Darüber wird meist spekuliert, die Vorhersagen sind vage. Schon immer wollten die Menschen Näheres wissen und bemühten Orakel, die Astrologen, die Weisen, auch die Wissenschaftler, aber die Meisten vertrauen letztlich doch ihrem Bauch und entscheiden entsprechend – nach Bauchgefühl halt. Natürlich kommt es immer darauf an, worum es überhaupt geht, um Großes oder um eine Nichtigkeit. Aber eigentlich ist das alles egal, man irrt sich oft genug, so dass man zu dem Schluss gelangt, dass über das Kommende eigentlich nie eine verlässliche Aussage getroffen werden kann. Manche Leute begehren, nicht zuletzt aus diesem Grund, über das Kommende besser keine Kenntnis zu haben, denn es kommt wie es kommt und damit hat man zu leben. Sie sind die Glücklichen unter uns. Sie sorgen sich wenig um die Zukunft, legen alles in Gottes Hand und versuchen mit der Gegenwart klar zu kommen, was schwierig genug ist.
Moni denkt allerdings über Kommendes nach, jeder Anlass ist willkommen. Die Vergangenheit ist Geschichte, sie verschwimmt und ist nicht mehr zu beeinflussen, das Kommende ist dagegen etwas Köstliches. Man kann es sich wenigstens ausmalen, es ist gedanklich gestaltbar, es ist wie warmes Wachs in den Händen, welches man ziehen und dehnen kann, auch zusammendrücken – ganz nach Belieben. Zusammenquetschen kommt nicht in Frage, beschließt Moni. Das wäre dumm. Sie möchte das Kommende nach allen Seiten ausrollen und so ihre Fühler ausstrecken nach einem möglichst langen, sorgenfreien Leben.
So wie alle Menschen weiß Moni, dass das Kommende nicht nur aus Sonnenschein bestehen würde, sie lässt also auch diese Gedanken kommen, sie aber vorsichtshalber nicht zu dünn werden. Messerscharfe Spekulationen sind gefährlich. Am Ende rufen sie einen verhängnisvollen Glauben aufs Trapez. Sie möchte keine Teufel an die Wand malen und keine Untergangszenarien heraufbeschwören – nein, das Kommende stellt sie sich, zwanghaft anmutend, angenehm vor und sie meint dabei nicht etwa ein kommendes Leben im Jenseits, sondern das Kommende im Diesseits. Das ist alles nicht ganz einfach in der heutigen Welt, die voller Horrorszenarien ist. Sie braucht täglich eine Art Meditation, um alles zu verkraften und sich das Kommende schön zu denken.
Wenn sie an ein kommendes Leben nach dem diesseitigen glauben würde und sich im gegenwärtigen entscheiden müsste wie dies aussehen soll, und sie sich nicht an das vorherige werde erinnern können, auch nicht an die Entscheidungen, die sie da getroffen hatte – sie sich also auch niemals werde Vorwürfe machen können -, dann würde sie sich im jetzigen Leben für ein kommendes entscheiden. Vielleicht. Aber Moni glaubt nicht an so etwas. Zum Glück!
Das Kommende kann natürlich auch ganz andere Dinge betreffen. Das Naheliegende zum Beispiel – das kommende Fest natürlich, hier weiß Moni so ziemlich genau, wie sich alles gestalten würde, wenn nichts dazwischen kommt. Es kann allerdings immer etwas dazwischen kommen. So viel ist sicher. Da wäre zunächst der Advent, der über uns kommt wie das tägliche Mittagkochen. Man kann sich nicht entziehen, es gehört zum Leben. Man muss es tun oder der Mensch verkommt. Moni möchte nicht wegen des Kommenden verkommen. Also nimmt sie es an, teils in liebevoller Erwartung. Sie kocht den Wirsingkohl, ohne das zu Erwartende dabei zu berücksichtigen und wird auch dem Advent gebührende Aufmerksamkeit schenken und zwar, man höre und staune, mit einem Herrnhuter Stern.
Benannt ist der Stern nach der Herrnhuter Brüdergemeinde, die ihren Stammsitz in Herrnhut in der Oberlausitz hat. Viele Eltern gingen als Missionare in die Welt, die Kinder kamen in Internate. Dort entstanden die ersten Herrnhuter Sterne.
Als man 1821 in der Universitäts-Knabenanstalt in Niesky ein Fest zum fünfzigsten Jahrestag der Anstalt feierte, schwebte im Hof ein beleuchteter Stern mit 110 Zacken. Er hing auch nicht zur Adventszeit, denn die Jubiläumsfeier fand vom 4. bis 6. Januar statt, also zum Dreikönigsfest. Während andere Kirchen Weihnachtskrippen zeigten, passte dieser Stern von Bethlehem in die schlichten, weißen Säle der Brüdergemeinde. Später wurde der Stern auch in den Internaten der Herrnhuter Universität in Niesky, Neuwied, Königsfeld im Schwarzwald und Kleinwelka gebastelt und zum ersten Advent aufgehängt.
Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts begannen manufakturmäßige Herstellung und Vertrieb der Original Herrnhuter Sterne. Die zur industriellen Fertigung besonders geeignete Version mit 25 Zacken lieferte ab den 1920er Jahren die Sterngesellschaft mbH in Herrnhut. Selbst in der DDR führte der VEB Stern die Produktion fort, wenn auch unter den Bedingungen des Sozialismus mit staatlich festgelegten Rahmenbedingungen. Ab 1968 wurden die Sterne in einem Betrieb hergestellt, der eigentlich Elektroanlagenzubehör herstellte. Das wusste Moni nicht und staunt, denn zu kaufen gab es die Dinger nicht, jedenfalls nicht überall..
In vielen, nicht nur protestantischen Kirchen hängen ein oder mehrere Herrnhuter Sterne, teilweise stammen sie noch aus der Anfangszeit der Produktion und sind bis zu 80 Jahre alt. Viele evangelische Gemeinden kauften die Sterne, um die Herrnhuter Brüdergemeinde zu unterstützen und deren Missionsarbeit zu fördern. Meistens jedoch, weil dieser Adventsschmuck nicht überladen und bunt, sondern von schlichter Schönheit ist.
Der Stern wird zerlegt erworben. Der Herrnhuter Advents- und Weihnachtsstern besteht aus einem (kleinen) Rhombenkuboktaeder mit 26 Flächen, 17 viereckigen und 8 dreieckigen Zacken. In der Packung befinden sich außerdem Montageklammern, ein Aufhängesteg und zwei Reservezacken.
Moni schenkt ihn im Dezember ihrem Mann zum Geburtstag, der bastelt nun mit zusammengebissenen Zähnen daran.
Das zum Kommenden. Natürlich singen die Menschen in der Zeit noch die Hirten herbei, auch die Kinderlein. Und was vom Himmel hoch noch so kommen kann, bleibt spannend. Im Augenblick ist es Xaver, aber da kommt sicher noch mehr. Das Kommende wird die Gemüter immer beschäftigen und zweitens kommt es immer anders als man denkt.
Ein frohes Fest wünscht in jedem Fall, auch wenn so manches fällt und nicht gefällt, allen Freunden und Lesern, die noch als Freunde kommen wollen,
die Moni.
Bildmaterialien: Aquarell von Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 06.12.2013
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