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Monaruttas zweiter Fall

2. Teil

Was war also hier passiert und war es überhaupt hier passiert? Monarutta erkannte die Frauen, die hier nun still und unbeweglich je einen Parkplatz besetzten. Sie sahen friedlich aus, denn kein Tropfen Blut war zu entdecken.
Moruzius traf ein, er hatte sich etwas verspätet. Sein Blick auf die toten Frauen rang ihm nur ein: „Ach, die“, ab.
„Ja, die, eine heißt Erika.“
„Jetzt ist Ruhe. Endgültig.“
„Sowas sagt man nicht“, rügte Monarutta aber sie dachte es auch und schämte sich ein wenig dafür.

Im Fitnesscenter war Licht, dort herrschte stets Betrieb, auch nachts, selbst in aller Frühe. Rund um die Uhr wurde hier trainiert, jedem Schichtarbeiter wollte man ermöglichen, sich abzureagieren oder sich auszutoben, je nach dem. Unsere Menschen würden das brauchen und wollen, hieß es. Muskeln zu stärken, muss sein. Monarutta hatte dazu eine eigene Meinung, weil ja so einige auch etwas Geistesstärkung nötig hätten aber in dem Fall, in ihrem Fall, würde s o vielleicht jemand etwas gesehen haben. Das war denkbar. Auch im Bordell-Gebäude waren Fenster und gerade bewegte sich geräuschvoll eine Puffjalousie.
Das ganze Programm war also abzuspulen. Leute befragen, Leute befragen und immer wieder Leute befragen!

Moruzius wollte natürlich in den Puff, das war zu erwarten aber Monaretta schickte ihn ins Fitnesscenter. Kameras gab es nicht. Ja, Gott verdammich, dachte sie, warum wieder keinerlei Hilfen. Hier waren sie doch anzutreffen, die schweren Jungs und die leichten Mädchen aber nein, Monaruttas Spürnase musste wieder herhalten.

Die Pathologin Paula hatte noch nichts entdeckt. Sie konnte nur den Todeszeitpunkt feststellen und der war spät, weit nach Mitternacht. Rechtschaffende Frauen sind um die Zeit eigentlich auf dem Sofa im trauten und sicheren Heim zu finden. Eine Kleinigkeit fiel ihr aber auf: der süßlicher Mundgeruch beider Frauen. Ihre Lippen und die Zungen schienen leicht geschwollen.

Die Monarutta begab sich also in das Bordell nachdem sie die Namen der Toten schnell feststellte. Sie hatten ja zum Glück Handtaschen mit brauchbarem Inhalt dabei. Die Taschen standen ordentlich neben den Körpern, es schien in ihnen nichts zu fehlen.
Erika und Renate lagen da als hätte man sie dort nur abgelegt, um sie später wieder abzuholen, wie ein paar Schaufensterpuppen, wobei diese immer spindeldürr sind. Stocksteif lagen sie da, unfähig nur einen einzigen Mucks von sich zu geben.. Ein für alle Mal. Fast ehrenvoll aufgebahrt schienen sie. Sie trugen Eheringe an den Fingern. Es gab also vermutlich auch Männer in ihrem Leben, schlussfolgerte Monarutta. Die Ärmsten. Wahrscheinlich hatten sie auch Kinder. Oh je.

Die Damen aus dem benannten Etablissement hatten natürlich nichts gesehen, sie wären beschäftigt, hatten keine Zeit aus dem Fenster zu schauen. Ihre Arbeit wäre zu konzentriert. Die Herren aus dem Fitnesscenter dürfe man nicht enttäuschen. Monarutta versprach wieder zu kommen. Sie hatte eine Idee.

Moruzius leistete Schwerstarbeit. Er sichtete die Kundendateien, um wenigstens die Leute zu finden, die mit Erika und Renate am Abend zuvor trainierten. Er erinnerte sich gut, denn schließlich war ja er und die Monarutta auch dabei. Wie praktisch.
Er hätte die beiden Toten zu der Zeit am Liebsten auch mit seinen eigenen Händen die Luft weggewürgt - im Geiste natürlich nur. Auch die anderen hatten scheinbar solche Gedanken.
Und nun sind sie mausetot, diese Schwatzliesen. Er hatte nur ganz wenig Mitleid. Das ist hart, doch mit Mitleid wären sie auch tot.
Wegen Geplapper ermordet zu werden, ist der Hammer. Monarutta würde jetzt wieder sagen, die Leute werden aus noch nichtigeren Gründen gemeuchelt. Wegen Nichts halt.
Man bringt sie um, weil sie was wissen und man bringt sie um, weil sie nichts wissen. Manchmal will man sie gar nicht umbringen, nur erschrecken und dann sterben sie mir nichts dir nichts, weil sie ein schwaches Herz haben. Herzlose Leute erschrecken Menschen, deren Herz auch kaum noch was taugt. Meist sagen sie dann eilfertig mit Krokodilstränen im Auge, dass sie es nicht so gemeint haben und dass sie nur spielen wollten. Alle wollen nur spielen. Monarutta hasst manche Spiele.

