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Gedanken über Güte und Strenge



Moni macht sich Gedanken über sich selbst, über die Menschen um sie herum und über alle. Das klingt ein wenig vermessen. Man kann über sich selbst nachdenken, vielleicht auch über die paar Hanseln, die man kennt aber über alle? Das geht nicht, rufen sicher sofort einige Leser. Doch sie werden erstaunt sein, es geht, denn Moni nimmt sich das einfach frech heraus.

Weil man immer bei sich selbst beginnen sollte, nimmt auch Moni zunächst sich selber vor. Streng will sie sein, zumindest mit sich selbst. Kann man das überhaupt? Ist man nicht immer mit sich nachsichtiger als mit den anderen? Das wird wohl so sein, denn man vermeint sich am Besten zu kennen. Schließlich weiß man, was man denkt, warum man so oder so agiert und wie man immer alles gemeint hat, nämlich nur gut.
Somit ist man nicht damit einverstanden, dass es andere Leute anders sehen. Sie sehen das Ergebnis und erkennen nicht, wie Moni zum Beispiel gedacht hat.
Wie können sie auch, wenn Moni nicht die richtigen Worte gefunden hat, um das zu verdeutlichen, was sie eigentlich meinte.
Moni schlussfolgert messerscharf: sie ist selber schuld. Ihre Güte wurde als solche nicht erkannt und zudem als Strenge empfunden. Das ist bitter. Nachsicht mit sich selber möchte Moni jetzt deshalb noch nicht zulassen.

Die Frage, ob sie nun zu sich zu streng ist, zu nachsichtig mit den anderen, die rein gar nichts verstehen wollen, scheint noch nicht beantwortet, obwohl: wer für andere Nachsicht zeigt, ist ganz sicher schon ein bisschen gütig, oder?

Moni möchte ehrlich sein, sie will sagen, was sie denkt, was sie ablehnt oder was sie gut findet, aber sie möchte mit ihrer Haltung niemandem schaden. Doch ihre Ehrlichkeit wird nicht als ein Gütigsein empfunden, ganz im Gegenteil. Menschen fühlen sich angegriffen, sie fühlen sich unwohl, wenn ihnen jemand eine Wahrheit offeriert, auch wenn es nur Monis Wahrheit ist, nicht unbedingt die Wahrheit überhaupt. Ob es diese gibt, ist sowieso zu bezweifeln.

Muss man sich aber nun die Wahrheiten anderer Menschen anhören?
Man sollte, wenn man nicht dumm sterben will, auch wenn sie mit der eigenen nicht konform ist, gerade dann sollte man es tun. Das denkt Moni.
Merkwürdigerweise können die Menschen die Wahrheiten anderer Menschen nicht besonders gut ertragen. Warum nicht? Die Antwort scheint einfach: diese Wahrheiten, wenn sie denn von der eigenen abweichen, werden als Strenge gestempelt und in eine Ecke gestellt, die ganz weit weg von jeglicher Güte ist.

Menschen wollen aber gütig behandelt werden. Sie beanspruchen Nachsichten für ihr Unvermögen, denn dieses hat ja schließlich Ursachen und Gründe, die ein jeder zu berücksichtigen hat, wenn er denn nur den Mund aufmacht. Sie können doch nicht dafür. Die anderen sind in Schuld.
Moni bemerkt erschrocken, dass sie schon wieder verallgemeinert. Sie schreibt “die Menschen“. Jetzt ist sie also bei allen Menschen angekommen. Man wird ihr das ankreiden. So sei gesagt, sie denkt halt nur, dass es irgendwie so sein könnte.
Jetzt fragt sich die gute Moni vorsichtshalber einmal selber ganz streng, ob sie denn auch immer mit ausreichend Güte bedacht sein möchte? Die Sache wird brenzlig, wenn man mit Güte, Strenge, Ehrlichkeit nicht wirklich umzugehen vermag. Es wird also höchste Zeit einmal zu schauen, was man offiziell darunter versteht.

Albert Schweitzer


Albert Schweitzer führt in seiner Lehre der Ehrfurcht vor dem Leben aus, dass in der Gütigkeit vorankommt, wer den Mut hat, sich selber zu beurteilen und zu richten, darum zu ringen, wahrhaft friedfertig werden zu wollen: „Rechtes Denken lässt das Herz mitreden. Stetige Gütigkeit vermag viel. Wie die Sonne das Eis zum Schmelzen bringt, bringt sie Missverständnisse, Misstrauen und Feindseligkeit zum Schwinden. Was ein Mensch an Gütigkeit in die Welt hinausgibt, arbeitet an den Herzen und an dem Denken der Menschen.“ (Albert Schweitzer: Die Lehre der Ehrfurcht vor dem Leben, S. 49.)



