie durch die Straßen zogen. Vor ihnen die Musikkapelle der Priester, rot und weiß gekleidet. Sitar, Trompeten, Flöten und Trommeln aller Art schienen die heiße, feuchte Luft in Schwingungen zu versetzen. Rhythmisch zog die Musik den Zug der Feiernden mit unsichtbarer Kraft voran. Auch die tausenden Pilger an der Straße wurden von ihrem Sog erfasst und bewegen sich im Takt der Trommeln. Sie waren unterwegs, sie alle. Und Rama war mitten unter ihnen!

Sie feierten seine Hochzeit. Hier in Bhadrachalam hatten die Götter Hochzeit gefeiert, Rama und Sita. Die siebte Inkarnation von Vishnu und der Inbegriff der treuen, keuschen und reinen Frau. Und nun wurden wie jedes Jahr beim beliebten Rama Navami Festival hunderte Paare getraut. Ganz traditionell.

 

Chidambaram mochte weder die Rollenzuweisungen dieser Hochzeitsfeierlichkeiten noch den Geruch der Pilger. Irgendwie stinken sie alle nach Schweiß, dachte er und rümpfte die Nase. Ein dicker Mann neben ihm schwitzte besonders penetrant. Er drängelte sich nach vorn, um besser zu sehen und drückte dabei feucht gegen Chidambarams Schulter. Angewidert wich der zurück. Besser weniger sehen aber besser riechen!

Er war jetzt seit drei Tagen in Bhadrachalam. Neben ihm versuchte sein schmächtiger Schwager Raja einen Blick auf die weiß gekleideten Brautpaare zu erhaschen. Auch er wurde von dem Dicken zur Seite gedrängt.

»Du bist Polizist!« meinte Raja gespielt ärgerlich. »Du müsstest diesem Fettsack eigentlich Platzverbot erteilen! Außerdem hast du doch Judo oder sowas gelernt, treibst dauernd Sport und bist einen Kopf größer als der Fette dort!«

Chidambaram grinste. Natürlich konnte er hier seinen Platz verteidigen – wenn er wollte und dürfte! Aber weder hatte er in diesem Bezirk etwas zu sagen, noch kommandierte er die Verkehrspolizei.

»Lass uns gehen», forderte er seinen Schwager auf. »Hier gibt es nichts Neues zu sehen und langsam wird es mir wirklich zu voll!«

 

Die Stadt, sonst um die hunderttausend Einwohner, musste nun weit über das Zehnfache fassen, eine Millionen Menschen! Aus ganz Indien kamen Pilger in die sonst eher beschauliche Kleinstadt an der Godavari.

Der Zug der Brautleute bewegte sich auf den Platz unterhalb des Tempels zu. Dort gab es gleich eine lange, laute und bunte Zeremonie. Die Priester würden die Paare im Angesicht der Götterstatuen segnen, für sie beten und ihre Vermählung zelebrieren. Der Veranstaltungsplatz unter Schattendächern aus Palmwedeln fasste mindestens zwanzig- bis dreißigtausend Menschen. Weitere Massen warteten am Damm zum Fluss auf die Paare. In der Godavari gab es heilige Waschungen – und danach erst würde die riesige Hochzeitsgesellschaft hinauf in den Tempel ziehen.

 

»Wir müssen nicht alles mitmachen!«

Chidambaram drängte seinen Schwager zum Aufbruch. Er hatte keine Lust mehr. Schon gestern waren sie oben im Tempel gewesen und hatten gebetet. Stolz hatte sein Schwager ihm das Heiligtum gezeigt, sie hatten es gemeinsam umrundet, bei den verschiedenen Göttern und ihren Schreinen Halt gemacht, zu Rama, Ganesha und Shiva gebetet ... All das hatte der Inspektor zwar mitgemacht, es erreichte ihn aber nicht. Auch Sitas Standbild war für ihn nicht mehr als eine steinerne Skulptur. So anmutig und schön diese Frau auch dargestellt wurde, sie war ihm schon immer suspekt gewesen: Gehorsame Tochter autoritärer Eltern und Idealbild einer moralisch untadeligen, unterwürfigen und hingebungsvollen Ehefrau. Chidambaram war sich nicht sicher, ob der Gott Rama da wirklich den großen Wurf gemacht hatte. Er jedenfalls war der Götter müde.

 

Ob er bereits von Kumari infiziert war? Ob sie ihn bereits ein Stück auf ihre Seite gezogen hatte? Merkwürdig, dass er gerade jetzt und hier an sie dachte.

Kumari, seine ehemals große Liebe, war ausgerechnet Christin. Und sie hatte ihn fast überzeugt. Aber dann war die Beziehung zerbrochen. Zu Christen hatte er seitdem keinen Kontakt gehabt. Und nun war er Anfang vierzig und immer noch Single.

Und er war Hindu. Wahrscheinlich ein eher gemäßigter, ein säkularisierter, ein überaus liberaler – aber eben doch ein Hindu. Er glaubte an das Brahman, die Weltseele. Er glaubte, dass das Brahman in Menschen und Tieren erfahrbar wurde und jeder sein eigenes Karma leben und gestalten musste. Er glaubte an die Vorherbestimmung und an die Wiedergeburt, an die Kasten und ... Aber glaubte er das alles wirklich? War nicht der Glaube Kumaris viel attraktiver? Ein persönlicher Gott der Liebe, ein Gott, der Mensch wurde und sich um Menschen kümmerte, der das Kastensystem mit seinen oft so brutalen Festlegungen überwand, bei dem man nicht perfekt sein musste wie Sita als Ehefrau, der ...

 

»Schwager, träumst du?!«

Raja stieß ihm in die Rippen.

»Du wolltest doch gehen! Da musst du dich schon bewegen!«

Chidambaram gab seinem Schwager recht.

Sie waren nur wenige Meter weit gekommen und steckten fest. Hinter ihnen drängten hunderte Menschen, vor ihnen befand sich ein Gitter. Mehrere uniformierte Polizisten ließen niemanden durch. Nun mussten sie selbst drängeln, um sich aus dieser Zwickmühle zu befreien. Ganz so, wie der Dicke vorhin.

 

Chidambaram verscheuchte die Gedanken an Kumari und die Christen und schob mehrere in schwarz gekleidete Pilger zur Seite. Diese Ayappa-Jünger hatten sich inzwischen immer mehr ausgebreitet. Ihr Kult war vor allem unter jungen Leuten sehr beliebt. Chidambaram fand diese relativ junge Bewegung interessant. Endlich tat sich etwas im Hinduismus. Junge Leute entdeckten die Religion. Die alten, verkrusteten Formen wurden aufgebrochen. Auch durch Rajamundhri, wo er jetzt zu Hause war, zogen regelmäßig Ayyappa-Pilger. Wo immer sie auf dem Weg zu ihrem Heiligtum in Kerala einen ihnen nahestehenden Tempel fanden, unterbrachen sie ihre Pilgerreise zu Gebet und Opfer. Hier im 150 km entfernten Bhadrachalam gab es inzwischen sogar einen eigenen Tempel, einen merkwürdigen Bau mit schwarz und rot getünchten schrägen Wänden.

 

Chidambaram und Raja bahnten sich den Weg durch die Menge, manchmal auch mit den Ellenbogen. In der Nähe der Polizeistation mussten sie in eine Nebenstraße ausweichen. Vor den Toren des gut gesicherten Geländes der Distriktpolizei demonstrierten etwa dreißig bis vierzig Männer. Viele trugen ein rotes Stirnband. Zunächst fiel es Chidambaram schwer, den Grund der Demonstration zu erkennen. Er dachte an den Telangana-Staat oder das Polavaram-Projekt. Ein eigener, neuer Bundesstaat namens ‚Telangana’ wurde seit Jahren von vielen Bürgern gefordert, der von der Bundesregierung Andhra-Pradesh geplante Polavaram-Staudamm dagegen besonders von den Telangana-Aktivisten erbittert bekämpft.

»Du, ich glaube, da geht es um die Christen ... !«

Chidambaram hielt seinen Schwager am Arm zurück. Sie blieben einen Moment stehen und versuchten, die Parolen der Stirnband-Demonstranten zu verstehen.

»Indien den Hindus!«

»Christen und Moslems raus!«

»Zurück nach Amerika!«

Einige der Parolen schallten zu ihnen herüber.

»Sie sind wahrscheinlich von der RSS, die haben jetzt ein Büro hier«, meinte Raja. »Und sie machen ihre Religion zur Politik!«

Chidambaram nickte. Er hielt nichts von solchen Extremisten. Er fand die Teilung von Staat und Religion sinnvoll, so wie sie in Amerika und Europa üblich war. So lange es um Demonstrationen ging, dachte er jetzt, war Widerstand ihr gutes Recht. Aber in den letzten Monaten hatte es böse Übergriffe auf Christen gegeben. Und da hörte der Spaß auf! Hier in Bhadrachalam, hatte er gerade erst im ‚Indian Express’ gelesen, war ein hinduistischer Lehrer ermordet worden. Die marxistischen Naxaliten hatten zwar die Verantwortung dafür übernommen, aber die aufgeheizte Bevölkerung lastete es den Christen an. Wäre dies in seinem Zuständigkeitsbereich passiert, hätte er hart durchgegriffen.

 

Nach etwa einer halben Stunde Fußweg, zuerst durch das Gedränge der Pilger, dann durch den normalen Betrieb in lebhaften Einkaufsstraßen, kamen die beiden in ruhigere Bereiche der Stadt.

Ein Telefon klingelte. Der Klingelton kam ihm irgendwie vertraut vor. Aber erst nach mehrfachem Läuten registrierte Chidambaram, dass es sein eigenes Mobiltelefon war. Er erschrak. Wie oft mochte es in dem Gedränge schon geklingelt haben, ohne dass er es gemerkt hatte? Er beförderte sein Handy umständlich aus den Tiefen seiner Hosentaschen bis ans Ohr und nahm den Anruf entgegen.

»Hallo, hier Inspektor Chidambaram, Kriminalpolizei Rajamundhri!« Es klang irgendwie fremd, sein ‚Kriminalpolizei Rajamundhri’, hier mitten im Rama Navami Festival von Bhadrachalam.

Weniger fremd klang die Stimme am anderen Ende der Leitung. Es war Babu, sein Assistent. Es musste etwas sehr Wichtiges vorgefallen sein. Babu würde ihn nur stören, wenn etwas wirklich dringend war.

»Wir haben einen Mord!«

Babu machte eine Pause, so als wolle er das Wort wirken lassen. Mord.

»Genauer«, ergänzte er, »wir haben vier Morde! Und vier Leichen.«

Wieder ließ er seinem Chef Zeit zum Erfassen des Gesagten. Oder er wollte der Dramatik durch eine weitere Pause nachhelfen. Mord. Leichen.

