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Monaruttas erster Fall

Teil 2

Moruzius wurde beauftragt, das Bahnwärterhäuschen zu inspizieren, während die Monarutta zunächst einmal wissen wollte, was es mit dem vielen Blut am Tatort auf sich hatte. War es Menschenblut oder doch nur das Blut eines armen Schweines? Auch war nicht eindeutig erwiesen, woran der Mann verstarb. War es ein stumpfer Gegenstand, der ihm auf den Hinterkopf, hinterrücks natürlich, geschlagen wurde, obwohl ... eine passende Tatwaffe wurde nicht gefunden? Und die große Frage nach dem Tatmotiv war auch unklar. Monarutta dachte über die geöffnete Hose nach. Der Mann war gestört worden, wobei war klar. Wer hatte ihn also gestört bei menschlicher Verrichtung? Oder ging er etwa immer mit offenen Hosen durchs Leben? Auch das soll es schon gegeben haben. Luft ans Gemächt, ein Gefühl der Freiheit!

Inzwischen war Moruzius am Bahnwärterhäuschen angelangt. Es war nicht weit vom Fundort der Leiche entfernt. Der Mann lebte offensichtlich allein. Joachim Püddelkow war Witwer, Kinder gab es nicht.
Er hatte keine großen Aufgaben zu erfüllen, nur furchtbar wichtige. Er musste die Schranken überwachen und eine wurde sogar noch mit uralter Mechanik hoch und runter gekurbelt. Noch nie hatte er sich diesbezüglich etwas zu Schulden kommen lassen aber die Leute lohnten es ihm nicht, sie schienen ihn zu hassen. Oder neideten sie ihm die feste und unkündbare Stellung? Man weiß es nicht.
Jedenfalls soll es auch noch aus finsterster Vorzeit ein grausiges Geheimnis in Verbindung mit der Familie, den Vorfahren also, des toten Bahnwärters geben. Monarutta würde sich später damit noch befassen, sagte sie jedenfalls.

Moruzius betrat das Häuschen, in dem es merkwürdig roch, andere Auffälligkeiten bemerkte er zunächst nicht. Es war sauber und aufgeräumt aber der Geruch war wirklich ein bisschen eklig. Moruzius fand ziemlich schnell die Ursache, die Toilette war verstopft. Keine schöne Sache. Vermutlich passierte das öfter. Das Haus hatte noch eine Klärgrube und die war auch voll. In den Keller wollte Moruzius nicht gehen. Er würde lieber die Monarutta da runter schicken. Er fand das Haus des Toten nicht gemütlich und es stank.

Monarutta hatte währenddessen in Erfahrung gebracht, dass es sich bei dem vielen Blut hauptsächlich um genau das Schweine-
blut handelte, welches aus der frisch geschlachteten Sau geflossen war. Normalerweise stellt man daraus Grütz- und Blutwurst her. Wie es auf den Bahnwärter gekommen ist, würde die Videoaufzeichnung gewiss klären, dachte Monarutta und legte das Videoband ein, doch sie sah nichts.
Die Überwachungskamera war eine Attrappe und zur Aufzeichnung keinesfalls fähig. Das würde extra zu klären sein, dachte Monarutta grimmig. Sie würde also doch wieder ihre Spürnase einsetzen müssen.

Das Telefon klingelte, die Pathologin hatte Wichtiges, auch Entscheidendes zu berichten.
Her Püddelkow wäre nicht an der Kopfwunde gestorben, sondern quasi weil er sich tödlich erschrocken haben muss. Sein Herz hatte ausgesetzt, dadurch viel er tot um und zog sich dabei die Kopfwunde zu. Es kann aber auch sein, dass er auf dem Schweineblut ausgeglitten ist und deshalb umfiel aber eben auch tot. Ein totes Herz haut den stärksten Bahnwärter um. Er hatte vermutlich keine Zeit mehr, die Hose zu schließen. Ob ihm noch vergönnt war, das Urinieren zu beginnen und wohin, da ja das Pissoir nicht geöffnet war, wäre nicht ihre Aufgabe herauszufinden. Etwas war verständlicher Weise aber in die Hosen gegangen, wegen des Schrecks eben. Ein Restbestand verblieb in der toten Blase.

Monarutta nickte, es war also kein Mord, sondern eher ein Mordsschreck, den der arme Mann erlitt. Aber wer hatte dafür gesorgt und warum?

