Das Fantastico Sofatorium
Heutzutage ist jeder Haushalt mit ausreichend Sitzmöbel ausgestattet, denn die Menschen wollen es schließlich bequem haben, insbesondere dann, wenn sie müde und ausgelaugt von getaner Arbeit heim-
kehren. Der Handel lässt keine Wünsche offen, alles ist erhältlich, so man über die erforderliche Knete verfügt.
Das war zwar nicht immer so und in vielen Ländern hält man es auch anders mit den Sitz-und Liege-
gewohnheiten aber darauf möchte ich nicht im Detail eingehen, es würde schlicht zu weit führen.
Natürlich waren auch wir ziemlich gut mit einer dunkelbraunen Ledergarnitur ausgerüstet, doch muss ich zugeben, dass meine Gewohnheiten sich genau diesem Sitzmöbel wenig anpassten oder besser: der Dreisitzer stellte sich partout nicht auf meine Belange ein.
Man konnte eigentlich nur auf ihm sitzen, gerne auch zu zweit und genau das geschah allabendlich, bis mich über ein Kleines eine gewisse Müdigkeit überkam.
Kurz ich verspürte regelmäßig den Drang, mich lang zu machen. Mein lieber Mann verzog sich dann verständnisvoll in den Sessel oder auf den Zweisitzer, um mich, nunmehr gekrümmt liegend, meinen Träumen zu überlassen.
Ja, gekrümmt liegend! Das ist gar nicht schön, denn ich möchte mich, wie schon gesagt, lang machen.
Mal abgesehen davon, dass das Leder bereits einige Abnutzungserscheinungen zeigte, was sehr ärgerlich war, doch für mich der springende Punkt: die Bequem-
lichkeit, die dieses Sofa zu bieten imstande war, reichte für mich nicht wirklich. Mein lieber Mann war damit zwar zufrieden aber die Beschädigungen am Leder ärgerten auch ihn. Das heißt, er war hochgradig empört über diesen Umstand. So fassten wir den Entschluss, uns um ein neues Sofa zu bemühen. Auf zu Lederland!
Heutzutage werden Wohnlandschaften, man sagt ja nicht mehr Couchgarnitur, angeboten bis zum Abwinken, doch die Preise ließen mich zumindest zuweilen sehr ins Grübeln verfallen.
Uns belagerten abwechselnd drei Verkäufer, denn sie rochen förmlich den Braten. Der belgische Geschäfts-
führer bot alles, fast Unglaubliches, um uns unseren Favoriten zu verkaufen. Er war sogar bereit unsere alte Ledersitzgruppe unbesehen in Zahlung zu nehmen, was wir bemerkenswert fanden.
Mein Mann ist ein zäher Knochen beim Verhandeln, während ich irgendwie schon ein wenig selig in der künftigen Wohnlandschaft (nicht bloß auf einem schnöden Sofa!) lümmelte und mir Kaffee und Orangensaft bringen ließ. Ich taufte es in Gedanken auf „Helga’s Fantastico Sofatorium“, auf dem wir uns beide, bald nun allabendlich oder für ein Mittags-
schläfchen, ausleben würden.
Um es nicht in die Länge zu ziehen, es kam ein für uns zufriedenstellender Kaufvertrag zustande.
Nun hieß es vom betagten Sitzmöbel im trauten Heim Abschied zu nehmen und sich mental auf das gute neue Riesensofa einzustellen. Dafür war es auch nötig, das Zimmer ein wenig umzuräumen, Bücherregale und das Klavier mussten einen neuen Platz erhalten, kurz es kam Bewegung in die Bude. Die verkaufte Garnitur wurde noch einmal gepflegt, schließlich will man sich ja nicht genieren müssen wegen der Spinnweben an der Rückseite oder etwaiger Rückstände in den Sofaritzen.
Und wie der Teufel es will, ich förderte ein kleines, schon vergilbtes Zettelchen zutage, auf dem Folgendes stand:
Dieses Leder ist Spaltleder
(unterste Schicht, chemisch beschichtet) .
