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Das fremde Gesicht

 

In Penzlin kennt jeder jeden. So sieht man immer dieselben Gesichter in der Eckkneipe, im Kaffee, im Einkaufsmarkt, auf der Straße oder im Fenster. Ein fremdes Gesicht fällt auf. Die Leute bemerken alles, wissen viel, oder glauben das zumindest und sie tauschen ihr Wissen aus.

Eines Tages sahen sie einen Mann, den keiner kannte, sein Gesicht war eigentlich als durchschnittlich und eher unbedeutend zu bezeichnen. In einer großen Stadt würde es in der Masse untergehen, nicht hier in Penzlin. Sein Allerweltsgesicht viel auf, denn es war fremd. Das Spekulieren setzte ein. Wo kam er her, was will er hier tun und warum lässt er sich ausgerechnet hier nieder? Vielleicht wollte er auch untertauchen, weil er etwas auf dem Kerbholz hatte? Sein Gesicht verriet nichts und ihn direkt zu fragen, das verbot die Höflichkeit.

Er hatte sich im Gasthof ein Zimmer gemietet und ließ sich merkwürdiger Weise mit Niemandem in ein Gespräch ein. Sein Verhalten war untadelig, er zeigte ein freundliches Gesicht, wenn er um etwas bat und bedankte sich höflich, wenn er es bekam.

Seine Wünsche waren bescheiden. Es schien als würde er keinem zur Last fallen wollen und er einfach nur in diesem Städtchen seinen Geschäften in Ruhe nachzugehen begehrte. Nur wusste niemand worin diese bestanden. Das missfiel den Penzlinern ein wenig. Man sah ihn im Gastraum an seinem Laptop mit ernstem Gesicht emsig tippen aber keiner wusste, worum es dabei ging.

Die Menschen wurden misstrauisch und fragten sich, was er wohl tagaus, tagein dort in seinen Computer eingeben würde. Sie waren sehr besorgt, die Gesichter der Männer am Stammtisch schauten finster und fest entschlossen, etwas zu unternehmen. Aber was wusste keiner.

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"NSA-Chef Keith Alexander ist verzweifelt. Kein Wunder, die neuen Enthüllungen im Überwachungsskandal verärgern selbst eingefleischte Transatlantiker wie Frau Merkel. Den Schuldigen dafür sucht Alexander allerdings nicht in seiner Behörde. Sondern schimpft stattdessen auf eine andere Berufsgruppe, die Medien.

Was ist das Schlimmste für einen Geheimdienstchef? Wenn das, was seine Behörde jeden Tag so tut, plötzlich nicht mehr geheim ist. So geht es derzeit NSA-Chef Keith Alexander. Die immer neuen Enthüllungen zur Überwachungspraxis seiner Behörde lassen den General - gelinde gesagt - ganz schön dumm dastehen. Und verärgern inzwischen auch bekennende Transatlantiker wie Bundeskanzlerin Angela Merkel, deren Mobiltelefon von der NSA abgehört worden sein soll." ( meint die Süddeutsche Zeitung)

Er musste etwas unternehmen. Seine Kunst unauffällig zu sein und somit geheim zu agieren, schien ihm in seinem Heimatland weitestgehend abhandengekommen zu sein. Er beschloss sich zurückzuziehen und gleichzeitig aktiv zu sein. In einer seiner seltenen freien Minuten las er über ein kleines Städtchen in Mecklenburg/Vorpommern. Hier gedachte er unterzutauchen und seine unheilbringende Arbeit der weltweiten Ausspähung zu überdenken. Seinem Chef Obama sagte er nichts, auch seinen Mitarbeitern nicht, warum auch, wollte er doch seine Gedanken zunächst geheim halten. In Penzlin würde er in Ruhe alles überdenken, medienfrei quasi. So mietete er sich völlig unerkannt in ein x-beliebiges Gasthaus ein, um dort mit Abstand eine Lösung zu finden. Die Leute hielten Abstand.

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Abstand halten, ein undurchdringbares Gesicht zeigen, das konnten sie, die Penzliner, aber dumm sterben wollten sie auch nicht, deshalb fassten sie den Plan, ihre Kommissarin Monarutta einzuschalten, die ja schon die seltsamsten Fälle gelöst hatte.

„Das ist kein Fall“, meinte sie und sperrte sich zunächst.

„Wann ist ein Fall ein Fall?“, fragten sie verärgert und enttäuscht.

Monarutta merkte an, dass sie dafür eine Leiche benötigte oder wenigstens einen Hinweis, der auf eine kommende hindeutete. Ein fremdes Gesicht reiche wirklich nicht für eine Ermittlung oder eine heimliche Beobachtung.

Natürlich war ihr der Mann auch schon aufgefallen und sie überlegte sich, was man veranlassen könnte, um das Problem der Leute zu klären.

Sie beschloss den Mann mit dem unauffälligen Gesicht zu informieren, dass er beobachtet wird. Vielleicht würde er mit ihr reden und sie würde so etwas erfahren und damit die Leute beruhigen können. Gedacht, getan.

Monarutta trat also an den Tisch, grüßte freundlich und sagte: „Sie werden beobachtet.“

Der Mann schaute sie erschrocken an. „Das ist unmöglich“, erwiderte er total verunsichert. „Sie haben doch hier keine ausreichende Technik dafür und ich habe auch keinen Grund geliefert. Man darf mich nicht beobachten. Das ist illegal. Ich will nicht beobachtet werden, deshalb kam ich her. Lassen sie mich bitte in Ruhe leben und arbeiten.“ Er hatte sich in Rage geredet.

Monarutta lächelte und sagte: „Sie werden beobachtet, glauben sie mir. Hier weiß jeder über jeden alles und das ganz ohne komplizierte Technik. Man bekommt einfach alles heraus. Einfach so.“

Der Mann wurde kreidebleich und fasste an sein Herz, dann fiel er tot vom Stuhl.

Danach ging alles seinen gewohnten Gang. Zwar hatte Monarutta keinen wirklichen Fall zu lösen aber die Leute waren zufrieden. Niemand war schuld, keiner hatte etwas gemacht, nur ein wenig Beobachtung, leider war sie tödlich.

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Tag der Veröffentlichung: 26.10.2013

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