Moruzius, der zur Berichterstattung im Revier erschien, legte seine Eindrücke aus dem Bahnwärterhäuschen dar, somit war wenigstens klar, warum der Mann das Pissoir aufsuchte.
Warum wollte aber keiner etwas mit ihm zu tun haben, warum schockierte man den Ärmsten mit Schweineblut? Und wer hat es getan? Das waren doch die brennenden Fragen.

„Die Eigentümer des toten Schweines werden wir uns noch einmal vornehmen“, sagte Monarutta und schwang sich auf ihr Fahrrad. Um Familie Punschendörp zog sich die Schlinge zu.
Frau Paula Punschendörp geb. Schultzen war glücklicherweise zuhause, Monarutta musste ihr die Würmer aus der Nase ziehen. Das mit dem Schweineblut konnte nicht geleugnet werden.
„Wir werden von ihrer gesamten Familie die Fingerabdrücke nehmen“, sagte Monarutta gerade als sie ein heiseres Schreien vernahm.
„Was ist das?“
„Das ...das ...das ist unsere Tochter, die spielt Computerspiele unter dem Dach. Dort hat sie ihr Zimmer und sie hat auch einen kleinen Dachschaden aber wir lieben sie trotzdem.“

„Kommen sie bitte alle morgen früh aufs Revier, wegen der Fingerabdrücke und bringen sie auch ihre Tochter mit“ , ordnete die Kommissarin streng an. Sie hatte genug. Man würde die Leute im Vernehmungsraum befragen, unter anderem was sie gegen den Bahnwärter hätten.

Am Abend blieb Monarutta noch am Arbeitsplatz, um sich wieder mit historischen Dingen der Stadt zu befassen und sie stieß dabei auf einige interessante und zugleich merkwürdige Namensübereinstimmungen. Das Bahnwärterhäuschen stand an einem Platz, an dem früher in unmittelbarer Umgebung ein Turm stand, der Hexenturm. Hier brachte man die vermeintlichen Hexen zum Geständnis. Das ging in der Regel unter Folter sehr schnell und wenn sie gestanden haben, dann übergoss man sie mit Bocksblut, welches sich mit dem Blut der armen Frauen und Männer rasch vermischte. Im Amt wurde darüber Buch geführt. Hätte man eine Kamera würden sicher Aufzeichnungen vorliegen, dachte Moanrutta und ärgerte sich immer noch wegen der Attrappe am Pissoir.

Der letzte Henkersknecht trug den Namen Püddelkow. Der Monarutta ging allmählich ein Seifensieder auf, daher kam also das finstere Geheimnis um den armen Bahnwärter, von dem man immer munkelte.
Diese Menschen sind nachtragend, sie vergessen über Jahrhunderte nichts. Ein kollektives Gedächtnis, was sich gewaschen hat.
Doch wie war die Verbindung zu den Punschendörps und ihrer depperten Tochter?

Am nächsten Tag erschien die Familie wie angeordnet. Die Fingerabdrücke wurden genommen und alle Personalien erfasst. Frau Punschendörp war eine geborene Schultzen. Monarutta erinnert sich an das Gelesene:
Aus den Akten des Hexenprozesses (um 1700) gegen die Penzliner Bürgerin Benigna Schultzen hervor:
...daß man mir die Daumenschrauben angeleget, sind selbige weiter angeschroben worden, ist die Beinschraube am rechten Fuß geleget und zugeschroben worden, ist die andere Beinschraube am linken Fuß angeleget und gleichfalls zugeschroben worden ... so daß dieser actus torturae fast eine Stunde gewähret ... weilen man die Intention gehabt, mich mit aller Gewalt zur Hexe zu machen, und so lange zu peinigen, bis ich Hexerei bekannt hätte …


Jetzt war alles klar. Da lebte noch jemand im Mittelalter.
„Was spielt ihre Tochter denn gerade auf dem Computer?“ fragte Monarutta Mutter Punschendörp.
„Sie beschäftigt sich mit der Geschichte unserer Stadt.“
„Und inwiefern hat sie einen Dachschaden?“
„Ja, also sie sagt, dass sie keine Hexe wäre. Man weiß doch, dass es keine gibt, oder?“ Frau Punschendörp scheint nun völlig verunsichert.
„Nein, nein, es gibt keine, nur Dummheit und Aberglauben, davon ist mehr als genug vorhanden,“ seufzt Monarutta. Der Fall aber war geklärt, auch wenn einige Menschen nicht sehr aufgeklärt schienen.






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Tag der Veröffentlichung: 21.01.2013

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