 

Religiöses Fest, Götter und schwitzende Pilger, Massenhochzeit und Feierstimmung, Tempel, Rama Navami und Religion hin und her - Chidambaram war zurück in der Wirklichkeit. Sein Job war es, Morde aufzuklären.

03. Rückblick: Milane über Hyderabad

 

Wenn er die Augen schloss, sah er sie oft vorüberziehen, die Milane von Hyderabad. Der geteilte Schweif, die königlichen weiten Schwingen, die tödlichen Schnäbel und die scharfen, wachen Augen. Diesen Augen entging nicht eine Bewegung. Eine Maus, Eidechsen oder kleine Hasen – der Milan fand sie alle. Als Kind hatte er sich immer erschrocken. Alles ging viel zu schnell. Ohne dass man es richtig sah, hatte der Vogel sein Opfer schon in den Krallen und erhob sich erneut.

 

Saresh folgte jetzt, auf dem Rücken liegend, zweien dieser Vögel mit den Augen. Die Jäger schienen gemeinsame Sache zu machen – so als würden sie sich über einem bestimmten Punkt zwischen den Felsen weiter rechts gegenseitig ablösen.

Neben Saresh auf dem flachen Stein schaute Pramela zum tiefblauen Himmel. Sie war ein bildhübsches Mädchen: Schwarze, lange Haare, die im Sonnenlicht funkelten wie Ebenholz; rechts über dem Ohr trug sie eine gelborange Blüte; ein dunkelblaues, bis über die Knie fallendes Pundjabi-Shirt passte hervorragend zu ihrer schlanken Figur. Die kleinen klimpernden Fußkettchen, ihre zarten, langen Finger und selbst die bunten Armreifen über dem Handgelenk - eigentlich alles an ihr fand er absolut perfekt. Das Tollste aber waren ihre Augen. Sie konnten mit denen des Milans sicher nicht in Sachen Sehschärfe mithalten, sie waren aber so tief und geheimnisvoll wie ein Brunnen, dessen Grund man nicht sah, der jedoch immerzu Wasser führte - wie aus einer lebendigen und ewigen Quelle.

 

Er wagte nicht, das Mädchen neben sich anzuschauen. Um ihre Augen zu sehen, hätte er sich über sie beugen und ihren Blick zum Himmel unterbrechen oder sie gar berühren müssen. Wie konnte er das wagen, jedenfalls in diesem Moment? Es war ihr erstes Treffen außerhalb des Colleges. Ihre Eltern wussten nichts davon. Sie durften davon nichts wissen. Diesen Ort hatte sie ihm vorgeschlagen. Andere Pärchen trafen sich im Golkondafort, irgendwo zwischen den alten Gemäuern, oder in einem der Parks von Hyderabad. Das Problem war: An diesen öffentlichen Orten vergnügten sich besonders an Wochenenden oder Feiertagen viele Bewohner der Millionenstadt und man wusste nie, wem man dort begegnete. Ihr Vorschlag war Saresh also sehr willkommen. Hier, im Nobelviertel Jubillee Hills, mitten im Felsengewirr zwischen zwei Villen, würden sie mit Sicherheit niemanden treffen, schon gar nicht jemand Bekanntes.

 

»Sieh mal!« Pramela hob den schlanken Arm und wies gen Himmel. »Dort kommt ein dritter Vogel.«

»Er dringt in das Revier der anderen ein!«

»Aber es sieht nicht aus wie ein Kampf.«

Die Vögel kreisten wie schwerelos über ihnen. Sie schienen sich gegenseitig zu akzeptieren. Plötzlich aber jagten zwei von ihnen auf den dritten zu. Es sah aus, als kollidierten sie in der Luft. Doch alle drei flogen unversehrt weiter.

»Siehst du«, meinte Saresh und kam sich dabei ein bisschen besserwisserisch vor, »der Eindringling dreht ab. Die beiden haben ihn vertrieben.«

Tatsächlich war der dritte Milan nach wenigen Sekunden verschwunden.

»Schade.« Pramela stöhnte leicht. »Warum können sie dort oben nicht alle drei unterwegs sein? Der Himmel ist groß genug und Mäuse oder Ratten gibt es hier auch in Massen!«

»So ist das nun mal. Jeder hat seinen Lebensraum und muss ihn verteidigen.«

Pramela wandte kurz den Kopf und warf ihm einen kritischen Blick zu. Sie sagte jedoch nichts.

Saresh biss sich fast auf die Zunge. Er vermied besser eine Diskussion über dieses Thema. Oft genug hatte er sich da in die Nesseln gesetzt und mit Pramela wollte er es auf keinen Fall verscherzen. Sie schwieg jetzt wieder und er wusste nicht, was zu sagen jetzt angebracht war. Also schwieg auch er.

 

Er dachte an Diskussionen im College. Seit der elften Klasse waren hitzige Debatten und Diskussionen für ihn an der Tagesordnung, egal in welchem Fach. Im Moment konnte sich Saresh gar nicht mehr vorstellen, dass er, wie alle anderen auch, vorher meist nur dagesessen und alles geschluckt hatte, was die Lehrer ihnen vorsetzten. Immer schön brav sein! Das war im ‚Junior College’ endlich vorbei gewesen. Saresh hatte sich gegenüber Mitschülern und Lehrern mehrfach deutlich ausgedrückt und seine Meinung gesagt - und war damit letztlich ziemlich schlecht angekommen.

Immer ging es dabei um Indien und die Frage, in welche Zukunft ihr Land sich bewegte.

Einmal stand zum Beispiel die Zentralregierung vor der Frage, ob man international agierenden Lebensmittelketten Zugang zum indischen Markt ermöglichen sollte. Die Vorteile lagen auf der Hand: Moderne Supermärkte, günstige Preise, westliche Waren in guter Qualität. Doch die Nachteile waren gravierend: Unzählige kleine Läden mussten schließen, Ausländer diktierten die Preise, die Kultur wurde wie durch die bereits zugelassene Fast-Food-Kette ‚McDonald’s’ verfremdet und durch westliche Einheitskultur ersetzt. Saresh hatte sich unglaublich aufgeregt. Einige Jugendliche in seiner Klasse wollten unbedingt, was ihnen das Fernsehen ständig vorgaukelte. Einiges hatten sie schon jetzt: Samsung Galaxy und Laptop, Jeans und Fast-Food. Und nun sollten es auch noch Nudeln, Nutella und Cornflakes sein. Die gesamte Esskultur Indiens stand auf dem Spiel – aber diese Trottel merkten es nicht, sondern machten fleißig mit, beim Ausverkauf ihres Heimatlandes.

 

Dabei war das nur ein Beispiel. Es gab hundert andere: Ausländische Automarken verdrängten einheimische Firmen. Toyota, Mitsubishi, Ford und immer mehr auch deutsche Firmen beherrschten den Markt. Und BMW, oder VW, wer konnte solche Autos schon bezahlen? Oder die Getränke. ThumbsUp oder Merinda, wer kaufte denn überhaupt noch die indischen Produkte? Pepsi oder Coca-Cola waren angesagt ... von wegen Lebensraum verteidigen! Indien stand vor dem Ausverkauf. Bis hinein in die Religion reichte dieser. Vielleicht lag dort sogar die Ursache des Desasters. Christen und Moslems verbreiteten ihre Lehre von dem einen Gott wie einen Virus. Vor allem die Christen betrieben aggressive Mission. Mit Predigern, jungen Missionaren und vor allem Geld aus Amerika und Europa überschwemmten sie Indien. Mit sozialen Hilfsprogrammen und Bildungsangeboten kauften sie sich in die Seelen der Armen ein und bekehrten sie zu ihrem Glauben.

Saresh musste sich wirklich zusammenreißen, das Spiel der Milane nicht auf die Entwicklung Indiens zu beziehen und nun mit seiner ‚Sita’ wie er Pramela insgeheim nannte, darüber zu diskutieren. Zum Glück schaffte er es, seine Kommentare zurückzuhalten.

 

»Mir wird langsam schwindlig vom Hochschauen!«

Pramela hatte Recht. Sie mussten sozusagen mal wieder festen Boden unter die Füße bekommen, statt wie ein Jet im Luftkampf herumgewirbelt zu werden. Sie setzten sich auf.

Und nun schauten sie sich an. Endlich.

»Wann musst du zu Hause sein?«

Saresh wünschte, sie würde erst am Abend zurück müssen.

»Gegen vier. Meine Eltern wollen um fünf zum Gottesdienst.«

Saresh fand das gar nicht gut. Nicht nur, dass sie sich in einer halben Stunde auf den Rückweg begeben mussten, auch dass Pramela Tochter eines Christen war, passte ihm nicht. Ihr Vater war ganz sicher ein netter und auch erfolgreicher Mann. Er arbeitete bei einer großen Firma, bei Satyam in der ‚High Tech City’, etwas weiter im Nordwesten der Stadt. Er verdiente dort in der Entwicklung von Maschinen gutes Geld. Aber er und seine Frau waren Christen.

Und er, Saresh, war Hindu.

»Musst du denn da unbedingt mit?« fragte er. »Ist es für euch Pflicht, in den Gottesdienst zu gehen!«

»Das nicht. Aber meinen Eltern ist es wichtig und da gehe ich natürlich mit. Außerdem ist es manchmal richtig schön und interessant.«

Saresh konnte sich das nicht vorstellen. Für ihn war nur der Tempel schön. Schon von Kind auf liebte er den Geruch dort, eine Mischung aus Kräutern, Ölen, Altertum und Schweiß. Er liebte die vielen Götterbilder und die Geschichten, die sie erzählten.

Aus Neugier war er vor einem knappen Jahr einmal in eine Kirche gegangen. Er war sechzehn und ging bereits aufs College. Seinen Eltern und Geschwistern hatte er davon natürlich nichts erzählt. Sie wären sauer auf ihn gewesen und hätten es vielleicht gar als Verrat an der eigenen Religion angesehen.