„Da, ich hab einen“, ruft Moruzius aufgeregt und zeigt Monarutta den Mann mit dem finsteren Gesicht. Er heißt wie Erika und einen anderen Mann findet er gleich darauf, der wie Renate heißt. Das kann kein Zufall sein, sagt Monarutta.
„Hier, hier, das Mädchen mit dem Pferdeschwanz, es heißt auch wie Erika.“ Moruzius ist außer sich.

Monarutta wittert ein Familienkomplott. Sie würde alle vernehmen und beobachten, wenn sie den Ehemännern die Todesnachricht übermittelte.
Sorgen bereitete ihr auch die Todesart. Wie sie es wohl gemacht haben?

Da klingelt das Telefon. Die Pathologin Paula hat eine Neuigkeit, eine wichtige und entscheidende Entdeckung. Die Frauen hätten Cola „light“, vermutlich aus warmen Dosen, getrunken, die Lähmung der Zunge, sowie die beginnende Schwellung der Lippen ließen auf die Verwendung eines Botoxpräparates schließen.

Monarutta beschließt noch einmal in das Bordell zu gehen und nachzuforschen, ob man dort, die Männer von Renate und Erika schon als Gast begrüßt hätte. Über das Botoxpräparat musste die Kommissarin noch ein wenig grübeln. Sie wollte deswegen auch unbedingt im Puff die Augen offen halten.

Dort war um die Zeit noch nicht viel los. Marianne Schmonzetta hatte Zeit und gab bereitwillig Auskunft. Sie kannte alle, auch die toten Frauen und deren Männer sowieso.
„Die einen verdienen, die anderen geben aus“, sagte sie und schob die herausgerutschte Brust wieder in den Bademantel. Man muss den Kunden entgegenkommen.

„Die Frauen haben h i e r gearbeitet?“ Monarutta musste noch einmal nachhaken.
„Ja, sie haben das Bedürfnis vieler, besonders ehrenhafter und bodenständiger Männer nach Bemutterung befriedigen können. Es war auch ihr Zuverdienst zur Rente. Sie verwirklichen, was sie können und sorgen privat vor. Erika und Renate haben ihnen Plätzchen gebacken und ihnen vom Klempner, vom Hausmeister und vom Hund erzählt, was halt so los ist am Herd in heimischen Gefilden. Wollen sie mehr wissen?“
Monarutta wollte und so erfuhr sie, dass es sich hier um eine seriöse, junge Firma handle, die ihren Mitarbeitern sogar einen Freizeitraum und einen Vorbereitungsraum böte und auch den Hausfrauen einen Job gebe, ganz ohne Quote.

„Die Räumlichkeiten möchte ich bitte einmal besichtigen.“
Marianne Schmonzetta, genannt Mary Schmonzi, stolzierte also mit Monarutta los.
„Heiß hier“, sagte Monarutta und riss sich die Mütze vom Kopf, ihr standen die Haare zu Berge. In der Ecke standen ein paar Kästen Cola light. Sie nahm eine Büchse in die Hand. Sie fühlte sich ziemlich warm an. Schrecklich.

„Hier is noch keine Klimaanlage und der verkackte Kühlschrank is auch kaputt. Tschuldigung! Wir müssen noch viel und hart arbeiten, bis wir alles bekommen. Dafür bieten wir unseren Mitarbeiterinnen ein ganz besonderes Schmankerl. Den Vorbereitungsraum! Kommen sie.
Die Nutzung ist im Preis inbegriffen. Die Damen mieten die Räume, sie sind freiberuflich, wenn man so will. Die Produkte sind zum sensationellen Schnäppchenpreis zu haben. Mit Botoxpräparaten der Firma Pharmakot können sie sich sofort aufbrezeln oder auch lähmen. Wenn man richtig dosiert, ist alles möglich und wir beobachten unsere Mitarbeiterinnen nicht über Kameras,“ bemerkte sie stolz.