Arthur Schopenhauer


Arthur Schopenhauer führt die Herzensgüte auf das Überwiegen der Erkenntnis über den Willen zurück: „Denn jene entsteht ja zuletzt dadurch, dass das bloß erkannte Leiden anderer unser Tun mehr bestimmt als der eigene Wille und sein unmittelbares Genügen. ... Die Großmut, die Clementia, das Vergeben, das Erwidern des Bösen mit Gutem zwingt uns deshalb so ungemessenes Lob und Bewunderung ab, weil der es übt, sein eignes Wesen wiedererkennt auch in dem, welcher in ihm das seinige verkannte: und zugleich ihn von seinem Irrtum zurückbringt auf dem Wege, welcher der sanfteste und zugleich der allein sichere ist: denn dieser ist genötigt zu sich (im innersten Gefühl) zu sagen: ‚Das Wesen, das ich verletzte, war ich selbst, denn es behandelt mich wie sich selbst.‘ - Wie wenig vermag dagegen der unsichere Weg der Vorwürfe.“(Arthur Schopenhauer, Der Handschriftliche Nachlass in fünf Bänden. Vollständige Ausgabe in sechs Teilbänden. Hrsg. von Arthur Hübscher, Bd. 4: Über Güte und Großmut, Aus: Nachlass, S. I, 1, zitiert nach Ulrich Wickert, Das Buch der Tugenden, S. 449.)

Friedrich Schiller


Güte bzw. Herzensgüte ist damit von den Komplexen Geist und Verstand abzugrenzen, wobei auf ein Zitat Friedrich Schillers hinzuweisen ist, wonach der Kopf das Herz bilden muss (Friedrich Schiller, Philosophische Briefe).



Als Gegensatz zur Güte bzw. Herzensgüte sind Strenge oder Unnachgiebigkeit anzusehen.
Güte ist nach der Bibel eine Frucht des Geistes. Sie wird somit durch den heiligen Geist in einem Menschen bewirkt und ist nicht auf ein bestimmtes Maß beschränkt, sondern kann zunehmen und wachsen, heißt es. Woher die Güte nun kommt, was sie hervorruft, darüber mag man unterschiedlicher Meinung sein. Wichtig ist eigentlich nur, dass man sie hat und umsetzt.

Dennoch, es dauert nicht lange und man kommt bei den Religionen an, denn in ihnen wird besonders viel von Güte gesprochen. Man beruft sich dabei auf seinen Gott. Er vereint alles in sich, er ist gütig und streng, wenn es sein muss. Ja, Donnerwetter, denkt Moni. das gibt es also doch, die Güte und Strenge in Personalunion. Nur es bleibt das Problem, wie sag ich's meinem Kinde? Und warum bekämpfen sich die Menschen unterschiedlicher Religionen anhängig? Sie sind nicht gütig zu einander, sondern in der Regel immer streng. Sie führen Kriege und bringen sich im Namen ihres Herrn um und das seit Menschengedenken. „Die Menschen“ sind nicht gütig, nur, wenn man Glück hat, „der Mensch“. Die Menschen können streng sein aber scheinbar nicht gerecht und auch nicht gütig, was sie unter Strenge verstehen, ist auch ein weites Feld.

Moni hängt keiner Religion an. Sie ist so dreist und zimmert sich etwas Eigenes zurecht. Natürlich bedarf das einer ständigen Hinterfragung, es ist keinesfalls leicht, denn nichts ist vorgeschrieben, sie hat keine Bibel, die sagt, was sein soll oder was ist. Moni versucht sich einfach allein durch zu wurschteln. Mit Strenge, mit Güte, mit Ehrlichkeit, durch Nachdenken, mittels Zuhören. Sie versucht alles zu verbinden, den Verhältnissen entsprechend in Angemessenheit. Also sie versucht es zumindest, diesen hohen Anspruch an sich zu genügen. Sie möchte nicht über die Strenge schlage aber auch nicht in Güte zerfließen. Es sollte doch auch etwas dazwischen geben. Ob sie es je hinbekommt, das müssen andere entscheiden. Mit Güte aber auch mit Strenge. Ja, so wünscht sich das die Moni.


Nachträge:




Aussprüche für jeden




"Alles, was ich weiß, ist, dass man das Leben nicht verstehen kann ohne viel Güte, dass man es nicht leben kann ohne viel Güte." - Oscar Wilde, Ein idealer Gatte, 2. Akt / Lord Goring

"Der Mensch ist ein geldgieriges Tier, und diese Eigenschaft kommt allzu oft seiner Güte in die Quere." - Herman Melville, Moby Dick

"Der Mensch soll der Güte und Liebe willen dem Tode keine Herrschaft einräumen über seine Gedanken." - Thomas Mann, Der Zauberberg, Kapitel Schnee

"Die Furcht, nicht Güte bändigt einen Bösen." - Publilius Syrus, Sentenzen M49

"Die höchste Güte ist nicht, gut zu den Anderen zu sein, sondern vorauszusetzen, dass die Anderen es gut mit mir meinen." - Maurice Blondel, Tagebuch vor Gott

"Die letzten Stichworte in einem richtig geführten menschlichen Leben müssen Friede und Güte heißen." - Carl Hilty, Für schlaflose Nächte

