Henry Wolff
Und so begann es …
aus der Reihe
Der letzte Kampf um die Welt
Dritter Teil
Version 1.04
Belletristik
Genre: Fantasy, Abenteuer
Meta: Fantasy, Liebe, Verrat, Mord, Sex, Gewalt, Zwerge, Riesen, Elfen, Zauberer, Magie, Kobold, Drachen, Wolf, Werwolf, Götter, Druide, Götterdämmerung, Abenteuer, Odin, Walküre, Walhalla, Asgard, Norne, Fenriswolf, Hel, Thor, Kampf, Schwert, Nibelungen, Wikinger, Alberich, Alben, Midgard, Langschiff, Folter, Räuber, Geister, Troll, Burg, Ritter, Rüstung, Krieg, Tarnkappe, Bogen
Der letzte Kampf um die Welt, 3. Teil, Version v1.04
Und so begann es …
Gift! Des einen Freud, des anderen Leid. Und außerdem ein Geschenk der Götter, für einen Dritten.
Ein Anführer. Feige und unbeliebt. Was kann man da tun?
Neugier. Und die Gier nach Macht. Eins führt zum anderen.
Folter. Dem einen macht sie Spaß, dem anderen nicht.
Eine neue Aufgabe. Eine neue Perspektive. Nicht nur für einen.
Was ein Sklave alles so tut.
Schuld oder Unschuld. Und berechtigte Zweifel.
Bisher erschienen:
Es stank nach Tod. Gewaltig. Ein paar Leichen lagen immer noch herum. Gammelten vor sich hin. Geschlachtete Feinde allesamt. Niemand machte sich die Mühe, diesen Müll aus Fleisch und Fäkalien zu entsorgen.
Warum auch! Kein ganzer Tag mehr und die Flotte wäre auf See. Wo die Wellen den Schlaf begleiten und frische Luft die Lungen füllten. Weit weg von Schmutz und Gestank.
Sollten die Bastarde doch in ihrem eigenen Kot verfaulen!
„Verdammt! Wo bleibt der Idiot!“, fluchte Ragnar und schlug wütend mit der Faust gegen das Tor.
Gemeint war Ingolf. Sein bester Freund. Sein einziger Freund. Nachdem Wulf von Leif im Wald abgeschlachtet wurde. Noch eine offene Rechnung, die beglichen werden musste. Bald! Hoffentlich!
„Vielleicht hat er keine Lust“, rätselte Drago.
Ach ja, den gab es ja auch noch. Ein menschlicher Hund. Ragnars Hund. Kein Freund, eher ein bescheuerter Hanswurst. Geduldet, weil dann und wann gut zu gebrauchen.
„Schwatz keine Blasen! Ingolf hat immer Lust. Und würde es niemals wagen, mich zu versetzen“, schnaubte Ragnar.
Treffen wollten sie sich hier. So war es ausgemacht. Um sich in die Vorstadt zu schleichen.
Ragnar kannte einen geheimen Durchgang. Etwas abseits. Ein paar verfaulte Stämme innerhalb der Palisade. Gut versteckt hinter ein paar Büschen. Innerhalb und außerhalb.
Gold wert, wenn man ungesehen davonschleichen wollte. Oder sollte man besser sagen: unerlaubt?
Um das Lager herum war es derzeit ruhig. Die Angreifer hielten sich bedeckt. Aber sie waren noch da, jede Wette. Lauerten hinter den hohen Stadtmauern und warteten. Auf Verstärkung, auf ihre Chance.
Deshalb war für das Verlassen des Lagers eine Erlaubnis nötig. Die Ragnar auf keinen Fall bekommen würde. Schon gar nicht so kurz vor der Abfahrt der Flotte. Deshalb der Geheimgang. Schon mehrfach erfolgreich benutzt. Ein Pfad, der sie vor den Blicken der Wachen schützte. Und der Wut des Vaters.
Übrigens auch vor den Augen des Feindes. Der die selbst geschaffene Schwachstelle in der Verteidigungsanlage nicht kannte. Augenscheinlich. Oder tat er nur so?
Hoffentlich nicht! Dann würde nämlich Blut fließen. Erneut. Mit Sicherheit. Ihr Blut, unter anderem.
Denn die Leute in der Stadt waren wütend und angefressen, wie die letzten Besucher zu berichten wussten.
Für die Bewohner von Albenheim galt nämlich der Grundsatz: Ein Gast ist ein Gast und verhält sich wie ein Gast! Dann kann der Gastgeber auch seine Rolle spielen. Nach festgelegten Regeln.
