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Sie saß mit dem Rücken zur Tür. Das war so angeordnet. Seit ewigen Zeiten. Der Chef, falls er einmal das Bedürfnis eines Kontrollganges verspür-
te, andere Bedürfnisse schienen ihm fremd, wollte sehen, was sich auf dem Bildschirm abspielte, mit einem Blick erfassen, was auf dem Schreibtisch ausgebreitet war. Das war ihm wichtig. Bienenfleiß und sichtbare Ordnung, die unabdingbare Tugend einer Buchhalterin, neben Gewissenhaftigkeit, Pünktlichkeit und Verlässlichkeit…keine Fehler, keine Schlamperei, keine Diskussion. Ausführen! Es muss stimmen. Punkt.

So saß Biene Sümmchen ständig mit der Tür und dem Chef im Rücken, brütend über Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kontoauszügen und Stundenabrechnungen der Arbeiter, zwischen Ordnern und Akten, die in Reih und Glied sauber etikettiert, nach Jahren geordnet in den weißen Schränken standen, wie Soldaten vor dem Gefecht: bei Bedarf immer bereit. Der Chef entnahm sich mitunter, stumm hinter ihr stehend, einen Ordner und wehe er stand nicht an seinem Platz, dann verzog er säuerlich das Gesicht, aber das sah Biene Sümmchen nicht, denn wenn der Chef im Zimmer war, drehte sie sich ganz gewiss nicht um. Sie ignorierte seine Anwesenheit und buchte ungerührt weiter. Wozu sollte sie sich auch umdrehen. Man sprach sowieso nicht miteinander. Kein Wort. Dennoch fühlte Biene Sümmchen sich immer ein wenig unwohl in ihrer Haut und atmete erleichtert auf, wenn der Chef das Zimmer wieder verlassen hatte.

Dieser Mann war rein äußerlich ein Schatten seiner selbst: asketisch hager, bleich, das Haar preußisch akkurat gestutzt, helle durchdringende Augen, randlose Brille, ein Akademiker im Garten-und Landschaftsbau. Warum nicht? Er war der geborene Gartenführer. Früher hatte er noch Träume, er liebte die Pflanzen, die Natur und die Gärten Italiens. Er heiratete nun in eine traditionsreiche Familie im erzkatholischen Bayern ein, die sich mit nichts anderem befasste, als dem Gartenbau. Das war viel versprechend Die Familie bedeutete ihm alles. Die Familie hatte Geld und Macht, die Schwiegereltern und seine Frau hatten somit das Sagen. Ein jeder musste sich fügen. Das war Gesetz. Man duldete keinen Widerspruch von Niemandem. Wenn ja, dann trennte man sich einfach und schnell von diesen vorlauten, frechen Leuten, dem undankbaren Gesocks. Es gab immer ausreichend Nachschub an interessierten und fügsameren Personal. Man musste sie einfach nur klein halten, dann geht es, dann spuren alle.

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Tag der Veröffentlichung: 18.11.2011

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