"Die Menschen sind grausam, aber der Mensch ist gütig." - Rabindranath Tagore, Verirrte Vögel

"Ein bisschen Güte von Mensch zu Mensch ist besser als alle Liebe zur Menschheit." - Richard Dehmel, Die Menschenfreunde. 3. Akt / Christian

"Ein Gran Gewalt in der Güte ist die Voraussetzung, dass sie nicht nur blasser Gedanke bleibt." - Emil Gött, Im Selbstgespräch

"Güte beim Denken erzeugt Tiefe, Güte beim Verschenken erzeugt Liebe, Güte in den Worten erzeugt Wahrheit." - Laotse, Dao-de-dsching, Kapitel 8

"Güte ist das Feingefühl roher Seelen." - Fernando Pessoa, Deklaration der Differenz

"Güte und Humor kommen, glaube ich, niemals getrennt auf die Welt." - Oswald Bumke, Brief an den Sohn an der Front, Weihnachten 1943

"Ich wünsche zu Grabe getragen zu werden wie ein Hund, ohne eine einzige von euren Zeremonien, die ich nicht anerkenne. Ich rechne auf eure Güte zuversichtlich, über meinen letzten irdischen Wunsch zu wachen. Ich zähle auf eure Freundschaft, dass es so geschehe. Ich bin ein Jünger Christi wie im ersten Jahrhundert, und sonst nichts." - Henri Dunant, Brief an seinen Freund Wilhelm Sonderegger, Herbst 1890. Zitiert in: Hans Amann: Henry Dunant: Das Appenzellerland als seine zweite Heimat. Herisau: Appenzeller Verlag, 2008. S. 22

"Ist Dein auch alle Erdenpracht // Und alle Weisheitsblüte // Das, was Dich erst zum Menschen macht, // Ist doch allein die Güte." - Karl Emil Franzos, Grabinschrift von Franzos, von ihm selbst verfasst

"Kraft besteht nicht ohne Güte." - Honoré de Balzac, Histoire des treize / II. La duchesse de Langeais (1834)

"Naturnotwendig will der Mensch das Gute." - Thomas von Aquin, Über die Wahrheit

"Und eine einzige Tugend fordert mein Gemüte // Von jeglichem Geschöpf, die leichteste: die Güte." - Carl Spitteler, Olympischer Frühling, V, Dritter Gesang: Die Menschen. Zürich: Artemis Verlag, 1945. gutenberg.de

"Vertraulichkeit gefällt auch ohne Güte und bezaubert mit Güte." - Joseph Joubert, Gedanken, Versuche und Maximen

"Was die heutige Welt trotz allen äußeren Glanzes, ihrer Erfindungen und Wirtschaftswunder fehlt, ist jenes Mindestmaß an Güte, Mütterlichkeit, Erbarmen, Takt und Zartgefühl, welches der Welt des Mannes durch die Frau zugeordnet ist." - Gertrud von Le Fort, Die Frau in der Zeit

"Was ist Gott anderes denn Leben und Lieblichkeit, leuchtendes Licht, unvergängliche Güte, richtende Gerechtigkeit und heilendes Erbarmen?" - Birgitta von Schweden, Offenbarungen

"Wenn Güte als gut gelten will, wird sie zu Ungutem." - Laotse, Dao-de-dsching, Kapitel 2
"Wer mit Güte nichts erreicht, erreicht auch nichts mit Strenge." - Anton Tschechow, Notizbücher

"Wer seine Liebe andern Dingen zuwendet und nicht die Menschen liebt, der kann nicht gütig genannt werden. Wer seine Liebe andern Geschöpfen nicht zuwendet und nur die Menschen liebt, der kann innerlich noch als gütig bezeichnet werden." - Lü Bu We, Frühling und Herbst des Lü Bu We, S. 382

"Das Alter ermangelt der Güte, wie das trockene Wetter des Taus." - Aus China

"Dankt dem Herrn; denn er ist freundlich, und seine Güte währt ewig." - Psalm 106,1 Luther 1912

"Die nach Bösem trachten, werden in die Irre gehen; die aber auf Gutes bedacht sind, werden Güte und Treue erfahren." - Sprüche 14,22

"Seid gütig zueinander, seid barmherzig, vergebt einander, weil auch Gott euch durch Christus vergeben hat." - Epheser 4,32 EU



„Wahre Religion ist eins. Sie ist die Religion von Wahrheit und Liebe. Sie ist die Religion des Herzens. Sie ist die Religion des Dienens, des Opfers und der Entsagung. Sie ist die Religion von Güte, Liebenswürdigkeit und Toleranz.
Die Wahrheit ist weder hinduistisch noch mohammedanisch, weder buddhistisch, jüdisch, noch christlich!
Die Wahrheit ist eine einzige homogene und ewige Substanz. Der Anhänger der Religion der Wahrheit geht auf dem Pfad des Lichts, des Friedens, der Weisheit, der Kraft und der Wonne.“



Verfasser unbekannt

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Tag der Veröffentlichung: 07.09.2012

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