Cover

Die Maskenball - Kissenschlacht

„Der Internationale Tag der Kissenschlacht findet statt am 04. April 2015. Eine Kissenschlacht ist ein übliches Spiel, in dem eine gespielte körperliche Auseinandersetzung mit Kissen als Waffen ausgetragen wird. Kissenschlachten finden häufig bei Pyjama-Partys statt.“

 

Das ist als Information nachzulesen für diejenigen, die offensichtlich Spaß dabei finden, im Schlafanzug eine Schlacht zu zelebrieren. Man möchte diese großartige Idee, aber vor allen Dingen die vielen Menschen damit ehren, die sich hier so aktiv betätigen.
Fetzen und Federn müssen fliegen, dann kommt erst Freude auf. Alle sind puppenlustig. Männer und Frauen gehen schreiend aufeinander los und haben einen Mordsspaß. Das scheint zudem auch international von Bedeutung zu sein, denn es gibt ja dafür einen besonderen Tag.

 

Im Jahr 2016 hatte man  eine besonders griffige Idee, die auch die Freunde der beliebten Maskenbälle anlocken sollte. Was ist schon ein Schlafanzug wert, wenn dabei das Antlitz des Trägers jede Illusion nimmt, wenn man sich den Ball – also in unserem Fall das Kissen – zuwirft. Begeistert von diesem Einfall wird also erstmalig ein Kissenschlacht-Maskenball ausgerufen. Einladungen wurden in alle Welt gesandt, auch nach Venedig, ungeachtet dessen, was die Venezianer mit dem Begriff „Maske“ verbinden. Sie sind nämlich Kunstwerke. In einer Schlacht werden Kunstwerke vernichtet. Das weiß jeder und es wird in aller Welt auch zelebriert, wenn auch auf quasi höherer Ebene, bzw. von höherer Ebene aus. Der Spaß dabei hält sich in Grenzen, aber wer respektiert denn heutzutage noch Grenzen. Nun ja, die Venezianer haben abgesagt, sie haben Stolz und lieben ihre Masken viel zu sehr als dass sie damit Schindluder treiben würden. In Deutschland sieht man das anders, traditionell liebt man Schlachten und führt sie durch bis nichts mehr übrig bleibt als Trümmer. Man kann damit Geld verdienen. Das ist es, was zählt und Vermummung ist sowieso groß in Mode. Warum sollte man auch Gesicht zeigen, anonym ist alles leichter – man kann unbekümmerter draufschlagen und sich dabei noch köstlich amüsieren. Maske ist Trumpf!

 

Ich staune, denn ich bin mir jetzt im Klaren, dass ich vermutlich ein schrecklicher Kissenschlachtenmuffel bin – ich mag auch keine fliegenden Milben, doch das ist es nicht allein. Ich verstehe leider nicht den Grund und den Sinn, mir von anderen Menschen Kissen um die Ohren schlagen zu lassen, noch dazu in Vermummung. Aber wie gesagt, auf dem Gebiet habe ich vermutlich eine Blockade, kann nicht lachen, auch nicht beim Zusehen – ich bekam ein entsprechendes Video zugespielt. Selbst als die Schlüpfergummi reißen, finde ich das Ganze wenig witzig. Humorlos wäre ich, wirft man mir vor. Das stimmt mich traurig. Eine Freundin meinte, man muss es einmal durchlebt haben, dann wisse man mehr. Erschrocken dachte ich, dass mir vielleicht doch Entscheidendes im Leben bislang entgangen wäre. So nahm das Unheil seinen Lauf. Ich willigte ein, es einmal zu probieren. Der Eintrittspreis stimmte mich ein wenig weinerlich; dafür hätte ich fürstlich essen gehen können.