Wenn der Gast allerdings darauf scheißt, sich wie ein Gast zu benehmen, dann muss man ihm in den Hintern treten!
Das Reichsvolk war nicht duckmäuserisch. Ganz im Gegenteil. Sie handelten, wenn nötig. Wehrten sich. Ohne zu schwatzen. Wenn ihnen jemand auf die Füße trat, zum Beispiel. Zumal das Reich sich derzeit auf dem Höhepunkt seiner Macht befand. Und sich vor nichts fürchtete.
Sie würden kommen. Oh ja. Und zurückschlagen. Hart und schon bald. Die Panzerreiter waren bestimmt schon unterwegs.
Wenn diese Elitekrieger die Fremdlinge nur aus dem Reichsgebiet fegten, dann hatten sie Glück. Viel eher winkte der Tod. Wenn falsche Gäste unangenehm auffielen, wurden sie rücksichtslos ausgemerzt. Dies war hier so Sitte. Schon seit alters her.
Ragnar wusste darum. Nun ja, es gibt Menschen, die reden. Und es gibt Menschen, die handeln. Ihre Gastgeber gehörten zu letzterer Sorte. Eindeutig. Denn reden bedeutet letztlich immer den Tod von Unschuldigen.
Dennoch wollte Hafnars Sohn noch einmal den Hafen unsicher machen. Wenigstens noch einmal! Das letzte Mal in diesem Jahr. Und wer weiß für wie lange.
Die Kehle war trocken und die Gurke in seiner Hose brauchte dringend Auslauf. Zuhause wartete die Mutter. Und somit Zucht und Ordnung! Rrrrrgh!
Ragnar war nicht blöd. Sein Verschwinden aus dem Lager, gerade jetzt, war der pure Leichtsinn. Natürlich. Aber genau dies reizte ihn. Es war so eine Art Mutprobe. Eine Art Lausbubenstreich. Um den Gegner zu narren und ihm Verachtung zu zeigen.
Oh ja, ein letztes Mal, bevor die Flotte segelte. Um fürstlich zu speisen. Und dem geliebten Freund in der Hose Ausgang zu gewähren. Und um anzustoßen. Auf den gelungenen Plan. Auf die Festnahme seines Bruders. Der blutend und gut verschnürt unter Bewachung stand. Auch dank Ingolfs und Dragos Mithilfe.
Dieser Bastard. Möge er verrecken!
Tatkräftig packten die beiden mit an. Freiwillig. Erst vorhin. Eingeteilt zur Bewachung. Diesen Job taten sie gern. Und eigentlich immer, wenn es darum ging, andere zu quälen.
Ragnar selber hielt sich im Hintergrund. Um nicht aufzufallen. Und so leichtfertig seinen gerissenen Plan zu gefährden. Unschuldig musste er wirken. Betroffen. Traurig. Eine Rolle, die er ziemlich perfekt beherrschte. Übung macht eben den Meister!
„Wir können ja auch alleine gehen, Chef“, schlug Drago vor.
„Bist du noch ganz richtig, du Schlaffi? Soll ich vor Langeweile impotent werden?“, bellte Ragnar seinen Gefolgsmann an.
Der erschreckt seinen Kopf einzog.
Gutes Hündchen! Brav!
Ragnar liebte es, andere zu erschrecken. Andere zu dominieren. Er liebte die Furcht in fremden Augen. Und was diese aus Menschen machen kann.
„Los! Komm!“, entschied Ragnar. „Ich habe die Schnauze voll!“
„Oh ja! Gehen wir nun doch alleine?“
„Hast du dir den Kopf angeschlagen? Wir suchen Ingolf! Damit ich ihm in seinen knochigen Arsch treten kann! Mich warten zu lassen! Den Kerl knöpf ich mir vor! Zuerst unser Zelt. Dort fangen wir an.“
Gesagt, getan. Es war nicht weit. Und das Glück ihnen hold.
Ganz im Gegensatz zu Ingolf. Den sie dort am Boden fanden. Japsend. Winselnd. Seltsam verkrümmt. Während er sich stöhnend und mit beiden Händen den Bauch hielt. Und sich in Abständen hin und her rollte.
Während Ragnar erstaunt wirkte, hatte Drago eine seiner seltenen Erleuchtungen. Triumphierend hielt er den leeren Weinkrug hoch und zeigte diesen seinem Chef. Triumphierend und schadenfroh. Es baut schon auf, wenn mal ein anderer die Ursache für Ärger ist.
