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Moni und der Wettbewerb



Moni fühlt sich manchmal ein wenig erschlagen. Das geht wohl jedem so, der sich bemüht, sich da rauszuhalten. Ob so oder so, keiner kann sich ihm entziehen: dem Wettbewerb. Eigentlich ist sie mit ihrer Betrachtung über denselben schon mit dieser einfachen Feststellung am Ende. Der Wettbewerb ist allgegenwärtig, er ist ein Riesenthema. Schon immer. Inhalte und Bewertungen ändern sich.

„Wettbewerb bezeichnet in der Wirtschaftswissenschaft das Streben von mindestens zwei Akteuren (Wirtschaftssubjekten) nach einem Ziel, wobei der höhere Zielerreichungsgrad eines Akteurs einen niedrigeren Zielerreichungsgrad des anderen bedingt.“



Das hört sich plausibel an, auch einfach. Warum sich Moni deshalb zuweilen aufregt und sie sich sogar „erschlagen“ fühlt, ist damit nicht geklärt.
Logisch ist, dass ohne Wettbewerb, kaum eine Wirtschaft funktioniert. Alle Beteiligten brauchen Motivation, um zu agieren. Im Sozialismus gab es nur einen Scheinwettbewerb: den sozialistischen Wettbewerb, den friedlichen Wettstreit der Eigentümer der Produktionsmittel. Das Ganze eigentlich nur eine Lachnummer, die unter anderem auch reichlich ruinöse Aspekte auf den Plan gerufen hat. Die Idee war gut, die Umsetzung hat nicht geklappt. Die Menschen sind noch lange nicht so weit in ihren Köpfen.
Moni hebt die Schultern. Der sozialistische Wettbewerb hat sie nicht erschlagen, er hat die Menschen nicht hinter dem Ofen hervorgelockt. Er erwies sich lediglich als kontraproduktiv. Friede seiner Asche.

Die Menschen streben nach Freiheit, nach Wohlstand, nach Selbstbestimmung. Sie wollen sich im fairen Wettkampf messen und zeigen, was sie drauf haben, chancengleich versteht sich. Sie wünschen sich dabei klare, also durchschaubare und verständliche Regeln. Ihr Wunsch in Gottes Gehörgang, sofern er einen hat, denkt Moni und denkt an die Zeit Danach, die Zeit nach der Wende in Deutschland. Der Wettbewerb hat ein gänzlich anderes Gesicht erhalten und sich so peu á peu zur tödlichen Fratze entwickelt. Er wirkt irgendwann demoralisierend. Irgendein Klugscheißer wird jetzt vermutlich sagen, dass die ehemaligen Ossis, einfach zu dämlich, zu gutgläubig, zu unerfahren für diese Härten sind und vermutlich ist auch etwas dran aber Moni weiß, dass auch die cleveren Altwessis reihenweise Pleite gehen und zum Teil sogar unter Brücken landen. Sie hätten es doch wissen müssen.

Was also ist los mit dem Wettbewerb, der in der Tat Menschen erschlägt und sie zu Bestien werden lässt?

„Niklas Luhmann sieht den Nutzen wirtschaftlicher Konkurrenz darin, dass sie Risiken strukturieren könne. Wenn ein komplexes System der Wirtschaft Intransparenz und Risiken erzeuge und ein Mangel an Informationen, mit dieser Situation rational zurechtzukommen, dann bliebe die Beobachtung von Konkurrenten als praktikable Möglichkeit, mit Risiken umzugehen.“



Diese These ist dort, wo Konkurrenz nur zwischen wenigen Marktteilnehmern stattfindet, auch eine Warnung. Denn ist die Konkurrenz nicht divers genug, besteht die Gefahr, dass die Strategien der Konkurrenten sich ähneln. Ein aktuelles Beispiel sind Banker, die Massenentlassungen bei bereits sehr hohen Profiten mit den noch höheren Profiten von Mitbewerbern rechtfertigen, die ähnlich denken.
Soviel zur Wettbewerbssituation in der Wirtschaft.
Ein krasses und hinsichtlich der tödlichen Konsequenzen nicht nur anekdotisches Beispiel für ein Versagen von Konkurrenz bei fehlender Diversität sind Spiele, bei denen zwei Wettbewerber mit ihren Autos auf eine Klippe zurasen. Wer zuerst bremst, verliert.

„Gute Nacht Wettbewerb“, denkt Moni.
Es herrscht also Rivalität.
Der Ausdruck Rivalität (aus dem französ.; dort vom lat. rivalis = „an der Nutzung eines Wasserlaufes mitberechtigter Nachbar“) bedeutet Nebenbuhlerschaft beziehungsweise Kampf um die Vorherrschaft. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist die Rivalität eine spezielle Form der Konkurrenz. Es gibt sie in allen Lebensbereichen. Jeder weiß das und Moni bezweifelt, dass es hier um durchweg positive Geschehnisse geht. Man steht sich wie kampfhahnähnlich gegenüber und geht aufeinander los, mit Worten, mit Fäusten, mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Fairnis? Fehlanzeige.
Der Begriff wird auch für traditionelle Städtefeindschaften wie etwa zwischen Düsseldorf und Köln oder zwischen Mainz und Wiesbaden verwendet, die heutzutage meist folkloristisch-verbal ausgetragen werden. Unter Fußballvereinen bzw. deren Anhängerschaften gibt es ähnliche Abneigungsbeziehungen, das Gegenteil einer Fanfreundschaft.
Wenn Lebewesen in der Natur die gleichen begrenzten Ressourcen nutzen, stehen sie zueinander in Konkurrenz. Dieser Wettbewerb führt seinerseits zu einer Rivalität zwischen den Lebewesen. Der Stärkere gewinnt. Um Moral geht es dabei nicht, nur um das Überleben.
Moni war immer der Auffassung, dass die menschliche Gesellschaft weiter entwickelt sein müsste. Oft kommen ihr Zweifel, wenn sie bemerkt wie mit den Armen und Schwachen der Gesellschaft umgegangen wird. Wer die Ellenbogen nicht ausfahren kann, der hat das Nachsehen. So ist das.