In der Matratzenfabrik „Kernige Matte“ war ein großer Raum für selbige Schlacht zur Verfügung gestellt. Der Saal war mit gestreiften, pinkfarbenen und schwarzgetupften Matratzen ausgelegt – man fand die Designwahl angesagt cool - die unzähligen Kissen in ähnlicher Farbenpracht. Mir war klar – hier kämpft Schwarz gegen Pink. Aber worum geht es und was erhält der Gewinner? Die bange Frage, die in mir waberte war auch die, ob es überhaupt einen Gewinner geben könnte. So denken nur die, die das große Ganze nicht begreifen, sagte man mir und ich schwieg beschämt. Meine Freundin wusste es allerdings auch nicht – keiner wusste das. Niemanden erschütterten die unbeantworteten Fragen.

Wichtig war nur, dass man quietschend - aber unerbittlich - aufeinander losgeht, ganz ohne Grund und zudem sicher auch ohne Ergebnis, was nur meine laienhafte Vermutung war. Das Kissenmaterial sollte unbedingt zerstört werden – immer rauf auf den anderen bis die Luft raus ist und alle müssen gehörig Federn gelassen haben, hieß es. Keiner braucht dabei etwas zu können oder kann etwas lernen, außer natürlich herzhaft draufzuhauen, was im Grunde jeder Depp vermag. Letzteres waren aber nur meine klugscheißernden Gedanken.


Nun immerhin, der Veranstalter gab vor der Schlacht bekannt, dass alles für den Frieden und das Wohl eines in Not geratenen Landes geschehen würde. Eine Schlacht für den Frieden, in der keiner sterben, aber alle einen Höllenspaß haben würden. Masken könne man notfalls auch am Eingang noch erwerben. Eine Bombenidee! Die Massen in den Schlafanzügen und Nachthemden johlten hinter ihren Masken so gut es ging, sie konnten es nun kaum erwarten. Eine Delegation des notleidenden Landes durfte die Schlacht aus der Ferne beobachten. Sie waren zwar erstaunt aber noch hoffnungsvoll.


Über den Schlachtteilnehmern hingen große, sehr prächtige Lüster, auch Adler. Eine Schlacht in würdiger Umgebung, das ist man sich schuldig. Die vielen wundervollen Kerzen wurden alsbald entzündet und schon ging es los. Ich war mittendrin und konnte mich nicht mehr entfernen. Einer war ein erprobter Kämpfer und hatte Nebelkerzen in seinem Pyjama versteckt. Es dauerte nicht lange und er ließ sie los. Am Liebsten wäre ich einfach irgendwohin verschwunden, aber es ging nicht. Also gab ich auch alles, was in meiner Macht stand. Viel war es ja nicht. Ich saß in einer Ecke und lamentierte. Die Kissen flogen hoch, die Federn in alle Richtungen, man wusste kaum noch wo oben oder unten, wer Freund oder Feind war. Jeder tobte also gegen jeden bis ein Kissen Feuer fing. Im Eifer des Gefechtes fiel das nicht sofort den Teilnehmern auf, das Geschrei gestattete keine mahnenden Worte. Sie warfen weiterhin vermummt nun schon brennende Kissen verbissen auf jeden, der sich in der Nähe befand.


Die Delegation des Not leidenden Landes war besorgt und hilflos. Sie fuhren enttäuscht in ihr Land zurück, um dort irgendwie weiter zu machen. Sie mussten mit den Vermummten fertig werden.

 

Ich hatte Glück, entdeckte das rettende Loch und sprang hinein. Alle anderen auch. Die Schlacht war aus, keiner hatte etwas gewonnen, der Saal war verwüstet.
„Wir müssen das mal wieder machen“, sagten aber einige trotzig hinter ihren Masken. Es wäre ja für den Frieden und für die Not leidenden Länder. Spaß muss auch sein, fügten sie noch altklug hinzu und gingen auseinander. Später hörte man in den Medien von verheerenden Explosionen in der Matratzenfabrik – die „Kernige Matte“ war Geschichte. Angeblich gäbe es derartige Kissenschlachten alle paar Jahrhunderte – also alles nichts Besonderes. Was interessiert das Gestern – wir schauen auf die Gegenwart und sehen die Maskenbälle in der Welt. Gute Nacht!

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 08.02.2017

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /