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Monaruttas zweiter Fall



Geistestäter



Die Monarutta und ihr Assistent Moruzius müssen und wollen fit sein, denn der moderne Angestellte, der Kriminalfälle zu lösen hat, muss auch körperlich auf dem Laufenden sein, weil der Verbrecher, wie man so schön sagt, im Ernstfall Fersengeld gibt. Und überhaupt, heute wird gerannt. Die meisten rennen schon, bevor es brennt und vergessen dabei zu denken. Betriebsamkeit kommt gut. Die Monarutta ist dennoch nicht so groß im Aktionismus und sie hat dafür gute Gründe.

Zu Beginn des vorliegenden Falles waren also die beiden genau deswegen auf dem Laufband im Fitnesscenter. Moruzius war dabei der Eifrigere, schließlich müsste er ja auch rennen falls es einmal die Umstände erforderten.

Monarutta trampelte ein wenig auf dem Crosstrainer herum, um nicht unangenehm aufzufallen im allgemeinen Wahn, trug dabei aber einen ständigen inneren Kampf mit ihrem Schweinehund aus. Man kennt das und weiß, was hier zu tun ist. Jedenfalls die Monarutta wusste es: sie dachte nach. Besser, sie versuchte es.

Unmittelbar vor ihr, trampelten zwei beachtliche weibliche Hinterteile, die in enganliegende Sporthosen gezwängt waren. Die Schenkel versuchten wellenartig mitzuhalten, doch der Rhythmus der umfangreichen Gesäßbereiche überforderten sie offensichtlich. Es war ein schwerfälliger Jammer, ein Posaunen-Bratschenkonzert in Zwölftonart. Eine Folter der besonderen Qualität.

Monarutta wollte sich eigentlich auf einen verzwickten Fall konzentrieren, doch sie war ständig abgelenkt, wenn auch nicht durchgängig durch die Verzweiflung bewegten Frauenfleisches, eher durch die nicht enden wollenden laut geführten Gespräche der Damen.

Monarutta schaute sich um und bemerkte neben sich einen Mann, der mit finsterster Miene auf die zwei Frauen starrte. Seine Hände umschlossen die Griffe seines Trainingsgerätes wie einen Baseball-
schläger, der kurz vor seinem todbringenden Einsatz stand.

„Warum die hier alle so verbissen sind“, sagte gerade die eine.
„Ja, es könnte viel gemütlicher sein, wenn die sich auch ein bisschen unterhalten würden beim Trainieren“, meinte die andere.
„Die Leute sind heutzutage so verbissen.“ „Und verbiestert!“ „Kein Wunder, dass sie Stress kriegen.“ „Man müsste ihnen das mal vor Augen halten.“ „Keiner nimmt mehr Rücksicht.“ „Jeder weiß es besser.“ „Bloß gut, dass wir nicht so sind.“ „Die meisten Menschen sind blöd.“ „Auch Männer.“ „Die ganz besonders.“ „ Man kriegt hier auch kaum einen Parkplatz.“ „Ja, die Männer stellen sich immer auf die Frauenparkplätze. „ Man müsste das einmal melden.“ „Sie stellen sich auf unsere Parkplätze und furzen auf die Markierungen.“ „Sie furzen auf unsere Würde, auf u n s e r e Errungenschaften.“

Dem Mann neben Monarutta entgleisten fast alle Gesichtszüge, er trampelte nun noch schneller. Monarutta glaubte seine Gedanken lesen zu können, seine mörderische Wut zu spüren, die sich in seinem Geiste aufstaute. Die Frauen, die ungerührt weiter plapperten und dabei ihre Lautstärke erhöhten, schienen nur sich zu bemerken. Manchmal japsten sie ein wenig nach neuer Luft aber sie hatten eine bewundernswürdige Energie. Sie schien nicht versiegen zu wollen. Der Mann neben Monarutta knurrte drohend. Moruzius, der weiter vorne trainierte, drehte sich um und auch sein Gesicht wirkte überhaupt nicht freundlich.

Im Raum befanden sich weitere Menschen, die offensichtlich ganz in Ruhe ihre Trainingseinheiten absolvieren wollten, doch ihre Gesichter waren böse versteinert, quasi zur Faust geballt.

Einige hatten Kopfhörer dabei, sie lebten in einer anderen Welt, die allerdings nicht besser zu sein schien, denn diese Trainierenden hatten den gleichen besorgniserregend bösen Gesichtsausdruck. Manche tippten wild auf ihren Handys herum, während die Beine liefen. Sie lebten ein gelenktes Eigenleben. Das Trainingsgerät gab die Geschwindigkeit vor, ohne eine Richtung aufzuzeigen. Richtungen spielten keine Rolle. Normalerweise sind Beine Kopf gesteuert. An diesem Ort ist das nicht erforderlich. Der Geist kann sich von seinen Extremitäten lösen und eigene Wege gehen, wenn er den willig ist und fähig. Es ist auch eine gefährliche Gelegenheit zum Geistestäter zu werden und dennoch beweglich, laufend, kaum oder eher gar nicht vom Fleck zu kommen.

Die unsäglichen Frauen, deren Hinterteile in vielfacher Hinsicht assoziieren lassen, Monarutta wagte nicht daran zu denken, wie es um die Vorderfront der Damen gerade bestellt war, entfachten die Fantasie diverser Geistestäter, wie es aussah. Moruzius hatte auch so einen mordenden Blick und der war normalerweise einer der Harmlosesten.

Der Mann neben Monarutta stieg von seinem Gerät und blieb bei den dicken Frauen stehen. Monarutta vermeinte tötende Blicke zu entdecken, doch die Damen fielen weder tot vom Crosstrainer, noch unterbrachen sie ihr Gespräch. Sie bemerkten scheinbar den Mann gar nicht. Dieser machte noch eine grimmigere Miene und stampfte wieder zurück zu seinem Trainingsgerät.

„Er hätte doch sagen können, was ihm nicht passt“, dachte Monarutta. „Aber vielleicht ist es ein stummer Sportler. Stumme Sportler gibt es“, sinniert Monarutta. Die statistische Leidensfähigkeit stummer Sportler war ihr allerdings unbekannt. Manchmal verstand sich Monarutta allerdings selber als ein ziemlich leidensfähiger stummer „Sportler“, der dem einen oder anderen im Lande gerne den Hals umgedreht hätte, es aber niemals tun würde. Nur so im Geiste halt.

„Der hat vielleicht Nerven“, hörte man nun eine der Frauen gerade sagen. Sie schnaufte. „Zumindest kann er wohl nicht sagen, was er will“, meinte die andere und schnaufte auch. „Ich sach ja, alle Leute sind verbiestert.“

Eine andere Frau, die ebenfalls leise neben den schwatzenden Damen trampelte, stieg nun vom Gerät und ging energisch vor.
„Können sie sich bitte leiser unterhalten, keiner möchte hier ihre Meinung hören.“

Der finstere Mann neben Monarutta lächelte in sich hinein. Ein anderer nickte mit dem Kopf, er hatte sich bisher nichts anmerken lassen, schien aber dankbar, dass jemand etwas sagte.

Die Frauen wirkten verdutzt und schwiegen einen Moment. Das Problem schien gelöst, doch es dauerte nicht lange, dann ging es wieder los. Unvermindert.
„Heutzutage gibt es Menschen, da kann man sich nur wundern. „Die wollen einem den Mund verbieten.“ „Die haben gar keine Kultur.“ „Und sie wissen nicht, was sich gehört.“ „Man glaubt gar nicht wie rücksichtslos, Menschen sein können.“ „Man müsste ihnen d a s um die Ohren hauen.“ „Wir sollten es auch dem Trainer melden.“ „Ja, der soll wissen, welches Gesockse hier am Hampeln ist.“

Die Frau hinter den Damen hatte ein furchtbar böses Gesicht und Monarutta konnte ihre Gedanken lesen. Ein Mädchen, welches vor den beiden dicken Frauen auf dem Laufband lief, ihr Pferdeschwanz wippte hoch und runter, blickte sich kurz um und rief „Schnauze jetzt endlich, sonst knallt's!“

Die beiden Dicken japsten nach Luft. „ Man kann hier wirklich nicht in Ruhe was für die Gesundheit tun.“ „Die sind hier doch alle geschädigt.“ „Lass uns für heute aufhören Erika. „ Ja, morgen ist auch noch ein Tag.“

Es war spät geworden. Noch ein wenig Strampeln, dann war für diesen Tag die Fitnessarie gesungen. Monarutta fühlte sich gut, ihr Gewissen war befriedigt. Sie hatte etwas für die Gesundheit getan. Der Schweinehund war der Verlierer.

Am nächsten Morgen, im Morgengrauen läutete das Telefon. Leichenfund zwischen Puff und Fitnesscenter!
Monarutta sprang in ihre Jogginghose, Windjacke an, stülpte sich die Mütze über und schwang sich auf ihr Akkufahrrad. So war sie wie der Wind am bezeichneten Ort.
Zwischen dem Fitnesscenter und dem Bordell befand sich ein Parkplatz, welchen außer einigen wenigen Fahrzeugen nun auch zwei dralle Frauenleichen belegten. Blut war nicht zu sehen.

Fortsetzung folgt, Monaruttas zweiter Fall ...

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Tag der Veröffentlichung: 23.01.2013

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