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Der Chef ist nervös. Er braucht Erfolge und Einnahmen. Er möchte ganz groß raus kommen, die oberen Zehntausend bedienen können als „Gärtner von Eden“, was eine besondere Stellung ist in der Branche. Sie kostet, man muss Auflagen erfüllen, hat hohe Aufwendungen für die Werbung. Dr.Gartenmeier ist ehrgeizig. Er möchte es allen zeigen. Seine Strategie muss durchgepeitscht werden. Für die Buchhalterei und den Querelen seine Frau hat er eigentlich absolut keine Zeit. Er will Sümmchen nicht rausekeln. Er will, dass alles ohne Probleme flutscht. Alle sollen funktionieren wie Maschinen und zwar nach seiner Einstellung.

Was seine Buchhalterin anbetrifft und die bescheuerte Haltung seiner Frau in dieser Sache, fühlte er sich nur bedrängt, abgelenkt von seinen Zielen. Dieses Gebiet war ihm lästig. Eine neue Frau einzuarbeiten, würde wieder Zeit beanspruchen, das passte ihm jetzt schon gar nicht. Die Bauleiter wurden auch immer frecher. Seine Frau war ein Hindernis geworden. Er lebte mit ihr innerlich auf Kriegsfuß. Sie blamierte ihn, zumindest versuchte sie das immer wieder.

Da findet jährlich eine Abschlussberatung statt, an der alle Gesellschafter und Geschäftsführer des Firmenverbundes, die leitenden angestellten Mitarbeiter, der Steuerberater und die Verbandsführung der Gartenbaubetriebe, auch die Banken und Versicherungen teilnahmen. Ein ganz großer Bahnhof also. Frau Gartenmeier glaubte sich in den Vordergrund schieben zu müssen, sie wollte Kund tun, dass sie noch da sei, trotz Tumor und maßregelte vor allen Leuten ihren Mann in gemeinster Art und Weise, stempelte ihn zum Deppen.

Was sollte er tun? Sich auf ein Wortgefecht mit seiner Frau einlassen, deren Stimme sich schon so überschlug? Das war alles so peinlich. Er hasste in dem Moment sein Weib, welches er auf seinen eigenen Händen mit Schmerzen, denn er litt an einer Ellenbogen-Arthrose, in ihre Kirche trug. Alle Kirchenstufen hinauf1! Sie dankte es ihm nicht. Sie drangsalierte ihn umso mehr. Er wünschte, dass bald ihre Leiden und damit die seinen ein Ende finden würden. Er betete zu seinem Gott dafür. Der Herr möge ihm seine innersten, frevelhaften Gedanken verzeihen. Er würde dafür Buße tun und sie wieder und wieder tragen. Bis es nicht mehr ginge.

Jeder wusste, dass der Chef eigentlich ein ganz armes Würstchen war. Keiner würde mit ihm tauschen wollen. Dennoch verhielt er sich stets so, dass er das leiseste Anzeichen von Mitgefühl mit dem Hintern auslöschte. Er hatte die unglaubliche Gabe, genau das Falsche zu tun. Er war ein Meister der Menschenverachtung, ohne es zu merken. Er schadete sich selber und vermeinte damit nur Gutes zu tun. Ein Mensch, der von Selbsterkennung nicht den blassesten Schimmer hatte. Er hoffte mit frommer Beweihräucherung Erfolge zu erzielen, deshalb durften auch die Heiligen drei Könige Weihräuchern, bis man fast daran erstickte. Er öffnete Sabine Sümmchens Bürotür und schickte die Knaben mit ihren rauchenden Gefäßen herein:
„Gell, Frau Sümmchen dieser Brauch ist ihnen fremd.“
Und die Bengels räucherten und schwangen die Behälter nach Herzenslust. Sümmchen saß wie versteinert bis der Spuk verschwand und riss die Fenster auf. Man konnte kaum die Hand vor den Augen sehen. Der Chef ließ in sämtlichen Räumen räuchern. Sabine Sümmchen rannte aus dem Gebäude zum Schein mit einem Schnellhefter unter dem Arm, um sich im Blumengeschäft vielleicht ein wenig aufzuhalten. Doch dort hatte er leider auch schon stänkern lassen. Die Floristinnen verdrehten die Augen und hatten die Ladentüren weit geöffnet. „Der verjagt uns die ganzen Kunden“, stöhnten sie. Sümmchen ging also betont langsam wieder zurück.