Die Kirche hatte von außen durchaus eindrucksvoll ausgesehen, wenn auch im Vergleich zu den bunten und fröhlichen Tempeltürmen eher schlicht. Sie war vollkommen in weiß gehalten, sowohl der Turm als auch der Kirchenraum. Aber innen sah es nach Nichts aus. Ventilatoren drehten sich an der hölzernen Decke. Die Wände waren weiß getüncht, das triste Mauerwerk nur unterbrochen von einigen düsteren Heiligenbildern – vielleicht waren es auch Götter. Nur vorne, sie nannten es Altar, gab es etwas Blumenschmuck und Girlanden, die an einem Kreuz aus Holz hingen. Alles in der Kirche war darauf ausgerichtet. Es musste also ihr Heiligtum sein. Saresh war damals ziemlich geschockt gewesen, als er den Mann am Kreuz näher betrachtete. Das musste Jesus Christus sein, nach dem sich die Christen benannt hatten. Ein Sterbender. Einer, der offenbar vor Schmerzen schrie. Und das sollte ihr Gott sein? Bis heute hatte Saresh das nicht begriffen. Seine Götter waren groß, stark, golden, glänzend und unverletzlich. Shiva, der Schöpfer und Zerstörer; Ganesha, Shivas kluger und humorvoller Sohn mit dem Elefantenkopf und dem abgebrochenen Stoßzahn; Hanuman, unbesiegter Kämpfer in Affengestalt; Rama, der seine Sita aus den Klauen des Dämonen gerettet hat; Krishna, tanzend auf der Weltkugel; Durga die Göttin der Liebe und des Todes ... keinen einzigen seiner Götter könnte Saresh sich je an einem Kreuz hängend und sterbend vorstellen.

 

Pramela war offenbar noch immer nicht zum Reden zumute. Sie stützte sich mit den Armen ab, schaute wieder zum Himmel hinauf und atmete, als wolle sie den Hauch des Lebens in sich aufnehmen.

Saresh hätte sich gerne mit ihr unterhalten, ließ sich jetzt aber von ihrem nachdenklichen Schweigen anste-cken. Er dachte an Ramayana, jene Geschichten um Rama und Sita, die ihm seine Mutter erzählt hatte. Viel zu früh war sie gestorben! Fast jeden Abend hatte ihm seine Mutter von Rama erzählt und aus der Ramayana vorgelesen. Geschichten um Kampf und Liebe, um Ehre und Recht, um Leben und Tod. Saresh hatte mit dem jungen Rama triumphiert, als der mit übermenschlicher Kraft den als unzerbrechlich geltenden Bogen Shivas zerbrach und so die schöne Sita eroberte. Er hatte gemeinsam mit dem jungen Paar gefühlte vierzehn Jahre im Dschungel gelebt, ausgeschlossen von Thron und Ruhm. Als der grausame Dämon Ravanna beschrieben wurde, hatte er sich ängstlich an die Mutter geschmiegt. Und wie hatte er gelitten, als Ravanna die schöne Sita entführte - und später dann erleichtert aufgeatmet, als Rama zusammen mit dem Affenkönig Hanuman seine geliebte Sita in einer blutigen Invasion befreite, um dann mit ihr zusammen den Thron zu besteigen. Das waren Kämpfe! Das waren Helden!

Ganz anders als dieser Jesus! Hing am Kreuz, scheiterte und starb, gab sich ohne jeden Kampf geschlagen. Nie würde er begreifen, warum ausgerechnet dieser Mann ein Gott sein sollte.

 

Schweigend saß er neben Pramela. Ob sie die faszinierenden Geschichten der Ramayana überhaupt kannte? Vielleicht waren ihre Welten doch zu verschieden, dachte er. Vielleicht passte es doch nicht wie bei Rama und Sita. Aber schön wäre es. Er schielte heimlich zu Pramela hinüber. Wie schön sie war! Ob ihr ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen? Ob sie ihn auch toll fand und gerne mit ihm zusammen war? Ob auch sie ihn gerne berühren würde, wenigstens an der Hand oder am Arm? Ob sie sich auch ein wenig in ihn verliebt hatte?

Saresh zuckte zusammen. Verliebt? Hatte er eben ‚verliebt’ gedacht? Durfte das denn sein? Nein! Die Eltern mussten entscheiden und Ehen wurden in Indien nicht aus Liebe, sondern arrangiert begonnen. Seines Wissens nach war das bei den Christen nicht anders. Auch sie passten sich in solchen Dingen der Kultur und Tradition an. Ob er dieses Thema ansprechen sollte? Vielleicht war es bei den Christen doch anders. Nein, es wäre zu direkt! Und es würde fast wie eine Liebeserklärung klingen ...

 

Die knappe halbe Stunde, die sie noch hatten, verbrachten sie zunächst schweigend nebeneinandersitzend und auf die Milane am Himmel und die Villen rechts und links schauend. Dann unterbrach Pramela plötzlich die Stille.

»Es wäre schon nicht schlecht, wenn ich mal in so einem Haus leben könnte.«

Sie zeigte auf die Villa rechts. Das Haus lag hinter einer Mauer, hatte zwei Stockwerke und war riesig groß. Auf dem flachen Dach waren Sonnenkollektoren, Wassertanks und mehrere Satellitenschüsseln montiert. Im kaum einsehbaren Hof sah man von hier oben einen Teil eines hellblau leuchtenden Pools in der Sonne funkeln. Einige Kokospalmen, blau, rot und orange blühende Sträucher – der Garten musste ein kleines Paradies sein. Und das Haus ein himmlischer Palast.

 

Saresh fiel ein, dass er ihr bisher noch gar nichts von seiner Familie erzählt hatte. Deshalb antwortete er:

»Schlecht wäre es nicht. Aber meine Eltern sind nicht so reich wie deine. Mein Vater arbeitet in einer Druckerei und meine Mutter ist gestorben, als ich sechs war.«

»Das tut mir leid«, Pramela schien wirklich betroffen zu sein. »Bist du dann ganz ohne Mutter aufgewachsen?«

»Ja, ohne Mutter schon – aber meine Tante hat sich um mich und meine zwei jüngeren Geschwister gekümmert. Naja und mein Vater musste das Geld für alle ranschaffen. Da ist so eine Villa natürlich jenseits aller Möglichkeiten.«

»Stimmt. Aber auch meine Eltern sind nicht reich. Mein Vater hat sich sozusagen hochgearbeitet. Er war einer von zwei Söhnen und hatte noch vier Schwestern. Seine Eltern lebten in einem Dorf im Khammam-District und waren Kulis.«

Saresh staunte.

»Und nun ist dein Vater Computerexperte und Entwickler? Wie kann das gehen?«

»Er und sein Bruder kamen als Kinder in ein Kinderheim der Lutherischen Kirche. Kukunuru hieß das Dorf, wo das Heim war. Mein Vater konnte dort bis zur 10. Klasse zur Schule gehen. Danach bekam er von der Kirche ein Stipendium, studierte hier in Hyderabad und bekam dann ziemlich schnell einen Job. Sein Bruder ist in der Verwaltung gelandet. Sie beide haben ihre gesamte Großfamilie mit Geld versorgt und sozusagen über Jahre durchgefüttert.«

 

Saresh war beeindruckt, ein bisschen gegen seinen Willen. Vor ihm saß die Tochter eines der durch christliche Bildungsarbeit geprägten Wunderkinder. Vom Kuli zum PC-Experten. Aus dem Dschungel nach Hyderabad. So etwas gab es immer wieder und es war der Traum vieler junger Leute. Ingenieur, Informatiker, Lehrer, Arzt – die Liste der Traumberufe vor allem der Kinder und Jugendlichen in den Dörfern war nicht besonders lang. Die Wenigsten schafften es. Einige aber doch.

Dass ausgerechnet die christliche Kirche zur Erfüllung solcher Träume beigetragen hatte, musste Saresh anerkennen. Allerdings hatte sein Vater irgendwann etwas abfällig gemeint, sie täten das nur, um zu missionieren. Ihr bekommt Bildung, Geld und eine berufliche Chance – dafür werdet ihr Christen und verlasst die alten Götter.

Der Priester im Tempel hatte etwas Ähnliches gesagt, sein Lehrer in Gemeinschaftskunde auch und die Lehrer für Hindi hörten nicht auf, vor den Christen und Moslems zu warnen. Sie brächten nur Unruhe und eine fremde Kultur ins Land ...

 

Pramela stand auf und klopfte sich den feinen Staub vom Pundjabi. Jede ihrer Bewegungen faszinierte Saresh und er musste sich zusammenreißen, sie nicht anzustarren.

»Wir müssen gehen!«

Er wäre gerne noch geblieben, fügte sich jedoch. Schweigend kletterten sie hinab, schlängelten sich geschickt zwischen Steinen und Dornen hindurch. Mehrmals reichte Saresh Pramela die Hand, um ihr zu helfen – aber sie meisterte problemlos und ohne die Hand zu nehmen jedes Hindernis. Immerhin akzeptierte sie es, wenn er für sie eine Dornenranke zur Seite drückte und festhielt, damit sie nicht darin hängenblieb.

An der schmalen Straße angekommen, gingen sie nebeneinander, aber ohne jede Berührung, die Serpentinen hinab. Die Nachmittagssonne brannte vom Himmel. Sie waren es gewohnt. Saresh nahm das Gespräch wieder auf.

»Und, ist dein Vater dort in Kukunuru im Kinderheim missioniert worden?«

Pramela lachte. Saresh kam die Frage deshalb albern vor.

»Vielleicht! Aber er konnte sich selbst entscheiden. Viel später, als er schon bei Satyam arbeitete und erst kurz nach meiner Geburt, hat er sich taufen lassen.«

»Taufen lassen?«

»Ja, die Taufe ist das Symbol der Christen, dass jemand zur Gemeinde und zu Jesus Christus gehört. Da wird man im Wasser untergetaucht.«

 

Inzwischen waren sie auf dem Weg hinunter vom Jubelee-Hügel. Vor ihnen lag Banjara, ebenfalls ein beliebtes Wohngebiet der Oberschicht der Metropole. Es kamen ihnen immer wieder Leute entgegen. Saresh schwieg. Er wusste zu wenig vom christlichen Glauben. Und genau genommen wollte er auch nicht mehr wissen. Oder doch? Vielleicht wegen Pramela? Er wusste es nicht.

Noch ein paar Straßen weiter hinab ins Tal, abseits der Nobelhäuser, modernen Einkaufszentren und teuren Hotels verabschiedete Pramela sich von ihm. Diesmal reichte sie ihm die Hand. Schlank, weich und gleichzeitig fest fühlte sie sich an. Am liebsten hätte er nie losgelassen. Für einen kurzen Augenblick waren sie so nah wie nie zuvor.  

»Vielleicht treffen wir uns wieder!« sagte sie, als sie ging. »Wir werden sehen ...«

Saresh schaute ihr nach, bis sie gegenüber einer kleinen Moschee in einer Seitenstraße verschwand. Er war sich seiner Gefühle nicht sicher. Sie war das tollste Mädchen, dem er je begegnet war. Sie erschien ihm wie jene Hauptdarstellerinnen der großen Bollywoodstreifen: Schön, klug, temperamentvoll, humorvoll und sinnlich. Aber ob aus der Filmfantasie einmal Wirklichkeit würde? Saresh wagte es kaum zu glauben – und wusste noch nicht einmal, ob er es sich wünschen sollte. Eine Beziehung zwischen ihm und dieser Christin würde auf jeden Fall jener Stoff sein, aus dem Bollywood-Filme gemacht wurden – vor allem jene, die tragisch endeten.