„Besoffen ist das Schwein!“, keckerte Drago und zeigte die Zähne.
Doch im Gegensatz zu ihm wollte bei Ragnar keine Fröhlichkeit aufkommen. Und während Drago noch breiter schmunzelte, überzog sich sein Gesicht mit einer Gewitterwolke.
Gewiss, Ingolf naschte gern am Wein. Und oft. Aber dass sich der Bursche selber außer Gefecht setzte, dies gab es noch nie. Und das kurz vor einem Treffen mit seinem Anführer. Eine Verabredung mit Ragnar galt nicht nur als heilig, sondern war ein Befehl. Immer. Zumindest für seine Leute. Also kam ein Nichterscheinen einer Befehlsverweigerung gleich. Ganz einfach.
Und genau dies war der Grund für Ragnars Ärger. Nicht der Alkohol. Aber das es einer wagte, ihn zu versetzen, dies verschlug ihm die Sprache.
Und so gab es auch kein Mitleid. Sondern nur ein paar Tritte. Die meisten dahin, wo es ohnehin schon wehtat. Wer saufen konnte, der konnte auch leiden!
Derweil griff Drago sich den Becher. Wollte ihn auslecken. Den Rand und die Neige. Es musste sein!
Spinat mochte er nicht. Grünkohl auch nicht. Aber Wein verkommen zu lassen war eine Sünde! Ihn für seinen Magen zu retten dagegen eine glorreiche Tat. Der Drago gern und gewissenhaft nachkam.
Also her mit dem Becher! Und die Zunge raus. Auch wenn Ragnar ihn anschaute wie Hühnerdreck.
Tat der immer wieder. Obwohl er sich schon daran gewöhnt haben sollte. Denn dieses Hobby, die Reste während und nach einer Feier zu vertilgen, pflegte Drago schon von klein auf. Keiner konnte es ihm abgewöhnen. Gute Worte halfen nicht, Drohungen schon gar nicht. Selbst Schläge oder andere Strafmaßnahmen liefen ins Leere.
Das Problem dabei war nicht der Hunger. Sondern der Durst. Wenn die Trinkhörner in fröhlicher Runde kreisten, dann blieben immer genug Reste, um ein Kind in kürzester Zeit außer Gefecht zu setzen. Dumm nur, wenn dieses Kind Drago hieß und vorher noch reichlich Mist anstellte.
Keiner konnte dem Lauser diese Unart abgewöhnen und so gab es Ärger zuhauf. Was schon damals Ragnars Interesse weckte. Konnte er doch so seine Untaten alle auf Drago schieben. Glaubhaft. Denn Dragos geistige Entwicklung verlangsamte sich spürbar, je mehr er lallte.
Vererbt, so sagten die Leute. Versoffen, so dachte Ragnar. Welcher sich diebisch freute, wenn sein Jugendfreund, steif wie eine Haubitze, durch die Straßen torkelte.
Also, ja, der Becher. Genau! Etliche Tropfen waren noch drin. Etwas mehr sogar im Krug. Der gleich anschließend auf dem Plan stand.
Es war zwar wenig, aber man darf doch nichts umkommen lassen!
Was der Mensch braucht, das braucht er!
Also los! Raus die Zunge und geleckt!
Hm, lecker!
Oder doch nicht? Irgendwie schmeckte der Wein anders als sonst. Etwas süßer und gleichzeitig bitter. Ein anderes Produkt? Egal, Hauptsache es dröhnte!
All diese Überlegungen und noch viele mehr. In weniger als einer Sekunde. Dragos Hirn lief auf Hochtouren. Ungewohnt, aber wahr.
Seine Zunge schmeckte etwas. Etwas Bekanntes. Etwas Gemeines und Fieses. Etwas, das er schon vergessen glaubte.
Und dann schoss es ihm wieder ein. Aus den hinteren Windungen des Gehirns. Schon ewig dort abgespeichert und unter anderem Erlebnismüll begraben.
Er war noch klein. Und es war im Garten seiner Mutter. Belehrt hatte sie ihn gerade, wie so oft. Nerv, nerv, nerv! Und ihren mickrigen Sohn dabei mit einem Satz Ohrfeigen eingedeckt. Ebenfalls nichts Ungewöhnliches, weil Drago nie den Ansprüchen der Mutter genügte.