„Ob er damit den Teufel und die bösen Geister fernhalten oder verjagen kann?“ dachte Sümmchen zweifelnd. Jedenfalls für ein Viertelstündchen flüchtete erst einmal alles, was eine Nase hat. Der Rauch zog nach oben und so allmählich kamen die Mitarbeiter nach unten in die Teeküche, um dem Schlimmsten zu entgehen. Doch hier war auch geräuchert worden. Die Toiletten waren besetzt. Der eine oder andere hatte draußen am Auto etwas zu tun. Die großen Oberlichter wurden geöffnet. Allmählich verzog sich alles und jeder ging wieder seiner Arbeit nach.

Das Haus war ausgekühlt. Na und! Der Chef hat was fürs Betriebsklima getan. Der Gute. Befriedigt schaute er drein, irgendwie verklärt, unser Gartenführer. Er ging nun in die Küche und nahm eine Untertasse aus dem Schrank, um der Hauskatze ihre Milch zu geben. Er war ein Tierfreund. Doch auch dies nahmen ihm die Leute übel, denn er verwendete das Geschirr der Mitarbeiter als Katzenfressnapf.
„Sagen sie mal ihrem Chef, dass er nicht immer unsere Teller der Katze hinstellen soll, Frau Sümmchen. Das ist doch unhygienisch. Er kann doch einen Tiernapf kaufen.“
Sabine sagte dann trocken:
„Ihr habt recht, er ist in seinem Büro. Geht hin und beschwert euch selber.“

Sie hatte ihre private Henkeltasse und nahm niemals das allgemeine Geschirr. Das war natürlich frech, denn der Schwager von oben, der große Chef, hatte jegliche Privattassen untersagt. Privates gehöre nicht in die Firma. Nächstens bringe noch jeder seine Kochtöpfe mit, meinte er. Wehret den Anfängen! Sabine verwendete trotzdem frech ihre Lieblingshenkeltasse.

Den Kerl hatte sie sowieso genascht. Sie stand damit nicht alleine da. Wenn sie nur an die Briefmarkenarie dachte, dann wurde ihr schon übel. Aber dies Problem war nun zum Glück aus der Welt. Der Dr. Gartenmeier hatte bei ihr nämlich ein Programm installieren lassen, welches das Frankieren per Computer ermöglichte. Damit war alles geregelt. Sie musste nicht mehr des Feindes Frankiermaschine benutzen. Wie wundervoll! Allerdings hatte Sümmchen nun noch weniger Kontakt zu den anderen Mitarbeitern im Hause, denn sie konnte ja ab sofort alles von ihrem Arbeitsplatz aus erledigen.

Man traf sich nur noch hin und wieder in der Teeküche oder wenn am Abend allgemeiner Aufbruch in den Feierabend war. Dann sah jeder zu, so schnell wie möglich weg zu kommen, an Gespräche war da natürlich nicht zu denken. Es kam aber vor, dass wenn die Chefs außer Haus waren, dass der eine oder andere sich einmal bei Sümmchen kurz bei einem kleinen Schwatz erholen wollte. Das war aber selten. Eher die Ausnahme. Ein jeder hatte Angst erwischt zu werden oder, dass andere Mitarbeiter etwas sagen würden. Das Misstrauen war groß geworden. Es wurde ja auch geschürt und gepflegt, ein besonderes Anliegen der sauberen Geschäftsführung.

Sümmchens Gartenführer hatte es aber auch mit den Briefmarken. Er achtete auf korrekte Frankierung und stritt dafür. Schriftlich, versteht sich. Irgendwie war er der Meinung, dass DIN A5 Briefe das gleiche Porto wie ein normaler Brief kosten würden. Immer wieder ermahnte er mit großen Ausrufezeichen, richtig zu frankieren. Bis Sabine Sümmchen den Kanal voll hatte von dem Kram und ihm die Bestimmungen der Post mit roter Markierung und einen Beispielsbrief in die Mappe legte. So wie sie es von Frau Gartenmeier lernte: idiotensichere Hinweise für Kindergartenkinder. Die Sache kam in der Mappe zurück mit dem Vermerk: OK. Aber bitte die normalen Briefe auslasten, wenn es geht keine DIN A5 Umschläge verwenden. Kostet zu viel!!!
„Der hat den Arsch offen!“ dachte Sabine. Seine bescheuerte Frau hatte ihr einmal vorgeführt, wie eine ordentliche Rechnung, die oft aus mehreren Seiten bestand, zu versenden sei. Nämlich sauber gefaltet in einem DIN A 5 oder DIN A 4 Umschlag.