Sie liest nach, was die alten Stoiker zu diesem Problem „Wettbewerb“ zu sagen hatten, (der eine oder andere mag das schon irgendwo gelesen haben):

„Obwohl viele griechische Philosophen gerne mal eins über den Durst tranken (und mancher heute als Päderast eingesperrt würde), war offensichtlich keiner derart verblödet, Wettbewerb als Grundlage von Gesellschaft und Wirtschaft zu postulieren. Wettbewerb war zwar immer vorhanden, wurde in Olympia als Show präsentiert und genossen, aber offenbar doch als das aufgefasst was es ist: als Mühsal, die ausreichend auf einen zukommt, ohne dass man ihr gleich noch nachrennen müsste. Um eine derart hirnspinstige Ansicht durchzusetzen brauchte es die Protestanten, die den Wettbewerb unter Menschen gleich noch in einen Wettbewerb um die Gunst und das Wohlgefallen Gottes verwandelten. Diese, obwohl weder Trinker noch Päderasten, waren nun verblödet genug, dass sie nicht merkten, dass sie mit dem Prinzip Wettbewerb um Gottes Gunst gleich das ganze christliche Fundament von Liebe und Vergebung unterminiert hatten."



„Wikipedia hält Autoren mit Wettbewerb bei Stange!“ erfährt Moni und lächelt, denn der Trick ist wahrlich nicht neu. Im Forum von BookRix gibt es Wettbewerbe wie Sand am Meer. Wer sich raushält, steht ein wenig am Rande, schont allerdings auch einige Nerven, weil bedauerlicherweise ehrgeizige Teilnehmer, verbissen um Regeln, um Gerechtigkeit, um den Sieg fechten und zuweilen über das Ziel hinausschießend andere Wettbewerbler in den Magen boxen. Es ist ein sich ständig wiederholender Vorgang.
Moni fragt sich, warum es nicht ohne Wettbewerbe funktioniert. Warum schreiben die Autoren nicht einfach ihre Geschichten und diskutieren darüber, gänzlich ohne den Wettbewerbsdruck? Haben sie keine Themen, brauchen sie die Peitsche, möchten sie den Siegerpodest? Themenanregungen könnte man auch ohne die Ausschreibung von Wettbewerben vorgeben, denkt Moni. Wer will die trägen Leute aufeinanderjagen und warum? Warum sind sie überhaupt so phlegmatisch? Und sind sie es überhaupt?

Moni kommt zu dem Schluss, dass Wettbewerbe umstritten bleiben und oftmals mehr einreißen als aufbauen.
Gleichwohl, der Wettbewerbswillen liegt in der menschlichen Natur. Auch wenn keine Notwendigkeit dafür besteht, läuft er wie von alleine ab und beschäftigt die Gemüter. Vielleicht liegt gerade hier des Pudels Kern. Er beschäftigt die Gemüter! Hier landet Moni wieder bei den Stoikern, sie waren in der Lage, den Wettbewerb als Show zu genießen. Wohl dem, der das kann.

Moni geht grinsend in stoischer Ruhe ihren wettbewerbslosen Weg und fühlt sich gleich besser. Kein Wettbewerb soll sie je erschlagen können. Ob sie es schafft, steht natürlich auf einem anderen Blatt.


Die heutigen gesellschaftlichen Ideale kommen in
abstrakten Begriffen wie „Effizienz“, „Exzellenz“, „Leistung“,„Markt“, „Wettbewerbsfähigkeit“, „Innovation“ oder „Wachstum“ zum Ausdruck und in unzähligen Wettbewerben versuchen wir uns gegenseitig mit diesen zu übertrumpfen. Immer noch effizienter, noch exzellenter, und noch innovativer muss man werden, auch wenn man in Wirklichkeit gar nicht so genau weiß, warum und wozu. Ein "anständiger" Bürger fragt nicht weiter, warum es immer mehr Wettbewerb oder mehr Wachstum braucht.

Mit missionarischem Eifer werden überall
Leistungsanreize gesetzt, doch was dabei als Leistung herauskommt,ist in Wirklichkeit ein gigantischer Unsinn.
Ein neues Gespenst geht also um in Europa. Es ist das Gespenst des künstlichen Wettbewerbs, welches sich zu einer Ideologie entwickelt hat, in die wir uns verrannt haben.

Zum Schluss ein kleines etwas älteres Beispiel:

Während der Kolonialzeit hatten die Franzosen in Hanoi (Vietnam) mit einer Rattenplage zu kämpfen. Um deren Zahl zu reduzieren, beschlossen sie, den Bewohnern von Hanoi für jeden abgelieferten Rattenpelz eine Prämie zu bezahlen. Das Resultat dieses künstlich inszenierten Wettbewerbs: Die Bewohner von Hanoi begannen damit, Ratten zu züchten, was die Rattenplage wesentlich verschlimmerte.



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Tag der Veröffentlichung: 19.07.2011

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