 

*

 

Nach etwa einer Woche kam der Brief.

Sein jüngerer Bruder grinste breit, als er den schlichten Umschlag aus dem Postkasten fischte und ihn Saresh überreichte.

»Für dich, mein Bruder! Wohl von deiner Liebsten!«

Saresh lief rot an. Woher sollte sein Bruder von dem Rendezvous wissen? Er hatte niemandem davon erzählt und mit Pramela hatte er verabredet, dass sie sich am zweiten Tag des Pongal-Festes gegen zehn Uhr am Vormittag an gleicher Stelle treffen wollten. Wahrscheinlich war das mit der ‚Liebsten’ einfach ein Schuss ins Blaue. Das sah seinem Bruder ähnlich!

 

Saresh schnappte sich den Brief und verließ das Haus. Drinnen wirtschaftete seine Tante. Es roch nach scharf angebratenem Gemüse. Saresh spürte ein erstes Brennen in den Augenwinkeln. Sein Bruder saß vor dem Fernseher, der wie immer viel zu laut aufgedreht war. Nur im Innenhof konnte Saresh in Ruhe seinen Brief lesen. Aufgeregt riss er den Umschlag auf. Ein einzelnes, weißes Blatt kam zum Vorschein. Es stand nur wenig darauf, geschrieben mit sorgfältiger Schrift und ganz offensichtlich war jedes Wort wohl überlegt.

 

»Lieber Saresh.

Der Nachmittag mit dir war sehr schön. Ich finde dich attraktiv, klug und interessant und habe lange überlegt, ob ich bei unserer Verabredung bleiben soll. Aber eine Beziehung mit dir kann nicht gelingen. Du bist Hindu, ich Christin. Dein Vater und deine Tante würden eine Beziehung zwischen uns niemals erlauben – und meine Eltern genauso wenig. Also, auch wenn es schmerzt: Lass uns einander vergessen! Irgendwie sind wir nicht wie jene Milane, die als Paar für sich sorgen. Ich bin eher jener dritte, der nicht zu dir passt. Pramela.«

 

Viermal las Saresh den Brief. Beim dritten Mal bemerkte er seine Tränen. Sie kitzelten etwas, als sie über die Wange liefen, stellte er staunend fest. Er ließ es zu. Warum nur tat die Absage Pramelas derart weh? War er in seiner jugendlichen Eitelkeit verletzt? Fühlte er sich zurückgestoßen, ausgegrenzt, verachtet? Weinte er um seine erste Liebe? Erlebte er gerade, dass das Idealbild seiner ‚Sita’ zerbrach? Oder heulte er über die Systeme und Regeln seiner und ihrer Religion? Über Indien?

Wahrscheinlich hatte sie Recht. Es passte nicht. Es passte nie. Seine Lehrer, die Priester und sein Vater hatten Recht: Indien den Indern. Und jene Inder, die wie Pramela und ihr Vater vom Ausland profitierten, hatten längst die Seiten gewechselt, selbst wenn sie in Indien geboren wurden, noch die gleiche Sprache sprachen und von dunkler Hautfarbe waren. Es passte nicht.

Warum also weinte er nun so hemmungslos?

04. Tag sechs: Fundort Kanal

Mit seinem Adjutanten hatte Chidambaram verabredet, dass sie sich am Tatort trafen. Oder genauer: Am Fundort der Toten. Gegen Mittag kam der Anruf. Nun war der Inspektor mit seinem Jeep unterwegs. Er war froh, für seinen Besuch bei seiner Schwester den Dienstwagen anstatt des Überlandbusses genommen zu haben. So war er nicht von den Abfahrtzeiten abhängig, sondern konnte sofort nach dem Telefonat aufbrechen.

Es war heiß im Jeep, obwohl er alle Fenster geöffnet hatte – oder gerade weil. Jetzt im April knallte die Sonne nur so vom Himmel. 40 °C waren keine Seltenheit. Im Mai wurde es noch heißer. Aber schon jetzt wirkte der Fahrtwind wie der Luftstrom eines Föns.

 

Der Abschied von seinem Schwager und dessen Familie war etwas missraten. Vor allem seine Schwester hatte ihm Vorwürfe gemacht.

»Kaum bist du hier, musst du wieder los!«

»Ich bin doch bereits seit drei Tagen hier! Und das ist nun mal meine Arbeit!«

»Aber ich bin deine Schwester! Und wir gehören zu deiner Familie! Du tust ja fast so, als ob du mit deinem Beruf verheiratet bist!«

Vor allem letzterer Vorwurf ging Chidambaram noch durch den Kopf, als er über die löchrigen Straßen holperte. Immer wieder spielte seine Schwester auf sein Single-Dasein an. Und immer wieder traf sie eine empfindliche Stelle. Ja, er hatte alles, was man nur erträumen konnte. Er war Polizeichef des Bezirks Rajamundhri, verdiente überdurchschnittlich gut, wohnte wunderbar und hatte ein noch schöneres Büro mit prächtiger Aussicht über den Fluss. Er hatte es gut. Aber - er lebte allein. Keine Frau, keine Kinder.

Wenn es doch mit Kumari etwas geworden wäre ...

Irgendwie war Chidambaram auch froh, dass er Bhadrachalam zwei Tage früher verlassen konnte, als ursprünglich geplant. Die drei Jungen seiner Schwester gingen ihm ständig auf die Nerven. Er hielt sie für verzogene, freche Gören. Nur Ansprüche stellen, ständig bockig sein und an allem herummeckern – so erlebte er seine Neffen meistens. Außerdem stritten sie ständig, prügelten sich, schrien sich an und petzten über die schlimmen Taten des jeweils anderen. Nervig!

Und das ganze religiöse Brimborium im Tempelbereich und um diese Massenhochzeit herum störte den Inspektor inzwischen auch. Wie gut, dass er nicht Polizeichef in dieser religiösen Metropole war! Irgendwann reicht es, dachte er. Ein bisschen Religion mag ja gut sein – aber zu viel schadete eher.

 

Er passierte das Dorf Nandipadu, umgeben von dichtem Wald. Hier wohnte seine ehemalige Verlobte. Oder Fast-Verlobte. Wenn er sich damals nicht so tollpatschig angestellt hätte, wäre vielleicht noch etwas daraus geworden. Oder auch nicht. Wenn er mehr Zeit haben würde, könnte er sie vielleicht einmal besuchen. Natürlich nach vorheriger telefonischer Anmeldung. Sie hatte ihm damals nach der Sache mit den Naxaliten in Kammarigudem ihre Nummer gegeben. Aber er hatte sich lange nicht getraut, sie anzurufen. Sie hatte dann den Anfang gemacht und danach hatten sie gelegentlich telefoniert, sich jedoch nicht wieder getroffen.

 

Er fuhr nun Richtung Ashwaropeta. Wald und Felder wechselten sich ab. Die Straße war asphaltiert und streckenweise sehr gut befahrbar. Nach knapp drei Stunden sah er die Funkmasten und die Reklame der Tankstelle am Ortseingang. Sein Jeep war vollgetankt und würde es noch bis Rajamundhri schaffen. Außerdem wollte er sich hier nicht länger aufhalten. In dieser Kleinstadt war er bis vor einem Jahr Polizeichef gewesen und hatte jetzt weder Zeit noch Lust, mit alten Bekannten zu klönen ...

Er umkurvte das Polizeiquartier an der großen Straßenkreuzung. Diese Strecke fahre ich im Schlaf, dachte er. Wie oft habe ich mich über den Stacheldraht aufgeregt, die Barrieren und die aus Sicherheitsgründen gesperrte Straße? Wie oft habe ich nicht den Terroreinheiten der Naxaliten, sondern der Verwaltung in Khammam die Schuld an diesem Sicherheitsgehabe gegeben? Und wie viele vergebliche Eingaben von mir mögen in den Akten der Verwaltung des Inneren abgeheftet sein?

 

Nun war es nicht mehr weit. Vorhin hatte er die Zuckerrohrfabrik passiert und dann den Krishnatempel, hoch oben auf einem Berg gelegen. Hier, nach dem nächsten Dorf, musste es irgendwo sein. Der riesige Kanal kreuzte die Straße. Danach gab es einen kleinen Weg nach Norden. Hoffentlich stimmte die Beschreibung Babus. Sicher! Sein Assistent war ein Pedant.

Den Kanal zu verpassen war nicht möglich. Hundertvierzig Meter breit war das riesige Bauwerk. Über viele hundert Kilometer sollte der Kanal den Stausee mit der Stadt Vijayavada an der Krishna, einem ebenso breiten Fluss wie die Godavari, verbinden. ‚River-Verlinkung’ nannten die Experten das. Sogar Schiffe sollten den Kanal befahren und natürlich sollte er anliegende Felder und Regionen mit Wasser versorgen. Ein Jahrhundertprojekt. Kaum zu übersehen.

 

Chidambaram drosselte den Motor, je näher er sich der Baustelle wusste. Die Straße wurde immer löchriger. Gut, dass jetzt April und nicht bereits Juli oder August ist, dachte der Inspektor. Im Monsun konnte man diese Stelle mit PKWs oft nicht passieren, da der Boden an der Baustelle und der provisorischen Brücke über den Kanal völlig verschlammt und aufgeweicht war. Nun aber konnte man die Straße zwar kaum noch als solche erkennen, da sie vor allem aus Schlaglöchern bestand, aber immerhin versank der Jeep nicht im Schlamm, sondern konnte den an dieser Stelle bereits fertiggestellten Kanal problemlos überwinden.

Den Sandweg nach Norden fand er sofort. Es war ein Wirtschaftsweg für Baufahrzeuge. Er verlief parallel zum Kanal. Erst jetzt, nur wenige Meter von der Kanalkante entfernt, sah der Inspektor, welche Ausmaße das Bauwerk hatte. Die schräge Betonwand fiel mindestens zehn Meter in die Tiefe, vielleicht sogar mehr. Der Boden des Kanals war nicht befestigt, sondern bestand aus einer Lehmschicht. Die andere Seite erschien unendlich weit weg – bei hundertundvierzig Metern Breite kein Wunder!