In den Mund hatte er sich was gesteckt. Etwas, das er nicht sollte. Aber dennoch tat, weil er nur so seine Erfahrungen sammelte. Und gleichzeitig die Mutter ärgern konnte.
Doch diesmal war das Ende nicht lustig. Eine giftige Pflanze war es, die er sich gegriffen hatte. Oder war es eine Nuss? Verdammt, es war lange her. Kotznuss? Oder eher Brechnuss? Hm, es war schon ein eigenartiger Name. Ein lustiger Name. Nur deshalb hatte ihn sich Drago gemerkt.
Nein, es war keine Nuss. Die griff er sich bei anderer Gelegenheit, erst Jahre später. Es war eine Pflanze, die er zu fassen bekam. Überall wuchs dieses Zeug, wie Unkraut. Im Garten, auf den Wiesen, sogar im Wald. Irgendetwas mit Hut.
Egal. Unwichtig. Wichtig war nur, dass es ihm danach dreckig ging. So dreckig, wie man es sich nur vorstellen konnte. Obwohl von dem Zeug noch nicht einmal viel in den Magen gelangte. Und er gleich darauf, auf Befehl der Mutter, sich den Finger in den Hals stecken musste. Wieder und wieder. Und zum Glück.
Das Herz jagte. Stundenlang. Er konnte kaum atmen, damals. Schwitzte wie ein Schwein. Und sah haufenweise Dinge, die es nicht gab. Hatte gespuckt, was das Zeug hielt. Und noch einiges mehr. Nicht lustig! Ganz und gar nicht!
Ragnars Mutter hatte ihm damals das Leben gerettet. Zusammen mit der Kräuterfrau des Dorfes. Das würde Drago niemals vergessen. Glück hatte er, jede Menge davon. Das sagten alle.
Und genau nach diesem Zeug schmeckte jetzt der Wein. Diesen Geschmack würde Drago nie in seinem Leben vergessen. Selbst nicht in geringster Konzentration.
Das Getränk war vergiftet! Keine Frage! Drago war sich sicher. Und Ingolf hatte davon getrunken. Sich vielleicht sogar den ganzen Krug hinter die Binde gekippt. Sein Kumpel war nicht besoffen, sondern er starb.
Sterben? Zeit an sich zu denken! Alles andere war jetzt unwichtig!
Und wie ein Bekloppter stürzte Drago aus dem Zelt. Er stolperte hin zu dem großen Wasserfass, welches für diesen Teil des Lagers gedacht war. Steckte den Kopf in das kühle Nass und spülte sich den Mund aus. Wieder und wieder, minutenlang. Er hatte den Wein noch nicht geschluckt. Nur ein, zwei Tropfen gekostet. Und nur auf der Zunge. Egal, sicher war sicher. Was anderes konnte er ohnehin nicht tun.
Die Zeit verging. Wohl viel schneller, als Drago wahrnahm, der gerade Todesängste ausstand. So mochten etliche Minuten vergangen sein, bevor ihm Ragnar ungeduldig folgte. Und verärgert, natürlich. Denn sein Freund Ingolf wollte nicht so, wie er. Wollte ihn nicht begleiten und mit ihm feiern. Wand sich stattdessen stöhnend am Boden. Simulant! Weichwurst!
„Komm, wir gehen alleine!“, schnauzte Ragnar Drago an und zog dessen Kopf brutal, an den Haaren, aus dem Fass. „Soll das versoffene Schwein doch leiden! Mich zu versetzen! Ha! Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen!“
Drago schwankte ein wenig abwesend, bevor er sich wieder einkriegte. Gerade wollte er seinem Chef von dem Gift berichten, da besann er sich anders.
Was, wenn er nichts sagte? Dann würde Ingolf sterben. Mit Sicherheit sogar. Andererseits, wäre der überhaupt noch zu retten?
Und wäre Ingolf tot, dann würde Drago um eine Stufe aufrücken. Dann wäre er Ragnars Freund. Und weit und breit keiner, der ihm diese Stellung streitig machen würde. Endlich!
Andererseits, Ingolf war ebenfalls ein Freund. Ein Freund? War er das wirklich? So oft, wie der Kerl ihn verspottete? Ihn mobbte, ihn schlug? Und ihn abzog? War einer, der so etwas machte, ein Freund? Oder eher ein Feind?
„Ja, lass uns losziehen! Ich freue mich schon“, entschied sich Drago.
