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Der schönste und schlimmste Tag in meinem Leben



In einem Leben gibt es viele schlimme und sehr viel schöne Tage. Wenn man Glück hat überwiegen die Letzteren, doch abgerechnet wird erst zum Schluss. Wann das allerdings ist, bleibt uns gnädigerweise verborgen.

Interessant und somit auch erzählenswert scheinen nur Superlative, denn hier kommt der beliebte Grusel oder ein himmelhohes Jauchzen und die geneigten Leser fühlen sich gut unterhalten.

Mir fällt es unglaublich schwer nur den einen schreck-
lichsten Tag herauszufiltern, der diese Ansprüche erfüllen könnte, denn es gibt dummerweise ganze Jahre, die ich am Liebsten aus vielerlei Gründen aus meinem Leben streichen möchte und doch gehören sie zu mir, denn sie haben mich nicht nur geprägt, sie haben mir den Stoff geliefert, den ein Autor benötigt, um Dramen zu schreiben, sie haben mich das Grausen vor der Welt und den Menschen gelehrt.

Es gibt wie jeder weiß, den privaten und den beruf-
lichen Bereich und manchmal vermischt sich auch beides, was im Prinzip die Sache noch vertrackter werden lässt, denn man findet noch weniger heraus und entkommt eher selten.

In frühester Kindheit und Jugend vermeinte ich alle Menschen wären gut und die Welt sei schön. Mir war es Dank meiner Eltern vergönnt, lustig und sorgenfrei in den Tag hinein zu leben. Kurz, Illusionen beglei-
teten mich viele Jahre bis ich mein Elternhaus verließ und den „falschen“ Mann kennen lernte. Allen Warnungen zum Trotz tappte ich in eine schmerzhafte Falle, bekam ein Kind und aus war es mit lustig.

Die Menschen waren nicht edel, hilfsbereit und gut, zumindest mein Mann nicht und ich war leider darauf nicht vorbereitet, mir fehlte so schlicht jene Wider-
borstigkeit, die man braucht, um nicht größeren Schaden zu nehmen. Die schlimmsten Jahre meines Lebens, angefüllt mit Demütigungen, Prügel und Tränen, Hoffnungslosigkeit und geistiger Lähmung erlebte ich weit ab von den Menschen, die nur mein Bestes wollten, doch ich war zur Krönung des Unglücks auch noch unvorstellbar stolz, wollte alles ohne Hilfe alleine ausbaden, hatte ich es mir doch auch selber eingebrockt.
So hielt ich aus, bis ich um mein Leben fürchtend eines Nachts mit meinem kleinen Kind die Flucht ergreifen musste. Ich kann das Ganze, das Groteske der Vorkommnisse unmöglich in eine Kurzgeschichte packen, deshalb gibt es an anderer Stelle ein Buch über diese Lebensetappe.

Dem einen Desaster entronnen, bahnte sich ein neues an: die zweite Ehe, die fest verknüpft mit einer unheilvollen beruflichen Entwicklung einherging, die mir die politische und gesellschaftliche Wende bescherte: der Autohaus-Ära. Ich war mit meinem damaligen Mann „stolzer“ Eigentümer von drei Autohäusern in Mecklenburg/Vorpommern. Heute sage ich mit Fug und Recht, die Sache war auf Sand gebaut. Darüber berichtet ebenfalls ein umfangreiches Werk, in dem diese Geschichte in aller Ausführlichkeit geschildert ist.

Nach zwanzig langen Jahren stürzte das Imperium ein. Vorher gab es natürlich auch Höhen aber eigentlich waren das nur Momente, während die Tiefen sich über die Jahre erstreckten. Nicht jeden Tag empfand ich als Horror, doch aus heutiger Sicht betrachte ich diese Zeiten als schlimmen, leider sehr realistischen Traum, als die schrecklichsten und nachhaltig bösesten Tage in meinem Leben, denn sie lassen mich nie wieder los, soviel ist gewiss.
Ich sage „Traum“, weil ich scheinbar im Wahn traumwandelnd, ohne wirklich den Verstand einschal-
tend, funktionierte.
Heute kann ich nur über mich selbst den Kopf schütteln und dennoch passierte das alles in meinem Leben, unter meiner Verantwortung. Keinem kann ich die Schuld geben, ich habe es selber vermurkst. Das ist mir klar. Und ich kann wahrlich nicht behaupten, dass dies ein gutes Gefühl ist. Ganz im Gegenteil!

Zu ändern ist nichts, es ist gelebtes Leben, deshalb habe ich mich aufs Verdrängen verlegt. Wer will sich schon den schäbigen Rest des Lebens mit masochi-
stischen, in Selbstmitleid versinkenden Jahren versauen? Ich nicht.

So habe ich irgendwann beschlossen, endlich aufgewacht, glücklich sein zu wollen, egal mit welchem Rucksack voller schrecklicher Erinnerungen. Und man glaubt es kaum, nach langem Suchen begannen die schönsten Tage und die glücklichsten Jahre meines Lebens und wieder ist ein Mann in Schuld: mein Mann.

Impressum

Bildmaterialien: Deckblattcover Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2012

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