Hier, in diesem Bauabschnitt, stand noch kein Wasser im Kanalbett. Weiter nördlich in Richtung der Kleinstadt Polavaram, nach der die Medien den Indira Sagar Staudamm in ‚Polavaram-Damm’ umbenannt hatten, hatte Chidambaram bereits mit braunem Wasser gefüllte Bauanschnitte gesehen. Die Zeitung hatte berichtet, dass bereits zwei Drittel des einhundertvierundsiebzig Kilometer langen Kanals fertiggestellt waren und Freunde erzählten, dass man auf dem Flug von Rajamundhri nach Hyderabad den Verlauf des Kanals lange verfolgen konnte. Zwar gäbe es noch Lücken – aber das mit den zwei Dritteln konnte durchaus stimmen. Man sah aus der Luft wohl auch, dass der Kanal teilweise Wasser führte. Allerdings musste es Regenwasser sein, denn noch bestand keine Verbindung zur Godavari.

 

Der Polizist schüttelte innerlich mit dem Kopf. Das war Indien! Zu zwei Drittel fertig! Und das ohne Genehmigung zum Bau des Staudamms. Unglaublich! Da hatten sie diesen Kanal gebaut, dazu eine 160 Kilometer lange Pipeline nach Sathupalli und auch der nördliche Kanal nach Vizag war bereits begonnen worden - doch den Staudamm selbst durften sie nicht bauen! Es liefen noch diverse Gerichtsverfahren. Vor allem der Nachbarstaat Orisha hatte Einspruch erhoben. Wenn die Gerichte dem stattgaben, würde es den Damm niemals geben. Möglicherweise war also die gesamte Investition zum Fenster rausgeschmissen! Milliarden von Rupien!

Nach etwa fünfzehn Minuten sah der Inspektor einige Tata-Zumo und PKW am Rand des Kanals stehen. Die Jeeps waren sofort als Polizeifahrzeuge zu erkennen, die zwei PKWs waren Zivilfahrzeuge. Er stellte seinen Jeep neben einem fast gleichen Model ab. Bevor er ausstieg, wartete er einen Moment, bis sich die von ihm auf dem Sandweg verursachte Staubwolke gelegt hatte. Den Türrahmen anzufassen vermied er, denn inzwischen war auch sein Fahrzeug wie alle anderen in staubgrau gehüllt. Farben spielten hier keine Rolle mehr!

 

Kaum hatte er die Autotür geschlossen, stürmte ein dünner, schlaksig wirkender Mann in zivil auf ihn zu. Er schien oberhalb des Kanals unter einem Bambusgerüst mit löchrigem Schilfdach, wahrscheinlich ein Relikt aus der Bauphase des Kanals, auf ihn gewartet zu haben. Chidambaram stand an der Kante des Kanals, als der Mann ihn erreichte. Von hier oben sah er mehrere Männer unter sich am Ende der Betonmauer, dort wo der Boden des Kanals begann.

»Chef! Danke, dass du gleich gekommen bist!«

Sein Adjutant freute sich und lachte seinen Vorgesetzten an. Wie immer war er akkurat gekleidet, mit dunkler Bügelfaltenhose, beigem Hemd und ... eigentlich glänzenden braunen Schuhen. So jedenfalls kannte sie der Inspektor aus dem Büro. Hier waren sie wie alles andere staubgrau. Und irgendwie erschien sein Adjutant hier deplatziert. Im sauberen, klimatisierten Büro mit der neuen Kaffeemaschine machte er sich jedenfalls wesentlich besser!

»Ich habe Angst, dass die Truppen dort unten alle Spuren zertrampeln. Sie mögen gute Polizisten sein – aber sie gehören eben nicht zur Kripo!«

»Hast du denn außer mir auch die Spurensicherung angefordert?«

»Habe ich. Sie waren noch irgendwo an der Küste. Dort gab es in einem dieser neuen Supermärkte einen Einbruch und danach Brandstiftung. Der ganze riesige Laden ist ausgebrannt. Aber sie müssten bald kommen.«

Es wird immer turbulenter, dachte der Inspektor. Früher waren es vor allem familiäre Konflikte, allerdings bis hin zum Mord – jetzt waren es zusätzlich Vandalismus, Brandstiftung, Einbruch und Raub und immer mehr auch Vergewaltigung – alles, was die westlichen Länder auch beklagten. Indien hatte sich verändert.

 

Chidambaram machte sich an den Abstieg. Der fiel nicht besonders schwer, da in die schräge Mauer in regelmäßigen Abständen Treppen eingebaut waren. Eine davon nutzte der Kommissar, seinen Adjutanten im Schlepptau. Unterwegs gab Babu einen kurzen Überblick über die Lage und Chidambaram kam es vor, als kletterten sie nicht nur die wenigen Meter hinunter in den Kanal und gingen nicht nur die hundert oder hundertzwanzig Meter bis zum Fundort der Toten, sondern als stiegen sie hinab ins Tal des Todes. Es wurde, je weiter sie hinab kamen, heiß und heißer, brütend heiß.

»Es sind vier Tote. Zwei Männer, eine Frau, ein Kind. Sie sind oberflächlich in einem Loch im Kanalboden verscharrt worden, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass sie bei Flutung des Kanals niemals wieder auftauchen. Alle vier wurden ermordet. Einen Mann hat man erschlagen, der andere Mann weist tödliche Schusswunden in der Brust auf und der Frau und dem Kind hat man in den Rücken geschossen.«

 

Mehr konnte Babu nicht erzählen. Sie waren bei den Männern, die schwitzend um die Leichen herumstanden, angekommen.

»Wir haben die Toten nicht angerührt!« schwor ein dicker Polizist in Uniform und rieb sich mit einem großen orangen Taschentuch über die schwitzende Stirn. Der Inspektor sah an den Schulterklappen, dass er einen Konstabler der örtlichen Verkehrspolizei vor sich hatte.

»Das hoffe ich sehr! Danke.«

Er fragte den Konstabler nach dessen Namen. Er wollte Satish genannt werden.

Chidambaram schaute sich die Opfer an.

Alle vier Toten lagen direkt an der hier beginnenden, schrägen Kanalwand – so, als seien sie von oben hier hinuntergeworfen worden. Wenn das der Fall war, gäbe es oben vielleicht Spuren: Reifenprofile, Fußabdrücke oder sonst etwas. Doch die Täter mussten außerdem hinabgestiegen sein. Über die Treppe auf der sie beide eben gekommen waren? Oder auf der etwas weiter hinten? Auch dort müsste nach Spuren gesucht werden.

»Wo seid ihr hinabgestiegen?« fragte Chidambaram den Dicken.

»Dort hinten. Wir wollten hier keine Spuren zerstören!« Satish grinste, als er das sagte. Chidambaram war es peinlich. Anders als der umsichtige Verkehrspolizist hatte er, der erfahrene Kriminalist, möglicherweise gerade eben wichtige Spuren vernichtet.

»Gut gemacht! Da seid ihr professioneller als wir vorgegangen!« Satish grinste noch mehr.

 

Chidambaram schaute sich die Toten an. Wie lange sie tot waren, würde der Gerichtsmediziner sagen müssen. Vermutlich etwa 1-2 Tage, wohl nicht länger. Dass der Fundort auch der Tatort war, bezweifelte Chidambaram. Wahrscheinlich wurden die Toten mit einem Fahrzeug hierher gebracht, dann die Betonwand hinuntergeworfen, direkt über dem Loch, das hier im Boden war. Dann mussten die Täter hinab geklettert sein, um die Opfer präzise ins Loch zu legen. Dann ein paar Steine und etwas Erde darauf – und schon waren sie auf immer verschwunden. Den Rest besorgten gefräßige Tiere und das Wasser bei der Flutung des Kanals. Ein gutes Versteck!

 

Der Mann mit der blutigen Schläfe und dem eingeschlagenem Schädel musste um die 25 Jahre alt sein. Der Erschossene war wahrscheinlich jünger, die Frau ebenfalls. Und das Kind, ein Junge, schätzte der Inspektor auf 12 bis 14 Jahre. Wie sein wilder Neffe in Bhadrachalam, einer der drei Söhne seiner Schwester, dachte er und musste tief durchatmen. Eine Leiche ist schon schwer, vier sind kaum zu ertragen. Und dann ein Kind!

»Habt ihr sie alle fotografiert?«

»Ist passiert.«

 

Chidambaram beugte sich über den Mann mit der Wunde am Kopf.

»Habt ihr hier irgendwo einen Knüppel, eine Eisenstange oder sonst etwas gesehen, was zur Wunde passen könnte.«

Niemand hatte etwas gefunden. Wahrscheinlich wurden die Opfer ohnehin woanders ermordet. Die Wunde an der Schläfe war tief. Auch ein Gewehrkolben konnte die Ursache sein, dachte der Inspektor. Die Hände des Mannes lagen unter seinem Oberkörper.

»Es ist wirklich alles fotografiert worden?!«

»Ich sag´s doch!« Satish reagierte etwas beleidigt.

»Dann fass mal mit an. Ich will seine Hände sehen!«

Chidambaram und Satish drehten den Mann etwas herum. Und sahen es sofort. Die Hände des Mannes waren gefesselt.

Satish pfiff durch die Zähne.

»Das hätte ich nicht erwartet! Die anderen sind nicht gefesselt!«

Der Inspektor nickte. Richtig, dieser Mann spielte eine besondere Rolle im Drama dieses Falles! Er war offenbar als letzter den Abhang hinab geworfen worden.

Chidambaram wandte sich den anderen Opfern zu.

 

Der jüngere Mann schien in die Brust und die Frau in den Hinterkopf getroffen zu sein. Sofort fiel auf, dass der Mann keine Hose trug, nur eine löchrige Unterhose. Auch Schuhe fehlten ihm. Dem Kind hatte man in den Rücken geschossen. Ob die Frau und der Junge haben fliehen wollen?

 

Die Körper lagen teilweise übereinander, mit unnatürlich verbogenen Gliedmaßen. Dies bestätigte den Verdacht, dass der oder die Täter versucht hatten, ihre Opfer nach dem Sturz aus der Höhe von hier unten aus in das Loch zu schieben und sie zu verstecken.

»Wie oft kommt deiner Meinung nach jemand hier vorbei?« fragte Chidambaram den Konstabler.

»Selten. Vielleicht mal ein Schafhirte. Aber wer sollte hier hinunterklettern und warum? Von oben jedenfalls sind die Leichen nicht zu sehen oder wenn, dann jedenfalls kaum als menschliche Körper zu erkennen?«

Die anderen nickten.

»Wer hat sie dann trotzdem gefunden und wie?«

Einer der vier anwesenden Polizisten deutete auf einen kleinen Mann, der weiter hinten auf einem Stein saß.

»Der da. Er ist von der Firma, die den Kanal baut und soll fehlende Angaben zur Abrechnung nachtragen oder sowas.«

 

Chidambaram war froh, dass er die Toten nicht mehr anschauen musste und wandte sich um. Der Mann von der Baufirma rutschte unruhig auf seinem Stein hin und her. Er stand auf, als er den Inspektor auf sich zukommen sah.