Sie war ins Schwärmen gekommen. Monarutta steckte sich ein paar Röhrchen ein.
„Es ist alles legal und hier die Unterschriften auf der Anwendungs-
vorschrift.“
Sie überreichte ein paar Zettel. Unten stand in kleiner Schrift, dass die Anwendung nur auf eigenes Risiko empfohlen würde.
Monarutta wusste genug.
„Nur soviel noch, waren die beiden toten Frauen am Tag ihres Todes in ihrem Hause anwesend, wenn ja wie lange und waren ihre Männer auch hier?“
Marianne Schmonzetta war erstaunt.
„Aber natürlich, nach dem Training kommen alle doch immer her. Die einen verdienen, die anderen geben aus.“ Sie überlegte kurz. „Die Männer waren bei mir, alle beide. Die waren es nicht.“

Die Frauen müssen also zeitmäßig im Puff umgekommen sein, schlussfolgerte Monarutta in Gedanken. Ist es zeitgemäß, im sogenannten Freudenhaus umzukommen? Man kann überall umkommen, je nachdem wo man hinkommt. Die einen kommen vor einem Pissoir um, die anderen in einem Puff. Wo ist der Unterschied?
Die Frage ist die, hat jemand nachgeholfen? Alles Orte der Erleichterung. Monarutta erkennt deutliche Zusammenhänge, sieht aber andrerseits in der reinen Erleichterung kein Mordmotiv.

Sie setzte Marianne noch ein wenig zu, denn die wusste etwas. Das war deutlich zu erkennen. Ihr rutschte doch ständig etwas heraus. Monarutta wusste menschliche Verhalten zu deuten. Wenn einem die Brust raus rutscht, dann stimmt in der Regel etwas nicht. Zumindest hat diejenige nicht alles gesagt, was sie weiß, wenn sie auch alles zeigt, was sie hat. Sie schiebt das eine vor, um anderes zu verbergen.

Nun, so erfährt sie, dass die beiden verstorbenen Frauen sehr viel von der warmen Cola light tranken. Diesmal etwas mehr, denn sie waren empört. Man hätte sie bedroht, die eigene freche Tochter war es und der eigene Mann hätte sie zudem finster angestarrt. Eine Fremde wollte ihre Meinung nicht hören. In einer Demokratie muss jeder gehört werden.

„Dann sind sie in den Vorbereitungsraum gegangen, um sich hübsch zu machen. Dort hat Mäuschen sie gefunden. Tot.
Mäuschen ist unser Mädchen für alles außer Sex“, fügte Mary hinzu.

Monarutta wollte nun noch wissen, wie denn die Leichen auf den Parkplatz gekommen wären. Marianne meinte, das wisse sie nicht. Vermutlich würden es die Ehemänner so hergerichtet haben. Ihre Frauen sollten nicht im Bordell gefunden werden. Was würden die Nachbarn dazu sagen, wenn das in der Zeitung stünde.
„Die sind diskret und achten auf Wichtiges“, Schmonzi lächelte.

Monarutta setzte sich ihre Mütze auf und surrte mit ihrem Akku-
fahrrad aufs Revier. Moruzius hatte ihr am Telefon einen aufschluss-
reichen Laborbericht versprochen, er würde auf ihrem Schreibtisch liegen.

Und dort lag er auch.
Die Botoxpräparate der Firma Pharmakot würden in Verbindung mit warmer Cola light, Botulismus hervorrufen, denn in ihnen wurde Clostridium botulinum gefunden. Seine Sporen sind in der Umwelt weit verbreitet und äußerst widerstandsfähig gegen Hitze, Frost und Austrocknen. Sie setzen das Gift Botulinumtoxin frei.
Ja, die Frauen hatten sich quasi selbst gelähmt und so sind sie auch verstummt für immer, nicht schöner und nicht reicher. Sie fanden aber einen freien Parkplatz dank ihrer guten Männer. In Würde.

Die Firma Pharmakot hatte sich nichts vorzuwerfen, denn sie war abgesichert. Frauen und auch Männer handeln auf eigenes Risiko. Immer. Der Hinweis genügt. Die Firma, die Cola light herstellt, schreibt, dass dieses Getränk gekühlt getrunken werden sollte. Für Neben-
wirkungen kann keine Verantwortung übernommen werden.
Wer übernimmt schon für Nebenwirkungen Verantwortung? Die Frauen sind wegen der Nebenwirkungen verstummt. Immerhin. Keiner kümmert sich um Nebenwirkungen. Die Monarutta kann auch keine derselben verhaften, dafür wird gesorgt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.01.2013

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