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Die Dimension der Dimensionen



Moni hat eine anstrengende Woche hinter sich. Jeden Tag waren Anschauungen über den Tod zu konsumieren. Sie fragte sich nun, ob die Welt nun allmählich wieder in die freudige Vorfreude der großen Erwartungen hinüber gleiten könne oder doch länger beim Sterben verweilen würde, kam aber zu der Erkenntnis, dass der Advent siegen würde, denn sie las, dass die Christen doch lieber im Licht wandelten, halt ihrer Lichtgestalt entgegen.

So wird in unserem Land der Monat der Märkte eingeläutet, voller Lichter und Kerzen. Tag und Nacht strahlen die Lichter, egal, was es koste, egal, was die Umwelt dazu sagt. Sie wird einfach von der gnadenbringenden Zeit ausgeschlossen.
Man denkt nicht an die Seelen, die irgendwo wandern, Christen wandern im Licht, hoffend auf eine endlos Befreiung von jeglicher Dunkelheit. Was dann mit ihnen passiert in dem ganzen Licht, wollte sie sich nicht vorstellen.
Sie verspürte ein wenig Grauen vor der Lichtfolter, denn wer kann schon Tag und Nacht Licht ertragen.

Apropos wandernde Seelen, deren Todlosigkeit angepriesen wird, sie sind ja schließlich auch noch da. Das Problem, wo sie eventuell in Ruhe wandern können, wird einfach gelöst, indem man die Seelenwandlung einführte und sie schlicht einer Wiedergeburt zuführt. Man fragt sich dann nicht mehr, wie es zur Überbevölkerung kommen konnte. Es ist die reine gelebte Todlosigkeit.

Das ewige Leben wird allerdings zuweilen auch als Verdammnis verstanden. Was soll man dazu noch sagen, die einen so, die anderen so? Der Auferstehungsglaube sieht ewiges Leben als Erlösung und Freiheit, andere Glaubensrichtungen zieht es in die angebliche Dunkelheit und siehe da, hier finden sie, was sie suchen nach langer Wanderung, nämlich die Wiedergeburt, die Reinkar-
nation.

Moni fragt sich nach all den erstaunlichen Erkenntnissen von Licht und Dunkelheit, wo sie nun als arme Atheistin hin soll, wenn alles Irdische von ihr abgefallen ist. Keiner wird sie wollen und ihr einen Platz einräumen im hochdurchgeisteten Raum.

Sie weiß, dass sie nicht die Einzige auf dieser Welt ist, die sich entschlossen hat, an nichts zu glauben als an den Energie-
erhaltungssatz vielleicht. Somit hängen Millionen in der Luft, ihr Geist, ihre Seelen verpuffen und nichts bleibt übrig.
Das wäre ihre verdiente Strafe, rufen vermutlich viele. Sollen sie doch verpuffen, was geht's uns an, werden sie noch denken und sich dann um ihr Seelenheil bemühen, denn sie wollen ja nicht ewig in der Hölle schmoren oder gar als Kaulquappe wieder geboren werden.

Somit hat Moni beschlossen, quasi einen Atheistenhimmel zu erdenken. Das Recht steht ihr zu und einer muss es tun, denn so kann es nicht weiter gehen. Die Energie wird sich und muss sich doch irgendwo aufhalten können. Sie ist davon überzeugt, dass der Atheistengeist nebst Restenergie auch irgendwo sein darf und sein muss. Auch er will diese Unendlichkeit für sich nach langer Ratlosigkeit für sich beanspruchen, es muss ja nicht ewig Licht sein oder ewig Dunkel, ein natürlicher Wechsel würde ihr ohnehin besser gefallen. So wie es auch im Leben geschieht, zudem auch von allen schon immer für gut befunden wird.

Es gibt also eine Dimension, so denkt sie, die den bescheidenen Atheistengeist bzw. den schäbigen Rest seiner Energie aufzunehmen bereit ist und zwar ohne vorherige Prüfung, ob wir gute oder schlechte Menschen waren. Diese Dimension ist ein für uns unfassbarer, unverständlicher Raum, aber er ist vorhanden, solange die Welt nicht zerfallen ist als Planet. Was nun dieser Resteraum (ein Schelm, der nun gewisse Assoziationen nicht unterdrücken kann) mit all seinen komprimierten Energien anstellt, wagt sie nicht zu denken.

Vielleicht wird daraus aber ein Grundstock gebildet, eine Keimzelle, die später, wenn alles vorbei sein wird, sich aus seiner Verdichtung löst und in einer Art Urknall eine neue Welt entstehen lässt.
Und damit nicht einer denkt, neue Welten seien aus den Resten der Atheisten entstanden, in der Dimension der Dimensionen sind alle willkommen. Moni ist nämlich ziemlich freundlich in ihren gedank-
lichen Spielen.

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Tag der Veröffentlichung: 26.11.2012

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