»Wann endlich kann ich weitermachen? Ich habe jetzt echt keine Zeit mehr, hier herumzusitzen!«

Der Mann war kleiner als Chidambaram, machte aber trotz seiner rundlichen Figur einen durchtrainierten Eindruck. Er trug eine grobe Arbeitshose und ein hellblaues Hemd mit kurzen Ärmeln. Etwas merkwürdig und deplatziert wirkten die Rüschen an Kragen und Knopfleiste des Hemdes. Seine derben Lederschuhe hatten eine dicke Sohle. Sie sahen aus, als seien sie auch für Betonschrägen wie diese Kanalwände geeignet und absolut rutschfest.

»Was tun Sie denn mit Ihrer kostbaren Zeit?« fragte Chidambaram.

»Ich vermesse die Betonwände, mache eine zweite Kontrolle und bestätige oder korrigiere die Abnahme.«

»Dann ist dieser Kanalabschnitt also bereits offiziell abgenommen worden?«

»Allerdings. Alles wurde schon vor einigen Wochen kontrolliert, vermessen und für die Abrechnung der verbauten Teile festgehalten. Meine Aufgabe ist die Kontrolle der Kontrolle gewissermaßen.«

Chidambaram nickte. Solche Praxis war bei großen Firmen durchaus üblich. Oft genug wurde bei den Angaben für Abrechnungen gelogen und betrogen. Ein solches Bauwerk ohne Korruption war undenkbar. Die Firmen taten gut daran, diese soweit wie möglich zu bekämpfen.

»Und Sie sind allein hier? Werden solche Kontrollen normalerweise nicht zu zweit durchgeführt?«

Der Mann grinste.

»Dort drüben steht mein Kollege. Ihm ist schlecht geworden.«

Etwas weiter hinten stand ein schlanker junger Mann, der bis auf das Rüschenhemd ähnlich gekleidet war wie sein Kollege. Der Mann kauerte am Boden. Man sah, dass es ihm nicht besonders gut ging. Der Inspektor sparte sich im Moment die Befragung, bat jedoch Babu, die Aussage des zweiten Kontrolleurs später aufzunehmen.

 

Ob die Täter gewusst hatten, dass die offizielle Abnahme dieses Bauabschnittes bereits durch war? Dann wäre die erneute Kontrolle für sie überraschend gekommen und die Entdeckung der Toten für sie nicht zu erwarten. Bis zur Flutung des Kanals wären wahrscheinlich nur noch Knochen übrig geblieben. Geier, Ameisen und was weiß ich für Viecher hätten die Leiber in dem Loch dem Erdboden gleichgemacht, dachte Chidambaram. Aber wie konnten die Täter, oder jene, die die Opfer hier abgeladen hatten, von der Abnahme des Kanals wissen? Da müssten sie Verbindungen in die entsprechenden Ämter haben. Unsinn. Das war daneben.

Der Inspektor bat Babu, die genauen Personalien der beiden Kontrolleure aufzunehmen und sie noch nach verantwortlichen Ingenieuren in der Baufirma zu befragen. Dann sah er sich die Toten nochmals an.

 

Die Kleidung aller vier war einfach und unauffällig. Warum nur fehlte dem Mann mit der Schusswunde seine Hose? Er trug ein Hemd, das wie die Unterhose bereits einige Löcher aufwies und dessen Farbe kaum definierbar war. Schuhe trug er keine, nicht einmal Sandalen. Allerdings machten seine Füße den Eindruck, als seien sie Schuhwerk gewöhnt und waren jetzt relativ sauber. Die Schuhe mussten nach seinem Tod entfernt worden sein.

 

Der andere, wahrscheinlich etwas ältere Mann mit der Kopfwunde und den gefesselten Händen, trug eine dunkle Hose wie man sie in jedem Basar für wenig Geld kaufen konnte. Auch sein Hemd war älter. Allerdings kam Chidambaram dieses Hemd irgendwie sonderbar vor. Es war eines jener Polohemden, wie es moderne Jugendliche inzwischen häufig trugen. Doch dieses schien von viel besserer Qualität zu sein als die gängige Massenware aus indischen Basaren. Er schaute sich das Shirt genauer an. Auf der Brust befand sich eine Stickerei, ein Polospieler auf seinem Pferd. Auf dem Etikette stand ‚Ralph Laureen’. Er musste unbedingt herausbekommen, woher dieses Hemd stammte.

 

Der Inspektor notierte sich Name, Größe und Inschrift des Shirts in sein Notizbuch. »Woher kommt dieses Shirt?« stand daneben. Und darüber seine anderen Fragen: »Wussten die Täter, dass die Abnahme des Bauabschnitts bereits erfolgt war?« »Wenn ja, woher?« Auf eine weitere Seite notierte er: »Der Erschlagene ist gefesselt. Fessel untersuchen. Warum nur er und nicht auch die anderen?«

 

Er fertigte eine kleine Skizze der Szene an, die er vorgefunden hatte: Der Kanal, die Brücke, der Sandweg bis zur Fundstelle, die schräge Kanalwand, die Treppen hinab, das Loch mit den Toten. Später würde er die Skizze durch Fotos der örtlichen Polizei und die ergänzenden Detailaufnahmen der Spurensicherung ergänzen.

 

Viel mehr konnte er jetzt nicht tun. Wenn die Spurensicherung nicht umgehend kam, war es sowieso zu spät für die Sicherung der Details. Wo blieben die nur?

 

»Babu, ruf die Spusi nochmal an! Wenn sie nicht bald kommen, müssen sie hier übernachten!«

»Ich habe hier unten kein Netz! Aber ich rufe von oben an!« Babu machte sich auf den Weg hinauf.

Chidambaram wandte sich an Satish.

»Ihr müsst hier bleiben, bis die Spurensicherung aus Rajamundhri kommt! Sie werden dann bis zur völligen Dunkelheit arbeiten, vielleicht sogar ein Zelt aufstellen und bei Scheinwerferlicht weitermachen. Oder sie kommen viel zu spät, sichern den Tatort nur notdürftig und beginnen dann morgen bei Tageslicht mit der Arbeit.«

Satish stöhnte.

»Ich habe es befürchtet!«

Aber er widersprach nicht und instruierte seine Kollegen umgehend.

»Es reicht, wenn wir zu zweit hier bleiben!« verfügte er und wandte sich an zwei jüngere Kollegen, die während der ganzen Zeit etwas hilflos herumstanden.

»Ihr könnt zurückfahren. Benachrichtigt unsere Familien und sagt, sie sollen sich keine Sorgen machen. Wir haben es nur mit toten Leichen zu tun, nicht mit jenen, die sie auf dem Gewissen haben!«

Es sollte wohl ein Witz sein. Doch niemand lachte.

 

05. Rückblick: Hare Rama

Es musste eine Fügung der Götter gewesen sein, dass er nach Bhadrachalam gekommen war. Diese Stadt und ihre Geschichte faszinierten ihn. 

1630. Die Stadt war ein Hüttendorf, arm und stinkend. Schwarze Schweine wühlten im Kot von Mensch und Tier. Der Fluss dümpelte in mehreren Rinnsalen dahin – wenn er nicht gerade, wie regelmäßig in der Regenzeit, über seine Ufer trat und die Ansiedlung überflutete. Der Tempel auf dem Berg war nichts als ein kleiner Schrein, der Gottheit Rama gewidmet.

Erst als Kancharla Gopanna, später bekannt als Bhakta Ramadas, Vorsteher der Stadt wurde, änderte sich das. Er hatte große Pläne und wollte Bhadrachalam und vor allem den Tempel ausbauen. Wenn der Tempel seines Namens würdig war, würden Pilger kommen. Die brächten Opfer, müssten essen und schlafen, belebten den Handel und würden der Stadt zu Reichtum verhelfen.

Gopanna sammelte Geld für den Tempelbau. Mehr als 600.000 Rupien kamen zusammen, eine unvorstellbar große Summe. Eine Summe, die sich herumsprach – bis zum Nizam nach Hyderabad. Der tobte vor Wut. »Wer ist hier Herrscher? Wer treibt hier Steuern ein? Niemand anders als ich. Nur ich!«

Gopanna wurde nach Hyderabad zum moslemischen Herrscher zitiert. Genauer gesagt: Er wurde unter Bewachung abgeführt und landete im Gefängnis der Festung Golkonda.

 

Saresh hatte dort seine Zelle gesehen, ein dunkles Loch im inneren Festungsbereich des Golkonda-Forts. Die Geschichte dieses Gopanna hatte ihn schon damals in Hyderabad fasziniert – jetzt, im Tempel von Bhadrachalam, erschien sie ihm einzigartig.

Gopanna war nicht nur ein tief gläubiger Hindu, er war auch ein begnadeter Dichter und Liedermacher. In den zwölf Jahren seiner Gefangenschaft komponierte er viele Loblieder auf Rama und Sita, die bis heute in ganz Indien bekannt waren. Was seine Geschichte jedoch einzigartig machte: Niemand wusste, wer die zwei Fürsten waren, die beim Nizam seine Schulden bezahlt und Gopanna ausgelöst hatten. Selbst der Nizam vermutete später, dass es Götter in Menschengestalt gewesen sein mussten. Wer sonst sollte so etwas tun?

Er ließ Gopanna nicht nur frei, er schickte ihn sogar als Stadthalter zurück nach Bhadrachalam und gab ihm den Auftrag, den Tempel nun wirklich zu bauen. Und er selbst gab das Geld dazu.

 

Saresh hatte diese Geschichte besonders deshalb fasziniert, weil er überzeugt war, dass sich am Ende die Götter durchsetzen würden und niemand sie aufhalten konnte. Selbst Nicht-Hindus wie dieser muslimische Nizam mussten ihnen dienen – und wenn auch nur mit ihrem Geld. Und in den Tempelbau zu investieren zahlte sich wirklich aus, da war er sich sicher. Das war damals so, denn die Stadt wuchs schnell, baute eine Mauer, dann feste Häuser, dann Marktplatz und Bushaltestellen, dann die Einkaufsstraßen und immer mehr Neubausiedlungen, dann den Damm zum Fluss – und währenddessen wuchs der Tempel, es entstanden Gästehäuser und Hotels, Handwerk für religiöse Kunst und vieles mehr. Und das Ergebnis sah man heute. Nur selten und nur in den Nebenstraßen fand man Schweine in der offenen Kanalisation nach Futter suchen. Es gab eine Wasserleitung, Strom und sogar einige Toiletten mit Spülung. Bhadrachalam war heute alles andere als eine »dirty old town«, wie die Stadt noch vor Jahren von manchen der arroganten weißen Besucher der Christen genannt wurde. Nein, Bhadrachalam war eine Stadt, die sich eines Rama und eines Gopanna würdig erwiesen hatte – und in der Saresh seine erste eigenständige Existenz aufgebaut hatte, oder zumindest damit angefangen war.