Lederhäute sind von Natur aus dick, weshalb von der Fleischseite eine oder mehrere Schichten der Retikularschicht abgespalten werden. Diese Schichten sind auf beiden Seiten rau und heißen Spaltleder. Rinderhäute sind beispielsweise 5 bis 10 Millimeter stark, so dass mehrere Schichten durch Spalten gewonnen werden können, das Spaltleder. Die untere Schicht ist am wenigsten wert. Sie hat den geringsten inneren Zusammenhalt, da die Dichte und Verfilzung der Eiweißfasern nach unten, zur Fleischseite hin, abnimmt. Die höchste Festigkeit hat der sogenannte Narbenspalt – die oberste Schicht, die die glatte Leder-Oberseite – den Narben – enthält. Narbenleder kann auf der Narbenseite zu Nappa veredelt werden. Wird die Fleischseite geschliffen, kann es auch zu Rauleder zugerichtet werden.
Diese Information wurde beim Kauf des Leder-
sitzmöbels nicht gegeben. Der Hinweis dazu war in der Sofaritze gut versteckt. Nicht so gut gelaufen für uns, auch wenn die Sonne es an den Tag brachte. Dummheit schützt vor Strafe nicht.
Doch diesmal, diesmal waren wir viel schlauer. Wir achteten auf Qualität. Schaun wir mal, ob sie auch hält, was sie verspricht. Dieses Leder soll nun ein Leben lang und mehr erfreuen. Wir werden es merken. Wir werden allerdings und ganz bestimmt sehr alt und hoffen, dass unser Fantastico Sofatorium uns nicht enttäuscht.
Nachtrag:
Kleiner Ausflug bezüglich Sofas
(Plural Sofas, von arabisch, Ruhebank, auch Couch (englisch), Kanapee (von franz. canapé, von lat. conopeum „Himmelbett“, oder Diwan (von persisch dīwān, eigentlich „Kanzlei, Amt, Büro“, zugeordnetes arabisches Verb dawwana „aufzeichnen, eintragen, registrieren“), regional auch Bettbank genannt, ist ein mehrsitziges gepolstertes Sitz- und Liegemöbel, das sich auch für den kurzen Mittagsschlaf eignet.
Das Fremdwort Sofa ging erst Ende des 17. Jahrhunderts in den deutschen Sprachgebrauch über. Das orientalische Fremdwort diwan für Sitzmöbel, wie man sie in orientalischen Amtsstuben findet, wurde vor allem im 19. und 20. Jahrhundert verwendet.
Sofas existieren in zahlreichen Varianten. Das so genannte Ostfriesensofa ist ein Tisch- oder Küchensofa mit seitlich abklappbaren Armlehnen. Weitere Bauarten sind die Ottomane, die Chaiselongue, die Récamière und das ausziehbare oder ausklappbare Sofa, dessen Liegefläche sich durch einen einfachen Mechanismus zum bequemen Schlafplatz vergrößern lässt. Diese Bauart wird nach ihrer Funktion Schlafsofa genannt und ist beliebt, da sie platzsparend ist.
Ein Sofa ist in privaten Wohnzimmern, in der Flughafen-Lounge, in Kneipen sowie auch beim Psychologen und Psychotherapeuten zu finden. Dort sorgt es im Sprechzimmer für eine entspannte Atmosphäre und schafft damit gute Voraussetzungen für die Psychoanalyse. „Auf der Couch“ oder „ein Fall für die Couch sein“ wird abwertend sprichwörtlich als Synonym für "reif für die Psychotherapie" benutzt.
Bekannt geworden ist das Loriot-Sofa, ein grünes Biedermeier-Sofa. Auf diesem pflegte der Humorist und Künstler Vicco von Bülow seine Sketche zu präsentieren. Seine Vorliebe für dieses Möbelstück übertrug von Bülow in die Trickfilme Wum und Wendelin.
Tag der Veröffentlichung: 26.04.2012
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