„Was wollen die eigentlich von mir, man kann es keinem Recht machen und allen beiden schon gar nicht.“
Sabine Sümmchen machte seelenruhig ihre Arbeit so, wie sie es für richtig hielt. Das schien die einzige Möglichkeit. Es war ihr allmählich einfach zu dumm, wegen dieser Kleinigkeiten zu streiten. Aber der Gartenmeier forderte es immer wieder heraus. Es war nicht nachzuvollziehen. Er hatte doch so viel anderes zu tun. Er musste in seinem Herzen und nicht nur dort, eigentlich mit Haut und Haaren ein fast bedauernswerter Kleingeist sein. Ein krankhaft ehrgeiziger Krümelkacker und Erbsenzähler. So nannte man ihn auch heimlich. Erbsenzähler!

Er wusste immer alles besser und hatte immer das letzte Wort. Nun ja, das musste er wohl auch als Chef. Er konnte nicht anders, er musste es einfach. Vermutlich glaubte er, dass seine Autorität leiden könnte, wenn er es nicht hätte. Eines Montags früh betrat Sabine Sümmchen mehr oder weniger gut gelaunt ihr Büro, sagen wir einmal, ihre Laune hielt sich in Grenzen. In engen Grenzen. Sie musste feststellen, dass übers Wochenende Menschen in ihrem Büro tätig waren, denn sie besaß nun einen neuen Computer, einen leistungsfähigeren. Auf einem Blatt Papier stand:
„Herr Liebner hat alles neu installiert. Jetzt können sie schneller arbeiten.“

Na toll! Sie startete und versuchte in eines ihrer Arbeitsprogramme hinein zu kommen. Es war nicht möglich. Also die Kiste wieder ausschalten und noch einmal hochfahren. Es ging nicht. Sie hörte nebenan Geräusche und erlaubte sich anzurufen.
„Der Computer geht nicht!“
Der Chef kam herum und meinte, dass sie doch runterfahren solle und dann wieder hoch, dann würde alles funktionieren, schließlich hätte man am Samstag einen Testlauf gemacht.

Nein, nichts ging. Darauf wäre sie auch schon gekommen. Sümmchen war sehr ärgerlich, warum hatte man sie nicht einbezogen? Sie hatte Termine. Sie erhielt den Auftrag den Computerfritzen herbei zu rufen, einen Freund seines Sohnes. Der verdiente sich damit nebenbei ein wenig Geld. Eine offizielle Firma wäre zu teuer, meinte der Chef.
„Das darf aber niemand wissen, Frau Sümmchen“, sagte er fast flüsternd. Ja, ja, meinte Sümmchen nur, Hauptsache der PC würde wieder flott. Der Computermensch kam an und fummelte ewig lange herum, brachte nichts zustande und meinte, die Kiste müsse er mitnehmen, um es zu Hause zu richten. Der Chef muss den PC nicht ordentlich heruntergefahren haben vor dem Ausschalten, daran könne es liegen.
„Na, prima“, schimpfte Sümmchen. „Dann kann ich ja heute nach Hause gehen. Sind sie doch so nett und gehen rüber zum Chef, um ihm zu sagen, was Sache ist und was sie jetzt vorhaben.“

„Klar doch“, Liebner ging aus dem Zimmer. Sümmchen erledigte noch ein wenig Zeug, doch ohne Computer war sie im Prinzip arbeitslos. Der Gartenmeier kam etwas zerknirscht ins Zimmer und sagte nur, dass Sümmchen den Tag einmal ausnahmsweise blau machen dürfe, wenn alles andere erledigt sei. Morgen wäre alles wieder arbeitsbereit. Das war doch super. Sümmchen fuhr am Montagvormittag wieder heim. Dennoch hoffte sie sehr, dass alles wieder flott sein würde, denn die Termine drängten. Sie hatte keine Lust wegen ihres dämlichen Chefs hektisch arbeiten zu müssen. Sie wollte ihr Arbeitstempo schon selber bestimmen.

Er machte also auch Fehler und zwar dicke, dieses unfehlbare, selbstherrliche Scheusal. Am nächsten Morgen war tatsächlich das Maschinchen wieder flott. Sabine Sümmchen musste sich sputen, der Tag fehlte. Doch eines war wieder komisch: wenn sie das Licht ausschaltete, ging der Computer aus. Zum Glück hatte sie nicht am Tage als der PC noch lief, das Bedürfnis gehabt das Licht zwischendurch auszuschalten, sonst wäre womöglich wieder ein Malheur passiert. Sie fragte zum Feierabend noch schnell Paul, was der davon halten würde. Doch der meinte, er hätte von tiefgründigen Computersachen auch keine Ahnung. Im Übrigen würde er selber todunglücklich sein. Er hätte andauernd Virenmeldungen und käme nicht vom Fleck.

FORTSETZUNG FOLGT

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Tag der Veröffentlichung: 07.12.2011

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