Jetzt saß er mit seinem Freund Kalidas Kumar auf der Mauer zur Godavari, gegenüber dem Tempel auf der Krone des Deiches zum Fluss. Er dachte an die Geschichte von Gopanna. Singen konnte er nicht – aber vielleicht doch etwas verändern, wie dieser Mann damals. Fest von seiner Sache überzeugt sein, die Gelegenheit nutzen, auch Umwege in Kauf nehmen und leidensbereit sein, doch am Ende Großes bewirken! Ja, es war richtig, dass er nach Bhadrachalam an die Godavari gekommen war.

 

Sie waren zum Chanten im Tempel gewesen, drei Stunden lang. Zusammen mit zwei Priestern des Rama und einer Anhängerin Krishnas hatten sie aus Veden und Upanischaden rezitiert und Lieder des Hirtenjungen Krishna gesungen. Hare Krishna, Hare Rama. Hare Krishna, Hare Rama.

»Wenn wir seinen Namen nennen, ist er bei uns! Die Welt ist Klang, ist Schwingung. Durch das Mantra stimmen wir uns da ein, schwingen mit, sind eine Einheit mit den Göttern.«

Die Krishnaverehrerin musste es wissen. Sie war wie die Mönche in orange gekleidet, trug einen Sari aus Baumwolle. Ihren Oberkörper hatte sie in einen weißen Schal gehüllt. Dennoch sah man, wie dünn oder genauer dürr sie war. Von Saresh auf das Thema Fasten angesprochen hatte sie gemeint: »Wer betet, muss nicht essen.« Später hat sie noch ähnlich altkluge Weisheiten von sich gegeben.

 

Saresh war diese Frau suspekt. Er bewunderte Menschen, die sich den Gottheiten hingaben. Er liebte das Chanten der Götternamen und anderer Mantras und er konnte sich durchaus vorstellen, dass die Götter im Nennen ihrer Namen gegenwärtig waren. Auch die drei Stunden hatten ihm nichts ausgemacht – wenngleich das nur ein Bruchteil von dem war, was die wirklich Frommen an Zeit für das Chanten investierten. Hare Krishna, Hare Rama. Also, Saresh konnte dem durchaus etwas abgewinnen – aber nur, wenn Religion und Wirklichkeit miteinander verbunden blieben. So wie bei Gopanna. Was nützte die schönste Religion, wenn es den Menschen schlecht ging? Wenn Korruption und Ausbeutung wenige reich und viele arm machten? Wenn große Konzerne die kleinen Läden verdrängten? Wenn die Stammesleute oder andere Kleinbauern um ihr Land gebracht wurden und große Landlords sie verdrängten? Wenn der Wald trotz aller Schutzgesetze großflächig gerodet wurde und das Wasser der Godavari wegen der eingeleiteten Abwässer und Chemikalien zum Himmel stank?

 

»Es stinkt zum Himmel», sagte er unvermittelt laut und brach damit ihr Schweigen.

»Ich rieche nichts! Wir haben schon vor Jahren die besten und die teuersten Filter eingebaut, die es gibt.« Saresh lachte.

»Nee, ich meine nicht den Fluss und die Abwässer eurer Fabrik. Ich meine diese Krishnatussy von vorhin.«

»Wieso das? Von denen gibt es viele. Und sie nehmen ihre Religion sehr ernst.«

»Darum geht es ja. Nimmt jemand seine Religion wirklich ernst, wenn er nur einfach fromm ist, zum Tempel pilgert, betet, den Göttern Geld und Kokosnüsse opfert, sich in heiligen Flüssen wäscht und sowas? Muss da nicht noch etwas anderes kommen ...?« 

Kalidas kannte seinen Freund inzwischen recht gut.

»Du meinst, Politik?«

»Genau. Und gesellschaftliches und soziales Engagement. Konkretes Handeln - das ist gut für Indien.«

 

Hinter ihnen stieg eine schmale, steile Treppe zum Tempel hinauf. Bettler saßen dort und hofften auf Opfer der Pilger. Saresh zeigte in ihre Richtung:

»Wenn es davon noch Millionen gibt, aber von solchen Leuten nur wenige ...«

Er zeigte jetzt auf zwei Gebäude, die den Tempel noch überragten. Es waren zwei Villen, bewohnt von stadtbekannten, reichen Kaufleuten.

»... dann stimmt doch etwas nicht bei uns.«

»Du redest wie ein Kommunist!« Kalidas machte es sichtlich Spaß, seinen Freund zu provozieren.

»Quatsch. Du weißt genau, dass ich die Kommunisten, zumindest inzwischen, für weltfremde Idealisten halte. Nein, ich denke ganz national und indisch. Es sind natürlich nicht alle Menschen gleich. Wir haben die Kasten. Wir haben unser Karma und unsere Vorherbestimmung. Ich bin Brahmane, du auch. Wir haben Freunde, die sind Kshatriyas, Vaishyas und auch ein paar Shudras. Aber auch die anderen Kasten sind Hindus. Mahatma Gandhi hat sogar die Parias, die Kastenlosen, als Hindus bezeichnet und sie Harijans genannt, Kinder Gottes. Und ich würde sogar noch weiter gehen und auch die Adivasi, die Tribals, als Hindus bezeichnen – eben weil sie ganz und gar Inder sind!«

»Na, das sehen die selbst aber anders.«

»Ich weiß, sie meinen, weil sie ihre Stammesreligionen praktizieren, sind sie keine Hindus. Aber sie sind in Indien groß geworden, gehören zur Urbevölkerung. Also sind sie Hindus und es wird Zeit, dass sie das wieder erkennen.«

»Genau deshalb hast du dich also beim Tempelbauprogramm der ITDA engagiert? Ich habe mich schon gewundert, dass ausgerechnet du Tempel baust.«

»Gut erkannt.«

 

Saresh war auf diesen inzwischen vier Jahre dauernden Job in Bhadrachalam ein bisschen stolz. Er hatte sich nach seinem Soziologie- und Politikstudium in Hyderabad als Sozialmanager bei der ITDA, eine der Regierung nahestehenden Organisation, beworben und diese Stelle auch bekommen. Die ITDA engagierte sich für die Entwicklung der Adivasi-Dörfer. Straßen sollten gebaut werden, Brunnen, Wasser-Rückhaltebecken und andere Maßnahmen der Infrastruktur. Ziel war die völlige Anbindung der ländlichen Gebiete und vor allem auch der entlegenen Waldgebiete an die indische Zivilisation. Stolz schwang mit, als Saresh jetzt von seiner Arbeit sprach.

»Die Idee mit den Tempeln hätte von mir sein können, aber genau genommen hat schon Gopanna sie gehabt und umgesetzt. Ich finde es echt gut: Wir bauen einen kleinen Tempel, wo es klappt, direkt am Fluss mit langer Treppe hinauf zum Heiligtum. Dann suchen wir uns einen Dorfbewohner, schulen ihn als Priester und geben ihm den Tempel. Und irgendwann kommen die Leute und beginnen sich mit den Göttern und dem Hinduismus zu identifizieren.«

»Naja, besonders erfolgreich wart ihr bisher nicht. Tempel gibt es viele – aber sie sind leer. Die Adivasi werden eher Christen als Hindus.«

 

Was Saresh an seinem Freund Kalidas schätzte, das nervte ihn manchmal auch. Kalidas war immer gerade heraus. Er sagte, was er dachte, auch wenn es schmerzte.

Und die eben ausgesprochene Entwicklung schmerzte sehr. Zumindest bis jetzt waren die Re-Hindusierungs-Projekte unter den Adivasi ein Fehlschlag. Es wurde zwar viel Geld investiert – und nebenbei gesagt war das dann für Straßen und Wasserversorgung nicht mehr vorhanden – aber es war kaum etwas dabei herausgekommen. Die Christen dagegen gründeten eine Gemeinde nach der anderen und viele tausend Stammesleute der Koya ließen sich taufen. Sogar jetzt, wo sich die Christen durch Spaltung und Streit um Macht und Grundstücke selbst geschwächt hatten, kamen noch regelmäßig Nachrichten über Taufveranstaltungen der Kirche des guten Hirten auf Sareshs Schreibtisch geflattert.

 

Zum Glück stach Kalidas nicht noch einmal in die Wunde. Er meinte vielmehr:

»Wir sprachen ja über Unterschiede. Wenn es die wirklich von Geburt an gibt und wir in ganz verschiedene Kasten hineingeboren werden – dann ist doch alles bereits festgelegt. Wie kannst du da behaupten, dass Hindus die Gesellschaft verändern sollen.«

»Wieso nicht? Natürlich werden wir alle gemäß unserem Karma leben müssen. Und da sind wahrlich nicht alle gleich. Aber das bedeutet doch nicht, dass Brahmanen reich und Shudras oder gar Dalits arm bleiben müssen. Zumindest ein gutes Auskommen können alle Hindus haben. Unser Land ist reich und groß. Wir könnten hier alle gut leben, wenn wir Inder uns nur einig wären.«

 

Kalidas fragte nicht weiter nach. Er wusste, wo Saresh stand. Indien den Indern. Keine ausländischen Konzerne, keine Geldgeber von außerhalb, keine Christen und keine Moslems.

Und Saresh war klar, dass Kalidas dies anders sah. Sein Freund war Ingenieur bei der Papierfabrik, dem größten Arbeitgeber Bhadrachalams und Umgebung. Sein Fachgebiet waren die Kläranlagen. Auf alle Bemerkungen wie »es stinkt« reagierte er deshalb besonders sensibel. Er war dafür zuständig, dass es nicht stank. Und Kalidas war Vertreter einer offenen und demokratischen Gesellschaft.

 

Sie schwiegen wieder.

Unten am Fluss wuschen Frauen ihre Wäsche, schlugen sie auf flache Steine und rubbelten mit billigem Waschmittel darauf herum. Gleich daneben badeten einige Pilger und reinigten sich symbolisch von ihren Sünden. Und noch etwas weiter rechts dösten Wasserbüffel genüsslich im schlammig-braunen Wasser. Nur ihre langen, krummen Hörner, die Nasen und die Augenpartie schauten heraus. Um diese Jahreszeit führte der Fluss wenig Wasser. Zwischen schmalen Strömen waren steinige Inseln zu sehen. Auf der anderen Seite transportierten Traktoren mit Anhängern Sand aus dem Flussbett. Etwas rechts sah man die zwei Kilometer lange Brücke. Schnurgerade auf vielen Pfeilern stehend überspannte sie das breite Flussbett. Es war die letzte vor dem 200 km entfernten Rajamundhri und die einzige Möglichkeit weit und breit, den Fluss mit Fahrzeugen zu überqueren.  

