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Erhaben




Moni bewundert Menschen, die erhaben über Etwas sein können. Sie scheinen so gelassen und unaufgeregt einfach über den Dingen zu stehen und sehen so, was am Besten zu tun ist.
Aber sind die Erhabenen wirklich erhaben oder tun sie nur so, haben lediglich ihr Auftreten im Griff, verlieren die Selbstbeherrschung nicht? Das wäre gut. Die Menschen sollten erhabener werden.
Moni überlegt, dass die Erhabenheit auch nur deshalb so wirkt, weil die Menschen einen gehörigen Abstand zu wahren verstehen, so wie die Natur oder der Himmel nur Erhabenheit vermitteln kann, durch Größe und Abstand.

Eine gewisse Unnahbarkeit, was ihre Person anbetrifft, scheint damit einherzugehen. So bleiben sie fremd aber stets gut respektiert und geachtet. Kleinkariertes Gezänk ist ihnen zuwider. Sie sehen das große Ganze, ohne ein Gespür für das Kleine zu verlieren. Moni findet das immer noch wundervoll und möchte auch gerne erhaben sein.

Ja, sie m ö c h t e, doch danach scheint es nicht zu gehen. Moni kann nicht immer so sein, wie m a n möchte, nicht einmal wie s i e es möchte, sie kann allenfalls daran arbeiten, wenn sie nicht ganz borniert ist. Moni hält sich nicht für ganz borniert.
Die Frage, ob sie an sich arbeiten will, muss auch gestellt werden. Sie will.
Dazu ist es aber dringend nötig, das man über eine gewisse Selbsterkenntnis verfügt, denkt Moni laut. Schwierig, schwierig! Und weiß jetzt wieder nicht, ob sie genügend davon hat.
Manchmal weiß man nicht, woher man diese so schnell hernehmen soll, wenn ein wichtiges Schräubchen locker ist, also jetzt nicht zu vergleichen mit einer Meise, die ja schlicht in einigen Köpfen tickt. In Monis Birne auch dann und wann! Manchmal kommen aber andere und helfen nach. Dann beginnt der Ernst der Sache.
Sie kommen mit ganz unterschiedlichen Werkzeugen! Die einen glauben an den groben Keil, der in einen groben Klotz getrieben werden muss, ohne zu begreifen, dass der grobe Klotz gar keiner ist. Die anderen feilen herum und bemerken nicht, dass man so keine Schrauben festdrehen kann, ja sie nicht einmal erreicht. Manche heben forsch den Holzhammer hoch und hauen drauf. Die lockere Schraube verliert an Bedeutung, die zart keimende Selbsterkenntnis ist zu nicht definierbarem Erkenntnisbrei geworden. Ja, so kann es kommen und dabei meint man es doch nur gut. Gut gemeint aber dumm gelaufen!

Moni seufzt. Sie glaubt, dass man so keinesfalls zur Erhabenheit gelangt. Vermutlich gelingt das gar nicht. Man muss es wohl auch mit der Muttermilch eingesogen haben, was allerdings gewiss nicht sofort zu einer erstrebenswerten Erhabenheit führt, obwohl Babies über alles erhaben zu sein scheinen. Sie tun das, was zum Erfolg führt. Das Richtige: sie schreien. Hört sich wenig erhaben an, findet Moni.
Das Erhabene „verschafft uns einen Ausgang aus der sinnlichen Welt“ und sei gleichzeitig „ein gemischtes Gefühl. Es ist eine Zusammensetzung von Wehsein... und von Frohsein...“ meint Schiller.
Klingt zwar gut, denkt Moni aber damit ist nicht beschrieben wie sich diese Erhabenheit, in ihr angekommen, anfühlen würde. Fühlt man sich damit nun gut oder eher ausgegrenzt und damit einsam? Was nützt es erhaben zu sein, wenn man sich einsam fühlt? Muss man vielleicht gerade nicht erhaben sein, um sich nicht einsam zu fühlen?
Jetzt wird es kompliziert und Moni ist sich nicht mehr ganz sicher, ob sie immer noch unbedingt auch erhaben sein möchte.

So macht sie einfach weiter, ohne eine Spur von Erhabenheit aber ohne sich zu verlieren. Das wäre das Schlimmste. Man wäre ja weg und ob man gefunden wird, bliebe reichlich ungewiss. Am Ende würde sich die gute Moni selber nicht mehr finden, was der blanke Horror wäre, zumindest für sie selber. Nein, das will sie nicht.
Sie reißt den guten Adorno noch ein wenig aus dem Zusammenhang, weil’s gerade so passt:

»Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder! Darin tritt das Ich, geistig, aus der Gefangenschaft in sich selbst heraus.“ meint Adorno

Ein bisschen Weinen, schadet nicht aber nur wäre schädlich, denkt Moni noch und lässt es nun wirklich genug sein über Erhabenes nachzudenken.

Impressum

Bildmaterialien: Helga Siebecke
Tag der Veröffentlichung: 09.03.2012

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