Und eilte, jeweils einen halben Schritt, hinter seinem Chef hinterher. War dabei mit einem Male so gut gelaunt, wie schon lange nicht mehr. Die Götter hatten ein Einsehen! Lange genug hatte er sie ja auch darum gebeten! Nur ein paar Schritte noch, dann war es geschafft. Dann konnte man auch nicht mehr Ingolfs Winseln hören.
Marcus schwitzte. Und fluchte vor sich hin. Natürlich leise, um keine Maulschellen zu kassieren. Aber stetig. Nur selten stand sein loses Mundwerk still.
Denn er ärgerte sich wieder einmal. So, wie er es fast den ganzen Tag über tat. Woche für Woche, Monat für Monat. Teils berechtigt, teils aus Gewohnheit. Nun, zum Glück kostete das keine zusätzlichen Kräfte, denn dies entsprach ohnehin seinem Charakter.
Der eine oder andere wird vielleicht meinen, dass der heutige Ärger begründet sei. Denn Marcus Kleidung war zum großen Teil durchnässt. Voll mit Urin. Und ein paar dickere Bestandteile klebten auch schon am Stoff.
Wie jeden Morgen, so war er auch heute damit beschäftigt, die Nachttöpfe im Lager auszuleeren. Zwei klobige Holzeimer schleppte er dazu umher, einen für jede Hand. Und machte diese gewöhnlich bis oben hin voll.
Zu viel, zu schwer! Kein Wunder, dass das widerliche Zeug überschwappte.
Aber Marcus wollte sich zusätzliche Wege sparen. Ausnahmsweise mal ohne Eigennutz. Denn wurde die Arbeit nicht rechtzeitig fertig, dann würde ihm irgendeiner die Faust in die Rippen stoßen. Das kannte er bereits, einer fand sich immer!
Zum Glück waren sie morgen auf See. Aller Voraussicht nach. Dort, auf dem Schiff, konnte er sich wieder hinter einem Ballen Ware verstecken. Und in Ruhe davon träumen, was er seinen Peinigern alles so antun würde. Auf den Langschiffen gab es keine Nachttöpfe. Nur die Bordwand und die offene See.
Hui, dieser Nachttopf war aber so richtig voll!
Ärgerlich, denn die Eimer waren schon gut gefüllt. Musste er doch noch einmal gehen?
Marcus fluchte erneut. Aber diesmal war es das besondere Fluchen, das einem Grinsen vorangeht. Und ein Grinsen bedeutet: Marcus hat eine Idee! Und diese war ganz einfach, aber zweckmäßig. Die Eimer wurden noch so weit aufgefüllt, wie es möglich war. Und der Rest? Tja, der Rest wurde einfach unter die Felle gekippt, welche den Fußboden bedeckten. Mochten die Zeltbewohner damit glücklich werden!
Alles klar. Jetzt noch fix die Eimer im Wallgraben entleert, dann wäre auch diese Arbeit geschafft. Mochten die ekligen Dämpfe die Stadtbewohner verwöhnen!
Hinterhältiges Pack, das!
Gerade wollte Marcus aus dem Zelt schlüpfen, da zuckte er zurück. Ragnar! Zusammen mit Drago. Mitten auf dem Platz, am großen Wasserfass.
Da gab es nur eins! Unsichtbar machen, so die Devise. Eine kluge Entscheidung. Aber das war sie immer! Denn wen man nicht fand, dem konnte man auch nichts tun! Im Allgemeinen.
Lange musste Marcus nicht warten. Mit einem hasserfüllten Blick sah er den beiden hinterher. Oder soll man eher sagen: Misstrauisch? Verängstigt? Ärgerlich?
Da liefen sie, seine Feinde! Jedenfalls zwei von ihnen. Bewegten sich verstohlen in Richtung Palisade. Marcus ahnte, was sie vorhatten. Er kannte den Durchgang. Hatte Ragnar, zusammen mit seinen Spezis, schon des Öfteren dabei beobachtet, wie sie klammheimlich das Lager verließen. War ihnen nachgeschlichen. Sah, wie die Bande kurz darauf in einem nahen Puff im Hafen verschwanden.
Mistbande! Wieso leben die überhaupt noch? Ist mein Plan schiefgegangen?
Schimpfend quälte sich Marcus weiter. Mit den schweren Eimern und langen Armen. Es half ja nichts. Er musste
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Henry Wolff
Bildmaterialien: Henry Wolff
Tag der Veröffentlichung: 10.08.2016
ISBN: 978-3-7396-8898-5
Alle Rechte vorbehalten