 

»Wir müssen los!«

Kalidas rutschte von der Mauer, reckte sich und schob sein verschwitztes Hemd über den leichten Bauchansatz in die Hose. Auch Saresh stand auf. Er war gespannt, was ihn heute erwartete. Sein Freund hatte ihn zu einer besonderen Veranstaltung der Papierfabrik eingeladen. Es sollte zuerst eine Besichtigung der Anlagen geben und dann einen Empfang mit wichtigen Leuten aus Wirtschaft und Politik. Und was er am spannendsten fand: Redner beim Empfang sollte Swami Pagavath Saraswathi sein.

 

Diesen inzwischen ziemlich bekannten religiösen Führer hatte Saresh bereits zweimal gesehen. Einmal während eines Rama-Festes bei einer Demonstration der RSS – es ging um die Frage, ob Nichthindus den Tempel besuchen durften oder nicht. Die RSS war selbstverständlich dagegen. 'Hindus only' stand an allen Tempeln, die von rechtgläubigen Hindu-Organisationen dominiert wurden.

Das zweite Mal sah Saresh den Swami bei der ITDA. Der Swami hatte dem Büro einen Besuch abgestattet, dabei einige Schecks mitgebracht und diese seinem Chef übergeben. Saresh hatte nicht genau durchschaut, wer hier für was spendete – aber er konnte einige dieser Schecks später für das Tempelprogramm einlösen. Es hatte sich um erhebliche Summen gehandelt.

Und nun würde er den Swami in Kürze ein drittes Mal treffen.

 

»Treffen wir uns in einer Stunde vor dem Haupttor?«

»Okay, dann ziehen wir uns um und sehen uns gleich.«

Saresh und Kalidas trennten sich. Kalidas stieg die Treppe hinunter und verschwand durch die von unzähligen Souveniershops gesäumte Tempelstraße. Saresh ging auf dem Damm entlang zur Hauptstraße. Die erste Motorrikscha, die er fand, hielt er an.

»Du kannst mich nach Hause bringen, ein paar Minuten warten, während ich mich umziehe und dann bringst du mich zur Papierfabrik.«

Sie vereinbarten einen Preis. 50 Rupien. Saresh grinste. Die Deutschen hätten das Dreifache bezahlt. Damals, als er diesen Max und Tobias im Auftrag Krishnas des Naxaliten nach Kunavaram gebracht hatte, waren sie ein Stück mit einem solchen »Auto« gefahren. Der Fahrer hatte Saresh nachher 80 der von den Deutschen anstandslos bezahlten 180 Rupien ausgehändigt. Was in Ordnung war: Die Ausländer sollten, wenn sie sich in Indien schon breitmachten, ordentlich bluten. Saresh musste grinsen, als er daran dachte, dass Hindu-Organisationen ein Gesetz durchgebracht hatten, das touristischen Einrichtungen erlaubte, von Ausländern um vielfach höhere Eintrittsgelder zu verlangen als von Einheimischen. So zahlten im Golkondafort Hyderabad die Ausländer hundert und die Inder nur zehn Rupien. Saresh fand das mehr als gerecht.

 

*

 

Eine Stunde später trafen sie sich vor dem breiten Haupttor der Papierfabrik. Die Fahrt über die Brücke wirkte auf Saresh wie eine Droge. Vor- und nachher in stockendem Verkehr und hustend vor Abgasen, ging es diese zwei Kilometer schnell voran. Die frische Luft weckte müde Lebensgeister. Zwar zog ein unangenehmer, um nicht zu sagen stinkender Smog über das Flusstal, doch Saresh wusste: Dieser Geruch kam nicht vom Fluss, sondern aus der biologischen Kläranlage der Fabrik. Der Gestank war völlig ungiftig. Abhängig von der Windrichtung 'beglückte' er mal Bhadrachalam, mal die Arbeitersiedlungen der Fabrik und mal Sarapaka, jenen aufstrebenden Ort zwischen Fluss und Papierfabrik. Der Geruch erinnerte daran, dass es die Stadt neben dem Tempel vor allem der Papierfabrik zu verdanken hatte, dass für die über hunderttausend Einwohner genügend Arbeitsplätze zur Verfügung standen.

 

Sie zeigten ihre Ausweise und die schriftliche Einladung und wurden registriert.

»Du kommst hier nur rein, wenn du eine Genehmigung hast!«

Saresh wunderte sich über die strengen Sicherheitsmaßnahmen.

»Das ist ja wie beim Besuch des Ministerpräsidenten!«

Kalidas lachte.

»Na, ganz so ist es auch nicht! Wir haben nur sechs Wachmänner mit Gewehren – der Präsident dagegen eine ganze Armee. Nein, wir müssen uns vor allem vor Anschlägen durch Naxaliten schützen und vor Industriespionage. Immerhin betrittst du die modernste Papierfabrik Asiens!«

Saresh hatte den Eindruck, sein Freund übertrieb. Sie alle waren immer die Besten. Jede Region hatte die schärfsten Chilischoten, die zartesten Hühner, die hübschesten Mädchen ...

 

06. Tag zwei: Im Dschungel

Die erste Nacht im Dschungel war furchtbar. Das Baby weinte ständig. Sareesha schmiegte sich, selbst Schutz suchend, an Naveens breiten Rücken, Babu an der Brust geborgen. Ob Eule oder sonst ein nachtaktiver Vogel, ob knackende Äste, plötzliches Rauschen in den Wipfeln der alten Urwaldriesen oder ein merkwürdiges Krachen irgendwo dort, wo sie herkamen - Sareesha zuckte bei jedem Geräusch zusammen. Ob ihnen der Hindu bereits im Nacken saß und die Verfolgung aufgenommen hatte?

Gleich würde die Sonne aufgehen. Endlich. Ein Hauch von Licht breitete sich aus. Zuerst wurde Nahes, dann weiter Entferntes sichtbar. Menschen kauerten zwischen Bündeln, Körben, Ziegen und Hunden. Büsche, Bambus, knorrige Bäume und Felsen gewannen Konturen und verloren jenes Bedrohliche, das im Dämmerlicht von ihnen ausging.

 

Gestern waren sie unermüdlich gewandert. Zunächst folgten sie Waldwegen, die sich aus Trampelpfaden entwickelt hatten und dem Abtransport von gesammelten Früchten, Feuerholz oder erlegtem Wild dienten. In diesem Bereich waren sie an mehreren Waldabschnitten vorbeigekommen, in denen sie vor einigen Jahren mittels Brandrodung Hirsefelder angelegt hatten. Dann waren sie tiefer in den Wald und später auch ins Gebirge vorgedrungen, hatten kaum sichtbare Pfade benutzt und waren zeitweise sogar völlig querfeldein marschiert. Ihr Mann Naveen kannte den Dschungel von vielen Jagdzügen auch in entlegene Gebiete besonders gut. Deshalb war er gestern, zusammen mit anderen jungen Männern, voran marschiert. Sie waren mit Pfeil und Bogen bewaffnet. In diesen Wäldern gab es wilde Schweine, Bären, Schlangen und vereinzelt auch Tiger. Sie mussten also auf der Hut sein - besonders vor zweibeinigen Feinden, die sie möglicherweise verfolgten.

Zur Sicherheit hatten weitere Männer die Nachhut gebildet. Einige von ihnen trugen ebenfalls Pfeil und Bogen, vier trugen alte Gewehre, allesamt doppelläufige Jagdwaffen. Und einer, der ältere Sohn von Shankar, besaß eine AK47, eine Kalaschnikow. Man munkelte, dass er zu den Naxaliten gehörte und die Waffe aus einem der Camps mitgebracht hatte. Genaues wusste Sareesha nicht und die anderen, nicht einmal Naveen, sprachen darüber.

 

Pastor G.Isaak war zusammen mit zwei älteren, aber rüstigen Männern in der Mitte des Zuges zwischen Frauen, Kindern und alten Leuten marschiert. Sie hatten so gut es eben ging die Schwachen und Alten unterstützt.

 

Nach vielen Stunden anstrengender Wanderung mit Sack und Pack war es dann dunkel geworden. Weitere zwei bis drei Stunden waren sie noch marschiert, natürlich viel langsamer als bei Tageslicht. Mehrmals war Sareesha ein Ast ins Gesicht geschlagen und zweimal hatte sich ihr Sari in Dornen verfangen. Für solche Strapazen war ein Sari eben nicht gemacht! An einem Abhang hatte sie sich beinahe einen Fuß verdreht. Immerhin hatte das Baby durchgehalten, ohne fortwährend zu schreien. Mal ein kurzes Stöhnen, mal ein stilles Wimmern, mehr war nicht aus dem Bündel unter ihrem Sari gekommen. Sie hatte das Baby während des Marsches gestillt, was sie vorher noch nie gemacht hatte. Sie liebte es, wenn sie das Baby still und konzentriert von der Brust trinken ließ, sein zufriedenes Schmatzen hörte und es nachher friedlich einschlief. Jetzt aber war alles anders.

 

Irgendwann hatten die Männer die Karawane gestoppt und die Leute aufgefordert, ihr Nachtlager einzurichten. Sareesha war zu müde gewesen, um den Lagerplatz zu inspizieren. Es war vermutlich eine kleine Lichtung. Naveen war gekommen und hatte ihr geholfen, die Bündel so zu packen, dass sie dazwischen liegen konnten. Er hatte zwei Matten ausgebreitet und sie hatte sich erschöpft darauf fallengelassen. Sie hatte ihm zwei der Chappati gegeben und selbst nur einen der Fladen gegessen. Dazu gab es Wasser aus der mitgebrachten Plastikflasche. Dann war Naveen für kurze Zeit verschwunden, um sich mit den Männern zu beraten. Als er wiederkam, war Sareesha bereits eingeschlafen.

 

Nun war es endlich wieder hell. Zwar sah man die Sonne zwischen den Bergen noch nicht wirklich, spürte aber die Wärme ihrer Strahlen. Bald würde sie auch die kühle Luft unter den Bäumen erwärmen. Der Lagerplatz war tatsächlich eine Lichtung mitten im Dschungel.

 

Naveen war bereits wach.

»Wir sollten die Chappati

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Lektorat: Cynthia Hansen
Tag der Veröffentlichung: 04.01.2016
ISBN: 978-3-7396-3045-8

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet meinen lieben Freundinnen und Freunden in Indien. Ihr habt mir über Jahre den Stoff geliefert, aus dem Abenteuer, Herausforderungen und Spannung entstehen - aber auch Träume, Faszination, Glaube und Liebe.

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